Internationales Management

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Theorie

Grant, R.M., 2012: Contemporary Strategic Analysis Text and Cases, 8th Edition, Chichester (UK), John Wiley & Sons Ltd.

Wright, M./Filatotchev, I./Hoskisson, R.E./Peng, M.W., 2005: Strategy Research in Emerging Economies: Challenging the Conventional Wisdom, Journal of Management Studies, 42(1), pp. 1-33.

Wright, S./Calof, J.L., 2006: The Quest for Competitive, Business and Marketing Intelligence: A Country Comparison of Current Practice, European Journal of Marketing, 40(5/6), pp. 453-465.

Daten

Handelsblatt, 2010: Metropolen fahren mit Hybridbussen voraus, www.handelsblatt.com Abrufdatum, 24.09.2010.

ChinaCarTimes, 2010: Government Confirms Subsidies for Hybrid and New Energy Vehicles, www.chinacartimes.com, Abrufdatum, 02.06.2010.

[49]Literaturempfehlungen

Basisliteratur

Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., New Jersey: Pearson, [Kapitel 2: „Globalization of Markets and the Internationalization of the Firm“, S. 64-93].

Kutschker, M./Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 3: „Theorien der internationalen Unternehmung“, S. 379-481; Kapitel 7: „Dynamik in der internationalen Unternehmung“, S. 1083-1211].

Vertiefungsliteratur

Morasch, K./Bartholomae, W., 2011: Internationale Wirtschaft, Lucius: München.

Rodrigue, J.-P./Comtois, C./Slack, B., 2011: The Geography of Transport Systems, Second Edition, Routledge.

[50][51]Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewebs


[52]Standpunkt: Herausforderung der Globalisierung


Prof. Hans-Olaf HenkelHans-Olaf Henkel war in verschiedenen internationalen Managementpositionen für IBM tätig. Von Anfang 1995 bis Ende 2000 war er Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), von 2001 bis 2005 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Heute lehrt Henkel als Honorarprofessor an der Universität Mannheim.

1. Wird sich die Globalisierung, welche die Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten geprägt hat, mit der gleichen Dynamik fortsetzen?

Das Wachstum der Weltwirtschaft wurde in den letzten Jahren durch den Aufholprozess der Schwellenländer, insbesondere der BRIC-Staaten, bestimmt. Ich glaube nicht, dass dieses Wachstum im gleichen Maße wie bisher verlaufen wird. Es wird trotzdem schneller verlaufen als in den USA und Europa, vor allem wird der Welthandel auf Jahrzehnte schneller wachsen als der Durchschnitt des Wachstums der einzelnen BIPs. Dazu werden Länder beitragen, die bisher nicht so im Fokus des Interesses standen, wie Indonesien, Mexiko, Südostasien und die nordafrikanischen Länder. Entscheidend bleibt, dass Marktwirtschaft, Menschenrechte und Demokratie weiter fortschreiten. Hier haben China und Russland einen strategischen Nachteil gegenüber anderen Ländern wie Indien, Brasilien und Indonesien. Zwar hat China eine bessere Infrastruktur, aber bei der „weichen“ Infrastruktur wie einer funktionierenden Demokratie sind diese Länder im Nachteil. Sie müssen den Übergang erst schaffen. Ob dieser friedlich und ohne Verwerfungen geschieht, steht in den Sternen.

2. Ohmae definierte die USA, Westeuropa und Japan als die zentralen Treiber der weltweiten Wirtschaftsentwicklung; inwiefern ist diese These noch zu halten und welche Regionen werden die Zukunft dominieren?

Diese These muss revidiert werden. Als Produktionsland ist China längst allen drei Regionen davongeeilt. Als Softwarenation holt Indien schnell auf. Zwar kommen immer noch wichtige Impulse aus der „Alten Welt“, wie ich mal die Welt von Ohmae bezeichnen möchte (z.B. Software wie „Facebook“ aus den USA, Maschinenbau und Kfz-Innovationen aus Deutschland), aber Indien und China müssen als zusätzliche zukünftige „Treiber“ mitgezählt werden. So wie bei Japan auch, werden Indien und China nach einer Anfangsphase des Kopierens in eine Phase der Kreativität eintreten und die „Alte Welt“ mit eigenen Impulsen überraschen. Die außerordentliche Kreativität moderner chinesischer Kunst ist ein Vorbote industrieller Forschungsdurchbrüche aus diesen Ländern.

