Die erste Durchquerung Australiens

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Ludwig Leichhardts letzter Forschungs-Ausritt galt den Darling-Downs, einem noch unbegangenen Hochland hinter einem Steilanstieg von 500 Metern über der Küstenebene. Hinter der Einsattelung des Cunningham-Passes war gegen den fernen Westen hin des weißen Mannes Land zu Ende.

Als Leichhardt die Passhöhe erreicht hatte, suchte er sich in der völlig pfadlosen Landschaft eine windfreie Stelle für sein erstes Nachtlager. Zum Sonnenuntergang im Südwesten umfloss die in der Ferne aufsteigenden Bergketten ein roter Purpurnebel, als flatterten Brände aus dunstigen Tälern empor. Er legte sich in der Gewissheit auf den harten, trockenen Erdboden zum Schlafen hin, dass noch kein Weißer vor ihm diese unerhörte Naturerscheinung über der lockenden und auch wieder drohenden Tiefe Australiens erlebt hatte. Wie ein unwiderstehlich starker Magnet zog ihn diese ferne Welt an!

Aber als er am nächsten Morgen erwachte, war sein Reitpferd, das er nur leicht angepflockt hatte, fort und nicht mehr aufzufinden. Sein größtes Versäumnis war, dass er abends dem Pferd die leichten Sattelpacken nicht abgenommen hatte – er war einfach zu rasch in den Schlaf gesunken. Ohne Nahrungsmittel und nur mit seinem Gewehr konnte er zu Fuß nicht die diesmal für Wochen geplante Erkundungsreise durchhalten. Zwei Tage lang suchte er nach dem verschwundenen Reitpferd, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als umzukehren, und er stieg noch einmal zwei Tagesreisen weit in die Moreton-Bay hinab.


Grasbäume (Gemälde von John Skinner Prout)

Er besaß kein Geld mehr zum Kauf eines neuen, kräftigen Reittiers – so mietete er auf der ersten Stockman-Farm einen billigen Klepper, der nur so ungefähr von den wilden Stockmans zugeritten worden war. Zweimal warf der Gaul seinen neuen Reiter ab – aber endlich lenkte ihn Leichhardt wieder den Cunningham-Pass hinauf zu neuen Forschungsabenteuern.

So weit gegen Nordwesten war vor Leichhardt noch kein Weißer gekommen. Er ritt auf dieser letzten Erkundung vor der Rückkehr nach Sydney über 90 Meilen (145 Kilometer) bis an die nördliche Schleife des Condamine River.

In seinem erhaltenen Forschungsbericht schrieb der Reisende: »… Die grasbedeckten, baumlosen und nur ganz schütter mit offenem Wald bedeckten Höhenwellen ergeben in der Zukunft ein Weideland von Millionen Morgen Ausdehnung, sobald dieses Land kartiert und vermessen ist. Dieses hochgelegene Land ist der Schafzucht besonders günstig …«

Alle seine bisherigen Forschungsreisen in das Innere Australiens hatte Ludwig Leichhardt ohne einen Auftrag durchgeführt. Es hatte ihn ja auch Sir Mitchel trotz eines empfehlenden Schreibens aus London nicht als Landvermesser in seinen Dienst genommen.

Aber ein rätselhaft glühender, unablässig vorandrängender Antrieb ließ Ludwig Leichhardt nicht mehr los. Ein Bekenntnis, das er bisher noch zurückgehalten hatte, das aber für seine Zukunft das wichtigste werden sollte, schrieb er in einem seiner Briefe an die Freunde in London: »… Je mehr Erfahrungen ich auf meinen Forschungsritten an die Grenzen des Unbekannten sammelte, desto stärker wuchs mein Wunsch, die ganz große, die wirkliche Forschungsreise vom Süden der Moreton-Bay bis an die Nordküste Australiens zu unternehmen, durch die Tausende Meilen Land, die auf der Karte Australiens bis heute noch als mächtiger weißer Fleck eingezeichnet sind. Entweder gelingt mir der Durchbruch, oder über meine Forschungsreise durch Inner-Australien legt sich Schweigen – umkehren werde ich nicht mehr …!«

Einige Wochen lang hielt sich Ludwig Leichhardt noch bei seinem treuen Freund und Förderer Walker Scott auf der Farm von Glenton auf. Da nun sein Plan einer großen Forschungsreise feststand, reiste er zu Anfang des Jahres 1844 wieder nach Sydney zurück.

