Internationales Management

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Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen

Abbildung 61: Unsicherheitsvermeidungsindex (UVI)-Werte für 74 Länder und Regionen

Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009

Länder mit schwacher Unsicherheitsvermeidung haben geringe UVI-Werte und umgekehrt. Bei dieser Hofstede-Dimension sind selbst innerhalb einzelner Länderregionen beträchtliche Differenzen feststellbar. So weisen Griechenland und Portugal eine hohe Unsicherheitsvermeidung auf, während in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine [127]mittlere Einstufung vorzufinden ist. In Dänemark hingegen ist die Unsicherheitsvermeidung lediglich schwach ausgeprägt. Weitere bestehende kulturelle Differenzen innerhalb Europas analysieren im Detail auch Perlitz und Seger (Perlitz, M./Seger, F., 2004). In Gesellschaften mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung müssen Unternehmensentscheidungen eindeutig und präzise sein. Konflikte und abweichende Verhaltensmuster werden weitestgehend vermieden. Unter Umständen können derartige Mechanismen dazu führen, dass Innovationen frühzeitig erstickt werden, da wenig Platz für kreative Problemlösungen bleibt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011).

(5) Langfrist-/Kurzfristorientierung

Die fünfte – nachträglich hinzugefügte – Dimension wird als Langfrist- bzw. Kurzfristorientierung bezeichnet. Als Merkmale der langfristigen Orientierung von Kulturen sieht Hofstede eine große Ausdauer bzw. Beharrlichkeit im Verfolgen von Zielen, den Respekt vor am Status orientierten Rangordnungen, eine hohe Sparquote und Investitionstätigkeit sowie ein ausgeprägtes Schamgefühl.

Eine besonders hohe Langfristorientierung zeigt sich der Studie zufolge, die allerdings lediglich in 23 Ländern durchgeführt wurde, vor allem in China, Hongkong, Taiwan und Japan, während Pakistan äußerst kurzfristig orientiert zu sein scheint. Deutschland nimmt dabei eine Mittelposition ein (vgl. Abbildung 62). Der in diesem Zusammenhang aufgeführte Zeitaspekt hat auch Konsequenzen für das Management. So werden in Kulturen mit einer langfristigen Orientierung häufig strategische Überlegungen gegenüber operativen und taktischen Fragen bevorzugt. Die Unternehmensplanung beschränkt sich folglich nicht auf die nächsten Monate oder unmittelbar folgenden Jahre.


Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.

Abbildung 62: Indexwerte zur Langfristorientierung, (ILO-)Werte für 39 Länder und Regionen

Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009

[128](6) Selbstverwirklichung versus Selbstbeschränkung

Die sechste Dimension, Selbstverwirklichung versus -beschränkung (indulgence vs. restraint), wird erstmals in der dritten Auflage des Werkes von Hofstede im Jahr 2010 beschrieben. Die Autoren definieren diese Dimension als „(…) a tendency to allow relatively free gratification of basic and natural human desires related to enjoying life and having fun. Its opposite pole, restraint, reflects a conviction that such gratification needs to be curbed and regulated by strict social norms“ (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).

Der Fokus liegt auf dem subjektiven Wohlbefinden („level of happiness“) einer Gesellschaft bzw. den Angehörigen eines Kulturkreises. Dies drückt sich beispielweise im Freizeitbedürfnis und der Selbstbestimmtheit über das eigene Leben aus. Auch die Bedeutung, eigene Gedanken frei äußern zu können, wird in dieser Kulturdimension beschrieben. Menschen in einer selbstbeschränkten Kultur empfinden ein geringeres Bedürfnis zur freien Meinungsäußerung. Außerdem neigen sie zur Introvertiertheit, Pessimismus und Zynismus. Angehörige eines Kulturkreises, der stärker durch Genuss und Selbstverwirklichung charakterisiert ist, sind tendenziell extrovertierter, optimistischer und erinnern sich eher an die glücklichen Momente in ihrem Leben (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).

Länder mit einem niedrigen Indexwert sind durch hohe Selbstbeschränkung gekennzeichnet, wohingegen Länder mit einem hohen Indexwert zu Genuss und Selbstverwirklichung tendieren. Die meisten zentral- und südamerikanischen Länder wie Venezuela, Mexiko, Argentinien und Brasilien weisen hohe Indexwerte auf. Aber auch westliche Industrieländer wie Schweden, Großbritannien und die USA zeigen durch hohe Indexwerte die kulturelle Bedeutung von Genuss und Selbstverwirklichung. Im Gegensatz dazu besitzen osteuropäische, arabische und asiatische Länder durch niedrige Indexwerte eine Kultur der Selbstbeschränkung. Deutschland ist mit einem mittleren Indexwert bei 92 untersuchten Ländern auf Position 52 angesiedelt (vgl. Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden.

Abbildung 63).

Die Ausprägung der Dimension hat auch Auswirkungen auf das Management. In Kulturen, die durch Selbstverwirklichung charakterisiert sind, wie beispielsweise den USA ist ein freundliches und optimistisches Auftreten (z.B. lächelndes Servicepersonal) im Geschäftsalltag die Normalität. Im Gegensatz dazu wird in einer selbstbeschränkten Kultur (z.B. Russland) eine ernste Mimik als Seriosität verstanden. Da es sich in der wissenschaftlichen Diskussion um eine neue Dimension handelt, wird auch von Hofstede und Kollegen darauf hingewiesen, dass zusätzliche Forschungsarbeiten zum genaueren Verständnis notwendig sind (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).

[129]

Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden.

Abbildung 63: Indexwerte zur Selbstbeschränkung, (IVR-)Werte für 93 Länder und Regionen

Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010

Trotz der häufig geäußerten Kritik an Hofstedes Studie, die sich u.a. auf die von ihm definierten Dimensionen sowie die Gleichsetzung von Kulturen und Ländern bezieht, gilt seine Untersuchung nach wie vor als die umfangreichste, sowohl was die Zahl der berücksichtigten Länder als auch die Zahl der Befragten betrifft. Da eine Reihe von Folgeuntersuchungen seine Dimensionen und Einschätzungen in weiten Teilen bestätigen konnte – auch die Ähnlichkeit mit den bereits aufgeführten Dimensionen von Trompenaars ist erkennbar –, ist seine Studie auch heute noch prägend für die Kulturforschung und wird als Grundlage der meisten kulturvergleichenden Studien genutzt (z.B. Perlitz, M./Seger, F., 2004; Weiser, A., 2004; Schmid, S., 1996; Hickson, D.J./Pugh, D.S., 1995). Abbildung 64 zeigt die Kulturdimensionen im Überblick.

[130]

Abbildung 64: Hofstedes Kulturdimensionen im Überblick

Quelle: Hofstede, G./Hofstede G.J., 2009

1.1.3 Kulturmodell der GLOBE-Studie

Die GLOBE-Studie (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program) begann Anfang der 1990er Jahre und befindet sich in der Validierungsphase (Lotter, 2010). Die Untersuchung wurde in 62 Ländern in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren durchgeführt. Der Schwerpunkt der Studie liegt in der Entwicklung einer Kulturtheorie, die den Fokus auf Kulturräume legt und nicht nur Länderstrukturen betrachtet. So wurden Deutschland, Österreich, die Niederlande sowie die deutschsprachige Schweiz in einem Cluster zusammengefasst.

Zusätzlich existieren noch neun zusätzliche Cluster, wobei Europa mit insgesamt fünf Clustern die höchste kulturelle Diversität aufweist. Diese Kulturcluster werden von insgesamt neun Kulturdimensionen abgeleitet und sind eng an Hofstedes Dimensionen angelehnt. Machtdistanz sowie Unsicherheitsvermeidung entsprechen klar den Dimensionen Hofstedes. Aus der Dimension Individualismus/Kollektivismus entwickeln sich in der GLOBE-Studie die Dimensionen gruppen-/familienbasierter Kollektivismus und der institutionelle Kollektivismus. Kongruent dazu werden Geschlechtergleichheit und Durchsetzungsvermögen aus der Dimension Maskulinität-/Femininität Hofstedes abgeleitet. Zusätzlich unterscheidet die GLOBE-Studie Kulturen nach ihrer Leistungs-, Zukunfts- und Fairnessorientierung.

[131]

Abbildung 65: Kulturmodelle im Vergleich

Lotter prüft unter anderem die Kultursysteme von Hofstede, Trompenaars und der GLOBE-Studie auf Gemeinsamkeiten und stellt vielfache Überschneidungen fest. Diese aggregiert er zu fünf Kernbereichen und visualisiert die Überlappungen (Abbildung 65). Die Gemeinsamkeiten führt er dabei zum Teil darauf zurück, dass Hofstedes Dimensionen mithin adaptiert werden. Andererseits erhöhen aber die Gemeinsamkeiten die Vergleichbarkeit und auch die Aussagekraft der Kulturdimensionen als globale Unterscheidungskriterien von Kulturen.

 

Neben den bislang aufgeführten Kulturdimensionen von Trompenaars und Hofstede werden in der Literatur häufig weitere Vergleichskriterien erwähnt. Aus Vollständigkeitsgründen werden diese daher zusätzlich aufgeführt. Allerdings können diese in Bezug auf die Dimensionen von Hofstede durchaus Interdependenzen aufweisen.

1.1.4 Andere Kulturmodelle

(1) Zeitvorstellungen

Die Zeitvorstellungen in verschiedenen Kulturen können anhand der Gegensatzpaare linear versus zyklisch (Dülfer, E., 2011; Dülfer, E., 1992a; Bleicher, K., 1986) und monochron [132]versus polychron kategorisiert werden. Kulturen unterscheiden sich zudem bezüglich ihrer Gegenwarts-, Vergangenheits- bzw. Zukunftsorientierung. Diese Begriffe sollen kurz näher erläutert werden.

Unter linearer Zeitvorstellung versteht man die strenge Aneinanderreihung von Monaten und Jahren. Was gestern geschah, ist für immer vorbei. Die Zeit gilt als mess- und teilbare Quantität, der Kalender ist monoskalar. Diese Zeitauffassung ist vor allem in Industriegesellschaften verbreitet.

Bei der zyklischen Zeitauffassung ist die Zeit geprägt durch den ständigen Wechsel von Tag und Nacht, von Monden, von Jahreszeiten und dem Mahlzeitenturnus. Leistungsunterschiede in Quantität und Qualität können im Zeitablauf wieder ausgeglichen werden. Es bestehen beim Zeitverbrauch keine Opportunitätskosten. Die Zeit, die heute vergeudet wurde, kommt morgen wieder (Marcotty, A./Solbach, W., 2003). Die zyklische Zeitauffassung ist vor allem in asiatischen Kulturen und in Agrargesellschaften verbreitet.


Abbildung 66: Lineare und zyklische Zeitgerichtetheit

Quelle: Bleicher, K., 1986

Bei der monochronen (oder sequenziellen) Zeitauffassung werden Dinge nacheinander erledigt (Trompenaars, F., 1993b; Schein, E.H., 1992). In Kulturen mit polychroner (oder synchroner) Zeitvorstellung herrscht die Auffassung, dass mehrere Dinge gleichzeitig erledigt werden können (Usunier, J.-C., 1991). Abbildung 67 macht deutlich, wie unterschiedlich die Gegenwarts-, Vergangenheits- oder Zukunftsorientierung in unterschiedlichen Kulturen sein kann. Die Größe der Kreise stellt die jeweilige Bedeutung dar. Deutlich werden auch die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

[133]

Abbildung 67: Zeitkonzeptionen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Quelle: Trompenaars, F./Hampden-Turner, C., 2003

(2) Raumvorstellungen

Raum hat sowohl eine physische als auch eine soziale Bedeutung. Koordiniertes kulturelles Handeln erfordert gemeinsam geteilte Annahmen über die Bedeutung der Platzierung von physischen Gegenständen im Raum und auch darüber, wie man sich räumlich gegenüber anderen Individuen zu orientieren hat. Durch die räumliche Anordnung wird soziale Distanz oder Nähe ausgedrückt (Adler, N.J., 2002; Schein, E.H., 1992).

(3) Kontextualität

Hierbei wird insbesondere auf die Bedeutung des kontextuellen Rahmens für die Kommunikation Bezug genommen. Man unterscheidet „high-context“- und „low-context“-Kulturen. Kommunikation in high-context-Kulturen (östliche Kulturen) hängt sehr vom Kontext oder der nonverbalen Spezifizierung der Kommunikation ab (man muss zwischen den Zeilen lesen), wohingegen in low-context-Kulturen (USA, Mitteleuropa) die Kommunikation mehr von expliziter verbaler Kommunikation bestimmt wird (Campbell, N.C.G., et al., 1988). Gedankliche Muster, die Art zu denken, zu urteilen und Schlussfolgerungen zu ziehen sowie die Perzeption von Realität und Kausalität können sich von Kultur zu Kultur unterscheiden. Exemplarisch seien hier die unterschiedlichen Problemlösungsstile westlicher und östlicher Kulturen anhand einiger Merkmale dargestellt (Dülfer, E., 2011; Chikudate, N., 1991; Schwarz, G., 1991; Shaw, J.B., 1990) (vgl. Abbildung 68).

[134]

Abbildung 68: Denk- und Problemlösungsstile westlicher und östlicher Kulturen

Quelle: In Anlehnung an: v. Keller, E., 1982

(4) Religiöse Vorstellungen

Je nach religiöser Anschauung neigen die jeweiligen Anhänger dazu, ihr Schicksal als selbst (intern) oder fremd (extern) kontrolliert anzusehen.


Abbildung 69: Internale versus externale Kontrollüberzeugungen: Anteil der Befragten, die ihr Schicksal als eigenbestimmt ansehen (alle Angaben in Prozent)

Quelle: Trompenaars, F./Hampden-Turner, C., 2003

[135]Abbildung 69 gibt die Ergebnisse einer kulturvergleichenden Studie hinsichtlich externaler bzw. internaler Kontrollüberzeugungen wieder.

Den Einfluss der Religion auf das wirtschaftliche Leistungsdenken hat Weber am Beispiel der protestantischen Ethik näher erläutert.

Die beschriebenen Kriterien bzw. Dimensionen machen deutlich, wie das Phänomen Kultur beschrieben und teilweise operationalisiert werden kann. Der nachstehende Abschnitt beschäftigt sich mit den Zielsetzungen und grundsätzlichen Forschungsansätzen der kulturvergleichenden Managementforschung, um letztendlich die Abhängigkeit der Managementprozesse von der jeweiligen Kultur näher zu betrachten.

1.2 Kulturvergleichende Managementforschung

Die kulturvergleichende Managementforschung („cross-cultural management research“) untersucht primär den Einfluss kultureller Faktoren auf den Managementprozess.

Nach Adler untersucht die kulturvergleichende Managementforschung „the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employee and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures, compares organizational behavior across countries and cultures, and (…) seeks to understand and improve the interaction of co-workers from different countries and cultures“ (Adler, N.J., 2002).

Allgemein ist der Gegenstand vergleichender Forschung das systematische Aufdecken, Identifizieren, Klassifizieren, Messen und Deuten von Unterschieden und Gemeinsamkeiten betriebswirtschaftlich bedeutsamer Phänomene (Perridon, L., 1981). Übertragen auf kulturvergleichende Forschung bedeutet dies, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich Grundannahmen, Werten, Normen und Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehreren Ländern identifiziert, verstanden, beschrieben, erklärt und möglicherweise bewertet werden (Schmid, S., 1996).

Die kulturvergleichende Managementforschung verfolgt die nachstehenden Erkenntnisziele (v. Keller, E., 1989; v. Keller, E., 1982):

(1) Deskriptiv-klassifikatorische Ziele

Hierunter versteht man die Beschreibung, die Erfassung, den Vergleich und die Klassifikation verschiedener Kulturen. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Managementprozessen, Normen und Wertvorstellungen werden identifiziert. Relativ homogene kulturelle Cluster werden abgeleitet.

(2) Heuristische Ziele

Die Ergebnisse aus dem ersten Erkenntnisschritt (Beschreibung, Vergleich, Klassifikation) bilden die Grundlage für die Entdeckung und Generierung von Hypothesen und Theorien über den Zusammenhang zwischen Managementvorgängen und kulturellen Faktoren. Man [136]versucht also, die beschriebenen Phänomene zu erklären bzw. transkulturelle Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

(3) Falsifikatorische Ziele

Hier wird die Gültigkeit von Theorien, Hypothesen und Erklärungsmodellen in fremden Kulturen an der Realität überprüft (Kontrollfunktion). Der Kulturvergleich ermöglicht so in den Sozialwissenschaften das Testen von Theorien unter veränderten kulturellen Rahmenbedingungen und erfüllt somit die Funktion des in den Naturwissenschaften üblichen Experiments. Die Problematik beim Kulturvergleich besteht allerdings in der Isolierung der verursachenden Faktoren, da es kaum möglich ist, zwei völlig gleiche Objekte unter verschiedenen (kulturellen) Bedingungen zu analysieren, wie dies im idealen kontrollierten Experiment der Fall ist. Lassen sich bestimmte Gesetzeshypothesen in einer anderen Kultur nicht nachweisen, dann ist eine Aufdeckung der verursachenden kulturellen Hintergrundvariablen notwendig. Dies führt damit eventuell zur Entdeckung und Generierung neuer Hypothesen.

Kulturvergleichende Managementforschung darf jedoch, ebenso wie die Kultur selbst, nicht als statisches Konstrukt verstanden werden. Vielmehr war sie im Zeitablauf einem kontinuierlichen Veränderungsprozess unterworfen, in dessen einzelnen Phasen unterschiedliche Fragestellungen und Zielsetzungen relevant waren. Eine Übersicht über den Entwicklungsprozess lässt sich Abbildung 70 entnehmen.


Abbildung 70: Die Entwicklung der Kulturforschung im Management

Quelle: Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Schmid, S., 1996

Die kulturvergleichende Managementforschung ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet. Aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen müssen Erkenntnisse problemorientiert integriert und zusammenhängend verarbeitet werden. Zahlreiche Beiträge haben sich mit dem Transfer von Managementtechniken in fremde Kulturen beschäftigt. Dabei haben sich im Wesentlichen drei kontroverse Positionen entwickelt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Osterloh, M., 1994; Ralston, D.A., et al., 1993; Klimecki, R.G./Probst, G.J.B., 1993; Bittner, A./Reisch, B., 1993; Brooke, M.Z., 1992; Black, J.S./Porter, L.W., 1991; Takahashi, Y., 1989):

[137]Die Universalisten („universal approach“) behaupten, dass Managementprinzipien unabhängig von den kulturellen Umweltfaktoren allgemeine Gültigkeit besitzen. Das – meist in den USA entwickelte – Management-Know-how sei universell und könne daher leicht von einer Kultur in eine andere übertragen werden.

Die ökonomischen Relativisten sind der Auffassung (culture free-These), dass mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung, Industrialisierung und Technologisierung beinahe zwangsläufig eine Homogenisierung und Konvergenz der Managementprinzipien stattfindet. Die Logik der Industrialisierung generiert wirtschaftliche und technologische Imperative und Notwendigkeiten, die kulturelle Unterschiede mit der Zeit verschwinden lassen. Kulturvergleichende Managementstudien dienen hier der Suche nach Ähnlichkeiten bzw. werden teilweise langfristig gar als hinfällig betrachtet. Diese „culture-free“-These behauptet allerdings nicht, dass das Management und die Organisationsstrukturen von kulturellen Einflüssen unabhängig sind, sondern dass die Beziehungen zwischen den nichtkulturellen Kontextvariablen (Stand der industriellen Entwicklung, Größe der Unternehmung usw.) und der Organisationsstruktur jeweils von einer Gesellschaft zur anderen stabil sind. Kulturvergleichende Managementstudien unter annähernd gleichen Kontextbedingungen (gleicher ökonomischer Entwicklungsstand der Länder, gleiche Unternehmensgröße) konnten aber dennoch Managementunterschiede feststellen, die dann auf kulturelle Faktoren zurückgeführt werden müssen.

Die Kulturisten heben die Kulturabhängigkeit (culture-bound-These) aller Managementkonzepte und -instrumente hervor. Unterschiedliche kulturelle Ausgangsbedingungen erfordern ein angepasstes Managementverhalten. Als Folge davon kann das Management-Know-how nicht problemlos von einer Kultur auf eine andere übertragen werden.

 

Berücksichtigt werden muss, dass die eher technischen Komponenten des Management-Know-how wie Investitions- und Budgetanalyse, Kostenrechnung und Controlling leichter übertragbar sind als die personen- und verhaltensbezogenen Teile wie z.B. Führungs-, Entscheidungs-, Motivations- und Kommunikationsstrukturen (v. Dijck, J.J., 1990; v. Keller, E., 1982). In einer Analyse über kulturvergleichende Managementstudien wurde festgestellt, dass Untersuchungen, die sich auf Makrovariablen (Technologie, Organisationsstrukturen usw.) konzentrieren, Konvergenztendenzen nachgewiesen haben, während Studien auf Mikroebene (Verhalten von Organisationsmitgliedern) eine Divergenz aufweisen (Adler, N.J./Doktor, R./Redding, S.G., 1986). Dieses Ergebnis relativiert die Universalisten-Kulturisten-Kontroverse und zeigt, dass der Einfluss der Kultur auch vom Untersuchungsgegenstand abhängt.

Bezüglich der zahlreichen kulturvergleichenden Managementuntersuchungen lassen sich grundsätzlich zwei Forschungsmethoden (Cleff, T., 1996; Schmid, S., 1996; v. Keller, E., 1989; Nath, R., 1986; v. Keller, E., 1982) unterscheiden.

In empirisch-quantitativen Untersuchungen wird davon ausgegangen, dass Kultur messbar ist und anhand einzelner kultureller Dimensionen und Skalen verglichen werden kann. [138]Mit Hilfe „harter“ Erhebungs- und Analysemethoden (schriftliche standardisierte Befragungsinstrumente, Interviews und Tests; multivariate Verfahren; Massenerhebungen/ Surveys) werden quantitative Daten generiert, die der Überprüfung bestimmter Hypothesen und der Suche nach Gesetzmäßigkeiten dienen sollen.

Demgegenüber versuchen qualitative Fallstudien, Informationen über verschiedene Kulturen zu verarbeiten. Zu den „weichen“ Forschungsmethoden zählen unstrukturierte Interviews, einführende Symptomdeutungen, die teilnehmende Beobachtung, Aktionsforschung, Literatur- und Sprachanalyse sowie die Analyse historischer Ursachen und Parallelen. Auch anekdotisches Material und persönliche Erfahrungen werden miteinbezogen.

In grober Anlehnung an das Konzept von Perlmutter teilt Adler die kulturvergleichende Managementforschung in sechs Ansätze ein (Adler, N.J., 2002; Cleff, T., 1996; Kumar, B.N., 1988; Ronen, S., 1986; vgl. auch Nath, R., 1986; Adler, N.J., 1983a):

1 Parochiale Untersuchungen sind „single-culture“-Studien und werden von Forschern aus dem jeweiligen Land durchgeführt. Implizit wird angenommen, dass die Forschungsergebnisse universelle Gültigkeit haben.

2 Die ethnozentrische Forschung geht implizit von der Überlegenheit der heimischen Managementmethoden aus und versucht, die Frage zu beantworten, wie eigene Theorien auch in anderen Kulturen angewendet werden können. Im Gegensatz zum parochialen Ansatz wird die Universalität der eigenen Konzepte jedoch erst gesucht und nicht nur vorausgesetzt. Die Suche nach Ähnlichkeiten soll zur interkulturellen Validität der heimischen Theorien führen. Methodisch geschieht dies meist durch eine Replikation einer „single-culture“-Studie in einer anderen Kultur. „Measuring the second culture against the first – that is, using a self-reference criterion – is one of the indications of the underlying ethno-centrism inherent in this approach“ (Adler, N.J., 1983a).

3 Die polyzentrische Forschung geht davon aus, dass jede Kultur einzigartig ist und daher nur aus ihrem eigenen Begriffssystem und Bezugsrahmen heraus analysiert werden kann. Polyzentrische Studien beruhen auf zwei Annahmen: Die Prämisse der Äquifinalität besagt, dass es viele kulturspezifische Wege zur Erreichung bestimmter Managementziele gibt. Die Annahme der kulturellen Relativität bedeutet, dass keine der bestehenden Lösungsmöglichkeiten als besser oder effizienter angesehen wird. Universalität wird abgelehnt. Management und Organisation sollen vorurteilsfrei untersucht werden und gelten nur im Kontext ihres spezifischen kulturellen Umfeldes als verstehbar. Methodisch wird ein induktives und deskriptives Vorgehen bevorzugt. Der Schwerpunkt liegt auf den oben beschriebenen „weichen“ Forschungsmethoden. Man versucht, Generalisierungen und die Formulierung nomothetischer Hypothesen zu vermeiden. Die Problematik dieses Forschungsansatzes besteht dann allerdings darin, die gewonnenen Ergebnisse zwischen verschiedenen Kulturen zu vergleichen, da ein gemeinsamer Bezugsrahmen fehlt.

4 [139]Der komparative Forschungsansatz ist der verbreitetste in der kulturvergleichenden Managementforschung. Komparative Studien sollen Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zwischen zwei oder mehr Kulturen aufdecken. Die Annahme, dass es nur eine dominante Kultur bzw. Managementtheorie gibt, wird abgelehnt. Durch Vergleich sollen entweder universelle oder kulturspezifische Aspekte des Managementprozesses identifiziert werden. Implizite Universalität beinhaltet dieser Forschungsansatz allerdings dadurch, dass man Kulturen anhand gemeinsamer Dimensionen bzw. Kriterien zu vergleichen versucht.

5 Geozentrische Studien untersuchen das Management multinationaler Unternehmen. Wenn auch nicht explizit, sucht dieser Ansatz eher nach Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen. Dabei wird von einer einheitlichen, durch die Muttergesellschaft geprägten Unternehmenskultur und einer möglichst vollständigen Integration der Tochtergesellschaften ausgegangen. Betont wird meist mehr die geografische Dispersität des Konzerns und nicht die kulturelle Verschiedenartigkeit. Im Mittelpunkt stehen Globalisierung und Gesamtoptimierung der Unternehmensstrukturen und -abläufe, d.h. eher die Makrovariablen als die Mikroebene des einzelnen Mitarbeiters.

6 Untersuchungen der synergistischen Forschungsrichtung konzentrieren sich auf Situationen interkultureller Interaktion in konkreten Arbeitssituationen. So gibt es Studien zu Führungsproblemen in internationalen Joint Ventures und strategischen Allianzen oder zur Problematik der Personalentsendung ins Ausland. Oft wird auch im Rahmen von Aktionsforschung versucht, Muster konfliktfreien Zusammenarbeitens (erst) zu entwickeln, wobei von gegenseitigen Sozialisations- und Lernprozessen der jeweiligen Mitarbeiter ausgegangen wird.

1.3 Interkulturelles Management

Das interkulturelle Management befasst sich mit der konkreten Gestaltung von funktionalen, strukturalen und personalen Managementprozessen. Ziel ist die erfolgreiche Bewältigung kulturbedingter Managementprobleme durch Bereitstellung entsprechender Lösungsvorschläge für effizientes interkulturelles Handeln. Im Zentrum des Interesses stehen daher die verschiedenen Managementprozesse, kulturelle Überschneidungssituationen und Lösungsvorschläge für kulturbedingte Managementprobleme.

Interkulturelle Probleme sind oftmals die Folge einer Art Ähnlichkeitsannahme gegenüber ausländischen Partnern oder von fehlendem Verständnis und Einfühlungsvermögen für die jeweiligen Kulturen (Thomas, A./Hagemann, K., 2003; Schulz, B., 1993; Pfaller, P./Heibutzki, H.J., 1991; o.V., 1991).

Lösungsvorschläge für das interkulturelle Management können auf den Ergebnissen empirischer oder qualitativer kulturvergleichender Managementstudien beruhen. Interkulturelle Wissensvermittlung stützt sich häufig nur auf Sprachschulung, Landeskunde und [140]Benimm-Regeln oder auf andere eher an der „kulturellen Oberfläche“ liegende Verhaltenshinweise („How to behave in …“). Dabei ist generell der Wert solcher Hinweise für das soziale Protokoll im Einzelfall nicht zu bestreiten.

Im Hinblick auf ein erfolgreiches interkulturelles Management dürften derartige Maßnahmen an der kulturellen Oberfläche allerdings kaum ausreichend sein. Vielmehr ist für das Management international tätiger Unternehmungen eine Auseinandersetzung mit den Tiefenstrukturen der jeweiligen Kulturkreise unumgänglich (Schmid, S., 1996). Da die Kultur, wie zu Beginn dieses Kapitels gezeigt, insbesondere Einfluss auf die interpersonelle Interaktion hat, erscheint es folgerichtig, einen Schwerpunkt des interkulturellen Managements auf eine international orientierte Personalentwicklung sowie auf eine zielgerichtete Aus- und Weiterbildung zu legen. Dieses sollte sowohl kultur- und interaktionsorientiert als auch informations- und verstehensorientiert sein (Thomas, A./Hagemann, K., 2003; Holzmüller, H.H./Berg, N., 2002; Thomas, A., 1995).

Die kulturvergleichende Managementforschung bietet für das interkulturelle Management wertvolle Informationen, indem ein tiefer gehendes Verständnis der kulturellen Phänomene und Dimensionen sowie ihrer Hintergrundfaktoren geschaffen wird. Der internationale Manager wird so in die Lage versetzt, Muster kulturellen Handelns zu erkennen, Empathie zu entwickeln und kulturbedingte Managementprobleme besser zu lösen.

Abschließend sollen die kulturvergleichende Managementforschung und das interkulturelle Management noch einmal klar voneinander abgegrenzt werden. Im Zentrum der kulturvergleichenden Managementforschung steht die Entwicklung von Theorien und Modellen über den Einfluss kultureller Faktoren auf die Managementprozesse. Gegenstand des Interesses des interkulturellen Managements ist die erfolgreiche Lösung kulturbedingter Managementprobleme. Interaktion und konkretes Handeln – weniger der Vergleich – stehen hier im Mittelpunkt (Adler, N.J./Doktor, R./Redding, S.G., 1986; Adler, N.J., 1983b).

Die kulturvergleichende Managementforschung befindet sich im Verhältnis zum Praktiker des interkulturellen Managements quasi auf einer übergeordneten, metasprachlichen Ebene der Reflexion über den Zusammenhang zwischen kulturellen Faktoren und Managementprozessen, während sich der interkulturelle Manager in diesen Zusammenhang gestellt sieht und darauf durch konkretes Handeln reagieren muss (v. Keller, E., 1982).