Dorfgeschichten und mehr ...

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Ein Mann mit Charakter

Ein Kleinbauer hatte seinen Hof am Rande des Dorfes. Und eigentlich war es kein Hof, denn die großen Bauern sahen nur hochnäsig auf ihn herab. Er war klein und schmächtig von Gestalt, aber zäh und kräftig, sehr sparsam und im allgemeinen auch friedliebend. Durch viel Arbeit und Fleiß, war es ihm möglich, mal da einen kleinen Acker und dort eine Wiese dazuzukaufen, so dass sein Anwesen langsam aber stetig wuchs und er irgendwann doch im Dorf anerkannt wurde. Mancher der arroganten Herren wurde neidisch, denn er selbst konnte sich nicht vergrößern, ja, es gab einige, denen der Häusler ein Grundstück abgekauft hatte und deren Hof dadurch kleiner wurde.

Trotzdem war sein Anwesen noch immer nicht zu den Großen zu zählen, denn der Abstand zu den Herrenbauern war noch immer beachtlich.

Er selbst war bescheiden geblieben, in den seltenen Gasthausbesuchen war er wortkarg, wenn andere große Reden führten. Aber was er gelegentlich sagte, hatte „Hand und Fuß“.

Die Zeit verging, sein ältester Sohn war im heiratsfähigen Alter und wollte in einen Hof einheiraten. Da der Alte aber wie gesagt sparsam war, konnte er seinem Sohn als „Heiratsgut“ einen Mähdrescher mit in die Ehe geben. Zufällig hatte er bei einem Wirtshausbesuch den Juniorchef einer großen Landmaschinenfabrik, die Mähdrescher herstellte, getroffen. Er fragte ihn deshalb, ob er beim Kauf einer solchen Maschine mit einer Sonderkondition rechnen könne. Der Fabrikant, ein Hüne von Gestalt, meinte nur hochmütig, dass der Mann ja doch kein Geld habe und sich deshalb ein solcher Handel von selbst verbieten würde. Das aber ging gegen die Ehre unseres Bäuerleins. Er stand auf, ging zu dem Fabrikbesitzer und knallte dem eine, dass ihm Hören und Sehen verging. Dieser war so verdutzt, dass er brav auf seinem Stuhl sitzen blieb und sich nicht nur verwundert die Augen, sondern noch mehr seine Backe rieb, auf der man deutlich einen Handabdruck sehen konnte.

Unser Held bezahlte seine Zeche, verließ das Gasthaus und kaufte einen Mähdrescher einer anderen Firma.

Eine weitere Episode unseres Bäuerleins:

Es war üblich, dass ein Bauer eine sogenannte Dezimalwaage besaß, schließlich gab es immer etwas zu wiegen. Diese Waagen wurden aber regelmäßig gegen Gebühr vom staatlichen Eichamt überwacht.

Nun war es wieder einmal soweit, der Beamte vom Eichamt kam in den Hof, um die Waage zu eichen. Der Bauer erklärte dem, er habe keine Waage. Der Beamte aber ließ nicht locker. In seiner Liste sei eine Waage von dem Bauern aufgeführt und wenn der die Eichung verweigere, müsse er dies eben mit Unterstützung eines Polizeibeamten durchführen. Darauf ging der Bauer in einen Schuppen, brachte die Waage und schmiss sie dem Beamten mit solcher Wucht vor die Füße, dass diese in hundert Teile zerfiel. Dazu bemerkte er dem Eichmann, dass er die Waage, wenn er wolle, jetzt eichen könne. Der Beamte verzichtete auf dieses Angebot, strich die Waage aus seiner Liste und verzichtete fortan auf den Besuch unseres Bauern.

Der aber baute seine Waage wieder zusammen und wog was zu wiegen war, halt mit einer nicht geeichten Waage.

