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Die schönsten Märchen

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Der listige Rabe

Der Adler, welcher zu dem am Boden scheinbar elend daliegenden Raben flog, fragte nun diesen alsbald: »Wer bist du? Wie kommst du hierher? Und wohin sind deine Brüder gezogen?«

Mit matter Stimme antwortete der Rabe: »Was quälst du mich mit Fragen? Siehst du nicht meinen elenden Zustand? Laß mich ruhig liegen und sterben! Ich vermag dir nichts zu sagen, könnte ich aber ein Wort mit deinem Könige reden, so würde ihm daraus kein Schade entspringen.« Da rief der Adler den Adlerkönig herbei, und als der letztere den Raben erblickte, sprach er: »Diesen kenne ich wohl! Er ist des Rabenkönigs vertrauter Geheimrat und ein Abkömmling jenes elenden Schwätzers, der meinen Ahnherrn um die allgemeine Reichskrone des gesamten Geflügels brachte. Mich wundert äußerst, daß wir ihn in solcher Lage finden.«

Darauf fragte der Aarenkönig den alten Raben: »Was hat denn dich in solche Widerwärtigkeit gebracht?«

»Ach, großmächtiger Herr und König!« antwortete der Rabe. »Böser Rat und närrisches Verständnis!«

»Wieso?« fragten die Adler.

Und jener antwortete: »Nachdem ihr den Raben also tatet, wie ihr getan, und viele getötet, berief unser König seinen geheimen Rat und fragte uns, seine Ratgeber, ob er wider euch streiten solle. Da sprach ich: ›Mich bedünket mitnichten, gegen die edlen Aaren zu streiten, denn sie sind mächtiger als wir und frischeren Herzens. Mein Rat ist, uns mit ihnen zu vertragen, Ruhe und Frieden zu halten, ihnen vielmehr, statt ihnen uns widerspenstig zu zeigen, einen jährlichen Tribut zu entrichten, in ihren Schutz uns zu begeben‹ — da kam ich aber sehr übel an, denn alle anderen Räte rieten unserem Könige, gegen euch zu streiten und zu kämpfen auf Tod und Leben, es falle wohl oder übel aus. Ich blieb dagegen fest auf meiner Meinung und rief: ›Niemand wird leichter von seines Feindes Hand erlöset, als wer sich ihm unterwürfig macht. Sehet die Saat auf dem Felde und die Halme der Wiesengräser, wie sie sich beugen vor dem Winde. Dem hohen und harten Baum bricht der Wind die Krone ab, weil der Baum sich bedünken läßt, er dürfe nicht weichen und wanken, aber das schlanke schwache Rohr bleibt ungebrochen, weil es Demut gelernt hat. Demut schützt vor Wehmut!‹ Als ich so redete, schrien alle, die mich hörten: ›Du bist ein treuloser Ratgeber! Du hältst zur Schar unserer Feinde! Du förderst unsern Verlust, um dir drüben Gunst zu machen, du ehrloser Verräter, der du bist!‹ — und fielen über mich her und schlugen mich, bissen mich, kratzten mich und traten mich mit Füßen, so daß ich halb tot hier liegen blieb und mich nur wundert, daß ich noch atme.«

Auf diese Rede wandte sich der Adlerkönig an seinen ersten Geheimrat mit der Frage: »Was bedünket dich, daß wir mit diesem Raben beginnen sollen?«

»Nichts, mein König«, antwortete der Premier, »bedünket mich, als daß wir diesen Raben alsobald erwürgen, denn er ist ungleich klüger als wir, er ist einer der listigsten und verschlagensten unter dem ganzen Rabengeschlechte; mit seiner Vertilgung bereiten wir dem Rabenkönige und den Raben den empfindlichsten Verlust und uns ungleich größere Sicherheit, denn jene haben keinen zweiten, der ihnen so wohlüberdachten, klugen und schlauen Rat zu ersinnen vermöchte wie eben dieser. Die alten Weisen sagten: Wem Gott etwas Großes und Gutes in die Hand gibt und er verliert es, der findet es selten wieder, und wer einen Feind hat, den das Glück ihm in die Hand sendet, und er achtet das nicht und läßt den Feind wieder entgehen, der ist ein Tor, dem alle Weisheit der Welt nicht frommen mag.«

»Was meinst du?« fragte auf diese Rede der Adlerkönig seinen zweiten Geheimrat.

