Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur

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III.4.3 PhrixosPhrixos B

Van Looy behauptet kategorisch: „Grâce a l’hypothèse du Phrixos B récemment retrouvée sur papyrus, nous savons qu’HYGIN (fab. 2HyginusFab. II–début 3) a résumé cette tragédie. Seuls les mots « Atamante postea … » jusqu’a la fin de la fable 2. sont étrangers au Phrixos B“1. Die letzte Szene sowohl der Hypothesen als auch der Fabel von Hygin ist wahrscheinlich eine Erfindung von Euripides. Der Wahnsinn von Phrixos und Helle ist das Bindeglied, um die Rettung der Kinder von Athamas durch den Widder einzuführen.

Gantz meint auch, die Erzählung der 2. und 3. Fabel von Hygin „smacks of tragedy, and indeed a hypothesis to the second of Euripides’ Phrixos plays found at Oxyrhynchos in recent years confirms that playwright’s use of the material“2. Luppe aber ist vorsichtiger: „Weiterhin klingt z.B. auch der Anfang von fab. 3 an den Schluß der Hypothesis zu Euripides „Phrixos“ B an“3. Möglicherweise hat Hygin m.E. eine der Tragödien mit dem Titel Phrixos in diesen beiden Fabeln präsentiert; da die Hypothesis so fragmentarisch erhalten ist, ist es riskant eine solch starke Behauptung, wie sie Jouan / Van Looy und Gant vorschlagen, aufzustellen.

Der belgische Gelehrte meint, wie auch François Jouan, dass die Aktion vor Athamas’ Palast in BöotienBöotien stattfindet, nämlich in OrchomenosOrchomenos4; Kannicht5 ist damit einverstanden. Welcker, der, wie oben gesagt, die zwei Tragödien in einer einzigen vermischt, schlägt eine andere Lokalisierung für ‚dieses Werk‘ vor, indem er den Anfang der Tragödie erläutert6. Der Grund liegt in Folgendem: „Den Prolog im Phrixos spricht Ino in ThebenTheben, wo ihr Gemahl herrscht“7.

Die Personen wären Athamas, Ino8, Phrixos, ein Diener, … ; zu diesen Figuren könnte laut Kannicht am Ende des Dramas entweder ein Bote oder ein(e) deus uel dea ex machina9 erscheinen; in diesem letzten Fall könnte es Liber oder eher Nephele sein10. Jouan / Van Looy meinen, es sei unmöglich zu wissen, wer im Chor auftritt. Gantz aber denkt, „Euripides’ Phrixos B used Nephele-Phrixos-Ino for its plot“11, er bestimmt es jedoch nicht genauer. Er vermutet, dass Euripides der erste Tragiker gewesen sein könnte, der Phrixos’ Opfertod in Szene setzte.

Wenn die freiwilligfreiwillige Hingabe von Phrixos dargestellt wurde, ist es möglich, dass die Geschichte von Phrixos, die häufiger in Süditalien (elf Fresken in Pompeji) als in Griechenland war12, während des Peloponnesischen Krieges verfasst wurde, wie es auch bei anderen Dramen der Fall war, die den freiwilligen Opfertod des Protagonisten beinhalten. Einige schrieben auch das Frg. 1007c KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 1007c Kannicht diesem Phrixos13 zu.

Van Looy behauptet, dass der sogenannte Krater des Vasenmalers Asteas, der sich derzeit im Museum von Neapel befindet, irgendwie mit dem zweiten Phrixos verknüpft sei14. Es empfiehlt sich einen kleinen excursus zu machen und diesen Krater kurz zu analysieren. Hier sein Bild:

Abb. 6:

Krater des Malers Asteas. Phrixos und Helle fliehen auf dem Widder

Diese Vase befindet sich im Museo Archeologico Nazionale di Napoli15. 1858 wurde sie in Paestum gefunden, wobei ihr Fund fast unbeachtet blieb. Wichtig ist, den Fundort festzuhalten, denn der bei Trendall16 ‚von Phrixos und Helle‘ genannte Mythos wurde oft in der in Süditalien gemalten Keramik dargestellt. Bruneau datiert sie ca. Mitte des 4. Jh. v. Chr.17. Wie man sehen kann, ist sie in keinem guten Zustand erhalten: Es fehlen z.B. der Großteil des Kopfes und der linken Hand von Phrixos. Dieser Krater ist dennoch einzigartig, denn er zeigt nicht nur Phrixos, sondern beide Kinder Nepheles auf dem Widder. Die späteren ikonographischen Belege, vor allem die Fresken in Pompeji, stellen zwar Helle auf dem Widder dar, aber erst nach dem SturzSturz, wenn sie langsam in die Tiefe des Meers versinkt.