[53]3. Sehen Sie das Modell einer geozentrischen, nicht an nationale Gegebenheiten orientierten Unternehmenskultur als zukunftsweisend oder spielen nationale Wurzeln weiterhin eine zentrale Rolle?

Ich sehe die Bedeutung nationaler Wurzeln langsam zurückgehen. Seit die amerikanische IBM ihr PC- bzw. ihr Laptopgeschäft an die chinesische Lenovo verkauft hat, ist die weltweite Marktstellung dieses Produktes eher gestiegen. Man kann dieses Phänomen anhand des Wandels großer deutscher Firmen sehr gut erkennen: Bayer macht z.B. inzwischen über 85% seines Umsatzes außerhalb Deutschlands, immer öfter werden Forschungsaktivitäten ins Ausland verlagert, der CEO von Bayer ist Niederländer. Einer der beiden zukünftigen CEOs der Deutschen Bank wird ein Inder sein. Dieser Trend darf aber nicht verwechselt werden mit der oft irrigen Annahme, die Kunden wollten in der Zukunft keine Produkte ohne „nationale Wurzeln“ mehr. GM ist vor Jahren mit der Idee eines „World Car“ gescheitert. Die Kunden wollen einen „deutschen“ Opel oder einen „schwäbischen“ Porsche und kein verwechselbares Einheitsprodukt. Mit anderen Worten, die Rücksichtnahme auf nationale Kundenwünsche muss auch ein weltweit tätiges Unternehmen immer im Auge behalten.

4. Wie kann ein Unternehmen aus Ihrer Sicht global agieren, ohne dabei die aus der nationalen Identität stammende Stärke zu verlieren?

Das ist nach meiner Meinung die Schlüsselfrage. Ich beobachte zurzeit einen zunehmenden Trend zur Funktionalisierung zulasten der regionalen Verantwortung. Klar, in Zeiten der Globalisierung muss man über Landesgrenzen hinweg Entscheidungen treffen, aber die völlige Entmachtung „regionaler Könige“, die zurzeit bei fast allen „Global Players“ zu beobachten ist, birgt das Risiko, am regional verankerten Kunden vorbei zu entscheiden. Der richtige Mix aus funktionaler und regionaler Verantwortung macht den Unterschied. Produktion, Entwicklung, Administration und Infrastruktur können durchaus internationalisiert werden, Marketing schon weniger. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die Entwicklung von Produkten immer wieder direkte Anstöße aus den Regionen bekommt.

5. Welche Faktoren bestimmen im 21. Jahrhundert die Wettbewerbsfähigkeit von Nationen?

Neben der Bildung vor allem ein politisches System, in dem Ideen, Kritik, Anregungen ohne Furcht geäußert werden und „nach oben“ kommen können. Das gilt sowohl für Unternehmen als auch für Nationen. Hier sehe ich einen strategischen Nachteil Chinas und Russlands entstehen. Am Beispiel der Entwicklung Südafrikas kann man gut erkennen, wie schnell die Entwicklung zur Demokratie auch der wirtschaftlichen Entwicklung Beine machen kann. Den Zugang zu Rohstoffen sehe ich dagegen als weniger wichtig an. Dieser lenkt immer wieder von der Entwicklung eigener Kreativität ab und könnte zu einer Vernachlässigung der Bildungsanstrengungen, zu Trägheit und sinkender Wettbewerbsfähigkeit der Bevölkerung führen. Saudi-Arabien ist ohne intellektuelle Importe nicht überlebensfähig, wohl aber seit Langem eines der reichsten Länder der Welt.

[54]6. Welche Rolle sollte der Staat oder supranationale Organisationen spielen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu sichern?

