Internationales Management

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Der Kampf um den Weltmarkt ist also bereits in vollem Gange. Entscheidend für die etablierten Hersteller wird sein, ob sie es schaffen, das Potenzial der Wachstumsmärkte dauerhaft für sich zu erschließen.

Fragen zur Fallstudie

1 In welchen Phasen des Marktlebenszyklus befinden sich die klassischen westeuropäischen und nordamerikanischen Industriestaaten im Hinblick auf PKWs und LKWs? In welcher Phase Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien?

2 Warum sind aktuelle Hightech-Produkte der klassischen Industrieländer im Hinblick auf Preis und technischen Anspruch nicht unbedingt gleichermaßen für Märkte in frühen Phasen des Marktlebenszyklus geeignet?

3 Erläutern Sie, wie Unternehmen die unterschiedlichen Entwicklungsstufen ihrer Absatzmärkte im Marktlebenszyklus für ihre Unternehmensentwicklung nutzen können.

4 Erläutern Sie die Auswirkungen von Handelsbarrieren auf die Umsetzbarkeit einer solchen Strategie.

Literaturempfehlungen

Basisliteratur

Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston [u.a.], [Kapitel 1: „Introduction: What is International Business“, S. 38; Kapitel 2: „Globalization of Markets and the Internationalization of the Firm“, S. 64; Kapitel 4: „The Cultural Environment of International Business“, S. 122-153].

Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 5: „International Trade Theory“, S. 166-203; Kapitel 7: „Foreign Direct Investment“, S. 240-273].

[111]Kutschker, M./Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 3: „Theorien der internationalen Unternehmung“, S. 379-481].

Vertiefungsliteratur

Krugman, P./Obstfeld, M./Merlitz, M., 2011: Internationale Wirtschaft, 9. Aufl., Pearson Studium: München.

Rose, K./Sauernheimer, K., 2006: Theorien der Außenwirtschaft, 14. Aufl., Vahlen: München.

[112][113]Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung


[114]Standpunkt: Boehringer Ingelheim


Boehringer IngelheimBoehringer Ingelheim ist ein forschungsorientiertes Pharmaunternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahre 1885 in Familienbesitz befindet. Boehringer Ingelheim zählt zu den größten Pharmaunternehmen weltweit und beschäftigt mehr als 42.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 12,6 Mrd. Euro. www.boehringer-ingelheim.de
Christian Boehringer, Vorsitzender des GesellschafterausschussesChristian Boehringer ist seit 2007 Vorsitzender des Gesellschafterausschusses von Boehringer Ingelheim. In dieser Funktion bildet er die Brücke zwischen der Inhaberfamilie und der operativen Führung.

1. Inwiefern sehen Sie sich als Unternehmen in der sozialen Verantwortung?

Soziale Verantwortung ist seit der Firmengründung eine Selbstverständlichkeit bei Boehringer Ingelheim. Die Bedürfnisse und das Engagement haben sich in den 125 Jahren aber geändert. In den Anfängen des Unternehmens waren Basisbedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf, eine gute Ernährung und soziale Absicherung keine Selbstverständlichkeit, der Firmengründer hat hier neue Maßstäbe bei seiner Belegschaft gelegt.

2. In welcher Weise hat sich dies im Laufe der Zeit verändert?

Als die Basisbedürfnisse mit der Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft eine Selbstverständlichkeit wurden, haben sich die Folgegenerationen auf Kunst und Bildung spezialisiert. Schon ab der zweiten Generation wurden auch Bildungs- und Kulturaspekte Teil der sozialen Verantwortung bei Boehringer Ingelheim.

Seit 1956 fördert die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften wissenschaftlichen Nachwuchs in der Sprach- und Literaturwissenschaft, Kunst und Geschichtshistorik durch Druckkostenzuschüsse bei den Dissertations- und Habilitationsschriften.

1959 wurden die „Ingelheimer Tage“ ins Leben gerufen. Dies ist eine jährlich stattfindende Ausstellung, die ursprünglich die fernen Kulturkreise, in denen das Unternehmen arbeitet, nach Ingelheim brachte und sich heute einzelnen Künstlern bzw. Kunstströmungen widmet.

Seit 1983 fördert der Boehringer Ingelheim Fond (B.I.F.) über Doktoranden-Stipendien die bio-medizinische Grundlagenforschung auf höchstem internationalen Niveau.

[115]Die Boehringer Ingelheim Stiftung als jüngste Stiftung fördert u.a. in Zusammenarbeit mit dem Land Rheinland-Pfalz an der Universität Mainz ein Institut für Molekulare Biologie mit 100 Millionen Euro.

3. Gibt es internationale Projekte, für die sich Boehringer Ingelheim einsetzt?

Die Behandlung und Bekämpfung von AIDS ist zur globalen Herausforderung geworden. Boehringer Ingelheim trägt nicht nur durch AIDS-Medikamente in der entwickelten Welt zur Bekämpfung von AIDS bei, sondern unterstützt auch durch das „Viramune Donationprogramm“ die Bekämpfung der Krankheit in der unterentwickelten Welt. Mithilfe dieser Medikamentenspende kann mit zwei Injektionen die Übertragungschance einer mit AIDS infizierten Mutter auf das Kind deutlich gesenkt und damit die Ansteckungskette an einer wesentlichen Stelle reduziert werden.

4. Sind bei Boehringer Ingelheim weitere Programme hinsichtlich des sozialen Engagements in Planung?

Derzeit denken wir darüber nach, wie wir unsere Mitarbeiter stärker in die Lösung sozialer Probleme in der Welt mit einbinden können. Wir sind derzeit auf der Suche nach sogenannten „Sozialunternehmern“, die wir mithilfe der Gesellschafter und unseren Mitarbeitern bei der Umsetzung ihrer Konzepte im Bereich „More Health“ unterstützen können.

Sozialunternehmer sind Unternehmer, die nicht genügend Geld verdienen, um das nötige Kapital am Kapitalmarkt zu generieren, aber genug, um das Konzept nach einer Startphase selbst zu finanzieren.

Wenn man ein Krankenhaus in der Dritten Welt unterstützt, ist das Krankenhaus in der Regel auf dauerhafte Spenden angewiesen, da die Patienten keinen Beitrag zur Finanzierung leisten können. Damit kann das Konzept auch nicht auf ganz Afrika ausgedehnt werden.

Ein Beispiel für ein gelungenes Sozialunternehmen ist die Idee, Autisten aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten z.B. bei Versicherungsunternehmen einzusetzen. Die betreffende Person schafft für die Firma einen Mehrwert und bekommt ein Gehalt. Der Sozialunternehmer kann eine Vermittlungsgebühr verlangen und damit mehreren Autisten einen Arbeitsplatz beschaffen. Die Idee ist daher international skalierbar. Die ursprünglichen Investoren haben lediglich das Gehalt des Sozialunternehmers in den ersten 3 Jahren sowie die Startup-Kosten übernommen. Die Mitarbeiter des finanzierenden Unternehmens konnten sich auf vielfältige Weise bei der Startphase mit Rat und Tat engagieren und so sozial tätig sein.

Wir glauben, dass alle Beteiligten gewinnen. Soziale Probleme können gelöst werden, die Arbeitszufriedenheit unserer Mitarbeiter steigt aufgrund des sozialen Engagements und wir können mit kalkulierbaren finanziellen Mitteln viel bewegen.

5. [116]Wie verträgt sich CSR mit einem Unternehmen, das nach wirtschaftlicher Optimierung strebt?

In der Vergangenheit wurde eine finanzielle Zuwendung wirtschaftlich und ökonomisch erfolgreicher Menschen oft erst als „sozial“ empfunden, wenn die Mittel gespendet wurden. Neuere CSR-Ansätze stellen durchaus Ansprüche, die einem wirtschaftlich geführten Unternehmen ähneln:

 Welchen Nutzen hat die CSR-Aktivität und wer ist bereit für diese Leistung zu bezahlen?Unternehmer können die Sozialunternehmer gut bei der Fragestellung, wie sich der Nutzen quantifizieren lässt und wer Kunde sein kann, beraten.

 Wie muss der Sozialunternehmer planen, sich organisieren und sich strukturieren, um ökonomisch erfolgreich zu sein (und damit nicht ewig auf Spenden angewiesen zu sein und sein Wachstum zu finanzieren)?Bei all diesen Fragen hat der erfolgreiche Unternehmer meist die Lernkurve, die der Sozialunternehmer noch vor sich hat, schon hinter sich.

 Mit welchen Key-Performance-Indikatoren kann der Sozialunternehmer seine Planumsetzung kontrollieren?Die Prinzipien eines erfolgreichen Key-Performance-Indikatorsystems einer CSR-Aktivität ähneln denen eines Unternehmens, auch wenn Unternehmen, die ihr Kapital aus dem Kapitalmarkt erhalten, Profit vielleicht stärker in den Vordergrund stellen.

Auch wenn die meisten CSR-Aktivitäten bewusst als Non-Profit-Organisationen gegründet werden, ähneln sich die Herausforderungen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden, in hohem Maß.

Es zeigt sich auch, dass ein CSR-Engagement im eigenen Marktumfeld bzw. Erfahrungsbereich durchaus für beide Seiten von Vorteil sein kann. Wenn ein Pharmaunternehmen Sozialunternehmern hilft, die „More Health“ zum Thema haben, kann der Sozialunternehmer stark von der Erfahrung und dem Netzwerk seines Mentors profitieren. Auf der anderen Seite lernt der Mentor die Welt aus einem Blickwinkel zu sehen, den er normalerweise vermutlich in seinem Erfahrungsumfeld eher weniger sieht (Start-up-Mentalität anstatt Konzernmentalität; alternative Ansätze, das gleiche Problem zu lösen).

 

6. Inwieweit ist eine Schwerpunktsetzung der CSR-Aktivitäten im regionalen Umfeld des Unternehmens sinnvoll bzw. sollte die globale Perspektive im Vordergrund stehen?

In Bezug auf das „More Health“-Projekt bei Boehringer Ingelheim widersprechen sich die lokale und globale Perspektive nicht. Jedes Land wird in den nächsten Jahren eine Patenschaft für einen Sozialunternehmer aus seiner Region übernehmen. Ist der [117]Sozialunternehmer erfolgreich, wird er seine Aktivität national, vielleicht sogar multinational ausweiten. Gerade in der Startphase ist es aber wichtig, dass die nationale Partnerschaft einen häufigen Austausch zwischen Sozialunternehmer und seinem Mentor ermöglicht. Gerade dadurch öffnet sich das Mentorunternehmen auch für die Menschen und Institutionen in seinem direkten Umfeld.

1 Kultur

1.1 Kulturbegriff

Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Aktivitäten an den Erfordernissen ihrer Umwelt ausrichten. Weiterhin agieren sie flexibel und situationsspezifisch auf unterschiedliche Ereignisse (Meissner, H.G., 1999; Perlitz, M., 1994b). Dies ist auch der Basisgedanke des situativen Ansatzes, der davon ausgeht, dass es nicht „den“ optimalen, sondern nur den in der jeweiligen Situation geeigneten Weg gibt. Für ein Unternehmen geht es darum, sich so zu verhalten, dass sich die verfolgten Unternehmensziele in der jeweiligen Situation bestmöglich realisieren lassen. Die Literatur zeigt eine Vielzahl von Variablen auf, die Unternehmen in ihrem Verhalten beeinflussen. Es wird grob unterschieden in Variablen der unternehmensexternen und -internen Umwelt. Der externe Teil lässt sich weiter untergliedern in eine vom Unternehmen beeinflussbare und in eine nicht beeinflussbare Umwelt.

Kultur im Sinne von gemeinsam geteilten Werthaltungen in einer Gesellschaft ist ein Teilbereich der nicht beeinflussbaren Umwelt. Im eigenen Stammland sind die kulturell internalisierten Wertvorstellungen handlungsleitend. Alternativen werden nicht gesehen und Kultur wird somit als etwas Selbstverständliches hingenommen (Holzmüller, H.H./Berg, N., 2002; Schuster, L., 1999; Dülfer, E., 1992a; Thorborg, H., 1991). Mit deren Problematik an sich wird das Unternehmen nicht konfrontiert. Inländer sind sich daher der Inhalte der eigenen kulturellen Prägung meist gar nicht bewusst, sie setzen sich mit der jeweiligen Kultur nur implizit auseinander. Im Gegensatz dazu treffen in kulturellen Überschneidungssituationen die gewohnten, eigenkulturell geprägten Denkmuster und Verhaltensweisen mit denen der fremdkulturell geprägten Interaktionspartner aufeinander. Die bisher geeigneten Handlungsweisen, Interpretations- und Bewertungsmuster versagen dann häufig, d.h., ein „Fit“ zwischen der Situation und dem Verhalten ist nicht mehr gegeben und der Erfolg der Unternehmensaktivitäten dadurch oft gefährdet. Die kulturelle Umwelt wird daher erst bei internationalen Aktivitäten eines Unternehmens durch das „Aufeinanderprallen“ von Kulturen bewusst und erlangt somit betriebswirtschaftliche Bedeutung. Kultur ist ein originärer Problembereich für das Internationale Management, da er erst durch eine Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit evident wird.

[118]Besonderen Einfluss hat die Kultur auf die interpersonelle Interaktion (Knapp, K., 2003; Kopper, E., 2003; Holzmüller, H.H., 1997; Harris, P.R./Moran, R.T., 1991), welche vor allem im operativen Bereich der Unternehmensaktivitäten von Relevanz ist. Kultur wird daher als wichtige Umweltdimension für die internationalen betrieblichen Teilpolitiken diesem Kapitel vorangestellt. Hierzu wird zuerst das Phänomen Kultur definiert und diskutiert. Im Anschluss daran erfolgt eine Beschreibung der kulturvergleichenden Managementforschung sowie des interkulturellen Managements. Diese Komponenten werden in einer integrativen Darstellung verknüpft, wodurch die Bedeutung der Kultur für verschiedene internationale Teilpolitiken deutlich wird.

Das Phänomen Kultur ist definitorisch schwer fassbar. Dies liegt darin begründet, dass sehr unterschiedliche Forschungsgebiete den Kulturfaktor in ihre Betrachtung einbeziehen. Je nach Forschungsgebiet variieren die Zielsetzungen und daher auch die Auffassungen. In einer umfangreichen Literaturanalyse haben die Anthropologen Kroeber und Kluckhohn bereits Anfang der 1950er Jahre 164 verschiedene inhaltliche Auslegungen des Begriffs Kultur zusammengetragen (Kroeber, A.L./Kluckhohn, C., 1952).

Keller bestimmt den Kulturbegriff anhand verschiedener Eigenschaften (v. Keller, E., 1982):

 Kultur ist menschengeschaffen. Sie ist ein Produkt kollektiven gesellschaftlichen Handelns und Denkens einzelner Menschen.

 Kultur ist überindividuell und ein soziales Phänomen, das den Einzelnen überdauert.

 Kultur wird erlernt und durch Symbole übermittelt.

 Kultur ist durch Normen, Regeln und Verhaltenskodizes verhaltenssteuernd.

 Kultur strebt nach innerer Konsistenz und Integration.

 Kultur ist ein Instrument zur Anpassung an die Umwelt.

 Kultur ist langfristig adaptiv wandlungsfähig.

Hofstede stellt Kultur als ein gruppenspezifisches, kollektives Phänomen von gemeinsam geteilten Werthaltungen dar. „Culture is to a human collectivity what personality is to an individual“ (Hofstede, G., 2001). Er definiert Kultur als die kollektive Programmierung des menschlichen Denkens, die die Mitglieder einer Gruppe von Menschen von denjenigen einer anderen Gruppe unterscheidet. Die meisten Studien der kulturvergleichenden Managementforschung der 1980er und 1990er Jahre beziehen sich auf diese Begriffsbestimmung, die auch hier zugrunde gelegt wird.

Das Kulturphänomen wird oft mit einem Eisberg verglichen, dessen größter Teil unter Wasser verborgen bleibt (vgl. Abbildung 56). Der sichtbare, explizite und manifeste Teil beinhaltet kulturelle Artefakte wie Symbole, Rituale, Sprache, Kleidung, Essen, Architektur, Kunst usw. Diese reflektieren aber nur tieferliegende Schichten der Kultur, d.h. die [119]zugrunde liegenden, meist unbewussten und internalisierten Wertvorstellungen, Normen, Denkweisen und Einstellungen (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Trompenaars, F., 1993).


Abbildung 56: Kultur als Eisberg

Kultur hat verschiedene Funktionen. Sie bietet dem Einzelnen ein Orientierungssystem und einen Bezugsrahmen, anhand derer eigene Erfahrungen und Verhaltensweisen eingeteilt und organisiert werden können. Der kulturelle Rahmen setzt somit Standards für Wahrnehmung, Denken, Urteilen und Handeln. Kultur als kollektiv geteilte kognitive Infrastruktur stellt einen effektiven Interpretations- und Problemlösungsmechanismus dar, um die komplexe Umwelt bewältigen zu können. Darüber hinaus stellt Kultur eine eigene Identität bereit. Der Sozialisationsprozess durch Lernen am Kulturmodell ermöglicht ein einheitliches Handeln und effizientes Arbeiten. Kultur hilft den Mitgliedern einer Gesellschaft bei der Kommunikation, Interaktion und Erfolgssicherung.

Der Prozess der Prägung der kulturellen Grundpersönlichkeit des Einzelnen erfolgt durch Enkulturation, d.h. durch das Lernen der spezifischen Kulturmuster und -werte. Kulturelle, biologische und soziale Faktoren sowie Umwelteinflüsse sind dabei eng miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig (siehe Abbildung 57) (Holzmüller, H.H./Berg, N., 2002; v. Keller, E., 1982).

[120]

Abbildung 57: Kultur, Gesellschaft und Individuum

Quelle: v. Keller, E., 1982

Kulturen als Ergebnis eines langen Prozesses der internen Adaption und Integration bei gleichzeitiger Abgrenzung nach außen sind grundsätzlich sehr stabil und auf Kontinuität ausgerichtet. Dennoch verändern sich Kulturen. Kultur ist zugleich Produkt und Prozess, d.h., sie muss ständig ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen. Nur ein adaptivevolutionärer Prozess kann es ermöglichen, dass die kulturellen Inhalte und Formen langfristig geeignet bleiben, die spezifischen Umweltprobleme zu lösen sind und eine Überalterung der kulturellen Determinanten verhindert wird (Dülfer, E., 1992a; Matenaar, D., 1983).

Es bestehen verschiedene Ansätze, das Phänomen Kultur zu erfassen. Letztendlich geht es darum, das hypothetische Konstrukt Kultur in verschiedene Dimensionen aufzuspalten, die als Vergleichskriterien für die Beschreibung und den Vergleich einzelner Länder und Kulturen dienen sollen. In der Literatur lassen sich verschiedene Kulturdimensionen differenzieren. Zwei der bedeutendsten Kulturstudien sind die Ansätze von Trompenaars sowie von Hofstede.

1.1.1 Kulturmodell von Trompenaars

Trompenaars unterscheidet in seinem Ansatz insgesamt sechs kulturelle Dimensionen, von denen allerdings nur fünf für den Themenbereich des Internationalen Managements relevant sind. Seine empirische Untersuchung zur Quantifizierung kultureller Differenzen basiert auf der Befragung von 15.000 Managern aus 47 Nationen. Er unterscheidet zwischen folgenden Kulturdimensionen (Trompenaars, F./Hampden-Turner, C., 2012; Trompenaars, F., 1996; Trompenaars, F., 1993a):

(1) Universalismus versus Partikularismus

Diese Kulturdimension gibt wieder, inwieweit in dem jeweiligen Land das Generelle oder das Spezifische Vorrang hat. So legen universalistische Kulturen großen Wert auf die Einhaltung von Regeln und stellen diese gar über menschliche Beziehungen. Partikularistische Kulturen hingegen betrachten vorrangig die spezifischen Umstände oder persönlichen Hintergründe bei Entscheidungen aller Art. Hierdurch rückt die spezifische Situation in den Vordergrund. Eher universalistische Kulturen sind neben den angelsächsischen Ländern USA, Kanada und Großbritannien vor allem die germanischen Nationen [121]Deutschland, Österreich und die Schweiz, während beispielsweise Venezuela, Südkorea, Russland oder China als partikularistisch eingestuft werden.

(2) Individualismus versus Kollektivismus

Hierbei geht es um die Frage, ob sich Personen primär als Individuen sehen oder sich über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definieren. Damit einher geht die Diskussion, ob sich Individuen bei ihren Entscheidungen an den persönlichen Interessen ausrichten oder eine Unterordnung unter ein Kollektiv stattfindet. Trompenaars betont, dass es bei dieser Dimension durchaus vorkommen kann, dass in Ländern sowohl individualistische als auch kollektivistische Tendenzen auftreten können. Die USA, Rumänien, Tschechien, Russland, Nigeria oder Israel gelten als individualistische, während Japan, Indien, Ägypten oder Mexiko als kollektivistische Nationen betrachtet werden.

(3) Neutrale Beziehungen versus affektive Beziehungen

Bei dieser Dimension spielen Gefühle und Beziehungen eine dominierende Rolle. So steht in neutralen Kulturen ein rationales Verhalten im Vordergrund, wohingegen in affektiven Kulturen Gefühle und Emotionen nicht unterdrückt werden. Die Mehrzahl der lateinischen, afrikanischen und arabischen Nationen wird den affektiven Kulturen zugerechnet, während Japan und China sowie mehrere mittel- und nordeuropäische Länder (z.B. Polen, Bulgarien oder Österreich) als neutral gelten.

(4) Spezifische Beziehungen versus diffuse Beziehungen

Diese Dimension drückt das Maß der Betroffenheit eines Individuums durch eine bestimmte Situation oder Handlung aus. In Kulturen mit diffusen Beziehungsstrukturen lassen sich unterschiedliche Lebensbereiche nicht voneinander trennen, während in spezifischen Kulturen beispielsweise die Felder Arbeit und Familie klar voneinander abgetrennt sind. China, Kuwait, Indonesien oder Chile gelten als eher diffus, während die westlichen Industriestaaten eher spezifisch orientiert sind.

 

(5) Leistung versus Ansehen

Die letzte Dimension bezieht sich darauf, ob der Status einer Person durch ihr Ansehen (z.B. aufgrund der Herkunft, religiöser Vorstellungen oder des Alters) oder aufgrund einer erzielten Leistung erreicht wird. Die USA gelten dabei als Land mit einer hohen Statuserreichung, wohingegen mitteleuropäische Länder (z.B. Italien, Deutschland und Russland) eher den Kulturen zugerechnet werden, in denen das Ansehen eine große Rolle spielt. In einer Vielzahl südamerikanischer, asiatischer und arabischer Länder sind derartige Tendenzen noch wesentlich stärker ausgeprägt.

[122]1.1.2 Kulturmodell von Hofstede

Die in der Betriebswirtschafts- und Managementlehre am häufigsten genannte und zitierte Studie zur Kulturerfassung stammt von Hofstede, der in seiner Untersuchung beim Computerhersteller IBM 117.000 Fragebögen aus 67 Ländern mit jeweils 60 Items analysiert hat (Hofstede, G., 1982). Die Datenerhebung fand zwar zwischen 1968 und 1972 statt, doch trotz des hohen Alters wird die Studie auch heute noch als Basis der meisten Untersuchungen zur kulturvergleichenden Managementforschung herangezogen. Ziel der Hofstede-Studie war die Ausarbeitung von Dimensionen, mit deren Hilfe Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Ländern dargestellt werden können. Hofstede gelangt in seiner Analyse zunächst zu vier Kulturdimensionen mit den Bezeichnungen:

1 Machtdistanz

2 Individualismus/Kollektivismus

3 Maskulinität/Femininität

4 Unsicherheitsvermeidung

Später kam mit der Langfrist-/Kurzfristorientierung eine fünfte Dimension hinzu. Die einzelnen Dimensionen werden nachfolgend erläutert (Hofstede, G., 2006; Hofstede, G., 2001; Hofstede, G., 2000; Hofstede, G., 1992).

(1) Machtdistanz (power distance)

Diese wird von Hofstede definiert als „the extent to which the less powerful members of institutions and organizations within a country expect and accept that power is distributed unequally“ (Hofstede, G./ Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010). Auf der Basis von Ländermittelwerten verschiedener Fragestellungen (z.B. wahrgenommener bzw. präferierter Führungsstil, Widerspruchsmöglichkeiten gegenüber dem Vorgesetzten) wurde von Hofstede ein Machtdistanz-Index (MDI) erstellt (vgl. Abbildung 58).

Länder mit einem niedrigen Indexwert haben eine geringe Machtdistanz und umgekehrt. Die meisten afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Länder zeigen ebenso wie Frankreich, Belgien, Italien und Spanien hohe MDI-Werte; niedrige Machtdistanzwerte ergeben sich dagegen für die USA, Großbritannien, Deutschland und die skandinavischen Länder. Im Management wird sich eine hohe Machtdistanz z.B. dadurch bemerkbar machen, dass eine große Zahl von Hierarchiestufen besteht und ein Umgehen dieser Hierarchiestufen tabu ist. Zudem werden Entscheidungen in Ländern mit einer hohen Machtdistanz häufig stark zentralisiert. Des Weiteren werden Statussymbole und Privilegien nach außen sichtbar angewandt.

[123]

Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.

Abbildung 58: Machtdistanz-Index-Werte (MDI) von 74 Ländern und Regionen

Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009

(2) Individualismus versus Kollektivismus

Die Dimension des Individualismus bzw. Kollektivismus misst, inwieweit sich die Menschen einer bestimmten Gesellschaft eher als einzelne, unabhängige Individuen oder als Mitglieder einer Gruppe definieren (Hofstede, G., 2001). Gesellschaften gelten dann als individualistisch, wenn Bindungen zwischen den einzelnen Personen locker sind und die Erwartung überwiegt, dass jeder für sich und seine unmittelbare Familie zu sorgen hat. In kollektivistischen Gesellschaften sind die Individuen hingegen von Geburt an in starke, geschlossene Gruppen integriert, die ein Leben lang für Schutz sorgen und dafür bedingungslose Loyalität erwarten. Die verschiedenen Grade der Ausprägung des Individualismus variieren von Kultur zu Kultur und können mit dem sogenannten Individualismus-Index (IDV) gemessen werden (vgl. Abbildung 59).

Wie bereits im Falle der Machtdistanz repräsentieren die Punktzahlen die relative Position des jeweiligen Landes. Je niedriger die Punktzahl, desto kollektivistischer, je höher, desto individualistischer ist das jeweilige Land. Beinahe alle wohlhabenden Länder erreichen hohe IDV-Punktwerte, während fast alle ärmeren Länder niedrigere Punktwerte aufweisen. Im Management offenbart sich die individualistische Ausrichtung beispielsweise dadurch, [124]dass der Einzelne Vorrang vor der Gruppe oder vor der gesamten Unternehmung hat. Damit einher geht eine geringe Loyalität, was zu häufigen Stellenwechseln und großer Mobilität führt. Arbeit dient folglich vornehmlich der Selbstverwirklichung und nicht dem Aufbau von Beziehungen. Dies äußert sich beispielsweise auch in der Tatsache, dass dem Inhalt der Aufgabe eine hohe Bedeutung zukommt.


Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.

Abbildung 59: Individualismus-Index-Werte (IDV) für 74 Länder und Regionen

Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009

(3) Maskulinität versus Femininität

Die Dualität der Geschlechter ist eine fundamentale und universelle Tatsache, mit der die verschiedenen Kulturen jedoch auf unterschiedliche Weise umgehen. Nach Hofstede misst diese Dimension „… the division of roles between the sexes“ (Torrington, D./Hall, L./Taylor, S., 2008). Bemerkenswert ist, dass bei der Studie die Wertvorstellungen der Frauen weniger zwischen den einzelnen Kulturen divergieren als die der Männer. Während Frauen grundsätzlich bescheidenere und fürsorglichere Vorstellungen haben, können Männer entweder ebenso denken oder eher bestimmende bzw. konkurrenzbetonte Werte verfolgen. Hofstede bezeichnet eine Gesellschaft als maskulin, wenn sie leistungsbezogen ist, die Individuen (unabhängig vom Geschlecht) erfolgsbezogen und selbstbewusst sind, Konflikte ausgefochten werden und Mitglieder mit abweichendem Verhalten übergangen oder missachtet [125]werden (Hofstede, G., et al., 2011). Eine feminine Kultur achtet eher auf zwischenmenschliche Beziehungen, die Bewahrung der Umwelt, Lebensqualität, schließt Kompromisse und schätzt Kooperation (Hofstede, G., 2001; Nath, R., 1986).

Eine hohe Punktzahl bedeutet, dass die Maskulinität in einem solchen Land relativ zu den Ländern mit geringerer Punktzahl stärker ausgeprägt ist. Stark feminine Länder haben also geringe Maskulinitäts-Index-Werte (MAS) (vgl. Abbildung 60). Japan, Österreich, Venezuela, Italien, die Schweiz und Mexiko werden als maskuline Gesellschaften bezeichnet. Auch Deutschland ist maskulin orientiert. Die skandinavischen Länder sowie die Niederlande sind hingegen feminin ausgerichtet. Im Rahmen des Managements drückt sich Maskulinität dadurch aus, dass materiellen Aspekten ein hoher Stellenwert zugesprochen wird. Arbeit wird gegenüber Freizeit als wesentlich höher eingeschätzt. Als dominante Werte gelten Ehrgeiz, Selbstdisziplin sowie Karriereorientierung.


Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.

Abbildung 60: Maskulinitäts-Index-Werte (MAS) für 74 Länder und Regionen

Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009

(4) Unsicherheitsvermeidung

Ungewissheit ist für einzelne Individuen oft nur schwer zu ertragen. Die Dimension Unsicherheitsvermeidung lässt sich definieren als „der Grad, in dem die Mitglieder einer Kultur sich [126]durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen“ (Hofstede, G., et al., 2011). Jede Kultur hat Methoden entwickelt, um mit dieser Ungewissheit objektiv oder subjektiv zurechtzukommen, jedoch gibt es hierbei beträchtliche Unterschiede (Hofstede, G., 2001). Eine Gesellschaft mit einer starken Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung versucht, die Zukunft zu kontrollieren oder zumindest über bestimmte Regeln, Gesetze, Verhaltensvorschriften und Sicherheits- und Schutzmaßnahmen zu beeinflussen (Hofstede, G., 1992).

Sie ist relativ intolerant gegenüber abnormem Verhalten und eher abweisend gegenüber nicht vorhersagbaren Ereignissen und schwer einzuordnenden Meinungen. Demgegenüber erziehen Kulturen mit schwach ausgeprägter Unsicherheitsvermeidung ihre Mitglieder zu mehr Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Ungewohntem. Außerdem ist für sie eine stärkere Akzeptanz von Risiko charakteristisch. Abbildung 61 stellt die Unsicherheitsvermeidungswerte für verschiedene Kulturen dar.