In der Mitte des Kraters sind Phrixos und Helle18 zu sehen, die auf einem riesigen, ehemals wahrscheinlich weißen und goldenen Widder sitzen. Trendall entscheidet sich eher für den Flug als für die Schiffahrt, denn er schreibt listig, der Widder „[is] flying over the sea, represented pictorially by a Triton, a Scylla, a sea monster and seven small fish“19. Nach diesem Forscher stellen Scylla und Triton die Meerwelt und nicht das Böse dar, wie es anderswo angedeutet wurde. Links oben steht Nephele, von deren Beischrift vier Buchstaben (ΝΕΦΕ..) erhalten sind; sie breitet einen Umhang, ähnlich einer WolkeWolke, aus, um ihre Kinder zu beschützen. Schaunberg meint, dass Nepheles Oberkörper „einer Silenbüste entspricht“20. In der gegenüberliegenden Ecke ist Dionysos zu sehen, von dessen Namen nur die beiden letzten Buchstaben (……ΟΣ) erhalten sind; er sitzt auf einem Panther, hinter ihm ein alter Silen. Die Szene ähnelt – Trendall weist darauf hin21 –, dem Anfang der 3. Fabel von Hygin. Nach der Hypothesis des zweiten Phrixos von Euripides wäre dieses Bild die letzte Szene des Dramas. Das Problem liegt darin, dass es zwei dei-ex-machina gäbe, Nephele, die den Widder gibt, und Dionysos, der sie verfolgt.

Dies ist nicht das einzige Keramikstück, das mit dieser Tragödie verbunden wurde. Über den in Madrid (Mus. Arq. Nac. 11091)22 sich befindenden Glockenkrater, sagt Schwanzar: „Nach G. Bergers Hypothesis (mündlich) könnte eine Szene aus der Tragödie ‚Phrixos‘ B des Euripides … dargestellt sein“23. Auf dem Krater – datiert um 370–360 n. Chr. – ist eine Opfersszene dargestellt. Hier die Abbildung:

Abb. 7:

Krater in Madrid

Das Bild zeigt vier Figuren. In der Mitte steht ein Knabe hinter einem Altar, links davon steht ein bärtiger Mann, mit Himation, Petasos und Caduceus, den Trendall, meiner Meinung nach treffend, als HermesHermes interpretiert; dieser Mann streckt seine Hand in Richtung des Knaben. Rechts von diesem befindet sich ein anderer bärtiger Mann mit einem Zepter in der Hand. Der junge Mann neben dem Altar, der einen Umhang trägt und dem zentralen Knaben nah ist, könnte ein Helfer beim Opferungsritus sein.

Schwanzar betrachtet die Figur auf der linken Seite nicht als HermesHermes und bezieht sich dabei auf Hyg. Fab. IIHyginusFab. II: „In der Figur [erscheint] nicht Hermes, sondern der Bote, der durch seine Intervention die Opferung des Phrixos verhindert“24. Wenn er nur ein Helfer wäre, wäre es nicht gerechtfertigt25, dass er als Diener alle die Kleidungsstücke trägt, die Hermes entsprechen. Wenn man aber die Figur mit diesem Gott identifiziert, liegt das Problem darin, dass es keinen literarischen Beleg gibt, in dem Hermes für die Rettung von Phrixos eintritt26. Abgesehen von nebensächlichen Bemerkungen im Mythos über Athamas, z.B. er sei derjenige, der Aietes die Nachricht überträgt, damit der König Phrixos in Kolchis aufnimmt27, oder der Nephele den Widder überlässt28Hermes, oder zu dessen Ehre Phrixos den Widder opfert29, tritt Hermes nur zweimal direkt in dieser SageSage auf, und zwar in zwei Textstellen von Apollonios von Rhodos: In A.R. II 1143–1145Apollonios von RhodosA.R. II 1143–114530, wo Hermes den Pelz des Widders vergoldet, nachdem Phrixos seinen Auftragt erfüllt hat, und in A.R. IV 120–121Apollonios von RhodosA.R. IV 120–121, wo behauptet wird – das einzige Mal in der ganzen griechischen und lateinischen Literatur –, dass Hermes selbst Phrixos den Widder übergeben habe. In diesem Fall gibt Hermes Athamas’ Sohn den Widder, damit er sich vor der Gefahr retten kann. Auf dem Krater aber mischt sich Hermes ein, ohne dass der Widder irgendwo erscheint.