Dieser letztere war minder mordsüchtig und sagte: »Mein Rat ist, daß du den Raben nicht töten läßt. Es ziemet, dem Demütigen und Hilflosen Barmherzigkeit zu erzeigen. Ist dieser Rabe auch unser Feind, so ist er doch zugleich unser wehrloser Gefangener. Wir haben ihn nicht im Streite gegen uns ergriffen, sein Unglück hat ihn in unsere Hand und Macht gegeben. Mancher fand Hilfe von seinem Feind, die der Freund ihm versagte, und ward damit des Feindes Freund und des Freundes Feind.«

»Was sagst du dazu?« fragte nun der Adler seinen dritten Geheimrat.

Und dieser erwiderte: »Auch ich, mein allergnädigster König und Herr, kann nicht für die Tötung dieses unseres Gefangenen stimmen, vielmehr wäre mein Rat, guten Nutzen von ihm zu ziehen. Seine Freunde und sein König haben ihn mißhandelt und schmählich in seiner Not ihn verlassen. Er kann uns, und wird es auch, alle Heimlichkeit unserer Feinde offenbaren, und das kann uns nur zugute kommen, wenn einer unserer Feinde gegen die seinen steht. Seine Feinde zu entzweien und dann über sie zu triumphieren, haben die alten Weisen für die beste Kunst zu kriegen und zu herrschen erklärt, wie es ging mit dem Dieb, dem Teufel und dem Einsiedel.«

»Wie war denn das?« fragte der Adlerkönig, und sein dritter Geheimrat erzählte das nachfolgende Märchen.

Der Dieb und der Teufel

»Es war einmal ein Einsiedler, dem schenkte ein frommer Mann aus Barmherzigkeit und um Gottes Willen eine Kuh. Ein Dieb erfuhr das und gedachte, diese Kuh sich anzueignen. Als er zur Nachtzeit sich auf den Weg machte nach der Klause des Einsiedlers, welcher einige Pilgrime bei sich beherbergte, was dem Dieb ebenfalls bekannt war, stieß er auf einen Mann, welcher auf dem gleichen Wege auf und ab ging. Der Dieb vermutete, es möge ein andrer Dieb sein, der dieselbe Absicht habe wie er, und fragte: ›Wer bist du? Was hast du hier zu schaffen? Was führst du im Schilde?‹ Darauf antwortete jener: ›Wenn du es wissen mußt, will ich dir es sagen. Ich bin der Teufel und will dem Einsiedel in dieser Nacht das Genick brechen, denn ich hasse ihn schon lange und habe nun heute endlich Macht über ihn gewonnen, denn er beherbergt in heutiger Nacht einen Missetäter. Darum warte ich nur hier, bis dieser mit seinen Gefährten sich schlafen gelegt habe. Und was suchst du hier?‹ — ›Ich?‹ fragte der Dieb. ›Ich habe es nicht so schlimm im Sinne wie du. Solche schwarzen Pläne hege ich keineswegs. Ich will dem Einsiedel nur aus Mitleid eine Kuh wegführen, denn ihr Gebrüll stört die Andacht des frommen Mannes, auch weiß er nicht mit einer Kuh umzugehen, und sie könnte ihn mit ihren Hörnern schädigen.‹

Nun gingen der Dieb und der Teufel miteinander nach der Klause des Einsiedels, welcher seine Kuh angebunden und sich zur Ruhe niedergelegt hatte. Jetzt dachte der Dieb bei sich selbst, du mußt eilen, daß du erst die Kuh gewinnst, denn wenn der Teufel an den Einsiedel kommt und ihn erwürgen will, so wird derselbe aufwachen und schreien, davon werden die Pilgrime ebenfalls aufwachen, und dann finden und fangen sie zuletzt dich. Darum, besser ist besser — erst die Kuh, dann den Hals. Sprach daher zu dem Teufel: ›Höre und halte einmal. Laß mich erst meine Kuh holen, hernach mache mit dem Einsiedel, was du willst.‹ — ›Mitnichten!‹ sprach der Teufel. ›Erst erwürge ich ihn, dann nimm du dir, was dir gefällt.‹

›Nicht also!‹ widersprach der Dieb. ›Ich muß zuerst in die Klause.‹

›Wagst du mir Trotz zu bieten?‹ zischte der Teufel leise und rollte seine glühenden Augen wild im Kopfe.

›Ich habe mich noch nie vor einem dummen Teufel gefürchtet!‹ antwortete der Dieb. Darauf krallte ihm der Teufel nach dem Halse — und da schrie der Dieb: ›Mordio! Mordio! Einsiedel! Holla! Der Teufel will uns an den Kragen! Hilfe! Hilfe!‹ — Indem so erwachte der Einsiedel aus dem Schlafe, und die Pilgrime wachten auch auf, und der Einsiedel eilte aus der Klause mit einem Kruzifix — vor diesem entwich spornstreichs der Teufel, und die Pilgrime hatten ihre harten und langen Stecken, vor diesen fürchtete sich der Dieb und lief, was er laufen konnte. So rettete der Einsiedel seinen Hals und seine Kuh, weil sich seine beiden Feinde entzweit hatten. Darum ist das ein weiser Mann, der seiner Feinde Zwietracht nützt und sie ausbeutet zu seinem Vorteil.«

Auf diese Rede des dritten Rates des Adlerköniges hub der erste Rat wieder an zu sprechen: »Traue, o König, nicht diesem Redner und seinen glatten Worten, wenn du nicht dich selbst und alles, was dein ist, verlieren willst. Folge meinem Rat und lasse diesen Raben töten, denn ich fürchte, daß wenn er am Leben und bei uns bleibt, so wird unser Ende ein schmähliches sein. Ein vernünftiger Mann läßt sich mit Worten nicht betrügen, wenn ihm Gott seinen Feind in die Hand gibt. Ein Unweiser aber wird mit schmeichelnden Worten getäuscht und betrogen. Glaube doch ja nicht den Worten des wunden Raben, denn in ihm ist keine Treue, er stammt aus einem falschen diebischen Geschlechte. Bis jetzt haben die Raben uns noch nicht überlistet, was aber weiter geschehen wird, und ob dieses Raben Gesellschaft uns nützlich und förderlich sein wird, läßt sich nicht voraussehen, ich aber bezweifle äußerst, daß er sich hier habe zu unserm Heil oder Vorteil finden lassen. Ich wiederhole meinen Rat: Tötet ihn! Ihr wißt, daß ich die Raben nie gefürchtet habe, aber dieser erweckt mir ein ahnungsvolles Bangen, daß er uns allen Unheil brüten werde.«

Der Adlerkönig hörte diese Worte an, aber er fühlte sein Herz von königlicher Großmut schwellen und wollte auch zeigen, daß er herrsche und daß seine Räte nicht Reichsregenten seien, obschon das zu sein mancher vielleicht sich einbildete, darum sprach er: »Ich gebe dem Unglücklichen Gnade, er soll leben. Man warte und pflege seiner wohl und heile seine Wunden.«

Mit Schmerz schwieg der treue Warner des Adlerkönigs und dachte sein Teil. Der Rabe aber, der mit hoher Einsicht begabt war und der Rede so mächtig, wie sein Ahnherr, aber besser als dieser geübt in der Kunst, zu rechter Zeit zu reden und zu rechter Zeit zu schweigen, machte sich bald Gunst und Gönnerschaft am Hofe des Königs, und am meisten bei diesem selbst. Gar manche schöne Mär wußte er zu erzählen, die zur Lehre wie zur Erheiterung diente; er wußte fein zu scherzen und anmutig zu huldigen. Er durfte des Adlerköniges jungen Prinzen und Prinzessinnen Unterricht erteilen und ihnen Vorträge halten, der König ernannte ihn zum Kammerherrn und hatte ihn stetig gern um sich. Dafür versicherte der Rabe dem Könige unausgesetzt seine Treue und seinen Haß gegen die Raben, und in einer Versammlung sprach er laut aus: »Wollte Gott, daß ich zu einem Aaren werden könnte, müßte ich die Wandlung selbst, dem Vogel Phönix gleich, mit dem schmerzenden Flammentode erkaufen! Wie wollte ich mich dann an meinen Feinden rächen und meine Rache in ihrem Blute kühlen!«

