Internationales Management

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Gleichsam profitiert ein Unternehmen von einer starken inländischen Konkurrenz zwischen Unternehmen der gleichen Branche in einem Land. Schon der Auftritt von einem oder mehreren international wettbewerbsfähigen Unternehmen beeinflusst seiner Meinung nach andere mit ihnen geschäftlich verbundene heimische Unternehmen und Industrien positiv und stärkt die Basis für Wettbewerbsvorteile der ganzen Wirtschaft. Die positiven Effekte für die Wettbewerbsfähigkeit resultieren aus dem Innovationswettbewerb innerhalb der inländischen Branche, wobei es durch die relativ kurzen Kommunikationswege und die kulturelle Gleichartigkeit im Heimatland der Unternehmen zu einem laufenden Austausch von Ideen und Konzeptionen kommt (Porter, M.E., 1999).

Treten zu der großen Konkurrenz im Inland auch noch eine räumliche Konzentration und Geflechte wechselseitig verwobener Unternehmen und Industrien hinzu, dann bilden sich nach Porter „Unternehmenscluster“, die sich besonders vorteilhaft auf die übrigen Elemente des „Diamanten“ auswirken. Solche „Unternehmenscluster“ können in Städten (z.B. Detroit für die amerikanische Automobil-, Maschinen- und Autozulieferindustrie), Regionen (z.B. Silicon Valley) oder ganzen Kontinenten entstehen.

Unternehmensstrategie, Strukturen und Konkurrenz

Als letztes Hauptelement seines „Diamanten“ sieht Porter die Unternehmensstrategie sowie die Strukturen und die Konkurrenzsituation in einer Branche. Hier betrachtet er, wie sich Branchen und Unternehmen in den Ländern gebildet haben, wie sie organisiert sind und geführt werden. Er sieht Vorteile für die internationale Konkurrenzfähigkeit in den Ländern oder Branchen, die nach langfristigen und nicht nach kurzfristigen Zielen und Wettbewerbsvorteilen streben. Er verdeutlicht dabei, dass die Formulierung der Unternehmensziele länderspezifisch durch gesellschaftliche Gruppen unterschiedlich beeinflusst wird und welche Bedeutung nationale Prestigeziele für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen haben können (Porter, M.E., 1999). Die Verhaltensweisen der Unternehmensleitung und der Arbeitnehmer in unterschiedlichen Kulturkreisen können sich ebenfalls positiv auf den gesamten „Diamanten“ auswirken.

Auch die Art, wie der Wettbewerb in einem Land geführt wird, spielt in Bezug auf die Entwicklung von nationalen Wettbewerbsvorteilen eine große Rolle. Dabei leisten die Handelspolitik und die Anti-Trust-Gesetzgebung einen wichtigen Beitrag. So zwingt der Konkurrenzdruck Unternehmen, auch international tätig zu werden. Eine starke [100]Rivalität auf dem heimischen Markt betrachtet Porter als einen nationalen Besitz, dessen Wert nur schwer zu überbieten ist (Porter, M.E., 1999).

Rolle des Zufalls

Porter beschreibt, dass auch Zufallsereignisse für die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig sind, weil sie Unterbrechungen hervorrufen, die zu Veränderungen in der Wettbewerbsposition führen können. Als Beispiele für solche Zufallsereignisse, die seiner Meinung nach einen großen Einfluss auf die Wettbewerbsvorteile ausüben, nennt Porter (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999):

1 zufällige Entdeckungen,

2 größere technologische Brüche (z.B. Biotechnologie, Mikroelektronik),

3 Schwankungen bei den Produktionsmittelpreisen wie z.B. in der Erdölkrise,

4 bedeutende Verschiebungen auf den Weltfinanzmärkten oder bei den Wechselkursen,

5 extremer Anstieg der Welt- oder Regionalnachfrage,

6 politische Entscheidungen ausländischer Regierungen und

7 Kriege.

Zufallsereignisse wirken sich nach der Analyse von Porter auf verschiedene Länder unterschiedlich aus. Das Land mit dem günstigsten „Diamanten“ wandelt seiner Meinung nach „Zufallsereignisse höchstwahrscheinlich in einen Wettbewerbsvorteil um“ (Porter, M.E., 1999).