Er muss den Wettbewerb in allen Bereichen der Gesellschaft organisieren: in der Bildung, zwischen Regionen, unter den Unternehmen, in der Kultur, im Sport. Wettbewerbsfähig bleibt eine Region durch … Wettbewerb!

[55]Grundlagen des internationalen Wettbewerbs

Für ein entscheidungsorientiertes Internationales Management stellt sich die Frage, welche Variablen auf die Unternehmensführung einwirken und zu einer Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit führen. Hierzu leisten Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit einen wertvollen Beitrag.

Bereits in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts wurden ökonomische Probleme angesprochen, die sich mit der Beziehung von Volkswirtschaften, Branchen und Unternehmen zum Ausland beschäftigen (Casson, M., 1988; Babbage, Ch., 1832; Ricardo, D., 1821; Smith, A., 1776). In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde eine Vielzahl von meist volkswirtschaftlichen Theorien entwickelt, die sich mit Problemen des Außenhandels, der Direktinvestitionen im Ausland und mit internationalen Technologieverträgen befassen. Ab den 1960er Jahren wurde durch die Diskussion über das Wesen und die Bedeutung von multinationalen Unternehmen auch in der Betriebswirtschaftslehre nach Theorien und Konzepten gesucht, die die Internationalisierung dieses Unternehmenstyps erklären sollten. Dabei stellt die Mehrzahl der Theorien und Konzepte Erklärungsmodelle dar, warum und wie es zu einer Internationalisierung von Volkswirtschaften, Branchen und Unternehmen kommt.

 

Abbildung 39 stellt die im Folgenden behandelten betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Konzepte im Überblick dar.


Abbildung 39: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs

[56] 1 Volkswirtschaftliche Konzepte des internationalen Wettbewerbs

1.1 Theorien des internationalen Handels

1.1.1 Klassische Theorien

Merkantilismus und absolute Kostenvorteile

Der Merkantilismus wird als die erste Theorie des internationalen Handels angesehen und trat im 16. Jahrhundert erstmals in Europa auf. Gekennzeichnet ist der Merkantilismus durch die intensive staatliche Förderung der Wirtschaft, mit dem Ziel den Außenhandel zu stärken und eine permanente positive Handelsbilanz zu wahren. Im 16. Jahrhundert waren Gold und Silber die offizielle Währung zwischen Nationen und Synonym für Wohlstand und Macht. Durch die Besteuerung von Importen und die Subventionierung von Exporten versuchte der Staat, einen permanenten Handelsüberschuss zu erzwingen, sowie die Macht und den Wohlstand des Landes zu steigern (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009).

Die Gegenargumentation erfolgte unter anderem durch den Wirtschaftsökonom David Hume, der die Widersprüchlichkeit der merkantilistischen Sichtweise belegt. Laut Hume führt ein dauerhafter Exportüberschuss zu einer Erhöhung der Geldmenge und zu steigenden Preisen auf dem Inlandsmarkt. Im Vergleich zum Ausland werden die Waren auf dem Inlandsmarkt relativ teurer. Daraus folgt ein Importüberschuss, der durch die Gold- und Silberreserven finanziert wird. In den Empfängerländern kommt es zu dem gleichen Prozess, bis alle Länder einen Ausgleich von Importen und Exporten erreicht haben.

Es wird dann von absoluten Kostenvorteilen gesprochen, wenn ein Land dasselbe Produkt zu niedrigeren Kosten herstellen kann als ein anderes Land. Durch Außenhandel können die Produktionsfaktoren in beiden Ländern effizienter eingesetzt werden.

Komparative Kostenvorteile

Die Theorie der Produktivitätsunterschiede geht davon aus, dass die relativen Kostendifferenzen zwischen zwei oder mehreren Ländern die Richtung der Handelsströme zwischen diesen Ländern bestimmen (Rose, K./Sauernheimer, K., 2006). Ein bestimmtes Land hat einen komparativen Kostenvorteil bei der Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung, wenn die Opportunitätskosten der Herstellung des Produktes niedriger sind als die eines anderen Landes. In einem solchen Fall sind eine Spezialisierung und folglich internationaler Handel ratsam (Krugman, P./Wells, R., 2009). Empirische Untersuchungen lassen jedoch erhebliche Bedenken an der praktischen Relevanz dieser Theorie für Volkswirtschaften aufkommen (Porter, M.E., 2001).

