Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur

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C) Athamas und Ino

Gemäß der chronologischen Ordnung der Quellen dauert es noch einige Zeit bis zur Erscheinung Inos als der einzigen gegen Phrixos (und Helle) intrigierenden StiefmutterStiefmutter; im folgenden Fall ist Athamas der ‚Prothagonist‘, wobei KadmosKadmos’ Tochter als Mittäterin hinzugefügt wird. So ist es in Hdt. VII 197HerodotHdt. VII 197 zu lesen. Dieser negative Zug von Athamas seinen Kindern Phrixos und Helle gegenüber wird nicht der einzige des Aioliden im Laufe der Zeit bleiben. Leider bietet der wahrscheinlich unvollständig überlieferte Text von Herodot nicht mehr Angaben diesbezüglich an, da er weglässt, wie Athamas seinen Plan durchführte. Möglicherweise aber war er mindestens der Anstifter von Phrixos’ Opferung. Wenn sich die Textstelle auf diejenigen bezieht, die die Probe bestehen sollten, spricht sie nur über Männer und Erstgeborene, nicht von Männern und Frauen, weswegen man vernünftigerweise schließen kann, dass diese Tradition das Opfer auf Phrixos beschränkte und Helle, die nach den erhaltenen Texten später zugefügt wurde, vor dem Tod verschont wurde. Diese aktive Rolle von Athamas im Komplott wollte vielleicht das spätere Reinigungsopfer des Aioliden begründen, aber die lückenhafte Überlieferung des Textes verhindert, dass man sich ein genaues Urteil über das Geschehen bilden kann.

D) InoIno

Schließlich gelangt man zur üblichen Interpretation dieser Version: Ino ist die grausame StiefmutterStiefmutter von Phrixos und Helle, die aus NeidNeid bzw. aus Eifersucht, gegen sie Ränke schmiedet. Zunächst wird die List – wenn sie explizit geschildert wird –, die sie in ihrer Konspiration verwendet, präsentiert, sodann wird die Hilfe analysiert, die sie bekommt, falls sie um Hilfe bittet, und schließlich werden die physischen Folgen der Intrige bzw. das erste Ergebnis ihres Komplotts dargestellt.

a) Die List

Die von Ino vorbereiteten Täuschungsmanöver stimmen bei allen Autoren, die davon reden, überein; es gibt keine Mannigfaltigkeit an Listen über die Absicht, NepheleNepheles Kinder zu töten. Diese Einmütigkeit in den Quellen ist im Mythos von Athamas ganz verwunderlich, da er ja sonst mit großer Varietät beschrieben wird; das führt zu einem sehr alten und wichtigen Element in der Entstehung des Mythos, nämlich der Tatsache, dass die Handlung in einem Land von Hirten und Bauern spielt.

In der Tat sind es nur wenige Angaben von Autoren und Texten, die im Mythos von Athamas im Laufe der Zeit unverändert blieben: In der I-P-H-Version erreicht Helle niemals KolchisKolchis und Phrixos stirbt niemals auf dem Weg dahin. In der I-L-M-Version sind Learchos und Melikertes immer die Kinder von Ino; nur Ino und Melikertes springen von einer Klippe1; Ino und Melikertes werden zu Meeresgottheiten2. Zur I-T-Version kann man wenig sagen, denn nur Hygin, obwohl er in einer seiner Erzählungen auf Euripides verweist, überliefert diese Tradition mit genügend Einzelheiten, weswegen es unmöglich ist, eine parallele Untersuchung von Autoren und Texten vorzunehmen.

Der verbrannte Samen ist für die I-P-H-Version in diesen unveränderlichen Punkten nicht angedeutet worden, auch wenn alle Quellen über die neidische Stiefmutter dies übereinstimmend angeben. Man sollte hier auch die verliebte Stiefmutter beachten, deren Hinterlist eher einen sexuellen Hintergrund hat, weshalb das Dörren des Samens nicht erwähnt wird.

