Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur

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Ein wunderbares Tier pflegt zu erscheinen, entweder um dem Protagonisten zu helfen, wie der Widder mit dem goldenen Fell, oder ihm entgegenzutreten, wie die Chimäre. Darüber hinaus gibt es immer eine lebensgefährliche Situation, bei der die Hauptfigur Erfolg hat; danach findet sie wieder ins Leben zurück, wie Phrixos durch eine Ehe in KolchisKolchis61.

López Salvá meint, „en relación con sus orígenes (sic) en los que se puede rastrear un ritual agrario, está el hecho de que la muerte o desaparición del protagonista suele coincidir con un periodo de aridez e infertilidad, en el que la tierra se vuelve yerma y no da fruto“62; im Fall des Mythos von Athamas geschieht das Unglück, nicht wenn der Held verschwindet, wie es üblich ist, im Gegenteil, es ist der Anlass, ihn verschwinden zu lassen.

Merkwürdig ist die Hauptrolle von Poseidon in vielen dieser Mythen; in Athamas schreitet er indirekt in die I-P-H-Version ein, entweder durch den Widder, dessen Vater dieser Gott ist, oder durch die Rettung von HelleHelle im HellespontHellespont; sein Eingriff ist aber in der I-L-M-Version deutlicher.

Die Frau nimmt normalerweise ein tragisches Ende; in Athamas’ Fall, wie in jenem vom biblischen PotipharPotiphar bzw. von Phoinix, befasst sich die Legende am Ende der Erzählung nicht mit der Frau, es sei denn die I-L-M-Version gilt als Wirkung der I-P-H-Version.

Zum Schluss möge folgende Überlegung von Prof. López stehen: „Sobre estos motivos se constituye el tema de Putifar en el que se entrelaza la oposición potencia (= juventud) / impotencia (= vejez), subyacente a los ritos de fertilidad, con otras como son la oposición padre / hijo, presente en todos los mitos de sucesión, y la de los sexos mujer (principio del mal) / varón (inocencia virtuosa), propia de las sociedades patriarcales, frente a la mujer como fuente de fertilidad, al igual que la tierra-madre, característica de sociedades agrarias y matriarcales“63.

Für Phrixos ist Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20 die einzige Quelle, die ausreichende Einzelheiten anbietet, um ein Werturteil abzugeben. Zwei Angaben sind erwähnenswert: nicht die StiefmutterStiefmutter, sondern die Tante wird präsentiert. Darüber hinaus ist in dieser Fabel, wie schon gesagt, von Phrixos’ Rückkehr nach HellasHellas zu lesen, die erfolgt, damit er seine befleckte Ehre reinige, eine Tat, die man in keinem anderen Text finden kann.

Ino-Phrixos-Helle-Version Teil 2
I.3 Die MenschenopferMenschenopfer

Das ist der Hauptpunkt dieses ersten Athamas, des ‚opferenden Athamas’ bzw. des homo sacrificanshomo sacrificans, um ihn von dem vielleicht berühmteren Athamas der I-L-M-Version, in diesem Buch als ‚wahnsinniger Athamas’ bzw. homo furenshomo furens bezeichnet, zu unterscheiden. Allerdings ist diese Betrachtung von Athamas im Hinblick auf das OpferOpfer nur als ein ‚Label‘ gültig, denn die echte mit dem Menchenopfer1 verbundene Figur im Mythos von Athamas ist Phrixos.

Das OpferOpfer bildet den Kernpunkt der I-P-H-Version hinsichtlich Athamas, denn, auch wenn der Mythos über HellasHellas hinausgeht, ist es genau dieser erste Teil, dessen Handlung in Griechenland geschieht, in dem Athamas eine hervorragende Rolle in der Entwicklung des Mythos spielt. Die von Athamas selbst intrigierte, befohlene, bejahte und manchmal auch durchgeführte – zum Mindesten als Absicht – Opferung ist die Hauptbindung dieser Version des Mythos mit dem Aioliden: Keine andere Aktion wird mit Athamas enger verbunden als die der Opferung2; er wird in die SageSage als der Vater eingehen, der seine eigenen Kinder zum Opferaltar geführt hat.