Rolle des Staates

Der Staat kann Einfluss auf alle vier Hauptelemente des „Diamanten“ nehmen und sie positiv oder negativ verändern. Dabei ist die Rolle des Staates nach Porter einseitig. Die staatliche Politik zur Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes scheitert, wenn sie der einzige Ursprung des nationalen Wettbewerbsvorteils bleibt. Eine erfolgreiche staatliche Politik ist nur in den Branchen möglich, wo grundlegende Bestimmungsfaktoren des nationalen Vorteils vorhanden sind und der Staat diese unterstützt. So kann die staatliche Politik die Chance von Branchen oder Unternehmen fördern, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen oder zu erhöhen, sie kann aber den Vorteil nicht selbst schaffen (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999).

2.4.2 Dynamik desDiamanten

Nur Länder, die einen gut funktionierenden „Diamanten“ haben, d.h., bei denen sich die einzelnen Elemente des „Diamanten“ gegenseitig positiv verstärken, besitzen nach Porter langfristig nationale Wettbewerbsvorteile, die ihnen eine internationale Konkurrenzfähigkeit ermöglichen. Seiner Meinung nach ist kein Land in der Lage, in allen Branchen oder wenigstens bei den meisten Produkten weltweit gleich konkurrenzfähig zu sein. Eine [101]weltweite Konkurrenzfähigkeit schaffen nur solche Industrien oder Unternehmen, die sich zuerst in einem besonders dynamischen heimischen Konkurrenzkampf durchsetzen konnten. So wird es selbst in den reichsten Ländern immer Branchen geben, die international nicht oder kaum erfolgreich sind.

Länder mit Wettbewerbsvorteilen, die nur auf einem oder zwei Elementen des „Diamanten“ aufbauen, können, nach Ansicht von Porter keine langfristige globale Konkurrenzfähigkeit erlangen, da andere Wettbewerber in der Lage sind, sie zu umgehen. Ressourcenorientierte Wettbewerbsvorteile, z.B. die Ausnutzung billiger Arbeitskosten, sind seiner Meinung nach nur für kurzfristige Erfolge geeignet. Es kommt seiner Beobachtung nach kaum vor, dass ein Land von Beginn an über alle positiven Elemente des „Diamanten“ verfügt. Deshalb erreichen Länder eine internationale Wettbewerbsfähigkeit meist in drei Schritten.

Im ersten Schritt erlangt ein Land seine Wettbewerbsvorteile aus einem einzigen Vorteil wie den Faktorbedingungen (z.B. billige Arbeitskräfte) oder den Nachfragebedingungen (z.B. Marktgröße). Jedoch ist von Anfang an fast immer eine heimische Konkurrenzsituation notwendig, da sie die Unternehmen anspornt, auch nach anderen als den ursprünglichen Wettbewerbsvorteilen zu suchen. So entstehen allmählich international wettbewerbsfähige Unternehmen und Branchen. Um langfristig erfolgreich zu sein, muss sich das Land im zweiten Schritt von einer „investitionsgetriebenen“ zu einer „innovationsgetriebenen“ Volkswirtschaft entwickeln. Im dritten Schritt bilden sich „Unternehmenscluster“ von Weltspitzenunternehmen, die eng miteinander verflochten sind und die durch eine extreme Inlandskonkurrenz so „gestählt“ sind, dass sie die Konkurrenz auf den Weltmärkten nicht zu fürchten brauchen. Porter weist aber darauf hin, dass es auch zu einer Überschätzung der eigenen Position kommen kann. Dann entsteht im vierten Schritt eine „wohlstandsgetriebene“ Volkswirtschaft, die Länder wieder in die Situation mangelnder Wettbewerbsvorteile zurückführt.

Plötzliche oder nicht beeinflussbare externe Umwelteinflüsse, wie z.B. Kriege oder Embargos können sich auf existierende „Diamanten“ vorteilhaft auswirken oder zu einer Umstrukturierung von Branchen führen und ihn damit zerstören. So hat z.B. die Materialknappheit während des Zweiten Weltkrieges die USA gezwungen, innovative Durchbrüche im Bereich der Kunststoffe und der Metalllegierungen zu erreichen. Der hohe Anstieg der amerikanischen Löhne und Gehälter in den ersten Nachkriegsjahren führte zu einer verstärkten Automatisierung, um diese Arbeitskostennachteile zu kompensieren.

Staatliche Eingriffe können nationale Wettbewerbsvorteile ebenfalls fördern oder negativ beeinflussen. So führt z.B. nach Porter eine rigorose Durchsetzung von Anti-Trust-Bestimmungen in einem Land zu einer verschärften Wettbewerbssituation und zwingt damit die Unternehmen zu Innovationen, was zur Bildung neuer nationaler Wettbewerbsvorteile führt.

[102]Im Folgenden werden die Auswirkungen dargestellt, die Änderungen in den einzelnen Elementen des Porterschen „Diamanten“ auf dessen Entwicklung und damit Veränderung haben.

Einfluss auf die Faktorbedingungen:

1 Eine Ansammlung inländischer Konkurrenten regt die Faktorbildung an. Beispielsweise kann die Etablierung eines neuen Industriezweiges in einem Schwellenland zu einer verbesserten Verfügbarkeit von Fachpersonal führen.

2 Erkannte nationale Herausforderungen regen die Faktorbildung an.

3 Inlandsnachfrage beeinflusst Prioritäten für faktorbildende Investoren.

4 Verwandte und unterstützende Branchen schaffen oder beleben die Bildung übertragbarer Faktoren.

Einfluss auf die Nachfragebedingungen:

1 Eine Gruppe Konkurrenten baut ein Landesimage und die Anerkennung als wichtiger Wettbewerber auf. Scharfer Wettbewerb vergrößert die Inlandsnachfrage und macht sie anspruchsvoller.

2 Differenzierte faktorbildende Mechanismen locken ausländische Studenten und die Beteiligung ausländischer Firmen an, was die Produkte des Landes mitzieht.

3 International erfolgreiche Branchen, die Komplementärprodukte herstellen, ziehen die Auslandsnachfrage nach dem Produkt der Branche mit.

4 Das Image verwandter und unterstützender Branchen mit Weltniveau springt über und kommt einer Branche zugute.

Einfluss auf die Entwicklung verwandter und unterstützender Branchen:

 

1 Spezielle Faktoren sind auf verwandte und unterstützende Branchen übertragbar.

2 Eine Gruppe inländischer Konkurrenten regt die Bildung stärker spezialisierter Zulieferer und verwandter Branchen an.

3 Hohe oder zunehmende Inlandsnachfrage fördert das Wachstum und die Festigung von Zulieferbranchen.

Einfluss auf den Inlandswettbewerb:

1 Faktorüberschuss oder spezielle faktorbildende Mechanismen bringen neue Mitbewerber hervor.

2 Früher Produktdurchsatz fördert den Zugang. Neuzugänge kommen aus verwandten und unterstützenden Branchen.

3 Benutzer von Weltrang steigen in Zulieferbranchen ein.

[103]Zerstörung desDiamanten

In einem weiteren Untersuchungsschritt analysiert Porter, welche Entwicklungen zu einem Verlust des nationalen Vorteils führen und damit einen erfolgreichen „Diamanten“ zerstören. Im Ergebnis stellt er fest, dass die folgenden Gründe zu einem Verlust des nationalen Vorteils führen (Porter, M.E., 1999):

1 Faktorbedingungen verschlechtern sich (z.B. durch Verschlechterung der Qualität des spezifischen Humankapitals),

2 Inlandsbedürfnisse stehen nicht im Einklang mit der globalen Nachfrage (z.B. neue Designanforderungen, gesundheitliche Bedenken),

3 heimische Käufer geben ihren hohen Anspruch auf (z.B. Selbstzufriedenheit, geringere Anforderungen an Prozesstechnologien),

4 technologische Veränderungen führen zu erheblichen Nachteilen bei speziellen Faktoren oder es fehlen unterstützende Branchen (z.B. mangelndes Humankapital, falsche oder nicht vorhandene Infrastruktur),

5 Ziele schränken die Investitionsrate ein (z.B. zu hohe Ansprüche an die Ausschüttung von Gewinnen, zu hoher Anteil „nicht rechenbarer“ Investitionen),

6 Unternehmen verlieren Flexibilität (z.B. durch Selbstzufriedenheit der Unternehmensführung, mangelnden Willen, gegenwärtig genutzte Kapazitäten frühzeitig durch neue Anlagen zu ersetzen) und

7 der Inlandswettbewerb lässt nach (z.B. zu große Konzentration, staatliche Interventionen zum Schutz nicht konkurrenzfähiger Wettbewerber).