 

Da sprach der alte, strenge, erste Rat des Adlerkönigs: »O du Gleisner! Du herber Essig in unserm goldenen Becher! Und wenn du dich tausendmal selbst verbrenntest und ein anderer Vogel — wäre dies möglich — aus dir würde, so würde es doch immer wieder ein häßlicher, falscher, tückischer Rabe werden, wie es jener Maus erging, von der ein Märlein aus India meldet.« Auf diese Rede begehrten die Aaren das Märlein zu hören, und der scharfsichtige Adler erzählte.

Die verwandelte Maus

»Es war einmal ein frommer Mann, der diente der Gottheit betend und büßend in einer Wildnis, und Gott war ihm ob seiner Frömmigkeit und fleckenlosen Tugend also gnädig, daß er jeden Wunsch des Büßers erhörte und erfüllte. Einst saß der Fromme am Strande eines Baches, versunken in andächtige Gedanken, da flog ein Sperber über ihn hin, der hatte ein Mäuslein gefangen, das er noch in den Krallen trug, das Mäuslein aber zappelte und entfiel dem Sperber und fiel herab in des frommen Mannes Schoß. Da erbarmte sich der Fromme des Mäusleins, band es lind in ein Tüchlein und trug es nach seinem Hause, um es allda zu pflegen und aufzuziehen. Da gedachte er aber, daß seine Diener daran einen Anstoß nehmen würden, daß er, der reine Mann, mit einem unreinen Tiere sich abgebe, und würden sich scheuen, und da bat er Gott, das Mäuslein doch lieber in ein Maidlein zu verwandeln. Und siehe, Gott erhörte die Bitte, und verwandelte alsbald das Mäuslein in ein schönes Maidlein. Das führte nun der Fromme fröhlich in sein Haus, erzog es und hatte an ihm sein väterliches Wohlgefallen, und seine Diener glaubten, ihr Gebieter habe es in der Wildnis gefunden oder es sei ihm von Anverwandten übergeben worden. Da nun das Maidlein, das als des Frommen Tochter galt, herangewachsen war, so gedachte er daran, es an einen guten Mann zu verheiraten, und fragte die Maid, ob sie Neigung habe zu heiraten, und was für einen Mann sie sich wünsche. Die Maid aber trug hohen und herrischen Sinn und antwortete: ›Ja — aber nur den höchsten Herrscher!‹

Der Pflegevater erwiderte darauf: ›Der höchste Herrscher, mein Kind, das ist der mächtige Sol; er beherrscht die ganze Welt, erleuchtet und durchwärmt sie mit seinen Strahlen, ich will ihn bitten, sich mit dir zu verbinden; dann wird man dich Frau Sonne nennen.‹ Der Fromme läuterte sich durch Gebet und Abwaschung und trug dem Sol sein Anliegen vor; dieser aber sprach: ›Gern gehorchte ich dir, dem die Gottheit jeden Wunsch erfüllt, o frommer Büßer! Aber der Mächtigste bin ich nicht. Siehe, der Lenker der Wolken ist mächtiger denn ich; ein Hauch von ihm wird zur Wolke, die meinen Schein mir nimmt, daß es finster wird auf der Erde.‹ Da ging der Büßer bis an des Meeres Ufer, aus dem die Wolken sich emporheben, und bat deren mächtigen Lenker, wie er den Sol gebeten hatte. Da hob sich auf seinem Wolkenthrone der Wolkenlenker aus des Meeres Schoße, aufsteigend wie ein großer Rauch, empor und sprach: ›O du Frommer und Gottseliger! Wohl hat mir die Gottheit mehr Gewalt gegeben als selbst den Engeln in seinem Himmel, aber einer ist doch, der mächtiger ist, als ich bin. Das ist der Vater der Winde. Wenn er sich erhebt und stark haucht, so fahren meine Gewölke auseinander und verschwimmen in ein wesenloses Nichts oder fliegen und fliehen vor ihm und seinem Grimme von einem Ende der Welt zum andern, und ich bin nichts gegen ihn und vermag ihm nicht zu widerstehen.‹