Des Pfarrers Würste

Es war wohl in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Und es war üblich, dass bei den Bauern kurz vor dem Weihnachtsfest ein Schwein geschlachtet wurde. Auf den großen Höfen arbeiteten Knechte und Mägde und das Schlachten war für alle ein Fest. Es gab damals keine großen Geschenke, deshalb freute man sich darüber, dass nun bald eine gute Zeit begann, denn nach dem Schlachten war das sonst eher karge Essen mit Wurst und Fleisch ganz wesentlich verbessert. Und es war üblich, dass man dem Pfarrer des Ortes, dem Lehrer und auch den Nachbarn etwas von dem Fleischsegen abgab. Das Schlachtschwein wog eher vier als drei Zentner, so dass der Tisch für längere Zeit reichlich gedeckt war. Der Lehrer bekam sein Teil damit die Kinder nicht gar zu schlechte Noten erhielten und dem Pfarrer musste man schon deshalb etwas bringen, damit das gute Ansehen erhalten blieb. So war es auch beim Schlachtfest unseres Bauern.

Es war üblich, dass man die Kinder mit den Delikatessen in Form von Fleisch, Würsten und der begehrten Kesselsuppe losschickte. So auch in unserem Fall. Das Mädchen Karola und der Bub Andreas wurden beauftragt, das Besagte dem Pfarrer zu überbringen. Die beiden hatten einen weiten Weg, denn das zuständige Pfarrdorf lag einige Kilometer von ihrem Hof entfernt. Sie gingen also los, das Mädchen mit besagter Kesselsuppe und der Knabe mit den Würsten. Unterwegs verspürte der Bub ein menschliches Regen und setzte sich dazu in den nächsten Straßengraben. Die Karola aber ging weiter, sie wollte nicht bei ihrem Bruder warten. Im Pfarrhof angekommen sagte sie, wie man es ihr beigebracht hatte, ganz brav: „Grüß Gott Herr Pfarrer, gelobt sei Jesus Christus“, und der Pfarrer antwortete: „In Ewigkeit, Amen“. Und dann: „So liebe Karola, was hast du mir denn Schönes mitgebracht?“ Die Kleine antwortete: „Herr Pfarrer, i bring bloß dia Kesselsupp, aber wenn der Andres gsch… hat, bringt der o dia Würst!“

Der Pfarrer nahm schmunzelnd entgegen, was man ihm brachte, denn er wusste, welche Würste gemeint waren.

Das Corpus Delicti

Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigten die Bauern noch Knechte und Mägde. Und es kam immer wieder vor, dass eine Magd, besonders wenn sie noch jung und hübsch war, schwanger wurde. Der Erzeuger eines solchen Kindes war meist der Bauer oder sein erwachsener Sohn. Die Folge war, dass das Mädel als Hure beschimpft und vom Hof gejagt wurde. Wenn sie Glück hatte, gab ihr der Bauer einen mehr oder weniger kleinen Geldbetrag heimlich zum Trost mit auf den Weg, denn die Bäuerin durfte ja von seiner Sünde nichts erfahren.

So war es auch in dem hier geschilderten Falle. Der sechzehnjährige Sohn war hier der Übeltäter, was dieser jedoch wie üblich rundheraus abstritt. Da so ein armes Mädchen aber für sein Leben damit gebrandmarkt war und kaum noch die Chance hatte, einen anständigen Mann zu finden, war sein weiteres Leben damit kaum noch mit Glück verbunden. Die Eltern des Mädchens waren über dieses Unglück natürlich auch nicht sehr erfreut, denn meistens mussten sie das Kind großziehen.

Deshalb entschloss man sich zu einer Vaterschaftsklage vor Gericht. Man wollte halt noch retten, was zu retten war. An eine Heirat mit dem Bauernsohn war nicht zu denken, aber man sollte wenigstens den Unterhalt für den „Kegel“ erreichen.

Nun kam es zu der Klage vor Gericht, wo der Sünder mit seiner Mutter erschien. Für den Richter war die Angelegenheit nichts Neues, denn derartige Verhandlungen waren nicht ungewöhnlich. Leider war damals eine DNA-Untersuchung noch nicht möglich. Den Prozess gewann, wer die besseren Argumente hatte.

Nachdem also das Mädchen und der junge Mann jeweils die eigene Aussage vorgebracht hatten, befragte der Richter auch die Mutter des Beklagten, die kaum erwarten konnte, ihre Argumente vorzubringen und deshalb schon lange auf ihrem Platz unruhig hin- und herrutschte. Sie hatte sich schon lange ihre Ausrede zurechtgelegt und behauptete, ihr Sohn wäre zur Zeugung eines Kindes noch gar nicht fähig. Und wenn der Herr Rat das nicht glaube, könne sie das leicht beweisen, indem sie dem Jungen die Hose herunter lasse. Dann würde der Herr Rat das ja sehen. Der Vorsitzende verzichtete auf dieses „Corpus Delicti“, sprach aber leider den jungen Herrn von jeder Schuld frei.


Jagdgeschichten
Ein neuer Jagdpächter

Ein Jäger hatte im fortgeschrittenen Alter eine Jagd gepachtet. Um seine Bauern näher kennenzulernen, war es die beste Möglichkeit, mit ihnen in der Dorfwirtschaft am Stammtisch zu sitzen. Aber auch die Bauern legten Wert darauf, über ihren neuen Jagdpächter Näheres zu erfahren. Und so ergab sich manches Gespräch über Gott und die Welt. Die Anwesenden waren alle im reiferen Alter, so blieb es nicht aus, dass man über Themen aus der guten alten Zeit sprach. Wie gut die Jagd noch in früheren Zeiten war, aber auch wie mühselig früher die Bauernarbeit gewesen sei. Natürlich behaupteten die Bauern, dass ihre Jagd auch heute noch von Hasen und Rehen nur so wimmele und dass man die Jagd eigentlich viel zu billig abgegeben habe. Der Jäger dagegen meinte, er habe die Jagd viel zu teuer erworben und die Bauern hätten sich auch früher bei der Arbeit nicht umgebracht. Darauf meinte einer der Anwesenden, ob der Jäger es nicht für schwere Arbeit halte, wenn man einen Zweizentnersack über mehrere Stiegen auf den Dachboden geschleppt habe. Der Jagdpächter antwortete, dass er dies schon anerkenne, aber dass er, der Jäger, dies auch jetzt noch schaffe. Die Antwort war ein hämisches Gelächter. Der Weidmann aber blieb bei seiner Behauptung.

Nun schlug einer der Bauern vor, dass man ja wetten könne, dann würde man sehen wie stark unser Jäger sei. Dieser erklärte, dass es schwieriger sei, eine Wildsau zu bergen, als so einen Zweizentnersack auf den Dachboden zu tragen. Er nehme die Wette aber gerne an und an zehn Maß Bier sei ihm nichts gelegen.

Da der Gastwirt neben seiner Kneipe auch eine Landwirtschaft betrieb, wurde nach einem entsprechenden Sack gesucht und dieser auch gefunden. Er wurde mit Getreide gefüllt und nun sollte der Jäger seine Kraft beweisen. Der Jäger schüttete das Getreide wieder zu dem übrigen Haufen, nahm den Sack und spazierte damit treppauf und treppab. Natürlich protestierten die Bauern, dass das ein Schwindel wäre und man so nicht gewettet habe. Der Jäger aber meinte, es wäre immer nur um einen Zweizentnersack gegangen, von einem Inhalt sei nie die Rede gewesen. Er sei aber gerne bereit, auf die Hälfte des Wetteinsatzes zu verzichten, denn er vermute, dass die Bauern auch heute noch weder zwei Zentner tragen könnten, noch all zuviel Bier vertragen würden. Hier aber hatte sich der Jäger geirrt. Denn die Bauern waren im Konsumieren von Bier noch weit standfester, als im Tragen von schweren Gewichten. Der Jäger zahlte deshalb freiwillig noch so manchen Liter Bier und es wurde ein langer und vergnüglicher Abend.

 

Das Kennenlernen des neuen Jagdpächters hatten sich die Jagdgenossen allerdings in mancher Hinsicht anders vorgestellt.

Der gesunde Fuchs

Durch meine Jagd zogen sich drei Bäche, die sich an der Jagdgrenze vereinigten. Eigentlich waren es keine Bäche, sondern künstlich angelegte Kanäle, die sich „Schandgräben“ nannten. Wie sie zu diesem Namen kamen, konnte ich leider nie feststellen. Möglicherweise wurden sie so genannt, weil es mühselig, also eine Schande war, diese Gräben mit Pickel und Schaufel vor langer Zeit anzulegen. Der Hauptkanal war aber etwa fünf Meter breit und führte auch bei normalem Wetter circa einen halben Meter hohes Wasser. Und in diesem Bach tummelten sich oft ein paar Enten.

Ich ging also mit Hund und Flinte diesen Bach entlang, um, wenn es sein wollte, einige Enten zu schießen. Mein Weimaraner-Langhaar-Rüde „Kuno vom Falkentann“ ging immer ein paar Meter vor mir, da der die Vögel, auch wenn ich sie nicht sehen konnte, hoch machte. An diesem Tag war leider keine Ente im Wasser.

Plötzlich sprang aus dem mit Schilf bewachsenen Ufer ein Fuchs ins freie Feld. Ich war davon überrascht, drehte mich in seine Richtung und warf ihm überhastet einen Schrotschuss nach. „Den hast du wohl nicht getroffen!“, dachte ich, denn er sprang wie gesund ab. Mein Hund folgte ihm und ich wusste, dass er die Jagd bei einem gesunden Fuchs nach einer kurzen Strecke aufgeben würde. Es kam aber anders. Hund und Fuchs verschwanden aus meinem Gesichtsfeld, was ich sonst bei Kuno und einem gesunden Fuchs nicht kannte.

Nach ungefähr zwanzig Minuten kam der Rüde mit dem Fuchs im Fang zu mir zurück, setzte sich und gab mir den Roten aus. Nur ein Jäger, der mit Hunden arbeitet, kann diese Leistung nachvollziehen. Ich liebelte meinen Hund überschwänglich ab und war in diesem Moment wohl der glücklichste Mensch der Welt. Beim Abbalgen des Fuchses wurde festgestellt, dass dieser drei Schrottreffer auf seinem Hinterteil hatte. Damit hätte der, wenn auch mit kurzzeitigen Schmerzen, sicher überlebt. Für den Hund aber war dies kein gesunder Fuchs und es war für ihn klar, dass er diesen Fuchs fangen, abwürgen und bringen musste.

Der Weimaraner

(vom Welpen bis zur VGP)

Jungjäger werden, das ist schwer;

Jungjäger sein, vielleicht noch mehr.

Man hat gebüffelt ein ganzes Jahr,

bis dass der Jagdschein fertig war.

Die Prüfung war ja nun bestanden.

Man hat auch einen gut bekannten

Revierinhaber bald gefunden

und ist nun Jäger in der Runden.

Was jetzt noch fehlt? Ein guter Hund!

Denn Jagen ohne Hund ist Schund.

Doch welche Rasse soll man nehmen?

Man will doch auch einen richtig schönen.

Ein Dackel, nein, der ist zu klein.

Ein großer Hund soll es schon sein.

Ein Terrier, der ist zu verrückt ...

Ein Weimaraner, das wär’ mein Glück.

Wo krieg’ ich einen Weimi her?

Einen Züchter finden ist nicht schwer.

Doch der will vieles von mir wissen

und redet streng mir ins Gewissen.

Ich müsst den Hund auf Prüfung führen

und sollte mich da ja nicht zieren.

Das sag’ ich gern dem Manne zu.

Ich mein’, dass ich das sicher tu.

Und bald schon hab ich einen Welpen,

bin stolz darauf, wie sonst nur selten.

Bei meiner Frau ist auch die Freude groß,

bis der Teppich nass ist, was mach ich bloß?

Nun gut, der Weimi ist kein Schwein

und bald schon ist er stubenrein.

Jetzt holt er nur noch meine Schuh,

ich meine fast, er lacht dazu.

Ich nehm ihn mit ins Jagdrevier

und zeig ihm allerhand Getier.

Er findet das höchst interessant,

als guter Hund ist er bekannt.

Er arbeitet die Hasenspur

und geht darauf wie an der Schnur.

Nur am Gehorsam, wie fatal,

da fehlt es bei ihm immer mal.

Da hab ich wohl was falsch gemacht

und irgend etwas nicht bedacht.

Der Züchter gibt mir guten Rat,

weil er den Fall ja öfters hat.

Der Kleine, jetzt schon ziemlich groß,

springt gerne mir auf meinen Schoß.

An den Pfoten ganze Ackerschollen –

ich hätte das nie dulden sollen.

Nun gut, im Flug vergeht die Zeit.

VJP steht an, ist mein Hund so weit?

Die Prüfung macht er mit Bravour,

was fehlt, das liegt am Führer nur.

Das Üben fängt jetzt richtig an,

die HZP folgt ja sodann.

Ich denke nach so manche Nacht,

was ich als Führer falsch gemacht?

Der Rat des Züchters hilft mir weiter:

Der Dumme bin ich, der Hund ist gescheiter.

Das wurd mir immer wieder klar,

wenn ich schon am Verzweifeln war.

Die HZP, ich glaub es kaum,

die macht er gut, so wie im Traum.

Mit einer hohen Punktezahl,

so klappte es auch dieses Mal.

Nun wird geübt mit Freud’ und Fleiß,

denn schließlich geht es jetzt auf Schweiß –

im Wald, im dichten Unterholz.

Mein Hund macht’s gut, ich bin ganz stolz.

Die Ente bringt er aus dem Weiher,

Fasane steht er vor und Reiher.

Die Hasenschleppe macht Vergnügen,

den Fuchs, den wird er auch noch kriegen.

Und schon ist’s wieder mal so weit –

ganz schnell verging die Übungszeit.

Denn VGP ist angesagt,

die wird auf jeden Fall gemacht.

Ich mach es kurz, er war sehr gut.

Ich hab nen grünen Bruch am Hut.

Ich weiß, wenn er nur will, dann kann er,

er ist ein echter Weimaraner.

Nun bin ich stolzer Rüdemann

und zeige gern, was er so kann.

Doch eins, ich sage das ganz nüchtern:

Der erste Preis gebührt den Züchtern.

Leo, eine Hundepersönlichkeit

Dackelkenner sagen: Nicht der Herr erzieht seinen Hund, sondern der Dackel seinen Herrn. Ich kann das bestätigen. Aber nur beim Dackel.

Leo war ein Rauhaardackel von besonderer Schönheit. Aber das behaupten ja alle Hundebesitzer von ihren Hunden. Nun, Leo hatte zweimal „V“, was für „vorzüglich“ steht und damit ist auch bestätigt, dass es so war.

Wie kam ich zu diesem Hund? Mein Freund, ein Förster war ein berühmter Wachtel- und Dackelzüchter. Ich selbst hatte schon einmal einen vielversprechenden Wachtelhund von ihm erworben, musste diesen aber wegen Ermangelung einer Jagdgelegenheit zurückgeben. Ich wollte unbedingt wieder einen solchen Hund haben. Da wir gute Freunde waren, meinte er nur: „Du bekommst einen Dackel, basta.“ Ich war recht enttäuscht, gab mich aber damit zufrieden. Ich sollte mir also einen Welpen aussuchen und dazu gab mir die Frau des Försters einen guten Rat. Sie sagte: „Geh in den Zwinger, halte deine gespreizten Finger den Kleinen hin, und wenn einer auf deine Finger zugeht, dann ist das dein Hund.“ Ich befolgte das. Einer der Welpen zwickte mich in die Finger und damit wusste ich: Das ist mein Hund. Ich habe diesen Rat auch bei anderen Welpen befolgt und bin immer gut damit gefahren.

Nun, Leo entwickelte sich zu einem sehr lebhaften Junghund. Ich nahm ihn schon von Anfang an mit ins Revier und er zeigte an allem großes Interesse. Dabei erkannte ich schon bald seine eigenwillige Art, denn er begann auf alles, was sich bewegte, zu jagen. Und das kilometerweit. Ich hatte oft die Sorge, dass er auf einer Straße überfahren würde, was aber, Gott sei Dank, nicht geschah.

Ich nahm ihn mit ins Büro, wo er jeden Besucher sofort unfreundlich begrüßte und damit recht lästig war. Gut, dachte ich, dann hänge ich dich halt am Schreibtisch an, denn es ging nicht an, dass er jeden Kunden belästigte. Der erste Besucher kam und ich war auf seine Reaktion gespannt. Er reagierte wie immer, denn er hatte in aller Ruhe seine Lederleine abgebissen. Ich kaufte also eine Kettenleine. Damit war dieses Problem gelöst.

Wenn ich das Büro verließ, konnte man nicht schnell genug auf ihn achten, denn schon war er durch eine Hecke auf das Nachbargrundstück entwischt. Eine längere Suche nach dem Hund war die Folge. Einmal geschah es, dass Leo nicht mehr auffindbar war. Er war einfach verschwunden. Ich machte mir Sorgen, dass er ins nahe Revier gelaufen war, aber dazu musste er eine vielbefahrene Bundesstraße queren. Ich sah schon den überfahrenen Hund auf dieser Straße liegen, aber weit gefehlt. Im Revier konnte ich ihn nicht finden und so fuhr ich erfolglos zurück. Ich ging noch einmal in das Nachbargrundstück und sah meinen Leo im Gras liegen. Ich glaube, er lachte mich aus. Mit einem Trick konnte ich ihm schließlich dieses „Abhauen“ aber abgewöhnen. In meinem Ärger, als er wieder verschwinden wollte, warf ich die Kettenleine nach ihm und Leo klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Von der Zeit an brauchte ich nur noch mit einem Schlüsselbund zu klappern, dann blieb mein Hund bei mir. Das Werfen mit einer Kette, um den Hund zu stoppen, ist übrigens in einschlägigen Lehrbüchern beschrieben. Hilft aber bei weitem nicht bei allen Hunden. Bei Leo hat es geholfen.

Ich muss mich jetzt bei allen Katzenfreunden entschuldigen, denn Leo war ein Katzenjäger. Ich weiß, dass diese ihre Tiere genauso lieben, wie der Jäger seinen Hund. Aber streunende Katzen haben im Jagdrevier nichts zu suchen und Jagdhunden liegt es im Blut, diese Tiere zu fangen. Es wäre aber unredlich, würde ich diese Seite meines Hundes verschweigen.

Eine weitere Episode darf ich deshalb hier nicht unterschlagen. Sah Leo eine Katze, so nutzten weder Schlüsselbund noch Kette. Er ging los wie eine Rakete. In unserer Nachbarschaft gab es einen Bauernhof und natürlich auch Katzen. Diesen jagte er bei jeder Gelegenheit nach, aber die verschwanden meist ganz schnell in der Scheune und auf dem Heuboden, wohin er natürlich nicht folgen konnte. Da geschah es, dass die Bäuerin gerade aus dem Kuhstall kam und mir klagte, mein Hund würde immer ihre Katzen jagen. Ich versicherte ihr, dass er nur spielen wolle. In dem Moment kam eine Katze aus dem Stall, Leo fasste sie zwischen den Beinen der Bäuerin und im Bruchteil einer Minute hatte sie ihr Leben verloren. Überhaupt waren Katzen für ihn die Feinde, die es zu eliminieren galt.

Leo ließ sich nur, auch von mir, mit List und Tücke, eine tote Katze abnehmen. Es war immer ein Drama, wenn das notwendig war. Eines Tages, ich hatte Leo im Garten bei meinem Büro den ganzen Nachmittag über laufen lassen und holte ihn nach Feierabend ab, um mit ihm heimzugehen. Ich wunderte mich über seinen Bauch und war sicher, dass er etwas gefressen hatte, als er sein Abendfutter stehen ließ. Aber was konnte er gefressen haben? Am nächsten Tag klärte sich die Sache auf, als ich im Garten den Kopf einer Katze fand. Der Hund dachte sich wohl, ehe mein Herr mir meinen Fang wieder abnimmt, fresse ich ihn lieber auf.

Füchse waren seine zweite Leidenschaft, und es war klar, dass er die Bauprüfung machen musste. Ich fuhr also mit ihm zu einer Schliefenanlage, um zu üben. Er war inzwischen zu einem sehr kräftigen Hund herangewachsen und als er die engen Röhren sah, schlief er nicht ein, sondern beging die Röhren überirdisch. Als er aber merkte, dies führe nicht zum Erfolg, überwand er auch die engen Röhren. Bei der Prüfung, wo der Fuchs dann ja im Kessel steckte, war ein fürchterlicher Lärm daraus zu hören. Ein Richter rief schnell nach der Dachszange; sie öffneten den Deckel und holten den Fuchs an dem sich der Hund verbissen hatte heraus, ehe ihn Leo abgewürgt hätte.

 

Auf Treibjagden konnte ich Leo nur angeleint führen, denn sonst ging seine Jagd weiß der Teufel wohin oder in den nächsten Bau. Wurde aber zwischen den Treiben eine Pause gemacht und ein Treiber hatte irgendwo einen Hasen abgelegt, so ging der Dackel ab, am Hasen vorbei, packte den nächsten großen Hund am Hals und schüttelte ihn. Darauf kam er schnellstens zu mir zurück. Ich fürchtete jedes Mal, dass ein großer Hund ihn umbringen würde, aber Leo ist dabei nie etwas passiert. Auf einer solchen Jagd eines Bekannten hieß es: „Alle Hunde ins Treiben!“ Es war ein Waldtrieb. Mein Nachbar hatte einen kräftigen „Deutsch Drahthaar“ und kaum waren die Hunde im Wald verschwunden, als ein Reh klagte. Der Nachbar schimpfte furchtbar über seinen Hund, denn er war überzeugt, dass dieser „rehrein“ war. Ich sagte dazu nichts, denn ich vermutete, dass Leo das Reh gefangen hatte. Nach dem Trieb kam an Stelle von Leo der Jagdherr, zeigte mir seine durchgebissene Hand und sagte, ich solle meinem Hund ein Reh abnehmen, das dieser gefangen hatte. Ich sehe ja, was bei dem Versuch durch ihn herausgekommen wäre. Die Hand des Jagdherrn musste im Krankenhaus genäht werden. Auch einem Dackel darf ein Fremder eben kein Wild abnehmen, besonders wenn der Dackel Leo war.

Leo war aber nicht nur bei Jagden aller Art zu gebrauchen, er apportierte auch, soweit er das aufgrund seiner Größe konnte. So holte er auch bei größter Kälte Enten aus dem Wasser. Er war gerade acht Monate alt und wir hatten eine geflügelte Ente im Weiher. Der Dackel saß am Ufer und niemand achtete auf ihn. Ein „Kleiner Münsterländer“, der viel Wassererfahrung hatte, sollte den Vogel fangen und bringen. Der schwamm auch immer wieder der Ente nach, konnte sie aber auch nach vielem Hin und Her nicht erwischen, weil sie immer wieder wegtauchte. Plötzlich klatschte es im Wasser, Leo war ufernah hineingesprungen und brachte uns die Ente.

Ein anderes Mal wollten wir zu zweit in der Nähe eines großen Baggersees auf Hasen „stampern“. Es war kalt und der Baggersee hatte eine dünne Eisschicht und es begann bereits zu dämmern, als zwei Hasen aufstanden und über den Baggersee flüchteten. Mein Hund hinterher. Er war ebenfalls auf das Eis gerannt und war plötzlich nicht mehr zu sehen. Rufen und Pfeifen waren erfolglos, der Hund war verschwunden. Da sah ich gerade noch, dass seine Spur an einem Wasserloch endete. Ich nahm an, er hätte dort trinken wollen, war in das Loch gestürzt und ertrunken, da er unter das Eis geraten war. Traurig kehrten wir heim und ich erzählte die Geschichte meiner Frau. Die aber sagte, „ihr“ Leo sei nicht ertrunken, sie glaube das einfach nicht und sie werde nach ihm suchen. Wir fuhren also gemeinsam dorthin, wo ich mein Auto abgestellt hatte und wussten nicht recht, was wir tun sollten. In dem Moment kam ein Bekannter und ich fragte ihn, ob er meinen Dackel gesehen habe, obwohl ich sicher war, dass wir den Hund nie mehr sehen würden. Der Bekannte verneinte meine Frage und als der außer Sicht war, kam Leo wedelnd zu uns. Er hat auch später nie an einem abgelegten Kleidungsstück gewartet, sondern war immer dort zu finden, wo ich mein Auto abgestellt hatte.

Mit Leo konnte man stundenlang die Baujagd ausüben, er wurde nicht müde. Wir haben an einem riesigen Felsenbau gejagt und es war klar, dass es für den Hund Schwerstarbeit war. Plötzlich knallte es. Ich hatte aber keinen Fuchs springen sehen. Mein Nachbar, ein Jungjäger, hatte direkt in den Ausgang einer Röhre geschossen. Ich befürchtete, dass es kein Fuchs, sondern mein Hund war, denn er konnte nur den Nasenschwamm des Tieres sehen. Ich machte ihm klar, dass er sich gleich zu meinem Hund legen könne, wenn er diesen erschossen habe. Zum Glück hatte er doch einen Fuchs erlegt und meinem Hund war nichts passiert. Ich brach die Jagd sofort ab, hatte aber Mühe meinen Hund nach zwei Stunden einzufangen, denn es war mit Sicherheit noch ein Fuchs im Bau.

Wurde aber bei einer solchen Jagd ein Fuchs, den er aus dem Bau brachte, nicht geschossen, so ging Leo zum Auto und zeigte für diesen Tag nicht mehr das geringste Interesse an jeglicher Jagd. Er war halt ein Hund mit Charakter und eben ein Dackel.

Auf Streicheleinheiten legte Leo überhaupt keinen Wert. Und wenn er, was selten vorkam, bei einer Baujagd mal verletzt war und meine Frau ihn bedauernd abliebeln wollte, war nur ein böses Knurren von ihm zu hören. Als ihn meine Tochter einmal ärgerte, knurrte er sie an. Nachdem ich ihr sagte, sie solle das sein lassen, sie aber nicht gehorchte, biss sie Leo nach einem weiteren „Warnen“ kräftig in den Arm, so dass ich sie zum Arzt fahren musste.

Ein unglaubliches Ereignis darf ich nicht verschweigen. Leo schlief nachts in unserem Esszimmer unter der Eckbank. Dass er sehr „verfressen“ war, brauche ich nicht extra zu erwähnen. Wenn ich also frühstückte, kam er zu mir und wollte seinen Teil abhaben. Eines Tages aber, er war etwa acht Jahre alt, blieb er während des Essens unter seiner Eckbank. Ich dachte, nun, er hat halt auch einmal einen schlechten Tag, kümmerte mich nicht um ihn und fuhr zur Arbeit.

Etwa um neun Uhr rief mich meine Frau an, sagte dass der Hund noch immer an seinem Platz liege und sich auch nicht bewege. Ich fuhr also nach Hause, packte meinen reglosen Hund ins Auto und fuhr zum Tierarzt. Dieser untersuchte ihn, stellte fest, dass er keine Herztöne mehr habe und meinte , dass er den Tag wohl nicht überleben werde. Es wäre am besten, wenn er ihn sofort einschläfern würde. Da kam sein Kollege in den Raum und er sagte, der solle sich den Hund anschauen. Nach einem flüchtigen Betrachten fragte dieser, ob er ihn eingeschläfert habe. Ich verneinte das, nahm meinen Hund und fuhr nach Hause. Dort angekommen legte ich das leblose Tier auf den Teppich und war ratlos. Irgendwann kam mir die Idee, den Hund ins Freie zu bringen, vielleicht musste dieser sich ja einmal lösen.

Ich legte ihn also im Gras ab um zu warten, was geschehen würde. Plötzlich stand Leo auf – er hatte eine Katze gesehen. Er ging los wie eine Rakete, der Katze nach und war wieder gesund. Man kann also sagen, sein größter Feind habe ihn wieder zum Leben erweckt.

Als ich dann die jährliche Impfung beim Tierarzt machen ließ, meinte dieser, das sei doch wohl der tote Hund. Ich erzählte ihm die Geschichte und ein ungläubiges Kopfschütteln war die Antwort.

Leo wurde übrigens vierzehn Jahre alt.

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