2.4.3 Bedeutung desDiamantenund Kritik

Porter untersucht weiterhin, welche Aussagen sich für die Unternehmensstrategie aus seiner „Diamanten“-Theorie ableiten lassen. Er geht dabei von der Prämisse aus, „dass ein Unternehmen die Schaffung und Wahrung eines Wettbewerbsvorteils ins Auge fassen muss, der an den weltbesten Konkurrenten gemessen wird“ (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1999).

Neben einer Vielzahl von allgemeinen Überlegungen, wie Wettbewerbsvorteile von Unternehmen gewonnen oder erhalten werden können, die sich auch auf den Inlandsmarkt beziehen (Porter, M.E., 1999), gibt Porter eine Reihe von Anregungen, die es Unternehmen ermöglichen sollen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Auf eine vollständige Enumeration wird an dieser Stelle verzichtet, stattdessen sollen nur einige Schwerpunkte seiner Argumentation (Porter, M.E., 1999) dargestellt werden.

Zunächst ist für die Ausarbeitung einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie eine genaue Analyse der internationalen Konkurrenz erforderlich. Hier kann der „Diamant“ Hilfestellung geben, um nationale Wettbewerbsvor- und -nachteile der Konkurrenz [104]festzustellen. Diese nationalen Besonderheiten lassen häufig auch Aussagen darüber zu, wie das wahrscheinliche Verhalten der Konkurrenzunternehmen sein wird.

Der heimische Stützpunkt eines Unternehmens bietet nicht in allen Branchen gleiche Chancen für einen internationalen Erfolg. Der „Diamant“ kann nun dazu benutzt werden, eine Auswahl von Branchen und Branchensegmenten vorzunehmen, für die das Land ein günstiger Stützpunkt ist. Die auf der Basis des „Diamanten“ zu stellenden Fragen für diese Länderauswahl werden in Abbildung 54 wiedergegeben (Porter, M.E., 1999).

Für eine Internationalisierungsstrategie schlägt Porter vor, selektive Vorteile in anderen Ländern zu erschließen. Eine Globalstrategie kann zwar einen schwachen heimischen Stützpunkt nicht ersetzen, jedoch können Innovationspotenziale im Ausland Impulse für eine Weiterentwicklung von Vorteilen im Inland generieren. Daneben sollte das Unternehmen bemüht sein, anspruchsvolle Kunden und Märkte zu bedienen, um sich einem weltweiten Innovationsdruck auszusetzen. Durch die Ausnutzung von Vorteilen im Ausland, die aus Grundfaktoren stammen, kann eine weltweite Produktion die Stellung des Unternehmens im internationalen Wettbewerb verbessern. Auch die Internationalisierung der Beschaffung sowie der Forschung und Entwicklung schafft möglicherweise internationale Wettbewerbsvorteile.

Internationale Unternehmensübernahmen und strategische Allianzen können nach Porter den Zugang zu Auslandsmärkten und zu selektiven Fachkenntnissen ermöglichen.

Abbildung 54 gibt eine Zusammenstellung von Fragestellungen wieder, die Unternehmen anhand des „Diamanten“ untersuchen müssen (Porter, M.E., 1999).


Abbildung 54: Fragestellung für die Prognose über das Verhalten ausländischer Konkurrenten

Porter nimmt für sich in Anspruch, eine neue, umfassende Theorie zur Erklärung der globalen Wettbewerbssituation entwickelt zu haben (Porter, M.E., 1999). Hier erscheinen jedoch einige Zweifel angebracht (Fuchs, M./Apfelthaler, G., 2009; Meckl, R./Rosenberg, C., 1995).

So ist seine Auslegung der klassischen, volkswirtschaftlich orientierten Theorien zu eng. Die bestehenden Ansätze widerlegt er mit einigen diesen Theorien widersprechenden Beispielen. Die klassischen Theorien stellen jedoch nicht, wie Porter meint, Allein- bzw. Absolutheitsansprüche. Viele Elemente seines „Diamanten“ beschreiben selbst unterschiedliche Aspekte verschiedener bereits entwickelter Theorien der Internationalisierung.

[105]

Abbildung 55: Fragen für die Auswahl von Branchen und Branchensegmenten, für die das Land ein günstiger heimischer Standort ist

Im Rahmen der Faktorbedingungen wird genauso die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen und von Humankapital betrachtet, wie dies in den klassischen Theorien der Faktorausstattung der Fall ist. Auch die bessere Ausnutzung dieser Faktoren im Sinne einer besseren Kombination der Einsatzfaktoren oder einer Verbesserung des Spezialwissens der Arbeitskräfte wird bereits in der Theorie der komparativen Kosten und deren Weiterentwicklungen analysiert.

Die Bedeutung der Nachfragebedingungen ist in der Linder-Theorie für den Außenhandel bereits eingehend analysiert worden. Die Linder-These hebt für den Erfolg von Exporten insbesondere die Bedeutung der Ähnlichkeit und der Repräsentanz der Nachfragebedingungen für andere Märkte hervor. Die Marktgröße wird in der Economies-of-Scale-Theorie und das Anspruchsniveau der Kunden in der Theorie des intrasektoralen Handels für die Exportleistung von Ländern und Branchen betrachtet.

Die Erkenntnis, dass ein harter inländischer Wettbewerb die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation oder einzelner Branchen fördert, ist nicht als neu zu bezeichnen (Meissner, H.G., 1995). Die Bedeutung der Unternehmensstrategie und der -kultur für außenwirtschaftliche Erfolge wurde in dem EPRG-Modell von Perlmutter ebenfalls eingehend erörtert.

Einige neue Aspekte ergeben sich bei der Betrachtung der Bedeutung von „Unternehmensclustern“ für die Gewinnung nationaler Wettbewerbsvorteile, wenn auch viele Argumente als Agglomerationseffekte der Standort-Theorie bekannt sind. Die Idee, dass nationale Wettbewerbsvorteile nur durch verstärkte Innovationsanstrengungen von Unternehmen oder Branchen erreicht werden können und dass dabei bestimmte Zwangsmotive bzw. Krisen förderlich sind, ist ebenfalls nicht neu (Perlitz, M./Löbler, H., 1985).

Aus den bisherigen Kritikpunkten kann man den Vorwurf ableiten, dass es Porter versäumt hat, die bisherigen theoretischen Ansätze mit ihren Erklärungsvariablen in sein Konzept einzubinden. So ist ein System von Allgemeinplätzen entstanden, das dem Theorieanspruch kaum genügt. Dabei entsteht der Eindruck, dass seine Theorie sich aus einer „sort of comprehensive laundry list against which businessmen can check their own washing“ (o.V., 1990) [106]zusammensetzt. Jedoch besteht das Verdienst von Porter darin, bereits bestehende Theorien zu einem komplexen Gebilde zur Erklärung der nationalen Wettbewerbsvorteile zusammengefasst zu haben.

Porters Theorie steht an vielen Stellen im klaren Widerspruch zu der Theorie von Ohmae. Während Ohmae argumentiert, dass ein Unternehmen seinen Ursprung verlassen muss, um „Insider“ in den Triade-Ländern zu werden, vertritt Porter die Auffassung, dass die nationalen Wettbewerbsvorteile, die eine internationale Konkurrenzfähigkeit begründen, zum überwiegenden Teil Prozessen entspringen, die von Faktoren des Heimatlandes determiniert und weiterentwickelt werden. Damit nimmt das Gewicht der Faktoren des Heimatlandes, wie z.B. Wertordnung, Kultur, Wirtschaftssystem, Geschichte, gesellschaftliche Institutionen, zu, d.h., die Vorteile, die aus nationalen Standorten erwachsen, sind für Porter wichtiger als Economies-of-Scale-Effekte, die die Triade-Strategie weitgehend tragen. Porter vertritt den Standpunkt, dass der zunehmend globaler werdende Wettbewerb den nationalen Hintergrund nicht unwichtiger, sondern im Gegenteil immer bedeutsamer macht. Er sieht die staatliche Einflussnahme als einen entscheidenden Faktor bei der Strategiewahl an, während Ohmae davon ausgeht, dass staatliche Interventionen nicht mehr greifen, da diese Reglementierungen von Triade-Unternehmen umgangen werden können. Die Übertragung oder Duplizierung des jeweiligen nationalen „Diamanten“ auf Tochtergesellschaften im Ausland ist nach Porter außerordentlich schwierig, da die Koordinations- und Informationslage einen effektiven Informations- und Wissensaustausch verhindern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Tochtergesellschaften eine eigene Erfolgsverantwortung im Sinne von Profitcentern und damit kaum Interesse haben, ihr Wissen zu offenbaren. Die Idee von Ohmae geht von einem „OECD-“ oder „Triade-Bürger“ aus, der in der Realität noch nicht existiert, weshalb in diesem Zusammenhang Porter mit seiner Weltauffassung derzeit realistischer erscheint. Während die Betrachtung von Ohmae sehr stark aus der japanischen Perspektive erfolgt, ist die Analyse von Porter sehr durch die amerikanische Sicht geprägt.