[57]Faktorausstattung

Heckscher (Heckscher, E.F., 1949) und Ohlin (Ohlin, B., 1931) begründeten das Entstehen des Handels zwischen Ländern mit den Unterschieden in der Faktorausstattung von Arbeit und Kapital (Hill, C.W.L., 2009). Ausgangspunkt ist dabei die Hypothese, dass Richtung und Struktur des Welthandels im Wesentlichen durch die relative Faktorausstattung bestimmt werden. Danach müssten die Erzeugnisse, für deren Produktion der relativ reichlich vorhandene und damit billige Faktor eines Landes notwendig ist, vergleichsweise billig sein und somit von diesem Land exportiert werden, während Güter, die einen relativ knappen Faktor zur Herstellung benötigen, teuer sind und folglich aus solchen Ländern importiert werden, in denen dieser Faktor reichlich vorhanden ist (Kutschker, M./Schmid, S., 2011).

Das Heckscher-Ohlin-Theorem bestimmte lange Zeit die außenwirtschaftliche Diskussion. Eine empirische Bestätigung war nur unter Berücksichtigung zusätzlicher Erklärungsvariablen möglich. Insbesondere die empirische Untersuchung von Leontief (Leontief, W., 1956) führte zu umfangreichen Diskussionen über die Gültigkeit der Theorie. Leontief stellte für die USA, die in den Jahren 1947 und 1951 Kapital als reichlichen Faktor in Relation zur Arbeit hatten, fest, dass die Exportgüter arbeitsintensiver waren als die Importgüter. Dieses Phänomen, das als Leontief-Paradoxon bekannt wurde, hatte eine Reihe von Erklärungsversuchen zur Folge. Viele Untersuchungen bestätigten das Leontief-Paradoxon auch für spätere Jahre, unterschiedliche Branchen und andere Länder (Hill, C.W.L., 2009; Perlitz, M., 1978).

Zur Auflösung des Leontief-Paradoxons wurden verschiedene Erklärungsvariablen untersucht, z.B.:

 der große Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften (Humankapital) der Exporte fortgeschrittener Volkswirtschaften,

 der Effizienzvorsprung fortgeschrittener Volkswirtschaften bei der Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, der zu komparativen Vorteilen durch den technologischen Vorsprung in der Herstellung neuer Güter führt, und

 die Beschränkung von arbeitsintensiven Importen durch Zollbestimmungen fortgeschrittener Volkswirtschaften.

Empirische Bestätigungen für die Auflösung des Leontief-Paradoxons konnten nicht für alle Erklärungsvariablen gewonnen werden (Baldwin, R.E., 1971).

1.1.2 Moderne Theorien

Theorie der technologischen Lücke

Komparative Kostenvorteile ergeben sich auch aus internationalen Unterschieden in der Technologie. Aufbauend auf diesen Überlegungen, entwickelte Posner (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Posner, M.V., 1961) die Theorie, dass Exporte durch das Vorhandensein einer [58]technologischen Lücke zwischen dem In- und Ausland entstehen. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Entwicklung eines Produktes, das entweder neu ist oder mit einem bereits existierenden Erzeugnis konkurriert. Ein Beispiel (Hufbauer, G.C., 1966) soll das Zustandekommen eines internationalen Handels durch eine technologische Lücke verdeutlichen:

Ein deutsches Unternehmen hat ein neues Produkt A entwickelt, das in Konkurrenz zu einem Erzeugnis B eines US-Unternehmens steht, diesem Erzeugnis aber technologisch überlegen ist. Im Zeitpunkt t0 beginnt das Unternehmen die Produktion. In den USA erlangt man einige Zeit später Kenntnis von dem neuen Produkt und beginnt den Import aus Deutschland. Damit kommt ein Exportstrom von Deutschland in die USA zum Zeitpunkt t1 zustande. Die Zeitdifferenz zwischen dem ersten deutschen und dem ersten amerikanischen Konsum bezeichnet man als Nachfragelücke. Abbildung 40 stellt die Nachfragelücke (t0-t1) grafisch dar.