Meiner Ansicht nach stellt dieser Krater jedoch die I-P-H-Version des Mythos von Athamas dar; riskant ist es aber m.E., diese Zusammenstellung dem zweiten Phrixos von Euripides zuzuschreiben.

Letztlich denken Jouan / Van Looy über den aus Tarent stammenden, jetzt in Berlin (Staatl. Mus. 1984.41)31 befindlichen Volutenkrater, „s’inspire probablement du drame euripidéen“32.

A) Die Handlung

Im P. Oxy. 2455 folgt die Zusammenfassung dieser Tragödie auf die von Phonix und Philoctetes.

Leider „sind lediglich Beginn und Ende der Hypothesis erhalten“1, worauf Luppe hinweist, der diese Hypothesis ausfühlich analysiert. Hier ist der von Luppe vorgelegte Text:

Fr. 17


Kol. XIX Kol. XX
267 Φρῖξος δ[ε]ύ[τ]ε[̣ρος,] οὗ ἀρχή· 280 τῷ ἐπιβ̣ο̣[υλ]ευμέ̣ν[ω·
281 ἡ δὲ [τ]ὸν̣ Διόν[υσον] ἐπικαλε [__
268 Σειδ̣ώνιον τότ᾿ ἄ̣στυ Κ̣ ̢ άδμος ̡ ἐγλ̣ιπὼ 282 θάνατον̣ διώλ̣ισ{σ}θεν· ἐμμανεῖς γὰρ π[οι-
269 ἡ δ᾿ ὑπόθ[̣εσις·] 283 ήσας· Δ[ι]όνυσος Φρῖξον τε [κ]αὶ Ἕλλην [τ]ὴν
270 Ἀθάμας ἐν Ὀρχομε[̣νῶι ___________ 284 ἀδε[λ]φ[ὴ]ν προηγάγετο εἰς τὴν ἐρή[μη]ν
271 Εἰ]ν̣ο̣ῖ τῆ Κάδμ[̣ο]υ _______] π̣αῖδ̣α̣ς χώ[ραν
272 ἐκ Νε]φέλης προγε̣γεν[̣νηκὼς Ἕλλην τε 285 ___ αναλω[μ]α τῶν Μαινάδω̣ν̣ π̣ο̣ι-
273 καὶ Φ]ρῖ̣ξον· οἷς μ… [ 286 ήσω[ν]· Νεφήλη{ι} δ̣ὲ κ̣αταπτᾶσα καὶ διαρ
………… 287 πάσασα τοὺ[ς] ἑαυ[τῆ]ς̣· κρει[ὸ]ν̣ ἔ̣δωκε[̣ν] αὐ-
274 ]ρι[|]. ειτο[ 288 τοῖς ὁδηγ___________________
………
275 ]πολ[
276 ]τεινομ[
277 ]αντες· Ἀθ[άμα
278 ]τον[
279 ]. ρι[
_______________________

Zwischen der 19. und 20. Spalte sollen vierzehn Zeilen fehlen. Sowohl Turner als auch Luppe sind der Meinung, dass dieses Fragment viele Kontaktpunkte mit der 3. Fabel von Hygin hat, auf die auch Kannicht Bezug nimmt2. Anschließend werden die wichtigsten Züge dieses Fragments in Hinblick auf die Textkritik präsentiert.

 

Z. 270: Luppe sagt: „zerstört sind vor allem zwei Verbformen, von denen die eine ein Partizip gewesen sein dürfte“3. Turner rekonstruiert am Ende dieser Zeile das Verb βασι]λεύ[̣ω]ν, aber Luppe nimmt diese Deutung nicht auf und schlägt eine finite Verbform διῆ]γη vor.

Z. 271: Turner rekonstruiert den Dativ [Ἴν]ω̣ι, Luppe aber zieht die Form [Εἴ]νο̣ι vor. Er denkt auch an σ̣υ̣γ̣[οικῶν δύο] für die dazwischenliegende Leerstellen des Verses.