Bevor man mit dieser Analyse über die List beginnt, muss man erklären, dass nicht alle Texte den Inhalt dieser IntrigeIntrige explizit ausführen.

Dargestellte List

In der Mehrheit sind die Autoren, die Inos List gegen Athamas’ Kinder schildern. Zunächst wird diese Gliederung wegen der Hypothesis des ersten Phrixos von Euripides präsentiert. Obwohl es um einen bruchstückhaften Text geht, scheint es klar zu sein, dass in Versen 12–13 τῆς δὲ | ἀκαρπίας zu lesen ist, was aufgrund der Handlung und des Titels des Werkes auf Inos List hindeuten könnte1. Auch in dieser Linie kann man sich vorstellen, dass das Frg. 822b KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 822b Kannicht einen Dialog zwischen Athamas, Ino und einem Diener über den verbrannten Samen, den Ino ebendiesem Diener übergab2, darstellt. Diese Szene erinnert den Leser an Hyg. Fab. IIHyginusFab. II, aber der fragmentarische Charakter des Textes verhindert weitere Schlüsse.

PhilostephanosPhilostephanosPhilosteph.Hist. (FHG) 37 ist der erste Autor, dessen Text vollständig erhalten ist; da wird offen gesagt, dass Ino3 den gedörrten Samen als Mittel ihrer Intrige verwendet. In Apollod. I 9, 1ApollodorosApollod. I 9, 1 wird eine überzeugende und sich für den Tod von Nepheles Kindern entscheidende Ino geschildert. Genau wie sie den Boten des Orakels von Delphi überredet, überzeugt sie auch die Frauen, dass sie die Saat für das Brotgetreide verbrennen.

TheonTheonFrg. 48 Giese von Theon beginnt einen mit der Stadt AlosAlos4 verbundenen Gedankengang, der in Hdn. Gr. 3, 1 153, 30–154, 3 LentzHerodianosHdn. Gr. 3, 1 153, 30–154, 3 Lentz , St. Byz. s.u. ἌλοςStephanos von ByzanzSt. Byz. s.u. Ἄλος und Eust. ad IlEustathios von Thessalonikead Il. I 497, 17–498, 5. I 497, 17–498, 5 überliefert ist. Stephanos von Byzanz erläutert es auf diese Weise: Θέων δέ φησιν ὅτι Ἄλος θεράπαινα ἦν Ἀθάμαντος ἡ μηνύσασα τὴν Ἰνὼ φρύγειν τὰ σπέρματα, ἧς εἰς τιμὴν τὴν πόλιν ὠνόμασε. Der Name der Dienerin wird nicht erwähnt und es wird nicht viel über dieses Ereignis, die Dienerin bzw. ihre Beziehung zu oder mit Athamas berichtet; nur der gedörrte Samen wird erwähnt, weil so begründet werden kann, dass eine Stadt den Namen einer SklavinSklavin trägt.

Dieser Beleg ähnelt zwei anderen Passagen. Die erste ist die bekannte zweite Fabel von Hygin, in der satelles5 misericordia adulescentis Inus Athamanti consilium patefecit; die zweite ist eine Textstelle bei Ovid (Fast. VI 551–562OvidFast. VI 551–562), die wegen der Konkomitanz mit Theons Text in diesem Moment erklärt werden soll.

Ovid berichtet, dass improbus Athamas heimlich eine Dienerin liebte und ab illa / comperit agricolis semina tosta dari: / ipsa quidem fecisse negas, sed fama recepitOvidFast. V 555–557 (V 555–557). Einfach ist es sich vorzustellen, warum Ino-Leukothea keine Zuneigung zu den Dienerinnen fasst. Wichtig ist es herauszustreichen, dass es sich um ein Kennzeichen von Ovids Werken handelt, dass Ino den Bauern den verdorben Samen gibt; meiner Meinung nach formuliert Ovid das schon erwähnte Frg. 822b KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 822b Kannicht um, wo ein Diener die schändliche Absicht Inos in ihrem Beisein offenbart. Möglich ist, dass Ovid die Theaterszene von Euripides bzw. einem anderen Tragiker im letzten oben zitierten Vers beschreibt und die meistverbreitete Tradition, die Ino als Urheberin bzw. Anstifterin für das Dörren des Samens sieht. Ovid spielt auch darauf an, auf welche Weise Athamas alles erfuhr: durch die Liebe bzw. Leidenschaft zu einer Dienerin; dieses Element wird in anderen Quellen nicht explizit präsentiert.