Abbildung 40: Theorie der technologischen Lücke

In der Zwischenzeit stellen US-Unternehmen fest, dass ihr Markt durch die Importe aus Deutschland gefährdet wird oder, falls es sich um ein neues Erzeugnis handelt, eine sehr attraktive Marktchance besteht. Für sie gibt es nun neben einer passiven Haltung zwei mögliche Handlungsalternativen: die neue Technologie zu kaufen oder eine entsprechende eigene Technologie zu entwickeln. Problematisch wird die zweite Alternative dann, wenn in den USA das neue Produkt patentrechtlich von dem deutschen Unternehmen geschützt ist. In diesem Falle müssen die US-Unternehmen ein Produkt entwickeln, das keine Patentverletzung gegenüber dem deutschen Erzeugnis darstellt, oder das Patent kaufen. Beginnt das US-Unternehmen zum Zeitpunkt t2 mit der eigenen Produktion, dann bezeichnet man die Zeitdifferenz zwischen t0 und t2 als Imitationslücke und die Imitationsroute wäre bei einem Technologieerwerb ein Technologievertrag. Kosten-, Liefer- oder andere Gründe können Vorteile für die US-amerikanischen Unternehmen sein, die dazu führen, dass [59]der Export des deutschen Unternehmens in die USA sinkt. Generell wird angenommen, dass der Export von Deutschland umso intensiver wird, je länger die Imitationslücke und die technologische Lücke bestehen.

Im Zeitpunkt t3 findet aus Deutschland kein Export mehr in die USA statt. Für den Zeitraum zwischen t1 und t3 spricht man von einem technologischen Lücken-Handel. Nach dem Zeitpunkt t3 kann es nach dieser Theorie zu Exporten aus den USA nach Deutschland, d.h. zu einer Umkehrung der Exportströme, kommen.

In der Regel wird bei der Theorie der technologischen Lücke unterstellt, dass der Export von einem Land mit technologischer oder industrieller Führerschaft ausgeht und dass dies meist auf Länder mit einem hohen Lohnniveau zutrifft. In der ersten Phase der Theorie hat das Innovationsunternehmen einen technologischen Vorsprung und die Lohnkosten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Nachdem die Imitationslücke geschlossen wurde, werden jedoch die Kostenunterschiede nach dieser Theorie zur Hauptdeterminante des Handelsstromes, was zur Theorie der komparativen Kosten zurückführt. Darum wird unterstellt, dass in der zweiten Phase der Theorie eine Umkehrung der Exportströme von Niedrig- zu Hochlohnländern erfolgt. Dieser Niedriglohn-Handel wird seinerseits wiederum durch das Aufkommen neuer Produkte oder Verfahren im Hochlohnland oder durch das Ansteigen der Lohnsätze im Niedriglohnland beendet. Die Entwicklung des technologischen Lücken-Handels zum Niedriglohn-Handel und dessen Ende ist in Abbildung 41 wiedergegeben. Aus ihr wird deutlich, welche Faktoren die Imitationslücken oder den Niedriglohn-Handel fördern oder beenden.

Beim technologischen Lücken-Handel bestimmen jedoch nicht immer die Lohnkostenunterschiede zwischen den Ländern die Richtung des Handels in der zweiten Phase. Durch die Entwicklung eines neuen Produktes oder eines neuen Produktionsverfahrens im Hochlohnland kann die zweite Phase des Außenhandels auch wegfallen. In diesem Zusammenhang weist Porter darauf hin, dass knappe, teurere Arbeitskräfte ein wichtiger Anstoß für Innovationen sind (Porter, M.E., 2001).