Da machte sich der Büßer auf zum Vater der Winde, der in einer großen und weiten Berghöhle wohnte, in der er die Winde verschlossen hielt, und nur zu Zeiten einem oder dem andern zu wehen gestattete — und trug nun diesem seine Bitte vor. Aber auch der Vater der Winde erklärte, daß er sich nicht für den mächtigsten Herrscher erachten könne. ›Siehe, du Frommer, Reiner, Makelloser‹, sprach er, ›diesen mächtigen Berg, wie er da steht in stolzer Ruhe! Mag ich mit allen den meinen sausen und brausen, so stark wir immer können und wollen, er bleibt unerschüttert, weicht und wankt nicht vor meinem Grimm, darum ist er mächtiger als ich, und darum wende dich an ihn.‹

Darauf wandte sich der gläubige Büßer an den Berg und trug diesem seinen Wunsch vor, und der Berg sprach: ›Du nennst mich den Mächtigsten, und es ist wohl wahr, ich bin groß und mächtig, die Sonne dient mir und läßt meinen Scheitel grünen, die Wolken müssen meine Wiesen und Wälder mit Tau und Regen tränken, der Wind fächelt mich, wie ein Sklave seinen Gebieter, aber der Mächtigste ist doch nur der, der nichts erdulden muß. Ich will dir jemand zeigen, der mächtiger ist als ich, denn ich muß ihn dulden, ich mag nun wollen oder nicht wollen.‹

›Wer wäre das?‹ fragte ganz verwundert der Büßer. ›Es ist‹, sprach der Berg, ›ein winzig kleines, graues Männchen, das wühlt in mir und gräbt, baut sich Wohnung und Gemächer und fragt mich nicht, ob ich‘s ihm gestatte.‹

›Was wär das für ein winzig kleines, graues Männchen?‹ fragte der Fromme. — ›Es ist die Maus!‹ antwortete der Berg. Hierauf wendete sich jener mit seinem Wunsch und Antrag an den Mausmann, und dieser antwortete: ›Ich bin der, von dem der Berg gezeuget hat. Kann ich aber, auch wenn ich wollte, ein Menschenmaidlein freien und in meine niedere Wohnung führen? Darüber ersinne du selbst dir weisen Rat, Gottseliger!‹ Nun ging der Einsiedel wiederum zu seiner Tochter und sprach zu ihr: ›Ich habe dir lange den Mächtigsten zum Manne gesucht, willst du diesen, so muß ich von der Gottheit erflehen, daß sie dich wieder zu einer Maus werden lässet, welche du vordem schon einmal gewesen bist, dann kann dein Wille in Erfüllung gehen.‹ Und da die Tochter auf ihrem Sinne beharrte, weil ihr ihr Pfleger darlegte, wie immer ein Mächtiger ihn an einen noch Mächtigeren gewiesen, so wurde sie auf sein Flehen wieder in eine Maus verwandelt und dem Mausmännlein zur Gemahlin gegeben, denn gleich und gleich gesellt sich gern, was zum Heller geschlagen ist, wird kein Taler, und aus einem verräterischen Raben wird nimmermehr ein Phönix, wenn er sich auch, gleich diesem Wundervogel, verbrennte. Aber wohlan, lasse dich verbrennen, Verräter, und laß uns schauen, was aus deiner Asche emporsteigt.«

Der Adlerkönig und seine Umgebung hörten diese Rede nicht ohne ernste Erwägung an, und mehrere teilten die Meinung des treuen Ratgebers, der Rabe aber spottete.