VORBEREITUNG ZUR GROSSEN REISE

Ludwig Leichhardt konnte nach seiner Rückkehr von Moreton-Bay nach Sydney bald feststellen, dass die Idee einer Land-Expedition bis nach Port Essington an der Nordküste Australiens die Aufmerksamkeit sehr vieler Menschen gewonnen hatte und diese immer stärker beschäftigte. Es schrieben mehrmals auch die Zeitungen darüber und ergingen sich in phantastischen Vermutungen über das Abenteuerliche, aber auch über den wirtschaftlichen Wert eines solchen Unternehmens für die Zukunft. Auch die gesetzgebenden Körperschaften setzten diese Frage auf die Tagesordnung ihrer Beratungen. Der Chef der Landvermessung, Sir Thomas Mitchel, schlug die Subventionierung einer solchen Expedition mit 1000 Pfund Sterling vor, um ihre Ausrüstung rasch voranzutreiben.

In diese noch allgemeinen Beratungen brachte die Meldung aus dem Staatssekretariat für Kolonien, dass auch ein Kapitän Sturt von Adelaide in Südaustralien aus die Vorbereitungen für eine Forschungsreise quer durch den Kontinent nach Norden treffe, eine neue Aufregung. Das gab den letzten Anstoß für Leichhardt, gestützt auf seine zweijährigen Erfahrungen über die Schwierigkeiten des Reisens in gebirgigen und – wie zu erwarten war – oft auch wasserlosen Gegenden, nun sofort diese Reise zu wagen. Allerdings musste noch die Bedingung der öffentlichen Unterstützung bei den zur Ausrüstung nötigen Kosten erfüllt werden. Es mussten ebenso erst die richtigen Begleiter gefunden werden, die sich freiwillig und ohne besondere Entlohnung dem Unternehmen anschließen und auch geduldig manchen Mangel der Ernährung während der Reise auf sich nehmen würden.

Während der Aussprachen Leichhardts mit seinen Bekannten in Brisbane und der Umgebung hatte sich allgemein die Meinung herauskristallisiert, dass dieser Reiseplan durchaus real ausführbar wäre. In Sydney jedoch erhob sich anfangs gegen eine Reise unter der Leitung Ludwig Leichhardts eine ziemlich heftige Opposition. Andere wieder bedauerten, dass sich Leichhardt nicht einen näher liegenden Wirkungskreis innerhalb der Grenzen von Neu-Südwales schaffen wollte – die Aussicht auf eine leitende Stellung im öffentlichen Dienst dieser Provinz erschien nun durchaus gegeben.

Viele aber sahen offen dieses Unternehmen als eine Tollheit und Folge eines blinden Enthusiasmus an, der nur durch eine vernunftwidrige Ruhmsucht genährt wurde, die sich als ein Hang für die Wissenschaften ausgab. Und die größten Gegner rieten davon ab, weil sie ein solches Unternehmen für einen glatten Selbstmord hielten, der verhindert werden müsse.

In seinen späteren Aufzeichnungen schilderte Ludwig Leichhardt die damalige Situation, ihr Hin und Her zwischen Ablehnung und Zustimmung, wörtlich:

»… Ich war für die Schwierigkeiten der Reise nichts weniger als blind. Im Gegenteil! Und ich hoffe, meine Leser werden glauben, dass ich es aufrichtig meine: Ich dachte, diese würden mannigfach und groß – in der Tat größer, als sie sich wirklich auswiesen. Aber während meiner in der letzten Zeit unternommenen Exkursionen in dem Squatting-District hatte ich mich so an ein vergleichsweise wildes Leben gewöhnt und die Gewohnheiten der Ureinwohner so genau beobachtet, dass ich mich versichert hielt, die einzigen wahrhaften Schwierigkeiten, auf die ich stoßen könnte, würden nur einen lokalen Charakter haben. Ich war überzeugt, dass ich bei vorsichtigem Verfahren … imstande sein würde, meine Begleiter auf einem grasbewachsenen und wohlbewässerten Wege zu führen … Und ich hielt mich versichert, dass die Reise … mit unserer Ankunft in Port Essington endigen müsse. Durch dieses Bewusstsein gehoben … begann ich meine Vorbereitung, welche, soweit es meine eigenen schwachen Mittel und die Beiträge wohlwollender Freunde gestatteten, ziemlich bald bis zum 13. August 1844 vollendet waren …«

Ludwig Leichhardt besaß fast keine eigenen Mittel. Deshalb musste er auf manche nützliche Instrumente wie Barometer und Kochapparat verzichten. Seine einzigen Hilfsmittel waren: ein Sextant, ein Chronometer, ein Handkompass, ein kleines Thermometer und Arrowsmiths Landkarte des »Continents von Neu-Holland« (Australien).