Der folgende Autor ist Pausanias (I 44, 7PausaniasPaus. I 44, 7), der nur tangential auf diese Machenschaften hinweist, indem er lediglich ihre Folge schildert: τὸν συμβάντα Ὀρχομενίοις λιμὸν καὶ τὸν δοκοῦντα Φρίξου θάνατον αἰσθόμενος, οὗ τὸ θεῖον αἴτιον οὐ γενέσθαι, βουλεῦσαι δὲ ἐπὶ τούτοις πᾶσιν Ἰνὼ μητρυιὰν οὖσαν. Wie in der Hypothesis des ersten Phrixos von Euripides wird nicht ausdrücklich von Inos Komplott gesprochen; es gibt jedoch kein Unglück für das Land oder für die von Athamas beherrschte Gemeinschaft – man mus immer wieder auf diesem Punkt bestehen –, das Ino veranlasst hätte und sich nicht auf die Intrige des verbranntes Samens bezieht. Zenobios (Vulg. IV 38ZenobiosVulg. IV 38), wie auch Apollodor, stellt Ino als eine Person dar, der von den Dorfbewohnerinnen geholfen wird: ἥτις ἐπιβουλεύσασα τοῖς τῆς Νεφέλης παισὶ, παρέπεισε τὰς τῶν ἐγχωρίων γυναῖκας φρύγειν τὰ σπέρματα.

In Nonn.Nonnos von PanopolisD. X 114–116 D. X 114–116 kann man Inos Rede vor ihrem SprungSprung ins MeerMeer lesen. Athamas’ Frau sieht die Vernichtung ihres eigenen Stammes als gerechtfertigt an, weil sie das Gleiche mit Nepheles Nachkommenschaft zu tun versuchte, indem sie dem Land schadete. Nonnos vergleicht den Mangel an Früchten des Landes mit dem ihres Stammes, indem sie sich auf ein schon eingeführtes Bild beruft: das durch den Samen befruchtete Land als Symbol der durch den Samen befruchteten Gebärmutter. Der letzte Text der griechischen Literatur für diese Abteilung ist Eust. ad Il. II 408, 17–410, 11Eustathios von Thessalonikead Il. II 408, 17–410, 11 , wo die Täterschaft Inos betont wird, die sehr verärgert war, weil sie ihr Haus wegen der neuen Ehe von Athamas mit Nephele verlassen sollte: ὅπως ἡ Ἰνὼ αὖθις ἀναληφθεῖσα ἐνεκότει τοῖς ἐκ Νεφέλης παισί, καὶ ὡς μηχαναῖς τισι φρύξασα τὰ ἐγχώρια σπόριμα καὶ ἄκαρπα ποιήσασα.

In Hyg. Fab. IIHyginusFab. II ist zum ersten Mal in der lateinischen Literatur von Inos List die Rede. Darüber hinaus erklärt dieser Text ausführlich, was Hygin richtig Konspiration nennt. Auffällig ist der cum totius generis matronis getroffene Beschluss, der nicht aus einer augenblicklichen Leidenschaft heraus folgt, sondern eine echte und Bestand habende Entscheidung ist. Wie man in der Abteilung über die Folgen der Intrige sehen wird, erreicht die Beschreibung von Inos Bosheit ihren Gipfel bei Hygin, für den die Absicht von Kadmos’ Tochter war, die ciuitas tota an Hunger bzw. Krankheit zugrunde gehen zu lassen.