Porter betrachtet seine Theorie als dynamisch, während er die bisherigen Ansätze als statische Analysen ansieht. Er vertritt die Meinung, dass der „Diamant“ nicht nur vergangene Zustände beschreiben, sondern auch zukünftige Entwicklungen voraussagen kann. Sein Ansatz selbst ist aber eher als Erklärungsmodell für Entwicklungen der Vergangenheit angelegt. Eine zukunftsbezogene Dynamik muss auch in seinem Modell angezweifelt werden.

Probleme ergeben sich bei der „Diamanten“-Theorie von Porter auch dadurch, dass er zwar immer wieder betont, dass sich die einzelnen Elemente gegenseitig positiv unterstützen müssen, um langfristige nationale Wettbewerbsvorteile zu erzielen, jedoch werden die Abhängigkeiten und der Zusammenhang zwischen den einzelnen Bausteinen nicht hinreichend dargestellt und analysiert (Grant, R.M., 1991a).

[107]Thurow kritisiert mit Recht, dass Porter eher eine philosophische Arbeit als ein fundiertes Modell vorstellt, die somit schwer widerlegbar ist (Thurow, L.C., 1990). Diese Vorgehensweise erscheint vor dem Hintergrund wissenschaftstheoretischer Anforderungen an die Theorienbildung äußerst fragwürdig. Es muss daher angezweifelt werden, ob es Porter tatsächlich gelungen ist, eine Theorie der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Ländern, Branchen und Unternehmen zu formulieren.

Porter zeigt mit seinem „Diamanten“ empirisch neue Zusammenhänge über die internationale Wettbewerbsfähigkeit anhand von 10 Ländern und mehr als 100 Branchen auf. Hier konkretisieren sich viele seiner Aussagen anhand von Beispielen aus Unternehmen und Branchen, die weltweit erfolgreich waren.

 

2.5 Relevanz für das Internationale Management

Die Konzepte von Perlmutter und Ohmae sowie das Globalisierungsmodell von Porter stellen zwar für ein entscheidungsorientiertes Internationales Management eine wertvolle Hilfe dar, indem sie aufzeigen, welche Gesichtspunkte für eine erfolgreiche Internationalisierung von Unternehmen relevant werden können, jedoch ist die Aussagekraft dieser Ansätze für praktische Entscheidungen und deren Umsetzung nur begrenzt.

Erstens behandeln die Theorien zur Generierung von Internationalisierungsstrategien trotz der umfassenden Porter-Analyse nur Teilaspekte für konkrete betriebswirtschaftliche Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit dem Internationalen Management.

Zweitens geben sie nur ansatzweise Gestaltungsempfehlungen wie z.B. Ohmae über die regionale Verteilung oder Perlmutter über Organisations- und Führungsprobleme der internationalen Aktivitäten von Unternehmen. Auch Porters Empfehlungen im Zusammenhang mit der Globalisierung der Wertkette oder im Rahmen der Analyse von nationalen Wettbewerbsvorteilen beantworten nicht alle für eine Internationalisierungsstrategie relevanten Fragestellungen. Sie sind somit weitgehend Erklärungsmodelle und nur begrenzt Entscheidungsmodelle (z.B. ansatzweise das Globalisierungsmodell von Porter).

Drittens sind die Ansätze im situativen Kontext entwickelt worden und konzentrieren sich weitgehend auf Großunternehmen und auf bestimmte Industrieländer.

Viertens werden die Interdependenzen und Zusammenhänge, die zwischen den unterschiedlichen als wichtig empfundenen Variablen vorhanden sind, nur sehr unzureichend analysiert.

Fünftens werden in den verschiedenen Modellen nur vereinzelt konkrete Entscheidungshilfen für die Markteintritts- und -bearbeitungsstrategien im Ausland gegeben. Auch die Probleme der Umsetzung der Internationalisierungsstrategie in betriebliche Teilstrategien werden nur bruchstückhaft dargestellt und einer Lösung nähergebracht. Meist stehen dabei die Marketing-, teilweise auch die Beschaffungs- und Personalstrategie im Vordergrund der Überlegungen. Der „Rundumschlag“ bei der Analyse der nationalen Wettbewerbsvorteile [108]von Porter ist andererseits wieder so umfassend, dass er zu einer konkreten betriebswirtschaftlichen Entscheidungshilfe nur wenig beiträgt.

Fallstudie: Internationale Marktlebenszyklen in der Nutzfahrzeugindustrie


Internationale Marktlebenszyklen in der Nutzfahrzeuindustrie
Matthias Litschke, Manager, PERLITZ STRATEGY GROUP GmbH & Co. KG

Die Stammmärkte der Hersteller von PKWs und LKWs in den traditionellen Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Japan sind reife Märkte: Im Marktlebenszyklus haben sie nach der erfolgreichen Massenmobilisierung des 20. Jahrhunderts die Reifephase erreicht und stagnieren nun auf hohem Niveau. Die Hersteller haben ihr Geschäftsmodell erfolgreich um die lukrativen Geschäfte Wartung und Reparatur, Ersatzteile, Finanzierung sowie die Gebrauchtfahrzeugvermarktung erweitert. Diese Geschäfte machen in vielen Märkten bereits über 50% des Branchenumsatzes aus sowie 95% der Rentabilität. Das vermeintliche Kerngeschäft, der Verkauf neuer Fahrzeuge, ist zunehmend die wenig profitable Eintrittskarte in diese lukrativen After-Sales-Märkte.

Echtes Wachstum scheint nur noch in den Schwellen- und sich entwickelnden Ländern möglich. Diese Märkte befinden sich im Marktlebenszyklus noch in unterschiedlichen Phasen des Wachstums mit jährlichen Wachstumsraten von z.T. bis zu 25% und einem stetig wachsenden Weltmarktanteil. Bei LKWs beträgt z.B. der Weltmarktanteil der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) bereits 64% der verkauften Einheiten, bei PKWs 28%. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass die etablierten Stammmärkte der Hersteller nur noch lediglich 20% (LKW) bzw. 45% (PKW) des Weltmarktes ausmachen werden. Eine starke Präsenz in diesen Wachstumsmärkten ist also unabdingbar für die Unternehmensstrategie jedes etablierten Anbieters.

Dies wirft jedoch Probleme auf: Die westlichen Hightech-Produkte sind für weite Teile dieser Märkte zu teuer und treffen hier auf kostengünstige Low- und Mid-Tech-Wettbewerber aus Schwellenländern wie Korea, China und Indien. Überdies stehen i.d.R. in Schwellen- und sich entwickelnden Märkten die für Hightech-Fahrzeuge notwendigen Treibstoffqualitäten nicht zur Verfügung: Gesetzliche Abgasnormen definieren die eingesetzte Motorentechnik, diese wiederum definiert die erforderliche Treibstoffqualität. Die Welt folgt hier kaskadenartig den entwickelten Ländern: Neue Abgasnormen werden in Westeuropa, den USA und Japan eingeführt, zeitversetzt in Osteuropa und den Schwellenländern übernommen und schließlich auch in sich entwickelnden Volkswirtschaften zum Standard. Technische „Rückwärtskompatibilität“ ist nicht gegeben: Ein deutscher LKW des modernen Euro-5-Standards würde durch den in Indien verfügbaren Diesel auf [109]Euro-3-Niveau beschädigt. Ein in Schwellenländern angebotenes Fahrzeug muss also nicht nur preislich wettbewerbsfähig sein, sondern überdies mit dem lokalen Treibstoff fahren können. Erforderlich für eine erfolgreiche Marktbearbeitung sind somit entweder lokal angepasste, technisch einfachere Fahrzeuge oder aber ältere Fahrzeuge aus den entwickelten Märkten, die noch aus der Zeit der älteren Abgasnormen stammen.

Die Hersteller beschreiten beide Wege: Einerseits beteiligen sie sich an Herstellern der Zielmärkte oder kooperieren mit diesen. Die westlichen Hersteller bringen hierbei Kapital und Technologiekompetenz ein, die lokalen Hersteller kostengünstige Produktionskapazitäten und lokale Marktpräsenz. Der zweite Ansatz ist die Vermarktung gebrauchter Fahrzeuge aus den entwickelten Märkten. Hierbei schlagen die Hersteller zwei Fliegen mit einer Klappe: Im Neufahrzeuggeschäft ihrer Heimatmärkte vertreiben die Hersteller mittlerweile einen signifikanten Anteil aller Fahrzeuge via Leasing. Leasing ist letztlich ein Mietgeschäft, das Fahrzeug verbleibt hierbei i.d.R. im Eigentum des Herstellers und muss somit nach Ablauf des Leasingvertrages als Gebrauchtfahrzeug vermarktet werden. Die Heimatmärkte nehmen jedoch die hohe Anzahl solcher Gebrauchtfahrzeuge nicht auf.

Der Export dieser Gebrauchtfahrzeuge in die Wachstumsmärkte löst dieses Problem und liefert dem Hersteller gleichzeitig technisch geeignete und günstige Fahrzeuge für die Wachstumsmärkte. Das Ergebnis ist eine Exportkaskade: Im ersten Schritt werden gebrauchte Fahrzeuge in die mittel- und osteuropäischen Wachstumsmärkte wie Polen, Tschechien oder Russland exportiert, wo sie für einige Jahre eingesetzt werden (2. Leben). Danach wandern sie für ein weiteres, drittes Leben nach Südostasien oder Südamerika, bevor sie wiederum Jahre später auf den afrikanischen Märkten landen, wo sie ihre verbleibende Nutzungsdauer verbringen (4. Leben). Während in Westeuropa für jeden fabrikneuen LKW zwei gebrauchte verkauft werden, sind dies in Polen oder Tschechien schon fünf und in Russland zehn. In den Märkten des dritten und vierten Lebens ist der Anteil der Gebrauchtfahrzeuge am Gesamtmarkt entsprechend noch höher.

Unabhängig davon, ob diese Kaskade von den Herstellern selbst oder von unabhängigen Händlern in Gang gesetzt wird, schafft sie in den neuen Märkten eine Fahrzeugpopulation von Daimler-, MAN- oder Scania-LKW, die den Herstellern ein lukratives Ersatzteilgeschäft ermöglicht, ihre Marke bekannt macht und die Grundlage dafür legt, in Zukunft auch neue Fahrzeuge zu verkaufen, sobald das Wachstumsland das entsprechende Kaufkraftniveau erreicht hat. Hinter der Speerspitze der Gebrauchtfahrzeugvermarktung kann also nach und nach eine Vertriebsorganisation geschaffen werden, die schrittweise das gesamte etablierte Geschäftsmodell aus Neufahrzeug, Wartung/Reparatur, Ersatzteilen und Finanzierung anbieten kann.

Kritische Voraussetzung ist das Fehlen von Handelsbarrieren zwischen den Wirtschaftsblöcken sowie der Verzicht auf protektionistischen Schutz lokaler Produzenten. China als ein Land mit einer eigenen, lokalen LKW-Produktion hat sich zum Beispiel durch Zollbarrieren weitgehend von der beschriebenen Kaskade abgeschottet. Es ist ferner zu [110]beobachten, dass Hersteller aus den Schwellenländern zunehmend den Wettbewerb mit den westlichen Herstellern aufnehmen, und zwar in Gegenrichtung zur westlichen Gebrauchtfahrzeugkaskade: In den Märkten des vierten, dritten und zweiten Lebens konkurrieren die westlichen Gebrauchtfahrzeuge zunehmend mit technisch einfachen, aber günstigen Neufahrzeugen aus China und anderen Schwellenländern. Es ist anzunehmen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis chinesische und indische Hersteller auch in die Märkte Westeuropas und Nordamerikas eintreten, ggf. mittels Akquisition schwächerer westlicher Marken. Im PKW-Markt ist dies mit den Käufen von Jaguar und Land Rover durch die indische Tata Motors (2007) sowie von Volvo durch die chinesische ZhejiangGeely Holding Group (2010) bereits erfolgt.