Dieses Bild von Athamas wird weithin bekannt sein, besonders in der griechischen Literatur, vor allem in der klassischen Epoche, und es verliert seit der hellenistischen Zeit nach und nach an Kraft auf Kosten von Athamas’ Bild als wahnsinnigen Vaters, der Inos älteren Sohn umbringt und sie und ihren jüngeren Sohn, Melikertes, verfolgt. Möglicherweise sind die Traditionen, in denen Athamas als homo necans, um sich des bekannten Titels von Walter Burkert zu bedienen, älter im Vergleich zu denen, bei denen er als homo furenshomo furens galt. Wahrscheinlich waren diese Erzählungen örtliche Legenden im tiefsten BöotienBöotien und von Anfang an mit Reinigungs- und Schutzriten gegen Katatostrophen verbunden.

Offensichtlich trat Athamas’ Schilderung als opfernder Vater in der literarischen Welt, ganz besonders in der lateinischen, in den Hintergrund; die Figur von Athamas aber, der als ein wahnsinniger und verbrecherischer Vater gilt, hat die folgenden Jahrhunderte geprägt. Das langsame Gefälle seit der ersten Wahrnehmung des Aioliden könnte sich auf das graduelle und nicht totale Verschwinden der Versöhnungsopfer in HellasHellas, wie in Pl. MinPlatonMin. 315c. 315c zu lesen ist, beziehen. Diese Tat und die Rolle von Ino in beiden Versionen konnten dann zu einem neuen Athamas führen, der mit dem neuen, sich nach und nach von MenschenopferMenschenopfern trennenden Griechenland übereinstimmte.

Die Opferung ist aber nicht nur der Grundpfeiler der I-P-H-Version, sondern sie kommt auch, obwohl sie hier nicht so wichtig ist, in der I-L-M-Version vor: die divinisierten Ino (Leukothea) und Melikertes (Palaimon) werden durch Opfer verehrt. Der Kontext ist natürlich ein ganz anderer, wie auch die Zeit, auf die die Traditionen sich beziehen: Wenn die Zeit der Opferung in der I-P-H-Version nur mythisch ist, ist diese Zeit in der I-L-M-Version real, historisch, in den alljährlichen liturgischen Festen feststellbar3 und in einem geographischen Raum4 lokalisiert. In dieser Version betrachten nur Schol. in Pi. I. Hyp. Arg. I d DrachmannScholia zu PindarSchol. in Pi. I. Hyp. Arg. I d Drachmann und Schol. in Ar. Vesp. 1413d KosterScholia zu AristophanesSchol. in Ar. Vesp. 1413d Koster LearchosLearchos’ und Melikertes’ Tod jeweils als eine Opferung, wobei sie ihn verwenden, damit der Leser diesen Tod als Metapher versteht. Nur in einem einzigen Fall, und zwar in Hyg. Fab. IIHyginusFab. II5, wird gesagt, dass Ino und Melikertes wirklich auf dem Weg zur Opferung waren, aber diese Passage gehört nicht zu dieser Version, sondern zu einer von der Enthüllung des Dieners sehr veränderten I-P-H-Version.

Nicht nur der räumlich-zeitliche Kontext des Opfers in der I-P-H-Version ist anders, sondern auch der Täter der Aktion, das Motiv der Opferung und das letztendliche Ergebnis: Wenn Athamas NepheleNepheles Kinder zum Opferaltar führt, um ein Unglück der Gemeinschaft – von Menschen- und nicht von Gotteshand verursacht – abzuwenden und sich mit den Göttern zu versöhnen, so wird ein Priester bzw. ein König in der I-L-M-Version, der das Opfer auf dem Altar zu Ehren von Leukothea und Melikertes tötet, die Gottheiten meistens um Meeresstille für eine Reise bitten oder für die Rettung aus einer Lebensgefahr im MeerMeer danken.

Auch der Schluss ist völlig anders, weil keine einzige Person in der I-P-H-Version auf dem Opferaltar sterben wird (der einzige, der wirklich geopfert wird, ist der WidderWidder): Ein RetterRetter – das fabelhafte Tier für Phrixos und Helle, Herakles oder Kytissoros für Athamas – kommt immer in extremis an und erlöst sie vom Tod. In der I-L-Version aber werden die Opfer – meistens Tiere – ohne Behinderung durchgeführt. Wenn die erwähnte Textstelle von Platon der I-P-H-Version zugeschrieben wird, wie es mir treffend scheint, hat man den Eindruck, dass es auf dem Altar MenschenopferMenschenopfer gab, was der Philosoph bestätigen wollte; diese zweifellos schreckliche Tatsache, modifiziert die oben stehende Behauptung nicht, denn sie beschränkt sich auf Athamas’ Mythos und betrachtet nicht die historischen Wirkungen dieses Mythos im 5. Jh. v. Chr. In dieser Version ist es dann normal, dass Ino und Melikertes durch Opfer von den Gläubigen bzw. von geretteten Schiffbrüchigen verehrt werden.

I.3.1 Die IntrigeIntrige gegen PhrixosPhrixos (und Helle)

Dies ist der Ursprung von allem: die Ränke gegen Nepheles Kinder. Phrixos’ und Helles Opfer ist die natürliche Lösung innerhalb des Mythos für die Konspiration gegen Nepheles Sprösslinge. Dieses Thema soll gründlich analysiert werden.

Im Prinzip scheint es keine Verbindung zwischen der Abscheu der StiefmutterStiefmutter Athamas’ Kindern gegenüber und dem Komplott des verbrannten Samens in jenem Jahr zu geben. Selbstverständlich folgte der Mythos in seinem Anfangsstadium einer bestimmten Wirkungslinie, deren einzelne Schritte im Voraus schon eingerichtet wurden.

Ino wusste, wie der damalige Leser auch, dass die übliche Auflösung eines die Gemeinschaft betreffenden Unglücks in der Befragung des Orakels von Delphi bestand; wenn sie die Beantwortung des Orakels modifizieren könnte, könnte sie sich von Nepheles Kindern ohne Schwierigkeit und mit Hilfe eines göttlichen Spruches befreien. Kadmos’ Tochter wusste von Anfang an – so muss angenommen werden –, dass die Versöhnungsopferung die erwartete Wirkung einer erfolgreichen Intrige war. Nun sollen die Figuren, die gegen Phrixos (und Helle)1 intrigiert haben, analysiert werden, nämlich wie sie das Komplott durchgesetzt haben, warum sie so weit gegangen sind und welche direkte Wirkungen diese Aktion gehabt hat2.

I.3.2 Die Täter der IntrigeIntrige
A) Themisto

Die erste Überraschung bietet der Name der StiefmutterStiefmutter, die zum ersten Mal in der griechischen Literatur gegen Phrixos zu intrigieren scheint, wenn man dem Schol. in Pi. P. IV 288a DrachmannScholia zu PindarSchol. in Pi. P. IV 288a Drachmann Glauben schenkt: nämlich Themisto.

 

Nach dem Scholiast war Themisto Phrixos Stiefmutter bei Pherekydes, ὃς καί φησι τῶν καρπῶν φθειρομένων ἐκ ταὐτομάτου ἐθελούσιον δοῦναι ἑαυτὸν εἰς σφαγήν. Zwei Hauptpunkte sollen hervorgehoben werden: Man befindet sich beim Thema Potiphars, und Phrixos gibt sich freiwilligfreiwillig zum Opfer hin. Dies ist der einzige Beleg von Themisto als Phrixos’ Stiefmutter1. Die Geschichte in Hyg. Fab. IIHyginusFab. II, in der auch von dem durch die Stiefmutter gedörrten Samen und der freiwilligen Hingabe von Phrixos pro patria zu sterben die Rede ist, stimmt mit der Tradition überein und hält Ino für die Stiefmutter der Kinder von Nephele2. Leider hat der Scholiast dieses Thema nicht weiter entwickelt; darüber hinaus ist auch keine weitere literarische Textstelle mit dieser Handlung überliefert worden.