Ein Text von Ovid wurde schon analysiert, als über Theon gesprochen wurde; zwei andere Textstellen dieses Autors spielen auf diesen Punkt in der I-P-H-Version des Mythos von Athamas an. Die erste (Fast. II 627–630OvidFast. II 627–630) berichtet, wer dem Fest der Carestia, das zu Ehren von geliebten Verwandten gefeiert wurde, fern bleiben muss. Offensichtlich wird eine Reihe von Figuren erwähnt, die ihre nahen Verwandten nicht geliebt haben, unter ihnen auch quae ruricolis semina tosta dedit. Inos Name erscheint nicht und man könnte denken, dass Ovid sich auf eine anonyme Stiefmutter bezieht, aber dies ist nicht so. Das erhaltene corpus von Ovid ist sehr umfangreich und dank zweier anderer Texte, nämlich Ou. Fast. III 859OvidFast. III 859 und Ep. XIX 123–124OvidEp. XIX 123–124, gibt es überhaupt keinen Zweifel: Ovid hält Ino für die Stiefmutter, die den zu säenden Samen verbrannte. Bemerkenswert ist die Initiative und Führungsrolle von Ino, denn sie selbst gibt den Landwirten den verdorbenen Samen. In dem zweiten Text (Fast. III 849–876)OvidFast. III 849–876 beginnt die I-P-H-Version genau mit diesem Mangel wegen des Verbrennens des Samens (853–854). Hier wird zwar Ino nicht erwähnt, fünf Verse weiter unten (859–869) aber wird erklärt, usque recusantem ciues et tempus et Ino / compulerunt regem iussa nefanda pati. Die Passage gestattet nicht zu sagen, ob Ino allein oder zusammen mit Mittäterinnen agierte.

 

Viele Jahrhunderte später präsentieren auch zwei Texte der Mythographi Vaticani Inos Intrigen, obwohl beide Texte in diesem ersten Teil der I-P-H-Version im Allgemeinen übereinstimmen. Sowohl inMythographi VaticaniM.V. I 23 M.V. I 23 als auch in M.V. II 157Mythographi VaticaniM.V. II 157 wird berichtet, dass Ino nouercali odio pueris exitium machinans matronas petiit ut frumenta serenda corrumperent. Auf dieser Linie hat man den Eindruck, dass Ino nur den Auftrag der Verbrennung erteilte, aber an der Aktion selber nicht teilnahm, das heißt, dass sie die anderen Frauen allein die Schandtaten begehen ließ. Das Wichtigste dieser zwei Texte ist eine Gedankenführung, bei der beide Passagen übereinstimmen, nämlich dass Inos Intrige Phrixos und Helle nicht nur als Opfer des Unglückes will, sondern dass sie sie direkt als Ursprung des Unheils beschuldigt.

Fünf Scholien stellen Inos Intrige mit dieser Hinterlist dar. Das erste ist Schol. in A. Pers. 70–72 Massa PositanoScholia zu AischylosSchol. in A. Pers. 70–72 Massa Positano, in dem nicht explizit über die Verbrennung des Samens gesprochen wird, sondern nur von seinem Verderben. Es ist nur eine kleine Variante über das Dörren des Samens; sie sagt, dass er nicht gedörrt wird, denn der Samen ist schon gesät. Der Text von Schol. rec. in A. Pers. 70 DindorfScholia zu AischylosSchol. rec. in A. Pers. 70 Dindorf erinnert den Leser an die Konspiration der Stiefmutter namens Themisto im Schol. in Pi. P. IV 288a DrachmannScholia zu PindarSchol. in Pi. P. IV 288a Drachmann, denn in beiden Fällen wird nicht von Samen, sondern von Frucht (καρπός) gesprochen. Auf jeden Fall ist klar, dass man sich auf den Samen beruft, denn nur dieser kann gesät werden und nicht die Früchte. Das Schol. in A.R. Proleg. WendelScholia zu Apollonios RhodiosSchol. in A.R. Proleg. Wendel zeigt den ganzen Prozess der Intrige: Wie bei Ovid verbrennt Ino den Samen und gibt ihn selbst den Landwirten; neu ist der Hinweis auf die Aussaat durch die Bauern.