In der Realität kann es für das gleiche Land sowohl zu einem technologischen Lücken-Handel als auch zu einem Niedriglohn-Handel kommen. Hufbauer (Hufbauer, G.C., 1966) nennt als Beispiel den Export und Import von Nylon. Nachdem in den USA Nylon entwickelt und ab 1941 produziert wurde, hat 1950 Großbritannien als eines der ersten Länder neben den USA die Produktion von Nylon aufgenommen und im Gegensatz zu den USA auch nach Spanien exportiert (Freeman, C., 1963). Gleichzeitig begann der Export von Nylon von Großbritannien in die USA. Der Export von Großbritannien in die USA war ein Niedriglohn-Handel und der nach Spanien ein technologischer Lücken-Handel. Deshalb kann sich das Land mit den längsten Imitationslücken später nur noch auf den Niedriglohn-Handel einrichten. Umfangreiche empirische Untersuchungen für verschiedene Länder und Branchen zeigen die große Bedeutung dieser Theorie für das Zustandekommen von Exporten (Perlitz, M., 1978).

[60]

Abbildung 41: Vom technologischen Lücken- zum Niedriglohn-Handel

Das Entstehen einer technologischen Lücke wird in dieser Theorie aus einer überlegenen Produkt- oder Prozesstechnologie abgeleitet. Damit basiert diese Theorie insbesondere auf dem Ergebnis von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des Unternehmens. Betriebliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen beeinflussen das Regelkreissystem der Unternehmensführung. Aufgrund dessen muss die Erklärungsvariable „Technologie“ in die betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse zur Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie eingehen.

Ebenso muss die Höhe der Arbeitskosten über die Erklärungsvariable „Kosten“ in der betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse Berücksichtigung finden. Der Technologieaspekt wirkt sich in dieser Analyse auch auf die Erklärungsvariable „Produktion“ aus. Gleichsam leistet die Theorie im Rahmen des Regelkreissystems einen Beitrag für die Umweltanalyse. Sie untersucht nämlich, welche Umweltfaktoren die Imitationslücke verkürzen oder verlängern. In diesem Zusammenhang werden die Erklärungsvariablen „Größe des Marktes“ und „Zollschranken“ für eine Umweltanalyse relevant. Darüber hinaus wird durch die Unterscheidung in Innovations- und Niedriglohnland auf die Bedeutung der Erklärungsvariablen „Allgemeines Kostenniveau“ und „Technologischer Stand“ für eine Umweltanalyse verwiesen. Diese Erklärungsvariablen beeinflussen über eine Umweltanalyse die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie.

 

[61]Produktlebenszyklus-Theorie

Auch die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels, die 1966 von Vernon (Vernon, R., 1966) entwickelt wurde, setzt bei neuen Produkten oder Verfahren an. Diese Theorie unterstellt, dass der Export von Gütern von deren Stellung auf ihrer Produktlebenszykluskurve abhängt. Vernon unterscheidet in seiner Betrachtung nicht, ob es sich um ein Konsum- oder Investitionsgut handelt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011). Er unterscheidet drei Phasen im Produktlebenszyklus:

1 eine Einführungsphase, in der ein neues Produkt angeboten wird,

2 eine Wachstumsphase, in der das Produkt eine gewisse Reife erlangt hat und

3 eine Reifephase, in der das Produkt standardisiert ist.

Ausgangspunkt seiner Argumentation ist ein im In- und Ausland neues Produkt. Dabei kann dieses Erzeugnis nach Vernon im Hinblick auf den Input, das Verfahren oder die Ausstattung neu sein. Das Exportverhalten von Unternehmen wird nach dieser Theorie wie folgt erklärt (Hirsch, S., 1967):