»Trage doch Holz, du Edler, zu meinem Scheiterhaufen! Schichte ihn empor aus Adlerfarn und fache die Funken mit deinen eigenen Fittigen zu heller Flamme an. Du trägst dann unsterblichen Ruhm davon, und man wird dich als Rabentöter noch lang in Heldenliedern verherrlichen.«

»Du sollst nicht brennen!« sprach der Adlerkönig, »weder daß du unser einer werdest, denn wir haben allein Macht genug, dich an deinen und unsern Feinden zu rächen, noch daß wir uns an dir rächen wollen. Haltet Friede!«

Der Raben Arglist und Rache

Lange lebte am Hofe des Adlerkönigs der alte Rabe; er wurde Mitglied des geheimen Kabinetts und vernahm alle Beschlüsse der Adler gegen die Raben und erlauschte alle Heimlichkeiten der ersteren. Der erste Rat des Adlerkönigs aber schied von seinem Posten; er nahm seine Entlassung, denn, so sagte er: »Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen. Wer mit sehenden Augen blind sein will, der sei es. Ich habe gesprochen und gewarnt in aller Treue und habe meine Seele bewahrt. O betörter König, leichtgläubiger König! Wie wirst du meiner Warnung gedenken, wenn es zu spät ist!« Und schied ab und flog in ein fernes Gebirge, um auf einem stillen Landsitze weit vom Königshofe und von dessen Unruhe seine Tage friedlich zu beschließen.

Der Rabenkönig harrte still und lange seines Getreuen, während seine Umgebung diesen längst tot glaubte, denn der König hütete sein Geheimnis sorglich vor allen und ließ selbst seinen Vertrautesten nichts davon ahnen. Da kam eines Abends der Rabe geflogen, und alle erstaunten und verwunderten sich hoch und wußten nicht, ob sie ihren Augen trauen sollten, daß ihn der König, der ihn vor aller Augen mit Ungnade überhäuft und ihn sogar tätlich mißhandelt hatte, so freundschaftlich, ja selbst herzlich empfing.

Der alte weise Rabe aber sprach zu seinem Könige: »Ich bringe gute Botschaft und verkündige Sieg und Freude! Der Himmel gibt unsere Feinde in unsere Hand. Die Adler haben jetzt eine Felsenkluft entdeckt, die unersteigbar ist, in dieser schlafen sie gemeinsam, denn sie ist innen weit und geräumig, luftig und trocken, gedeckt gegen Regen und Sonnenbrand, der Eingang aber ist enge und ohne Wache, weil weder Tiere noch Menschen ihm nahe kommen können. Wir aber können ihnen nahen, darum auf, mein König, auf, all ihr mutigen und getreuen Raben! Jeglicher fasse ein Stück dürren Holzes, so groß er solches zu tragen vermag mit Krallen und Schnabel, und ich will einen Feuerbrand tragen und voran fliegen.«

Rasch wurde dieser Rat nach des Königs Zustimmung vollzogen, die ganze Schar der Raben flog dem Führer nach, jeder warf sein Holz auf den Ausgang der Aarenhöhle, und der alte Rabe legte sein glimmendes Holz hinein, dann wehten sie mächtig mit den Flügeln, und bald brannte das Holz in lichter Lohe.

Tödlicher Schrecken ergriff die aus dem ersten Schlummer erwachenden, sich sicher wähnenden Adler samt ihrem Könige. Sie rauschten wild durcheinander, stießen aneinander, sie kreischten verzweifelnd; die Kühnsten flogen durch die Flamme, nur um draußen tot niederzufallen, indessen mehrten sich innen Dampf und Hitze, daß einer nach dem andern sterbend mit zuckendem Flügelschlage hinsank, und auch der König mit allen den Seinen, der noch klagend ausrief: »Welch ein Tor ist der Mann, der den Fremdling beschirmt und den treuen Warner verachtet!«

So gewann das Reich der Aaren und ihre Feindschaft gegen die Raben ein Ende, und wenn nicht jener weise Ratgeber mit den Seinen sich in jenes Gebirge zurückgezogen hätte, so gäbe es gar keine Adler mehr, deren Geschlecht selten geworden ist, der Raben aber sind viele geworden, haben sich überallhin verbreitet, sind auch jeweilig noch große Redner und hassen die Aaren immer noch.