Das Schol. in Hes. Th. 993a Di GregorioScholia zu HesiodSchol. in Hes. Th. 993a Di Gregorio ist den zwei Texten der Mythographi Vaticani nahe, weil Ino den Samen nicht röstet, sondern den Auftrag der Verbrennung nur erteilt. Das Pronom πᾶσιν ist in Bezug auf das Geschlecht der Mittäter von Ino, die bis jetzt nur Frauen gewesen sind, doppeldeutig; logisch ist aber, dass das Scholion diesen Gedanken – nur Frauen sind die Täterinnen – bestätigt. Wie bei Hygin ist Inos Falle eine lange und überlegte Entscheidung. Der Scholiast beschreibt einen inneren Prozess voller Verleumdungen und Beleidigungen. Möglicherweise hat er unwissentlich beide Arten von Intrigen, die der verliebten Stiefmutter – die Verleumdung – und die der neidischen Stiefmutter – der verbrannte Samen – gemischt. Das Schol. in Lyc. Alex. 22 ScheerScholia zu LykophronSchol. in Lyc. Alex. 22 Scheer präsentiert den gleichen Text wie Philostephanos.

Die zwei folgenden Textstellen sind ziemlich dunkel und erlauben keine Aussage darüber, ob es eine Konspiration gab oder nicht. An erster Stelle steht Tz.Comm. Ar. Nu. 256a HolwerdaScholia zu AristophanesTz.Comm. Ar. Nu. 256a Holwerda. Der Scholiast berichtet, ὧν Ἀθάμας πεισθεὶς τῇ αὐτοῦ δευτέρᾳ συζύγῳ Ἰνοῖ Φρίξον ἐκείνου τὸν παῖδα τὸν ἐκ Νεφέλης τῆς πρὶν αὐτοῦ γυναικὸς δι’ ἀκαρπίαν ὡς ἱερεῖον θεοῖς τυθῆναι παρέσχε. Wie bei Pausanias und auch im folgenden Scholion kann man wegen der Erwähnung der Unfruchtbarkeit annehmen, dass die Intrige des gedörrten Samens stattfand, auch wenn es in diesem Text und im Folgenden nicht explizit behauptet wird. An zweiter Stelle steht das Schol. in Pl. Mx. 243a GreeneScholia zu PlatonSchol. in Pl. Mx. 243a Greene, das deutlich über Inos Komplott redet, aber nichts darüber sagt, worin es bestand. Auf jeden Fall muss man dies erwarten, wie in Paus. I 44, 7–8PausaniasPaus. I 44, 7–8 und im früherem Scholion, wegen der Andeutung der Hungersnot der Stadt, ein Unglück, das zur Befragung in Delphi führt.

Nicht erwähnte List

In drei Texten wird Inos List genannt, aber nicht, worin diese List besteht.

Der erste Text ist eine Passage von Herodoros (FGrHistHerodorosFGrHist. 31 F 38. 31 F 38), der Phrixos und Helle als Themistos Kinder präsentiert; hier wird gesagt, dass sie διὰ τὴν Ἰνοῦς ἐπιβουλὴν ἐκχωρῆσαι. Ein ähnlicher Text findet sich bei Heracl.Par. XXIVHerakleitos ParadoxographHeracl.Par. XXIV: Ἡνίκα τὴν Ἰνοῦς ἐπιβουλὴν μητρυιᾶς οὔσης ἔφευγον Ἕλλη καὶ Φρίξος. Der dritte Text ist ein späterer und gehört zur lateinischen Literatur: Bad. Part.Cat. III 160–185BadiusPart.Cat. III 160–185. Da wird Ino in Klammern erwähnt. Sehr wahrscheinlich – wie es schon in der Abteilung der anonymen Stiefmutter gesagt wurde – spielte Badius’ Quelle nicht auf Ino an und der Gelehrte selbst ergänzte den Text.

Bestechung der Boten

Ein weiterer Gedanke findet sich bei drei Autoren (Eudoc. 25 D’AnsseEudokiaEudoc. 25 D’Ansse, Apostol. XI 58ApostoliosApostol. XI 58 und Schol. th-tr. in Ar. Nu. 257a KosterScholia zu AristophanesSchol. th-tr. in Ar. Nu. 257a Koster), die einen fast identischen Text präsentieren; sie zeigen eine Variante von Inos Hinterlist gegen Phrixos und Helle: Kadmos’ Tochter schmiedet nicht den Plan des gedörrten Samens, sondern sie nützt die Gelegenheit einer göttlichen, von Nephele vorbereiteten Bestrafung, selbstverständlich nicht gegen ihre eigenen Kinder, sondern gegen ihren Mann Athamas, der sie für Ino verlassen hat, aus: ἡ οὖν τούτου γυνὴ θέλουσα Φρύξον καὶ Ἕλλην ἀπολωλέναι, πέπεικε διὰ δώρων τοὺς θεωροὺς εἰπεῖν Ἀθάμαντα, ὡς οὐκ ἂν ἄλλως παύσασθαι τὸν αὐχμὸν ἔχρησεν ὁ Πύθιος, εἰ μὴ τοὺς τῆς Νεφέλης θύσειε παῖδας.

Wie schon angedeutet, könnte diese Tradition sehr alt sein; sie konzentriert sich auf das klimatische Element des Regens durch die WolkeWolke(n) und die durch den Mangel an Regen verursachte DürreDürre. Ino hat das Verderben des Samens nicht vor1, sondern sie zieht aus diesem Unglück ihren Vorteil; möglicherweise war Ino über die uralte Tradition einer Opferung des Königssohns im Fall großer Not unterrichtet und sie bediente sich ihrer. Letztlich intrigiert Ino tatsächlich nicht gegen Athamas’ Kinder, sondern sie besticht die Boten2, damit Phrixos und Helle geopfert werden.

Ohne IntrigeIntrige

Man könnte diese Abteilung mit der letzten zusammenfügen; der Unterschied liegt darin, dass der folgende Text nicht einmal diesen zweiten Teil des angeblichen Plans von Ino präsentiert. In M.V. III 15Mythographi VaticaniM.V. III 15 wird das Folgende berichtet: qua mortua his superduxit Inonem, filiam Cadmi, qua more nouercae ipsos odio habuit in tantum, quod de domo expelli fecit. In dieser Passage spricht Ino klar und deutlich: Sie hasst Phrixos und Helle und sie setzt ihren Willen durch, ihn wegzuschicken. In dieser Textstelle gibt es eigentlich nichts, auch nicht ein Opfer, denn die von JupiterJupiter oder von Isis angebotene Rettung beschränkt sich darauf, sie aus einem ausweglosen Pfad herauszuführen.

b) Zusammenarbeit

In einigen Fällen verbrennt, wie schon angedeutet, Ino allein den Samen; in anderen Fällen sucht sie die Hilfe der örtlichen Frauen1. Wenn man über Mittäterinnen spricht, wird immer die gleiche Frage gestellt: Wie ist es möglich, dass die Dorfbewohnerinnen ihrem eigenen Land, das sie ernährt, schaden?2 Dies ist ein Widerspruch in sich. Außerdem: je mehr Leute von einem Komplott wissen, desto einfacher ist es, es zu enthüllen. Möglicherweise stammt dieser Gedankengang aus einer späteren Bearbeitung, obwohl man wegen des fragmentarischen Zustandes der Quellen nichts sicher sagen kann3.

Mit Hilfe

Interessant ist, dass alle Textstellen dieser Abteilung Mythen- bzw. Proverbiensammlungen oder Glossen sind.