Neue Produkte sind i.d.R. sich schnell ändernden Produktionstechniken ausgesetzt, durch hohe Stückkosten belastet und erfordern einen hohen Personalbedarf, wobei Naturwissenschaftler und Techniker die wichtigsten Personengruppen sind. Solange andere Unternehmen im Ausland noch nicht über eine entsprechende Technologie verfügen, wird unterstellt, dass das Innovationsunternehmen eine Monopolstellung hat. Die verhältnismäßig hohen Stückkosten spielen für den Innovator in diesem Stadium eine untergeordnete Rolle, da das Unternehmen „Monopolgewinne“ erwirtschaftet und für den Produzenten wegen der großen Produktdifferenzierung eine relativ geringe Preiselastizität der Konsumentennachfrage besteht. Somit sind Kostengesichtspunkte während der Einführungsphase weniger bedeutend als die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten. Darüber hinaus sind in diesem frühen Stadium billigere Arbeitsplätze im Ausland für den Entscheidungsprozess unerheblich. In dieser Phase des Produktlebenszyklus beginnt der Export der Unternehmen. Dieser Export entspricht dem technologischen Lücken-Handel, der so lange ungestört fortgeführt werden kann, bis die Imitationslücke geschlossen ist. Dies kann bereits sehr früh erfolgen, d.h. wenn das Erzeugnis noch relativ neu ist (Einführungsphase), oder erst später, wenn das Produkt eine bestimmte Reife erlangt hat (Wachstumsphase). Bis zur Schließung der Imitationslücke steigt der Export ins Ausland. Da die neuen Erzeugnisse nach dieser Theorie zunächst nur für die Konsumenten mit höherem Einkommen in Betracht kommen, geht der Export schwerpunktmäßig in andere Industrienationen.

Spätestens wenn das Produkt die Wachstumsphase des Produktlebenszyklus erreicht hat, nehmen die ersten Imitationsunternehmen im In- und Ausland die Produktion dieser Produkte auf. Diese Unternehmen befinden sich nach Vernon (Vernon, R., 1966) hauptsächlich in Industrieländern; allmählich tritt in diesen Ländern eine Importsubstitution ein. Auf [62]den Drittmärkten, die verallgemeinernd mit den Entwicklungsländern gleichgesetzt werden, konkurriert nun das Innovations- mit den Imitationsunternehmen in immer stärkerem Ausmaß, was zu einer Senkung der Marktpreise führt. In dieser Phase ist nach Hirsch (Hirsch, S., 1967) die wichtigste Personengruppe das Management im Unternehmen. Die Erzielung eines Monopolgewinnes ist durch die nun aufkommende Konkurrenz nicht mehr möglich. Die Stückkosten, insbesondere die Lohnkosten, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Es kommt zu ersten Verlusten, die dazu führen, dass Entwicklungsländer ihre Kostenvorteile auszunutzen versuchen. Durch die niedrigeren Lohnkosten im Ausland sind dann ausländische Unternehmen auf dem Inlandsmarkt des Innovators konkurrenzfähig.

In der Reifephase wird unterstellt, dass das Innovationsunternehmen und die anderen inländischen Unternehmen aus Kostengründen auf ihrem Inlandsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind. Es findet eine vollständige Exportsubstitution durch Importe statt. Die Produktion wird in Entwicklungsländer verlagert und der Handel, der mit dem technologischen Lücken-Handel begonnen hatte, wird nun durch den Niedriglohn-Handel beendet.

Abbildung 42 stellt den Ablauf der Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels schematisch dar. Am Beispiel des VW-Käfers lässt sich diese Theorie nachvollziehen. Der VW-Käfer wurde in Deutschland innoviert. In Deutschland wurden anfänglich mehr VW-Käfer produziert als konsumiert. Die überschüssige Produktion exportierte VW in andere Länder. Damit schloss sich in diesen Ländern die Nachfragelücke. Zunächst gingen die Exporte in andere Industrieländer und später in Entwicklungsländer. Zu diesem frühen Zeitpunkt war der VW-Käfer eine neue Produktidee. Als eines der nächsten Länder nahm z.B. Belgien und damit ein weiteres Industrieland die Montage und Produktion des VW-Käfers auf. Dies führte zum Schließen der Imitationslücke. Auch in Belgien wurden mehr VW-Käfer produziert als die dortige Inlandsnachfrage aufnehmen konnte. Damit exportierte VW den Käfer aus Deutschland und aus Belgien. Die Exporte gingen in andere Industrieländer und in Entwicklungsländer. Als der VW-Käfer sich langsam von einem reifenden zu einem standardisierten Erzeugnis entwickelte, nahmen Länder wie z.B. Brasilien, Mexiko und Nigeria die Produktion des VW-Käfers auf und exportierten ihn dann ebenfalls. In Deutschland wurde die Produktion des VW-Käfers eingestellt und die Nachfrage durch Importe aus Mexiko gedeckt. Damit kam es zu einer vollkommenen Umkehr der Handelsströme. Aus einem technologischen Lücken-Handel wurde ein Niedriglohn-Handel.