Auf jeden Fall hat man in diesem Text die Schlüsselpunkte des Abschnitts über Griechenland, und zwar die Intrige der Stiefmutter durch den angeblich verbrannten Samen und das Opfer von mindestens einem der Kinder von Nephele. Da Phrixos auf Opferung besteht, ist anzunehmen, dass es ein Orakel gab, das von ihm den Tod verlangte, und dass Athamas sich weigerte zu gehorchen, wie in Hyg. Fab. IIHyginusFab. II erzählt wird. Denkbar wäre auch, dass das angebliche Orakel nur um Phrixos‘, nicht um Helles Tod bat, denn der ZornZorn der Stiefmutter wegen der Zurückweisung war nur gegen denjenigen gerichtet, der ihr unanständiges Begehren abzulehnen wagte. In Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20, bei dem es um Potiphars Motiv geht, wird nur um Phrixos’ Tod gebeten.

Der Vollständigkeit halber wird hier die zweite Art von Intrige im Mythos von Athamas, deren Protagonistin auch die StiefmutterStiefmutter Themisto ist, dargestellt: das Komplott von HypseusHypseus’ Tochter gegen die Kinder, dieses Mal Inos Kinder. Nur zwei Belege sind diesbezüglich erhalten und beide sind bei demselben Autor überliefert, obwohl er sich im zweiten Beleg auf Euripides bezieht: Hygin.

Nach Hyg. FabHyginusFab. I. I versteckt sich Themisto heimlich im Palast et occasione nacta, cum putaret se inimicae natos interfecisse, suos imprudens occidit, a nutrice decepta quod eis uestem perperam iniecerat. Themisto cognita re ipsa se interfecit. In dieser Konspiration wird eine ganz andere Wirkung der Handlung der I-P-H-Version präsentiert, denn im Gegensatz zu dieser letzten Version wird die Intrige bis zum Ende durchgehalten, bis zum Mord, obwohl Themisto nicht ihr Ziel erreicht; im Gegenteil, sie wird die umbringen, die sie beschützen wollte. Das geschieht, weil eine AmmeAmme, das heißt eine Dienerin, ihre Herrin betrügt und deren Plan verrät.

Auffallend ist, dass nur Hygin (Fab. II) den ‚Verrat‘ an Ino und ihrem verbrecherischen Plan durch einen Diener3 darstellt, was eine neue, umgekehrte Situation bringt: Eigentlich sollten Phrixos und Helle auf dem Opferaltar sterben; in Wirklichkeit werden Ino und Melikertes zum Opferaltar geführt, um dort umgebracht zu werden. Der einzige Unterschied liegt in dem Ergebnis der Hinrichtung: In Hyg. Fab. IIHyginusFab. II wird sie von dem von Ino erzogenen Gott, nämlich vom Pater LiberPater Liber befreit; in der I-T-Version beschützt die AmmeAmme Inos Kinder und veranlasst, dass die Kinder der Themisto sterben. Dies auch ist der einzige Fall, in dem der intrigrierende Täter als letzte Wirkung seiner Intrige stirbt. Dieser harte, brüske, gewaltsame Selbstmord, der wahrscheinlich aus Stolz geschieht4, hat mit dem leidenschaftlichen und flüchtigen ‚Selbstmord‘ Inos mit ihrem Sohn Melikertes nichts zu tun. Der erste beendet Themistos Leben; der zweite setzt den Beginn des neuen göttlichen Lebens von Leukothea und Palaimon.

In Hyg. Fab. IVHyginusFab. IV wird diese Geschichte dargestellt, aber sie verfolgt dem Titel der Fabel nach die allgemeinen Linien der euripideischen TragödieTragödie Ino5. Wenn man den letzten Teil, der mit der I-L-M-Version zu tun hat, fallen lässt, liegt der wichtigste Unterschied zwischen beiden Erzählungen in der Identität der AmmeAmme: Ino. In diesem Fall ist es sinnvoller als in Hyg. FabHyginusFab. I. I, denn es ist seltsam, dass eine Dienerin ihrer Herrin feindlich gegenübersteht und gegen deren Plan handelt, wenn dieser sie kaum betrifft. Die Tat rechtfertigt die Vorrede der Fabel, und zwar Inos Abwesenheit im königlichen Palast6 und ihren erneuten Eintritt in ihr altes Haus als Dienerin7. Merkwürdig ist, dass die Stiefmutter der I-T-Version immer eine Komplizin sucht, die dann genau ihre Pläne ruiniert8.

B) Die anonyme StiefmutterStiefmutter

Wenn man sich nach der Chronologie der Quellen richtet, sollte man sich an zweiter Stelle auf die Stiefmutter, deren Namen unbekannt bleibt, beziehen, denn die Texte haben ihn nicht überliefert.

Zunächst sollte man sich fragen, warum die Textstellen diesen Namen übersehen haben. Es würde Sinn machen, anzunehmen, dass der Autor ihn deshalb nicht erwähnt hat, weil dieser Name allgemein bekannt war und der Leser die Person sofort identifizieren konnte. Wenn man jedoch das umstrittene Schol. in Pi. P. IV 288a DrachmannScholia zu PindarSchol. in Pi. P. IV 288a Drachmann beachtet, ist es ganz klar, dass es eine große Anzahl von Namen für diese Gestalt gab und dessen Verschweigen die Version des Mythos unbestimmt lassen konnte. Man kann auch denken, dass der Verfasser eine bestimmte Zweideutigkeit im Text lassen wollte, um keine feste Entscheidung über die Identifizierung dieser Figur treffen zu müssen.

Zwei Abteilungen behandeln diesen Punkt:

a) Gottlose Anschläge = Potiphars Thema

An dieser Stelle sollte man Pi. P. IV 161–162PindarP. IV 161–162 betrachten, wenn man dem Schol. in Pi. P. IV 288a DrachmannScholia zu PindarSchol. in Pi. P. IV 288a Drachmann Glauben schenkt. Es stimmt, dass der Ausdruck ἔκ τε ματρυιᾶς ἀθέων βελέων einen gewissen sexuellen Eindruck hervorruft, aber der dichterische Ausdruck gestattet es nicht, dies mit Sicherheit zu behaupten. Pindars Textstelle erscheint in dieser Abteilung wegen der Deutung des Scholiasten: ἔκ τε ματρυιᾶς ἀθέων βελέων: ἐκακώθη γὰρ διὰ τὴν μητρυιὰν ἐρασθεῖσαν αὐτοῦ καὶ ἐπεβουλεύθη, ὥστε φυγεῖν. Im Prinzip wird Phrixos’ Opfer nicht erwähnt, und es ist möglich, dass es keines gab.

Auch könnte es m.E. bei dem Frg. 24 RustenDionysios SkytobrachionFrg. 24 Rusten von Dionysios Skytobrachion um Potiphars Thema gehen, denn diese Textstelle erfüllt alle Voraussetzungen für die Tradition der verliebten StiefmutterStiefmutter. Der Name dieser Figur wird nicht genau bestimmt, und Phrixos flieht vor den Machenschaften der neuen Frau seines Vaters, Helle aber ist nur eine willkommene Gesellschaft bei der FluchtFlucht. Darüber hinaus endet Skytobrachions Passage mit einem neuen LiebesabenteuerAbenteuer, was darauf deuten könnte, dass der Text ebenfalls mit einer Affäre Phrixos’ begann. Das einzige Problem ist, dass Dionysios dasselbe Wort (ἐπιβουλάς) benutzt, das die anderen Autoren für die durch Inos NeidNeid verusachte Intrige verwenden. Auf jeden Fall könnte man ausschließen, dass in diesem Terminus vielleicht auch die Bedeutung von verschmähter Liebe mitschwingt.

Im Gegensatz zu diesen zwei Texten wird Phrixos’ Opfer in Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20 durch Athamas auf Zureden von Kretheus, dem leichtgläubigen und treuen Ehemann der schändlichen Anstifterin dieser Qual, präsentiert; hier wird der Name von Kretheus’ Ehefrau genannt: Demodike bzw. Biadike1.

Ribbeck erläuterte die Fragmente der Athamas betitelten TragödieTragödie von Accius nach Potiphars Thema und erklärte, einige dieser Fragmente würden sich auf den Status vor der Opferung beziehen2.

Phrixos’ FluchtFlucht ohne Opfer stimmt eher mit der Handlung von Euripides’ Hippolytos überein. In diesem Fall sollte das Komplott der StiefmutterStiefmutter nicht den bald in allen Teilen verwirklichten Plan beinhalten, nämlich den Samen zu dörren, auf die nach Delphi geschickte Botschaft zu warten, die Boten zu bestechen und auf Athamas’ Einwilligung zu warten: Es genügt, dass es eine ständige unsittliche Belästigung und eine Anklage der Vergewaltigung bzw. des sexuellen Missbrauchs gibt oder horum similia mulierum consuetudine dixisse, wie in Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20 zu lesen ist. Merkwürdig ist, dass alle folgenden lateinischen Texte dieser Abteilung über die anonyme Stiefmutter von insidias3MarsBadiusPart.Cat. III 160–185 reden, das heißt, dass dieses Wort nur für diese besondere Art von Intrige, die sich nur gegen Phrixos4 richtet und üblicherweise nicht am Opferaltar endet, vorbehalten wird.

Wenn man dem Scholion glaubt, ist Potiphars Thema das älteste aller in der griechischen Literatur gegen Phrixos dargestellten Intrigen.

b) Im Allgemeinen

Obwohl alle Autoren der vorliegenden Abteilung zur Tradition des Themas von PotipharPotiphar gehören könnten – dies wäre meiner Meinung nach auch richtig –, kann man diese Behauptung aber nicht mit Sicherheit aufstellen, wenn man sich einzig und allein an die überlieferten Angaben hält. Fast alle diese Texte könnten sensu lato innerhalb der Chronographie einbezogen werden.

Mit der Textstelle von Eusebios von Caesarea (Chron. 50b, 12–20 HelmEusebios von CaesareaChron. 50b, 12–20 Helm), die in der Übersetzung des lateinischen Kirchenvaters Hieronymus überliefert worden ist, beginnt in dieser Abteilung die Chronographie über die Entstehung der hellenischen Mythologie. Eusebios erwähnt die FluchtFlucht von Phrixos zusammen mit Helle wegen der Hinterlist der Stiefmutter. Dieser Autor aber wollte m.E. damit ausdrücken, dass die Initiative bei Phrixos lag, weil die Falle der Stiefmutter tatsächlich nur ihm – und nicht Helle – gestellt wurde1.

Der zweite Text, der von Isidor von Sevilla (Etym. XIII 16, 8Isidor von SevillaEtym. XIII 16, 8), ist nicht eigentlich eine chronographische Textstelle, denn der spanische Bischof will nur den Ursprung einiger Meere erklären und nicht einen Bericht über die wichtigsten Ereignisse der Geschichte abgeben; die Struktur des Textes gleicht aber der Struktur aller Texte dieser Abteilung. Die Tradition der anonymen StiefmutterStiefmutter konnte also in verschiedene Gattungen einfließen: Epos, Chronographie, Ätiologie, usw.

Comestor, der diese Struktur in einem rationalistischen Kontext präsentiert, schließt das mythische Element aus, um alle Angaben in einer einzigen Erzählung darzustellen. Bei diesem Autor ist jedoch ein wichtiges Element dieser Textvorbilder verlorengegangen, und zwar die von Phrixos ausgehende Initiative zur FluchtFlucht vor HellasHellas.

Letztlich gibt Rodrigo de Rada dieser Geschichte den mythischen Charakter zurück, aber Phrixos’ Initiative zur Flucht erscheint hier auch nicht. In all diesen Texten ist es nur natürlich, dass Athamas’ Sohn zum Ziel der Intrige wird und Helle nur hinzugefügt wird, um den Namen des HellespontHellesponts mit ihrem SturzSturz zu begründen.