Wie schon gesagt, intrigierte Ino gegen Phrixos und Helle nach der Hypothesis des ersten Phrixos von Euripides, weil sie vor dem herbem Leben als Stiefmutter Angst hatte. Die Passage ist nicht klar, aber es deutet alles darauf hin, dass Ino die Frauen von ThessalienThessalien zusammenrief, damit sie ihr bei ihren Intrigen gegen Nepheles Kinder halfen.

Der erste deutliche Text bezüglich dieser Hilfe ist Apollod. I 9, 1ApollodorosApollod. I 9, 1; in der Bibliothek wird Inos Überzeugungskraft betont. Kadmos’ Tochter erscheint im Text als ein denkender Kopf, aber nicht als ein ausführender Arm: Ino hat den Plan geschmiedet, aber die Frauen führen ihn durch. Ihre Männer tragen keine Schuld. Der zweite Autor Zenobios hatte wahrscheinlich Apollodors Text als Quelle.

Hygin (Fab. II) spricht, wie oben gesagt, über die örtlichen Frauen mit einem geheimnisvollen Ausdruck: consilium cum totius generis matronis. InMythographi VaticaniM.V. I 23 M.V. I 23 und II 157Mythographi VaticaniM.V. II 1571 verwendet man das gleiche Wort, matrona, wie in Hyg. Fab. IIHyginusFab. II, aber der Ausdruck totius generis wird ausgelassen. Der letzte Text ist Schol. in Hes. Th. 993a Di GregorioScholia zu HesiodSchol. in Hes. Th. 993a Di Gregorio, wo man einen Schritt weiter geht: Ino überzeugt nicht nur die örtlichen Frauen, damit sie den Samen verdorren lassen, sondern sie fordert sie dazu kategorisch auf.

Ohne Hilfe

Die erste Textstelle, in der Ino allein agiert, ist jene von Philostephanos (FHGPhilostephanosPhilosteph.Hist. (FHG) 37 37). Hier konzipiert sie den Plan und bringt ihn zu Ende. Das Gleiche kann man über das Schol. in Lyc. Alex. 22 ScheerScholia zu LykophronSchol. in Lyc. Alex. 22 Scheer sagen, dessen Text mit Philostephanos fast identisch ist. Circa acht Jahrhunderte später präsentiert Nonnos (Nonnos von PanopolisD. X 114–115D. X 114–115) Ino als die oberste Verantwortliche für die Unfruchtbarkeit des Landes. Eustathios Passage (ad Il. II 408, 17–410, 11Eustathios von Thessalonikead Il. II 408, 17–410, 11) ist auch Philostephanos’ Textstelle ähnlich, weil sich der Bischof auf die Verbrennung des Samens durch eine List bezieht.

Ovid ist der Autor, der deutlicher über Inos Konspiration und ihre Verantwortlichkeit für den Hunger des Landes spricht: Sie selbst hat den Bauern den verdorrten Samen gegeben. Zwei Texte zeigen dies. Der erste ist Ou. Fast. II 628OvidFast. II 628, in dem Ino als ehrlose Figur dargestellt wird; der zweite ist Ou. Fast. VI 555–557OvidFast. VI 555–557, in dem man eine kultische Erklärung von Inos Hass auf die Sklavinnen zu geben versucht.

Abgesehen von diesen literarischen Belegen gibt es auch diesbezüglich zwei Scholien1. Das Schol. in A. Pers. 70–72 Massa PositanoScholia zu AischylosSchol. in A. Pers. 70–72 Massa Positano ähnelt Philostephanos’ Text in gewisser Weise, weil es von den Listen und der Verbrennung des Samens redet. Das Schol. in A.R. Proleg. WendelScholia zu Apollonios RhodiosSchol. in A.R. Proleg. Wendel aber wirkt in diesem Punkt wie Ovids Textstellen.

c) Physische Folge der IntrigeIntrige

Es ist deutlich, dass das letzte Ziel der Intrige Phrixos’ (und Helles) Tod ist, aber der lange Prozess dahin fordert zu viele Schritte. Der erste ist die Verbrennung des Samens; der zweite, auf die Folgen dieses Verderbens zu warten1.

Unfruchtbarkeit (ἀκαρπία – ἀφορία / sterilitas)

 

Dies ist die erste Bezeichnung des Zustandes des Landes nach der Aussat des verbrannten Samens.

Der erste Autor ist wieder Philostephanos1, der auf diese Weise die Folge der Intrige schildert. Hygin (Fab. IIHyginusFab. II) stellt das Ergebnis der Konspiration für das Land und für die Bevölkerung zusammen. Die kurze Glosse Tz.Comm. Ar. Nu. 256a HolwerdaScholia zu AristophanesTz.Comm. Ar. Nu. 256a Holwerda behauptet, dass Phrixos δι’ ἀκαρπίαν geopfert werden sollte, weswegen sie hier erwähnt wird. Letztlich stellt das Schol. in Hes. Th. 993a Di GregorioScholia zu HesiodSchol. in Hes. Th. 993a Di Gregorio im Prinzip nicht die Folge der Intrige dar; man entdeckt das Unglück des Landes dank der Antwort des Orakels: μάντεων δὲ προσκληθέντων εἰπεῖν τὴν αἰτίαν τῆς ἀφορίας.

Ohne Frucht zur rechten Zeit (χωρὶς καρποῦ ἐτησίου)

Dies ist die gleiche Idee wie die vorhergehende, denn die Unfruchtbarkeit ist der Mangel an Frucht, aber mit einem anderen Ausdruck.

So kann man es in Apollod. I 9, 1ApollodorosApollod. I 9, 1 sehen, wo behauptet wird, γῆ δὲ πεφρυγμένους πυροὺς δεχομένη καρποὺς ἐτησίους οὐκ ἀνεδίδου. Im Orakel aber wird von Teuerung und Unfruchtbarkeit geredet. Zenobios verwendet fast denselben Ausdruck wie Apollodor1; als Grund für die Befragung des Orakels und in ‚dessen‘ falscher Antwort ist nur von Teuerung die Rede. Der einzige lateinische Text, der dem griechischen ähnelt, ist Ou. Fast. III 854OvidFast. III 854; er benutzt einen poetischen Ausdruck: sustulerat nullas, ut solet, herba comas. Das Schol. in A.R. Proleg. WendelScholia zu Apollonios RhodiosSchol. in A.R. Proleg. Wendel bringt die Antwort des Orakels in Zusammenhang mit dem Ergebnis des Komplotts: οὐκ ἂν φύσειεν ἡ γῆ τοὺς καρπούς.

Hungersnot (λιμός / fames)

Der Folgeschaden der Verschwörung trifft besonders die Bevölkerung. Die Auswirkung wird häufiger erwähnt, obwohl sie nicht die älteste ist.

Der erste Text ist der von Paus. I 44, 7PausaniasPaus. I 44, 7, der auf Inos Intrige durch συμβάντα Ὀρχομενίοις λιμὸν hindeutet. DieMythographi VaticaniM.V. I 23 M.V. I 23 und II 157Mythographi VaticaniM.V. II 157 präsentieren die gleiche Tat mit einem kleinen lexikalischen Unterschied: quo facto fames innata est. Das Schol. in A. Pers. 70–72 Massa PositanoScholia zu AischylosSchol. in A. Pers. 70–72 Massa Positano1 zeigt das Ergebnis der Intrige als die Ursache, weshalb die Menschen vor Ort, und nicht Athamas, eine Botschaft nach Delphi geschickt haben. Letztlich stellt auch das Schol. in Pl. Mx. 243a GreeneScholia zu PlatonSchol. in Pl. Mx. 243a Greene die Hungersnot als Grund für die Entsendung eines Boten nach Delphi dar. In der Tat spricht die falsche Antwort des Gottes auch über diese Hungesnot.