Die schwierigste Aufgabe aber war die Auswahl von fünf Begleitern, deren Zahl wegen der geringen Mittel auf keinen Fall überschritten werden sollte. Da nun der Plan öffentlich bekannt geworden war, offerierten viele junge Leute ihre Dienste, die meisten wohl in der Erwartung eines großen Abenteuers. Leichhardt wählte und schwankte lange, bis er sich endgültig entschieden hatte.

Es soll seiner eigenen Niederschrift gefolgt werden:

»Als ich Sydney verließ, waren meine Begleiter James Calvert, John Roper, John Murphy, ein Jüngling von ungefähr 16 Jahren, William Phillips, ein Krongefangener (entlassener Häftling) und Harry Brown, ein Eingeborener vom Newcastle-Stamm …«

Über die Seefahrt bis nach Brisbane schrieb Leichhardt später:

»Wir verließen Sydney in der Nacht des 13. August, um mit dem Dampfer ›Sovereign‹ unter Kapitän Cape nach Moreton-Bay zu gehen. Es macht mir viel Vergnügen, die uneigennützige Freundlichkeit von ›Hunter’s River-Dampfschiffahrts-Compagnie‹ zu bestätigen, die mir für meine Gesellschaft, unser Gepäck und dreizehn Pferde freie Fahrt bewilligte. Die Überfahrt dauerte ungewöhnlich lange. Anstatt in drei Tagen in Brisbane anzukommen, waren wir eine Woche zur See, sodass meine Pferde Mangel an Futter und Wasser litten.

… In Brisbane angekommen, wurden wir mit der größten Freundlichkeit von unseren Freunden, den ›Squatters‹, aufgenommen. Diese und die Einwohner von Brisbane überhäuften mich mit freundlichen Beiträgen so sehr, dass ich mich genötigt sah, vieles abzulehnen oder zurückzulassen. So musste ich auf den Vorteil manches erwünschten Artikels wegen der beschränkten Transportmittel verzichten …«

 

Hier boten sich aber auch neue Teilnehmer der Expedition an. Leichhardt entschloss sich schließlich, noch vier Teilnehmer zu chartern. Seine Vorräte waren so sehr angewachsen, dass er diese Änderung wagte. Er berichtet selber darüber:

»… Folgende Personen traten der Expedition bei: Pomperdon Hogson, in dieser Gegend wohnhaft, Gilbert, dann Caleb, ein amerikanischer Neger, und Charley, ein Eingeborener vom (australischen) Bathurst-Stamm. Hogson konnte ich aus Rücksicht auf frühere Verpflichtungen nicht zurückweisen; da er überdies bei botanischen Forschungen sehr eifrig war, konnte er mir nützlich sein. Gilbert kannte ich durchaus noch nicht. Er war in Diensten des Zoologen Gould gewesen, der unsere Kenntnisse der Fauna von Australien bereichert hatte. Jene zwei Männer rüsteten sich selber aus und brachten auch vier Pferde und zwei Ochsen in das Unternehmen mit …«

Doch der Aufbruch aus Brisbane wurde das Schwierigste der bisherigen Vorbereitungen. Leichhardt schrieb darüber: »… Es war viel Regen gefallen, der alle Creeks (Wasserläufe) überfüllte und den Weg so sumpfig und schlüpfrig machte, dass er fast unbegehbar geworden war. Es erforderte einen ganzen Tag, die menschliche Begleitung, das Vieh und die Vorräte über den Fluss zu bringen. Bis Sonnenuntergang war diese Arbeit noch nicht beendet. Da aber die Nacht schön und mondhell und meine Station nicht weit jenseits des Flusses war, beschloss ich die Abreise.


Bumerangs

… Glücklicherweise hatten mir meine Freunde einen Ochsenwagen geliehen, um einen Teil unseres Gepäcks weiter bis zu den Darling-Dünen zu fahren. Da ich außerdem einen leichten Federwagen erhandelt hatte, wurde auch dieser beladen. Mir schmeichelnd, dass wir leicht und schnell vorwärtskommen würden, gab ich Befehl zum Marsch. Wir kamen nach Überwindung fortwährender Schwierigkeiten, die uns beim Treiben unserer Pferde und beim Tragen der Wagen durch die sumpfigen Stellen des Weges begegneten, um ein Uhr morgens in Cowpers Ebenen, ungefähr zehn Meilen von Brisbane, an …«

Der gespendete leichte Wagen mit den gefederten Achsen, der Leichhardt anfangs fast wie ein Traumgefährt erschien, auf welchem er in guten und leicht passierbaren Expeditionsstrecken seiner schwerfälligen Marschgruppe vorauseilen könnte, um stets die schönsten Lagerplätze zu erkunden, spielte allerdings diese phantastische Hoffnungsrolle bald zu Ende. Ein Intermezzo, das Leichhardt am besten selber schildern soll:

»… Ich fand bald, dass mein Wagen unserem Vorwärtskommen hinderlich sei. Aber er war ein kostbarer Artikel, und ich zweifelte nicht, dass er mir mehr Nutzen gewähren würde, nachdem wir die sumpfigen Gegenden überschritten haben würden.

… Einige Tage danach entschied gleichwohl der Zufall die Frage. Die Pferde liefen mit ihm davon; dabei war die Deichsel gebrochen sowie eine Wagenfeder beschädigt worden, sodass ich genötigt war, ihn zurückzulassen. Ich tat es mit Vergnügen, da es stets leichter ist, sich der Notwendigkeit zu fügen, als eine scheinbar beschwerliche Maßregel aus eigenem freien Willen zu ergreifen. Wir schritten mit Erleichterung nach Campbell’s Station, die Gastfreundschaft der Ansiedler in Anspruch nehmend.

… Ich war so glücklich, meinen zerbrochenen Wagen gegen drei Mastochsen umzutauschen, und ich kaufte später noch fünf Zugochsen, um sie in das Tragen von Packsätteln einzugewöhnen. Ich hatte mich bereits überzeugt, dass wir uns zum Transport der Ladung auf die Pferde nicht verlassen durften. Weder meine Begleiter noch ich selbst kannten die Ochsen gut genug; und es bedurfte langer Zeit, bis wir uns mit der gefährlichen Nachbarschaft ihrer Hörner versöhnen konnten. Zuletzt wurden wir durch die Gewohnheit mit unseren öfter widerspenstigen »Compagnons de voyage« bekannt und gewissermaßen vertraut …«

Auf Campbel’s Station wurde der gesamte Expeditions-Tross, die Bekleidung und Verproviantierung abgeschlossen. Statt diese einfach aufzuzählen, soll auch hierin wieder Leichhardt das Wort gegeben werden:

»Durch ein Geschenk der Herren Campbell und Stephens von vier jungen Stieren und eines Ochsen von Herrn Isaacs stieg unser Bestand an Rindern auf 16 Stück. Dazu hatten wir 16 Pferde. Unsere Gesellschaft bestand aus 10 Individuen.

… An Proviant führten wir 1200 Pfund Mehl, 200 Pfund Zucker, 80 Pfund Tee, 20 Pfund Gelatine und andere Artikel von geringerer Wichtigkeit mit. An Munition gab es 20 Pfund Pulver, 4 Beutel Schrot von verschiedener Größe. Jeder von uns hatte auf meinen Wunsch sich mit zwei Paar festen Beinkleidern, drei derben Hemden und zwei Paar Schuhen versorgt. Ferner hatten einige sich Ponchos (Decken) aus leichtem Kaliko, die sich geölt sehr brauchbar gegen die Feuchtigkeit erwiesen, zugelegt. So sahen wir uns für sieben Monate wohl ausgerüstet, welche Zeit, wie ich damals sanguinisch glaubte, zu unserer Reise hinreichend sein würde. Unsere Berechnungen hinsichtlich des Proviants waren fast ganz richtig, denn unser Mehl dauerte bis zum Mai, dem achten Monat unserer Reise. Aber in der Zeit, die dafür nötig sein würde, hatten wir uns sehr getäuscht …«

Die Reit- und Packsättel für die Tiere bestanden zwar aus gutem Material, doch diese waren den Tieren nicht eigens angepasst worden. Sie litten bald unter wunden Rücken. Als die Pferde zu sehr davon behindert wurden, mussten die Packsättel für die viel weniger empfindlichen Ochsen umgenäht werden.

Auch darüber, was den Ochsen als Traglast zugemutet werden konnte, mussten erst Erfahrungen gesammelt werden. Auf weite Strecken waren sie nur fähig, 150 Pfund statt der erhofften 250 zu tragen. Leichhardt berichtet weiter:


Eine Ochsenkarawane auf dem Treck nach neuen Weidegründen

»… Das tägliche Beladen der Ochsen und Pferde nahm gewöhnlich zwei Stunden in Anspruch. Eine während des Marsches locker gewordene Ladung verursachte häufig, dass die Ochsen diese abwarfen, die Gurte zerrissen und große Unruhe schafften, wenn wir sie wieder fangen und beladen mussten. In der Nacht wollten sie beständig fort und in das letzte Lager zurück. Häufig hatten wir bis zum Mittag zu warten, bis Charley und Brown, unsere Hirten, die Herumstreicher wiederbrachten …«

So vorbereitet, oftmals niedergedrückt schon bei den Einübungen zur großen Reise ins Unbekannte, schloss Ludwig Leichhardt seine Aufzeichnungen mit den Worten: »… Aber ich eile nun, zur Erzählung unserer Reise zu kommen …!«

LUDWIG LEICHHARDTS TAGEBUCH

DORNIGE PFADE

Es war gegen Ende September 1844, als wir die nötigen Vorbereitungen zu unserer Reise getroffen hatten und die Station der Herren Campbell und Stephens verließen, um langsam nach dem fernsten Punkt, an dem sich der weiße Mann angesiedelt, vorzurücken. Wir kamen am 30. September zu Jimba an, wo wir der Zivilisation Lebewohl sagen mussten.

Diese Stationen sind an den Creeks angelegt, die von den West-Abhängen der Küstengebirge – sich hier in einer Richtung von Nord nach Süd erstreckend – herabkommen und sich durch die mehr oder weniger ausgedehnten Ebenen schlängeln, um sich mit dem Condamine-Fluss zu vereinigen, der, ebenfalls den Küstengebirgen entspringend, alle Gewässer der Gegend westlich von den Gebirgen in sich aufnimmt. Der Condamine bildet in einer großen Entfernung die Scheide zwischen der Sandstein-Gegend im Westen und den reichen Basalt-Ebenen des Ostens. Diese Ebenen, ebenso berühmt wegen des Reichtums ihrer Weiden wie der Vortrefflichkeit der Schafe und des Viehs, das auf ihnen gezogen wird, sind gleich merkwürdig wie der Fundort von Überresten erloschener Tiergattungen, von denen mehrere von gigantischer Größe gewesen sein müssen. Die Station des Herrn Isaacs ist an solchen fossilen Resten besonders reich.

1844 Oktober 1. – Nachdem wir das Geschirr etwas ausgebessert hatten, das durch unsere widerspenstigen Ochsen zerbrochen worden war, und meine Begleiter ihre Vorbereitungen vollendet hatten, verließen wir Jimba und betraten, von Hoffnung getragen, die Wildnis Australiens. Das Herz manchen Mannes würde wie das unsrige geschlagen haben, wenn er uns gesehen hätte, wie wir auf unserem Weg um die erste Anhöhe jenseits der Station herumzogen, in vollem Chor ein »God save the Queen« anstimmend. Kaum eine Meile von Jimba kreuzten wir den Jimba Creek und gingen in einer NW-Richtung über die Waterloo-Ebenen ungefähr acht Meilen vorwärts, wo wir an einer Reihe Weiher unser erstes Lager aufschlugen. Charley lieferte einen Beweis seiner wunderbaren Sehkraft, indem er jeden Riemen der Packsättel, die entzweigegangen waren, im hohen Gras der Waterloo-Ebenen wiederfand.

Oktober 5. – Wir verfolgten die Lagunen-Reihe ungefähr sieben Meilen in W bei S-Richtung, die Gegend zu unserer Rechten war meist schön, vereinzelte Bricklow-Büsche mit Myal und Vitex in voller Blüte, von Lichtungen mit der reichsten Gras- und Kräuterdecke umgeben; in den Akaziengebüschen die Rebhuhntaube (Geophaps scripta) im Überfluss. Wir hörten den Gesang der Wonga-Wonga (Leucosarcia picala Gould). Enten und zwei Pelikane wurden gesehen. Eingeborene waren kurze Zeit vorher hier gewesen; eine Menge großer Unio-Muscheln, Gräten vom Codfish und Gehäuse der Frischwasser-Schildkröte zeigten, dass sie keinen Mangel an Nahrung litten. Ein kleiner Orangenbaum, ungefähr 5–8' hoch, wuchs entweder gruppenweise oder vereinzelt, eine blätterlose Staude, zu den Santalaceen gehörig, in den länglichen, niedrigen Dickichten zerstreut. Chenopadiaceen waren überall, wo der Myal wuchs, häufig. Unser Lager befand sich unter 26° 56' 11" Breite.

Oktober 7. – Indem wir der Lagunenkette westlich folgten, kamen wir nach einem Marsch von wenigen Meilen zu dem Condamine, der nordwestlich floss. Er hatte ein breites, sehr unregelmäßiges Bett und war zu jener Zeit wohl mit Wasser versorgt – ein träger Strom von gelblich weißer, trüber Farbe, hier und da mit Rohr bewachsen.

Die wohlbekannten Spuren der Eingeborenen waren überall sichtbar; so war die Rinde frisch von den Bäumen geschält, die knorrigen Stämme der Apfelbäume zu Fahrzeugen, um über das Wasser zu setzen, losgehauen, Honig ausgeschnitten; auch sah man frische in die Stämme gehauene Stufen, um jene der Opossums wegen ersteigen zu können. Das Thermometer zeigte bei Sonnenaufgang 41½ Grad Fahrenheit; aber zwischen 12 und 2 Uhr stand es im Schatten auf 80 Grad. Die Hitze war sehr groß, obschon eine leichte Brise und vorüberziehende Wolken die Macht der brennenden Sonne etwas mäßigten.

Oktober 8. – Während der Nacht hatten wir ein fürchterliches Gewitter gegen Westen mit viel Donner und Blitzen. Der Fluss lief sehr gewunden, sodass wir nicht weiter als 7 oder 8 Meilen vorwärtskamen. Das Bricklow-Gebüsch nötigte uns häufig, im Flussbett zu gehen. Schön mit Gras bewachsenes Waldland wechselte mit Bricklow- und Myal-Gebüschen ab. Der Boden ist reich, schwarz und fest. Jener der Bricklow-Büsche ist ein steifer Lehm, in dem vom Regen flache Rinnen ausgewaschen sind, den Ansiedlern unter dem Namen Melon-holes (Melonengruben) bekannt …

Oktober 11. – Gegen Nord-West weiterreisend kamen wir an ein Dickicht Zypressfichten, das die Außenseite eines Bricklow-Busches bildete. Dieser Busch war zuerst ungewöhnlich offen, und ich dachte, er würde von geringer Ausdehnung sein. Ich war jedoch sehr im Irrtum; die Bricklow-Akazie, Kasuarinen und ein verkrüppelter Teestrauch bildeten ein so undurchdringliches Dickicht, dass die Ochsen, indem sie sich einen Weg hindurch erzwangen, die Mehlsäcke zerrissen, ihre Lasten abwarfen, die Gurte zersprengten und die Geduld meiner Begleiter hart auf die Probe stellten, da diese fast fortwährend damit beschäftigt waren, eins oder das andere der unruhigen Tiere wieder zu beladen. Nachdem wir fünf Meilen darin vorgedrungen und noch ohne Aussicht auf sein Ende waren, beschloss ich, nach unserem letzten Lager zurückzukehren. Es war nicht ganz bis zum Ablauf von zwei Tagen, als wir unsere Spuren wieder betraten und die Lagune, die wir verlassen hatten, wieder erreichten. Wir hatten ungefähr 143 Pfund Mehl verloren, Herr Gilbert sein Zelt eingebüßt und seinen Flintenschaft beschädigt. In derselben Nacht begann es zu regnen, und dies dauerte den ganzen nächsten Tag fort. Der Regen kam in schweren Güssen mit Gewittern gegen Nord und Nord-West, machte den Boden sehr weich und ließ uns eine Überschwemmung befürchten, da die Lagune sehr schnell anschwoll. Unser Zelt war ein vollständiger Sumpf. Die Pferde und das Vieh waren kaum fähig zu gehen … Der Flaschenbaum (Sterculia), merkwürdig wegen einer Erweiterung seines Stammes ungefähr drei Fuß über dem Erdboden, wurde innerhalb des Busches bemerkt … Wir unterschieden während des Regens drei verschiedene Frösche, die ein sehr unharmonisches Konzert anstimmten.

 

Oktober 17. – Der Erdboden war zu schlüpfrig und morastig, als dass er uns gestattet hätte, gestern aufzubrechen; außerdem waren drei Pferde fort und konnten nicht wiedergefunden werden. In der letzten Nacht brachte Herr Roper drei Enten und eine Taube, womit er allen höchst willkommen war. Charley war einige Zeit sehr trotzig gewesen, wenn ich ihn nach dem Vieh ausgeschickt hatte; diesen Morgen drohte er sogar, Herrn Gilbert erschießen zu wollen. Ich entließ ihn augenblicklich aus unseren Diensten und nahm ihm all die Sachen, welche er unter der Bedingung empfangen hatte, dass er bei uns aushielte.

Oktober 18. – Gegen Abend kam Charley und bat um Verzeihung. Ich gab ihm zu verstehen, dass er besonders Herrn Gilbert beleidigt hätte. Er wendete sich deshalb an ihn, und mit dessen Übereinstimmung trat Charley wieder in unsere Dienste. John Murphy und Caleb, der amerikanische Neger, gingen nach dem Creek, den Herr Hodgson zuerst gesehen hatte. Der Creek war nicht vier Meilen weit. Sie kehrten indes nicht zurück; um neun Uhr hörten wir gegen Nord-Ost schießen. Wir antworteten durch ein gleiches Signal, aber sie kamen nicht. Ich schickte nun Herrn Hodgson und Charley ab, um sie zurückzubringen. Wenn sie ihren Pferden die Zügel hätten hängen lassen, würden diese sie ohne Zögern zurückgebracht haben; aber beide verirrten sich wahrscheinlich.

Die Lagune, die ich Kent’s Lagune nach F. Kent Esq. nannte, lag unter 26° 42' 30" Breite. Wir suchten während der hellen Mondnacht Opossums zu fangen, bekamen aber nur den gemeinen Beuteldachs.

Unsere Pferde gingen frei im Busch umher, um sich von den kleinen Fliegen, von denen sie gepeinigt wurden, zu befreien. Das Wetter war sehr schön. Während der hellen Nächte taute es sehr stark; der Morgen war kalt, das Wasser in den Lagunen 8 bis 10 Grad wärmer als die Luft.

Wir haben unsere Ladungen genau, jeden Sack Mehl zu 120 Pfund, abgewogen; deren hatten wir acht, die von vier Ochsen getragen wurden. Die Schokolade und Gelatine war uns jetzt sehr angenehm, da wir nur wenig Wildbret erlegen konnten. Die Gegend war noch immer äußerst morastig. Fußstapfen der Eingeborenen wurden überall gesehen; sie selbst aber erschienen in diesem Teil des Landes selten. Obgleich wir kein Wildbret fanden, waren die Fährten von Kängurus sehr zahlreich und deuteten auf Tiere von bedeutender Größe. Ein paar Emus wurden gesehen.

Oktober 19. – Herr Hodgson und Charley, die ich ausgeschickt hatte, John und Caleb zurückzubringen, kehrten mit einem Känguru in das Lager zurück. Ich sandte sie mit Herrn Roper unverzüglich wieder ab, um die unglücklichen Leute zu suchen, deren Abwesenheit mir die größte Besorgnis verursachte. Die Herren Roper und Gilbert hatten eine Taube und eine Ente als Tagesbeute gebracht, die uns mit dem Känguru ein gutes und erwünschtes Abendessen abgaben. Während des Abends und der Nacht wurde ein kurzes Brüllen gehört, wahrscheinlich von Kängurus herrührend, deren Herr Gilbert einige von neun Fuß Höhe gesehen zu haben erklärte. Brown brachte eine Teppichschlange sowie eine andere mit gelbem Bauch.

Herr Gilbert brachte mir von dem Ort, an dem er den Creek am 10. Oktober gekreuzt hatte, ein Stück Steinkohle. Sie kommt sowohl hier wie an der Ostseite mit Sandstein zusammen vor. Kiesel von roter Farbe waren am Creek sehr häufig und ebenso in dem Busch, den ich Flourspill (Mehlverschütter) nannte …

Oktober 20. – An diesem Morgen um neuneinhalb Uhr kehrten die Herren Roper, Hodgson und Charley mit John Murphy und Caleb zurück. Diese waren ungefähr zwölf Meilen irregegangen, ohne zuletzt selbst zu wissen, wo sie sich befanden. Ihre Spuren hatten über sieben Meilen weit geführt, bevor sie jene trafen, und sie würden unfehlbar umgekommen sein, wäre Charley nicht fähig gewesen, ihnen der Spur nach zu folgen. Es war in der Tat ein Umstand, den wir der Vorsehung verdanken mussten, dass er uns nicht verlassen hatte. Ihrer Ansicht nach ist die Gegend ganz frei, von einem schönen Creek bewässert, der in den Condamine fließt. Es ist derselbe, den wir am 10. Oktober passierten und den ich Charley’s Creek nannte.

Oktober 22. – Ich verließ gestern Kent’s Lagune. Nach einem Marsch von ungefähr drei Meilen durch offenen Wald trafen wir auf Hodgson’s Creek, an dem John Murphy und Caleb gefunden worden waren. Der Creek bestand hier aus einer dichten Kette schöner, felsiger Wasserlöcher.

An den Ufern von Hodgson’s Creek wuchs eine Dampiera mit zahlreichen blauen Blumen … Jacksonia (Dogwood, Hundeholz), die Zypressfichte mit hellem, amberfarbigem Harz; Charley brachte mir schönes, claretfarbiges Harz, und ich war erstaunt, als ich fand, dass es einer anderen Art Cullitris angehörte. Gefleckte Gummi- und Eisenrinden-Bäume bildeten den Wald; weiterhin Wasser-Gummi-Bäume (flooded gum).


Känguru (Kupferstich nach einem Gemälde von George Stubbs)

Tauben- und Mutton-Vögel sind häufig und versorgen uns mit verschiedenen Mahlzeiten; Leguane werden als große Delikatesse angesehen. Heute wurden mehrere schwarze Kängurus getroffen.

Oktober 23. – Wir setzten unsere Reise durch ein Kasuarinendickicht in nordwestlicher Richtung fort, kamen aber bald wieder in einen schönen, offenen Eisenrinden-Wald, hier und da mit dichtem Unterholz; ein Bricklow-Gebüsch zu unserer Rechten liegen lassend, gelangten wir an einen trockenen Creek mit einem tiefen Kanal, den ich wegen des hier herrschenden Überflusses von mehreren Arten Akazien den Acacia Creek nannte. Nicht eine Meile weiter kamen wir an einen zweiten Creek mit fließendem Wasser, den ich wegen einiger Jacksonia-Büsche in der vollsten Pracht ihrer gelben Blumen den Dogwood Creek (Hundeholz-Creek) nannte.

Oktober 24. – Da der Creek sumpfig war, mussten wir ihm mehrere Meilen abwärts folgen, um eine Furt zu finden. An dieser fiel ein Pferd, das den Tee trug, rückwärts ins Wasser, während es das entgegengesetzte Ufer zu ersteigen suchte, und durchnässte seine wertvolle Ladung.

Oktober 25. – … Die Ruhe der Mondnacht wird weder durch das Geschrei des Opossums und fliegender Eichhörnchen, noch durch den monotonen Ruf des Spottvogels und der kleinen Eule unterbrochen; auch der heimische Hund umheult während des kühlen Morgens unser Lager nicht. Das Heimchen allein zirpt längs der Wassergräben, und der melodische Ruf eines unbekannten Vogels, ähnlich wie »Gluck, Gluck« klingend, viele Male wiederholt und mit einem Triller endigend, wie das melancholische Klagen des Brachvogels, werden im nächsten Busch gehört.

Oktober 26. – Unsere Reise wurde fortgesetzt. Auf der anderen Seite des Tals sahen wir entfernt Bergreihen gegen Nord-West und Nord. Der Busch war hin und wieder offener. Schöne große Flaschenbäume traten auf. Das junge Holz derselben, das zwischen seinen Fasern eine bedeutende Menge Stärkemehl enthält, wurde von unseren Reisemitgliedern häufig gekaut. Fusanus war häufig und voller Früchte; diese, von der Größe eines kleinen Apfels, liefern, wenn vollkommen reif und abgefallen, eine sehr angenehme Speise.

Die Fleischschicht, die den dicken rauen Kern umgibt, ist indes sehr dünn.

Oktober 28. – … Die blaue Brunonia war sehr häufig, das Gras fünf Fuß hoch, in voller Frucht, gleich einem Getreidefeld wogend. Der Boden ist indes sandig und locker …