Die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels eignet sich hauptsächlich für Ex-post-Analysen (Perlitz, M., 1978). Aus solchen Ex-post-Analysen wird für Unternehmen aus Hochlohnländern deutlich, dass sie permanent innovieren, d.h. neue internationale Produktlebenszyklen beginnen müssen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu werden. Für betriebswirtschaftliche Entscheidungsmodelle liefert diese Theorie jedoch nur einen sehr begrenzten Beitrag. Um für betriebswirtschaftliche Ex-ante-Analysen eingesetzt [63]zu werden, müsste der konkrete Verlauf der Produktlebenszykluskurve für unterschiedliche Länder prognostizierbar sein. Daneben ist die Phaseneinteilung nicht unproblematisch und wird mehr oder weniger willkürlich vorgenommen. Für Entscheidungen über Exporte bzw. Importe ist die Kenntnis, wann Nachfrage- und Imitationslücken geschlossen werden, notwendig. Das Schließen dieser Lücken kann zwar ex-post erklärt, aber nicht ex-ante prognostiziert werden. Diese grundsätzliche Kritik gilt gleichermaßen für die Analyse des technologischen Lücken-Handels.


Abbildung 42: Internationale Produktlebenszyklus-Theorie

Des Weiteren ist kritisch anzumerken, dass für betriebswirtschaftliche Entscheidungen die Produktlebenszykluskurve keine vorgegebene und damit prognostizierbare Kurve ist, sondern die zu schätzenden Parameter abhängige Variable der Unternehmensstrategie sind. Damit wird eine Prognose des Verlaufs des Produktlebenszyklus ohne eine vorherige Festlegung der Unternehmensstrategie für das Unternehmen unmöglich. Es soll jedoch gerade durch eine Analyse des Produktlebenszyklus die Unternehmensstrategie festgelegt werden. Da sich zeigen lässt, dass der s-förmige Verlauf des Produktlebenszyklus nicht immer unterstellt werden kann und die Phasen damit nicht immer durchlaufen werden müssen, macht dies die Fragwürdigkeit dieses Konzeptes deutlich. Der neue VW-Käfer, der in Mexiko hergestellt und von dort in Industrie- und Entwicklungsländer exportiert wird, veranschaulicht, dass ein Imitationsland für ein Produkt auch zum Innovationsland werden kann. In diesem Beispiel ist der gesamte Ablauf der internationalen Produktlebenszyklus-Theorie infrage zu stellen.

[64]Unabhängig von den genannten Kritikpunkten bietet die Produktlebenszyklus-Theorie dennoch einige Anhaltspunkte zur Gestaltung einer betrieblichen Stärken- und Schwächensowie einer Umweltanalyse. So baut die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels auf dem Bestehen von technologischen Lücken in der Einführungsphase auf. In dieser Theorie kommt damit der Forschung und Entwicklung sowie neuen Produkten und Produktionsverfahren eine zentrale Rolle zu. Die Aussagen der internationalen Produktle-benszyklus-Theorie basieren hauptsächlich auf Technologie- und Lohnkostenunterschieden. Diese gehen als mögliche Erklärungsvariablen „Kosten“ und „Technologie“ in eine betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse ein. Die Stellung eines Produktes auf der Produktlebenszykluskurve bezieht sich auf die Erklärungsvariable „Absatz“ in einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse. Die genannten Erklärungsvariablen tangieren wiederum das Regelkreissystem des Unternehmens und geben damit Impulse für die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie.