Internationales Management

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[1]Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld


[2]Standpunkt: BASF SE


BASF SEBASF ist das weltweit führende Chemieunternehmen: The Chemical Company. Die BASF erzielte 2011 einen Umsatz von rund 73,5 Milliarden € und beschäftigte am Jahresende mehr als 111.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.www.basf.com
Dr. Kurt Bock, VorstandsvorsitzenderKurt Bock ist seit Mai 2011 Vorsitzender des Vorstands der BASF SE und verantwortlich für die Bereiche Legal, Taxes & Insurance, Strategic Planning & Controlling, Communications & Government Relations, Global Executive Human Resources, Investor Relations und Compliance.

1. Welche Rolle spielen Szenarien der Weltwirtschaftsentwicklung bei der Entscheidung über das globale Engagement der BASF? Sind diese Prozesse formalisiert?

Schon heute wissen, was morgen gefragt ist – diese Eigenschaft zeichnet einen erfolgreichen Unternehmer aus. Beim Fußball ist es genauso: Wer gut ist, läuft dahin, wo der Ball ist. Gewinnen wird aber, wer dahin läuft, wo der Ball sein wird. Daher schauen wir ganz genau hin, wie sich die für uns wichtigen Länder und Abnehmerindustrien entwickeln werden und planen weit in die Zukunft voraus. Ein Beispiel: Wir werden uns weiter internationalisieren, da die heutigen Schwellenländer das Wachstum für die Chemieindustrie vorantreiben werden. Bei der BASF werden die aufstrebenden Volkswirtschaften 2020 mit 45% zum Umsatz (ohne Oil & Gas) beitragen. Darauf stellen wir uns heute schon ein, indem wir Produktionsstandorte aufbauen und unsere Forschung beispielsweise in Asien verstärken.

2. Welche Rolle spielt die Auslandserfahrung des Topmanagements für die Entwicklung erfolgreicher Internationalisierungsstrategien? Welche Bedeutung hat eine Auslandserfahrung für die Karriereplanung von Mitarbeitern?

Wir legen Wert darauf, dass unsere Nachwuchskräfte ihre ersten Auslandserfahrungen früh in ihrer Karriere erwerben. Voraussetzung für den Aufstieg in unser oberes Managementteam ist es, mindestens eine – besser mehrere mehrjährige Auslandsstationen erfolgreich absolviert zu haben. Denn wer in einem globalen Unternehmen eine Führungsaufgabe übernimmt, ist häufig für Mitarbeiter und Teams in verschiedenen Ländern verantwortlich. Das geht nur mit internationaler Erfahrung. Auch meine Stationen in Deutschland, Brasilien und in den USA waren für mich persönlich und beruflich unendlich wertvoll. Nicht nur weil globale Zusammenarbeit viel einfacher und erfolgreicher ist durch persönliche [3]Kontakte. Wer in verschiedenen Ländern lebt und arbeitet, muss sich mit anderen Kulturen auseinandersetzen. Auf neuen Märkten ist nur der erfolgreich, der Verständnis für die Wünsche, Bedürfnisse und Werte anderer Kulturen hat. Wer global denkt, muss das ganze Bild im Kopf haben und globale mit regionalen Interessen verbinden können. Wenn ich in Asien in eine Produktionsanlage investiere, was heißt das für unser Geschäft in den USA? Welche Auswirkungen hat das auf die Weltmarktpreise? Wenige Cent Preisunterschied können darüber entscheiden, ob Containerschiffe von West nach Ost fahren oder umgekehrt.

3. Welche Faktoren werden das globale Unternehmensumfeld in Zukunft bestimmen, was wird für den Erfolg globaler Unternehmen zentral sein?

Im Jahr 2050 werden 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Sie brauchen mehr Nahrungsmittel, mehr Energie und Zugang zu sauberem Trinkwasser. Sie alle wollen eine bessere Lebensqualität, vor allem in den Schwellenländern. Wenn wir weiterleben wie bisher, brauchen wir in Zukunft die Ressourcen von drei Planeten so groß wie unsere Erde, um die Menschheit zu versorgen. Nachhaltigkeit ist daher das entscheidende Thema für unsere Zukunft. Und auch heute schon: Kunden wollen nachhaltige Produkte, die Industrie nachhaltige Lösungen, Mitarbeiter wollen in Unternehmen arbeiten, die Nachhaltigkeit ernst nehmen. Mehr Nachhaltigkeit erreichen wir nur über mehr Innovationen: Genau hier liegen viele Chancen für die Chemieindustrie und ihre Kunden.

4. Wie kann der Wissenstransfer zwischen dem Stammhaus und den internationalen Einheiten sichergestellt werden? Welche Rolle spielt hierbei die Entsendung von Mitarbeitern aus dem Stammhaus?

Wissen und Know-how entsteht und wächst immer mehr dezentral in regionalen Exzellenzzentren. Umso wichtiger ist es, dass wir als ein Unternehmen unser Wissen teilen, damit es sich weiter entwickeln kann. Deshalb unterstützen wir unsere Mitarbeiter über Ländergrenzen hinweg, Wissen zu teilen. Ein direkter Weg sind Auslandsaufenthalte, sie dienen dem Wissensaustausch und sorgen zugleich für mehr Verständnis untereinander. Dabei geht es weniger um den Austausch zwischen der Zentrale und unseren Gruppengesellschaften als um den Wechsel von Mitarbeitern in und zwischen den Regionen. Aktuell sind rund 1.400 Mitarbeiter international auf einem Transfereinsatz tätig, ein weitaus größerer Teil arbeitet in internationalen Projekten zusammen. Ein anderes Beispiel: Seit Anfang 2010 haben wir ein eigenes globales Online-Netzwerk, das „connect.BASF“ heißt. Wir setzen damit auf Wissensaustausch, funktionierende Netzwerke und Zusammenarbeit über Einheits- und Ländergrenzen. Das alles bringt uns voran auf dem Weg zu einem noch besser vernetzten, kunden- und lösungsorientierten Unternehmen.

[4]5. Welche Rolle spielt dasDiversity Managementbei der Besetzung von Spitzenpositionen in Ihrem Unternehmen?

Wir sind davon überzeugt, dass wir mit einem vielfältig zusammengesetzten Team erfolgreicher sind. Das gilt für die ganze BASF – überall auf der Welt und auf allen Hierarchiestufen. Wer neue Märkte betritt, der muss seine Perspektive wechseln, die Menschen vor Ort kennen, die Unterschiede sehen und aktiv nutzen, sonst wird er keinen Erfolg haben. Unsere Kunden erwarten von uns kreative Ideen und erkennen, dass diese Ideen von Mitarbeitern stammen, die eine breite Markterfahrung mitbringen. Neue Talente, die in der BASF Fuß fassen, erwarten Offenheit und Aufgeschlossenheit. Bei Vielfalt denken wir nicht nur an äußere Merkmale, wie Nationalität, Alter oder Geschlecht, sondern viel mehr an Erfahrungen und Werte. Wir arbeiten schon seit Jahrzehnten mit Kollegen aus anderen Nationen zusammen, was neu ist, ist, dass wir den Nutzen von Vielfalt erkennen und aktiv im Geschäft umsetzen. Und das ist eine Daueraufgabe.

6. Was ist die Zukunft des internationalen Personalmanagements, welche Themen werden hier die strategischen Entscheidungen bestimmen?

Wie schaffen wir es, die besten Mitarbeiter für uns zu gewinnen, auch wenn der Fachkräftemarkt immer enger wird? Wie begegnen wir der Herausforderung einer stark alternden Gesellschaft gerade in den Industrieländern? Wie stellen wir uns auf die Anforderungen der Generation Y ein? Um überall auf der Welt die besten Mitarbeiter zu gewinnen, zu halten und gemeinsam das beste Team zu bilden, braucht es dreierlei. Erstens ist es wichtig, das Talent jedes einzelnen Mitarbeiters zu erkennen, zu entwickeln und zu fördern. Zweitens müssen Unternehmen hervorragende Arbeitsbedingungen bieten – mit attraktiven Rahmenbedingungen. Und drittens brauchen wir hervorragende Führungskräfte und eine offene Führungskultur, die gegenseitiges Vertrauen, Respekt und hohe Leistungsbereitschaft fördert.

1 Dynamik des globalen Wettbewerbs

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist durch eine zunehmende Internationalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten gekennzeichnet. Stichworte wie „Globalisierung“ und „multinationale Unternehmen“ charakterisieren diesen Entwicklungsprozess, der neue Herausforderungen an die Unternehmensführung stellt. Gerade in jüngster Zeit ergaben sich in der Unternehmensumwelt zum Teil revolutionäre Veränderungen, die besonders die auslandsorientierten deutschen Unternehmen zu neuen Strategien und Konzepten zwingen, um dauerhaft ihre Wettbewerbsposition zu sichern. Beispiele für diese Veränderungen sind:

 ein verstärktes Aufkommen von neuen, erfolgreichen Wettbewerbern aus den Schwellenländern, wie z.B. Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika (BRICS-Staaten),

 [5]eine zunehmende Präsenz von weltweit operierenden Unternehmen aus den führenden Industrienationen auf dem deutschen Markt,

 das Entstehen großer einheitlicher Wirtschaftsblöcke wie des EU-Binnenmarktes, der Nordamerika-Zone (NAFTA), der ASEAN-Staaten und der MERCOSUR-Staaten sowie

 eine sich beschleunigende Entwicklung und Diffusion neuer Technologien, insbesondere im Informations- und Kommunikationsbereich.

Eines der ersten Beispiele für eine globale Strategiekonzeption stellte das „Triade-Denken“ von Ohmae (Ohmae, K., 2006) dar. In diesem Konzept wurden die drei großen Wirtschaftsregionen der Welt, Nordamerika, Japan und Westeuropa, in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen der Marktbearbeitung gerückt und die Ansicht vertreten, dass es in Zukunft von zentraler Bedeutung für den Unternehmenserfolg sein wird, in diesen wichtigsten Regionen der Weltwirtschaft gleichzeitig und dauerhaft präsent zu sein. Voraussetzung für dieses strategische Handlungskonzept ist allerdings die Erhaltung oder Gewinnung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in allen drei Regionen. Im Rahmen der Globalisierung des Wettbewerbs wird die Erhaltung oder Gewinnung von internationalen Wettbewerbsvorteilen zur zentralen Herausforderung und Aufgabe der Unternehmensführung.

 

Die neuen Globalisierungskonzepte dürfen sich aber nicht nur auf den Absatz- bzw. Marketingbereich beschränken, sondern müssen alle betrieblichen Teilbereiche im Sinne einer Querschnittsaufgabe umfassen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wird somit nicht nur durch bestehende Produkte, Verfahren und Dienstleistungen, sondern auch durch die Innovationsfähigkeit des Managements, das Planungs- und Kontrollsystem sowie die effiziente Umsetzung strategischer Grundkonzepte in allen betrieblichen Teilbereichen bestimmt.

Im Hinblick auf die Konkurrenzsituation in den Weltmärkten kann die Struktur des (weltweiten) Wettbewerbs durch eine „Internationale Jagdlinie“ dargestellt werden (Perlitz, M., 1985b). Aus ihr wird deutlich, dass Unternehmen aus einer Reihe von Entwicklungsländern zunächst solche aus Schwellenländern „jagen“, d.h., dass diese einem verschärften Wettbewerb durch Unternehmen aus der genannten Ländergruppe ausgesetzt sind. Bei den Schwellenländern handelt es sich hauptsächlich um Staaten aus Südostasien und zum geringeren Teil aus Lateinamerika sowie aus dem früheren Ostblock. Die Unternehmen aus den Schwellenländern „jagen“ ihrerseits wiederum Unternehmen aus den Industrieländern. Zwischen diesen beiden Länderblöcken vollzieht sich im Grunde der gleiche Prozess, der vor 20 bis 25 Jahren zwischen Japan und den westlichen Industrieländern begonnen hat. Damals machten die Japaner den Europäern und den Amerikanern z.B. die Stahlindustrie, den Schiffsbau und die Uhrenindustrie streitig. Heute produzieren die Schwellenländer mehr Stahl, Schiffe und Uhren als die Industrieländer.

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Abbildung 1: Internationale Jagdlinie

Ähnliche Entwicklungen finden heute auf den Märkten für Automobile, Computer, Unterhaltungselektronik oder Kameras statt. So werden derzeit beispielsweise etwa 80% der Canon-Kameras außerhalb Japans gefertigt. Dieser Prozess der Verlagerung der Produktion von Industrieländern in erfolgreiche Schwellenländer setzt sich weiter fort.

Die großen Herausforderungen kommen derzeit aus China und Indien. Beide Länder konkurrieren durch ihre Unternehmen in zunehmendem Maße mit Unternehmen aus den Industrienationen.

Für die Unternehmen der Industrieländer ergibt sich aus der „Internationalen Jagdlinie“ die strategische Fragestellung, wen oder was sie eigentlich „jagen“? Für die Beantwortung dieser Frage sind grundsätzlich zwei strategische Denkansätze möglich.

Der erste strategische Denkansatz wird durch die rückwärts gerichteten Pfeile in Abbildung 1 symbolisiert. Mit ihnen soll verdeutlicht werden, dass Unternehmen aus Industrienationen in bestehenden Produktbereichen gegen Anbieter aus Entwicklungsländern konkurrieren bzw. mit Unternehmen aus dieser Ländergruppe wettbewerbsfähig bleiben wollen. Dieser internationale Wettbewerb spielt sich be ispielsweise auf den Gebieten des Massenstahls, der Massentextilien, der Massenchemikalien, der Massenlederwaren und der Agrarprodukte ab. Die gleiche Herausforderung ergibt sich aus dem Versuch der westlichen Unternehmen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bei „höherwertigen“ Produkten gegenüber Unternehmen aus den Schwellenländern zu erhalten. Hierbei handelt es sich z.B. um Produkte wie Stahl, Schiffe, Automobile, Uhren, TV, Camcorder, oder Computer bzw. Computerchips.

Hierdurch gewinnt der zweite strategische Denkansatz zunehmend an Bedeutung: Nur durch Innovationen, welche einen langfristig orientierten Wettbewerbsvorteil gegenüber den Schwellenländern ermöglichen, können die klassischen Industrienationen sich im internationalen Wettkampf durchsetzen. Während Probleme der Produkt- und Prozessinnovationen [7]von Unternehmen aus Industrieländern – insbesondere im Vergleich zu chinesischen Unternehmen – häufig Gegenstand von Untersuchungen sind, ist die Betrachtung von Strategieinnovationen bisher nicht in ausreichendem Maße in das Bewusstsein des Managements vorgedrungen. Jedoch gewinnt dieser Aspekt immer mehr an Bedeutung (Sommerlatte, T., 2011; Schrank R., 2008). Heute kann bei westlichen Unternehmen gerade im Bereich der Strategie eine auffallende Gleichförmigkeit der Grundkonzepte festgestellt werden, die mit bestimmten Schlagworten, wie z.B. Qualitäts- oder Kostenführerschaft, Lean Management, Reengineering, Konzentration auf Kernkompetenzen, Outsourcing u.ä.m., die gerade „en vogue“ sind, belegt werden. Letztlich führt jedoch diese Gleichförmigkeit der strategischen Denkansätze zu einem durchschnittlichen Erfolg und lässt exzellente Unternehmen seltener oder bisher exzellente Unternehmen immer durchschnittlicher werden (Peters, T.J./Waterman, R.H., 2007).

Einerseits lässt sich das Aufholen asiatischer Unternehmen im Vergleich zu US-amerikanischen und europäischen Unternehmen erkennen, was eine zunehmende Veränderung der Wettbewerbssituation von Unternehmen aus westlichen Industrienationen gegenüber Konkurrenten aus anderen Regionen der Welt nach sich zieht. Andererseits gehörte 2011 ein großer Teil der wertvollsten Unternehmen der Welt nicht mehr zum produzierenden Gewerbe. Damit ergeben sich auch neue Problemstellungen für das Internationale Management, das sich bis heute sehr stark auf produzierende Unternehmen fokussiert hat.


Abbildung 2: Die teuersten Unternehmen der Welt

Quelle: o.V. (FAZ), 2012

[8]Im Zusammenhang mit der Tendenz einer weltweiten Strategieanpassung lässt sich feststellen, dass sich die unternehmerischen Probleme für alle Unternehmen „globalisiert“ haben. Solche Probleme sind z.B. zunehmender Wettbewerb, Globalisierung der Märkte, Marktsättigung, neue Spielregeln des Wettbewerbs oder stark schwankende Wechselkurse. So werden die Probleme für die Manager immer ähnlicher und es werden zunehmend die gleichen Methoden bzw. Konzepte benutzt, um diese Probleme strategisch zu bewältigen. Im Ergebnis kommt es damit heute zu einer „Globalisierung von Grundkonzepten und -methoden“, die von Amerika über Europa bis nach Japan bekannt sind und meist auch gleichzeitig angewandt werden. Die Zukunft wird zeigen, ob durch die neuen Schwellenländer China und Indien beziehungsweise Russland neue Wege des Managements gefunden werden.

Diese Entwicklung führt zu einer Strategieanpassung der Wettbewerber an die erfolgreichsten Unternehmen („best practice“), die letztlich zum Modell für alle anderen werden. Das Ergebnis ist eine weltweite Strategieimitation, die letztendlich wiederum zu der angedeuteten Durchschnittlichkeit führt. Exzellente Unternehmen sind jedoch durch eine Andersartigkeit geprägt, die sehr eng mit dem Phänomen der Strategieinnovation verbunden ist. Vielleicht sind die japanischen Unternehmen in der Vergangenheit u.a. gerade deshalb so erfolgreich gewesen, weil sie noch genügend Potenzial für eine ausgeprägte Andersartigkeit besaßen, während europäische bzw. amerikanische Unternehmen zu ähnlich geworden sind. In diesem Zusammenhang sind chinesische oder indische Unternehmensstrategien auch interessant zu beobachten. Die Ende der 1990er Jahre extrem hohe Bewertung der sogenannten „Net-World“-Unternehmen kann auch nur durch deren Andersartigkeit erklärt werden (teilweise betrugen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse dieser Unternehmen bis zu 4000).

Die Kurzlebigkeit solcher „Erfolgsstrategien“ zeigt sich anhand von Abbildung 3. Diese zeigt die – gemessen an ihrem Börsenwert – 20 wertvollsten Unternehmen der Welt der Jahre 1972, 1982, 1992 und 2011. Deutlich werden dabei vor allem zwei unterschiedliche Trends. Einerseits lässt sich das Aufholen der Japaner im Vergleich zu US-amerikanischen Unternehmen zumindest bis zu Beginn der 1990er Jahre erkennen, was eine zunehmende Veränderung der Wettbewerbssituation von Unternehmen aus westlichen Industrienationen gegenüber Konkurrenten aus anderen Regionen der Welt nach sich zog. Andererseits gehörte 2011 ein großer Teil der wertvollsten Unternehmen der Welt nicht mehr zum produzierenden Gewerbe und chinesische Unternehmen sind bereits sehr stark vertreten. Damit ergeben sich auch neue Problemstellungen für das Internationale Management, das sich bis heute sehr stark auf produzierende Unternehmen und westliche Managementmethoden fokussiert hat. In der Praxis lässt sich feststellen, dass seit ungefähr Mitte der 1960er Jahre die „Innovationslokomotiven“ in Gestalt der Unternehmen aus den Industrienationen auf vielen Gebieten immer langsamer vorankommen, während die Unternehmen aus den Schwellenländern, insbesondere aus Asien, gleichsam als „Waggons“, immer mehr an Tempo zulegen.

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Abbildung 3: Die 20 am Börsenwert gemessen wertvollsten Unternehmen in der Welt im Zeitvergleich (Werte in Mrd. $)

Quelle: Forbes, 2011, online

Aufgrund mangelnder Produkt-, Prozess- und Strategieinnovationen besteht für die „Lokomotive“ damit zunehmend die Gefahr, dass sie von einigen „Waggons“ überholt wird oder auf bestimmten Gebieten bereits überholt wurde. Die Bedeutung dieser Entwicklung für die Wirtschaft und die Gesellschaft in den Industrienationen zeigt sich z.B. darin, dass in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2011 fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Export und damit von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft abhängig war (Rödl & Partner, 2012, online). Im Jahr 2008 hatte Deutschland mit 72,1 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Außenhandelsquote. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise fiel die Außenhandelsquote Deutschlands im Jahr 2009 auf 61,2 Prozent. 2010 erreichte sie mit 70,7 Prozent wieder nahezu das Vorkrisenniveau (Bundeszentrale für politische Bildung, 2011; Statistisches Bundesamt, 2011, online). Ein Beispiel, wie durch ein gutes Innovationsmanagement die Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen werden kann, ist der heutige Erfolg der deutschen Automobil- und Chemieindustrie.

Von 1991 bis 2007 betrug das Wachstum bei den wissensintensiven Dienstleistungen rund 30 Prozent, in den anderen Dienstleistungsbranchen dagegen nur etwa zehn Prozent (Eickelpasch, A., 2011). Für Unternehmen stellt sich damit die Herausforderung, eine überlegene Innovationsfähigkeit zu entwickeln. Die Erhaltung oder die Gewinnung sowie die effiziente Ausnutzung von internationalen Wettbewerbsvorteilen im Ausland durch Innovationen ist ein zentraler Gegenstand des Internationalen Managements, das im Folgenden mit seinen wesentlichen Problemfeldern dargestellt werden soll.

[10] 2 Internationalisierung und Internationales Management

2.1 Begriffliche Grundlagen

2.1.1 Begriff der Internationalisierung

In der Literatur wird mit dem Begriff der Internationalisierung eine Vielzahl verschiedener Phänomene beschrieben. Das Spektrum der Betrachtungen reicht von bestimmten Formen des Markteintritts, d.h. Internationalisierung verstanden als Export, Direktinvestition im Ausland oder Lizenzvergabe ins Ausland, über Fragestellungen zur Führung ausländischer Tochterunternehmen, bis hin zur abstrakten Gleichsetzung von Internationalisierung und grenzüberschreitender Auslandstätigkeit (Macharzina, K., 1989; Colberg, W., 1989; Carl, V., 1989).

Die Trennlinie der verschiedenen Ansichten verläuft im Wesentlichen zwischen Ansätzen, die den Begriff auf ganz bestimmte funktionsbereichsspezifische Probleme beziehen und hauptsächlich am Absatzmarkt bzw. Marketing orientiert sind und solchen, die von einer funktionsübergreifenden Ausdehnung der Aktionsmöglichkeiten der Unternehmung in andere Länder ausgehen. Darüber hinaus versucht insbesondere die „Neue Institutionenökonomik“ die Internationalisierung in den Zusammenhang mit dem Überschreiten von nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen zu bringen (Erlei, M./Leschke, M./Sauerland,D., 2007; Schmidtchen, D./Schmidt-Tenz, H.-J., 2003).

Die Reduktion der Internationalisierung auf Marketingfragen und deren Problemfelder ist jedoch zu eng, da sich auch andere betriebliche Teilbereiche, wie z.B. Finanzierung, Beschaffung, Produktion oder Forschung und Entwicklung über Ländergrenzen hinweg ausdehnen können (von Behr, M., 2004; Krystek, U./Zur, E., 2002; Porter, M.E., 1989b). Die Internationalisierung ist ein Phänomen, das – zumindest konzeptionell – das Unternehmen als Ganzes umfasst. Eine ausschließlich funktionsbereichsspezifische Betrachtung der länderübergreifenden Aktionsfeldausdehnung erscheint daher nicht angebracht. Gleiches gilt für die Einschränkung des Begriffs auf die erstmalige Aufnahme von Auslandsaktivitäten.

 

Wie weit der Begriff der Internationalisierung ausgelegt werden kann, wird deutlich, wenn die möglichen Grundstrukturen des internationalen Wettbewerbs näher betrachtet werden. Abbildung 4 stellt diese Strukturen, die schon in den einleitenden Ausführungen zur „Internationalen Jagdlinie“ angedeutet wurden, schematisch dar.

Im Fall A konkurriert das inländische Unternehmen U1 mit dem ausländischen Unternehmen U2 auf dessen Heimatmarkt. Dieser Fall ist ebenso unproblematisch als internationaler Wettbewerb und damit als Problem der Internationalisierung anzusehen wie der Fall B, der beschreibt, dass das inländische Unternehmen U1 mit dem ausländischen Unternehmen U2 [11]auf einem Drittmarkt in Konkurrenz tritt. Von besonderem Interesse für die Begriffsbildung ist jedoch der Fall C, in dem das ausländische Unternehmen U2 mit dem inländischen Unternehmen U1 auf dessen Heimatmarkt, d.h. im Inland, in Konkurrenz tritt. Selbst bei einer solchen Situation muss im Grunde von Internationalisierung gesprochen werden, da zumindest in der Konkurrenzanalyse der Aktionsraum des Unternehmens U1 von dem Aktionsraum des ausländischen Unternehmens U2 abhängt. Eine einseitige Ausrichtung des Internationalisierungsbegriffs auf die Fälle A und B erscheint aufgrund der Zusammenhänge in Fall C nicht angebracht. Im Folgenden soll unter Internationalisierung die länderübergreifende Ausdehnung des unternehmerischen Aktionsfeldes verstanden werden, die die Fälle A, B und C einschließt.


Abbildung 4: Grundstruktur des internationalen Wettbewerbs

2.1.2 Begriff der internationalen Unternehmung

Neben der oben dargestellten prozessualen Sichtweise der Auslandsaktivität existiert in der Literatur ein institutioneller Ansatz, der das Phänomen der Internationalisierung mit dem jeweiligen Unternehmen verknüpft (Dülfer, E., 2008). Danach gilt ein Unternehmen als international, wenn es Aktivitäten im Ausland durchführt. Da eine solche Sichtweise nicht an einen bestimmten Funktionsbereich gebunden ist, erfolgt die Klassifikation der internationalen Unternehmung unabhängig von der Art der Auslandsaktivitäten. Bedeutsam ist allerdings die Frage, ab welchem Grad des Auslandsengagements eine Unternehmung als international gelten kann, da sinnvollerweise nicht jede Auslandsaktivität, wie z.B. die bloße Kreditaufnahme im Ausland, zu einer internationalen Unternehmung führt.

Trotz vieler unterschiedlicher Messkonzepte zur Beurteilung des Internationalisierungsgrades, die vom Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz über die Anzahl der Beschäftigten im Ausland bis hin zur Höhe der Direktinvestitionen bzw. der Anzahl der Tochterunternehmen im Ausland reichen, ist eine schlüssige und eindeutige Festlegung bis heute nicht gelungen (Dülfer, E., 2008). Vor dem Hintergrund der Heterogenität verschiedener Branchen und Unternehmen erscheint deshalb eine ausschließlich quantitative Festlegung aufgrund inadäquater Messkonzepte problematisch.

[12]Eine über die quantitative Abgrenzung hinausgehende Klassifikation stellt die qualitative Orientierung an den Unternehmenszielen dar. Demnach gilt eine Unternehmung dann als international, wenn die Auslandsaktivitäten zur Erreichung und Sicherstellung der Unternehmensziele von wesentlicher Bedeutung sind. In diesem Sinne soll nachfolgend auch der Begriff des internationalen Unternehmens Verwendung finden. Dabei stellt sich jedoch weiterhin das Problem, wie diese Bedeutung gemessen werden kann.

In der Literatur sind weitere Begriffe wie transnationale, multinationale oder globale Unternehmung vorzufinden (Carl, V., 1989). Hinter diesen Termini verbergen sich jedoch häufig ganz spezifische Konzepte international agierender Unternehmen, die weitere Eingrenzungen vornehmen (Müller, S., 1991; Bartlett, C.A., 1986).

2.2 Internationales Management im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre

Kaum ein anderes Themengebiet der Betriebswirtschaftslehre hat in den letzten Jahren in Wissenschaft und Praxis so viel Aufmerksamkeit erfahren wie das der Internationalisierung. Nahezu unübersehbar ist mittlerweile auch im deutschen Sprachraum die Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema. Anders als in der angelsächsischen Betriebswirtschaftslehre, wo der Fachbereich „International Management“ eine lange Forschungstradition hat, ist dies in Deutschland erst seit Anfang der 1980er Jahre der Fall. Die Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre, die im Jahr 1982 in Berlin mit dem Generalthema „Internationalisierung der Unternehmung als Problem der Betriebswirtschaftslehre“ stattfand, kann als Geburtsstunde der umfassenden Auseinandersetzung mit Fragen der internationalen Unternehmenstätigkeit in der deutschen Betriebswirtschaftslehre gesehen werden (Lück, W./Trommsdorff, V., 1982).

In der Literatur gibt es verschiedene Konzeptionen zur Abgrenzung des Internationalen Managements (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Buckley, P.J., 1991; Carl, V., 1989; Macharzina, K./Engelhard, J., 1987; Albach, H., 1981). Dabei wird der Versuch unternommen, die konstitutiven Merkmale internationaler Unternehmenstätigkeit und deren Bedeutung für betriebswirtschaftliche Fragestellungen herauszuarbeiten. Insbesondere die spezifischen Umweltbedingungen der international tätigen Unternehmung, die im Wesentlichen in unterschiedlichen staatlichen Rahmenbedingungen und in einer fremdartigen Kultur gesehen werden, stehen im Mittelpunkt dieser Bemühungen (Dülfer, E., 2008; Buckley, P.J., 1991; Albach, H., 1981). Keines der Konzepte ist allerdings unumstritten, deshalb lässt sich bis heute das Internationale Management nicht als geschlossenes und konsistentes System wissenschaftlich geprüfter Aussagen darstellen (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Krystek, U./ Zur, E., 2002; Macharzina, K./Oesterle, M.-J., 2002; Perlitz, M., 1993; Hawkins, R., 1984).

Weit mehr Konsens ist in der Literatur hinsichtlich der Konkretisierung der Aufgaben des Internationalen Managements festzustellen. So besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass die Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit neue Problemstellungen [13]schafft, die für rein national agierende Unternehmen nicht von Bedeutung sind. Fragen des Währungsmanagements oder der Absicherung von Auslandsrisiken sind hier beispielhaft zu nennen. Aufgabe des Internationalen Managements ist es daher, Problemlösungen für die originären Fragestellungen zu erarbeiten, die sich aus der Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit ergeben. Hinsichtlich einer weitaus komplexeren Planungs- und Entscheidungssituation international agierender Unternehmen ist eine weitgehende Übereinstimmung vorzufinden. Zahlreiche Untersuchungen, die nationale und internationale Unternehmen in dieser Hinsicht vergleichen, teilen diese Auffassung (Wiesner, K. 2005; Macharzina, K./Oesterle, M.-J., 2002; Welge, M.K., 1981). Die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung oder Ergänzung des bestehenden betriebswirtschaftlichen Instrumentariums in Bezug auf die Komplexität der konkreten Planungsaufgabe stellt somit eine weitere zentrale Aufgabe des Internationalen Managements dar.

Trotz der weitgehenden Übereinstimmung bezüglich der Aufgaben des Internationalen Managements sind der eigenständige Charakter und die Einordnung des Faches weiterhin offen. Insbesondere sehen Vertreter aus bestehenden Funktionsbereichen in den dargestellten Problembereichen der Internationalisierung nur eine Ausdehnung der jeweiligen Funktionsbereiche um internationale Aspekte (Colberg, W., 1989). Internationales Marketing, internationale Beschaffung, internationale Finanzierung, internationale Personalpolitik etc. wären demnach als Erkenntnisobjekte der jeweiligen Teildisziplinen aufzufassen und deswegen eine eigenständige Disziplin Internationales Management bzw. Internationale Betriebswirtschaftslehre nicht notwendig.