Z. 272: Luppe nimmt Parsons Lesart auf und liest προγε̣γεν[νηκὼς und gibt damit „der Ehe mit Ino als Athamas’ Zweitehe den Vorzug“4. Jouan / Van Looy übernehmen Turners Vorschlag προσεγέν[νησεν; „dans ce cas, Néphéle est la maîtresse d’Athamas; elle lui donne les deux qui sont donc des bâtards“5.

Z. 281–2: Luppe folgert, „es ist von Ino die Rede, die nach Aufdeckung ihres Mordanschlags gegen Phrixos bestraft werden soll“6.

Z 284: Bemerkenswert ist die Stellung von χώ[ραν. Normalerweise sind die Wort-Endungen, deren Länge der Kopist nicht richtig ausgerechnet hat, am Schluss oberhalb der betroffenen Zeile geschrieben; hier fällt auf, dass ein ganzes Wort unter der Zeile zu finden ist. Luppe meint, „es handelt sich nicht um Wortlaut (sic) der Hypothesis, sondern um eine Glosse“7.

Z. 285: Statt ἀνάλω[μ]α, das keinen Sinn in diesem Kontext ergibt, ist die Form παρανάλω[μ]α vorzuziehen, weil man den Ausläufer von π erraten kann.

Z. 287: Befremdend ist m.E. das Wort κρει[ὸ]ν, das sich in L & S nicht findet und das LfE als hapax von κρέας betrachtet; Luppe ersetzt sie treffend durch κρι[ὸ]ν.

Nach Luppes Analyse erhält man folgenden Text:


Kol XIX Kol. XX
267 Φρῖξος δ[ε]ύ[τ]ε[̣ρος,] οὗ ἀρχή· 280 τῷ ἐπιβ̣ο[̣υλ]ευμέ̣ν[̣ω·
281 ἡ δὲ [τ]ὸν̣ Διόν[υσον] ἐπικαλε[σα]μ̣ένη̣{ι}· τ[̣ὸν
268 Σειδώνιον τότ᾿ ἄ̣στυ Κ ̢ άδμος ̡ ἐγλ̣ιπὼ̣ν̣ 282 θάνατον̣ διώλ̣ισθεν· ἐμμανεῖς γὰρ π[οι-
269 ἡ δ᾿ ὑπόθ[̣εσις·] 283 ήσας· Δ̣[ι]όνυσος Φρῖξον τε [κ]αὶ Ἕλλ̣η̣ν [τ]ὴ̣ν̣
270 284 ἀδε[λ]φ[ὴ]ν προηγάγετο εἰς τὴν ἐρή[μη]ν
(bzw. ἔρη[μο]ν)
271 285 ὡς π̣α̣ρανάλω[μ]α τῶν Μαινάδω̣ν̣ π̣ο̣ι-
272 ἐκ Νε]φέλης προγεγεν[νηκὼς Ἕλλην τε 286 ήσω[ν]· Νεφήλη δ̣ὲ κ̣ατ̣απτᾶσα καὶ διαρ-
273 καὶ Φ]ρῖξον· οἷς μ… [ 287 πάσασα τοὺ[ς] ἑαυ[τῆ]ς· κρι[ὸ]ν̣ ἔ̣δωκε[̣ν] αὐ-
………………… 288 τοῖς ὁδηγε[̣ῖν ε]ἰ[̣ς Κόλχ]ο[̣υ]ς.
274 ]ρι[|]. ειτο[
………………
275 ]πολ[
276 ]τεινομ[
277 ]α̣ντες· Ἀθ[άμα
278 ]τον[
279

Neun Jahre später schlägt Luppe11 eine andere Lesart des Anfangs dieser Hypothesis nach dem Frg. 139 vor:

Ἀθάμας ἐν Ὀρχομε[̣νωι βασι]λ̣εύ[̣ω]ν

Ἰ]νωι (lies: Ἰνοῖ) τῇ Κά̣δμ[̣ου σ]υν[̣ώκει δύο] π̣αῖδ̣α̣ς

ἐκ Ν]ε̣φέλης προγεγεν̣[νηκὼς Ἕλλην τε

καὶ Φ]ρῖξον·

Er ändert auch die letzten zwei Zeilen der Hypothese, indem er an einigen früher bestimmten Buchstaben zweifelt: κ̣ρ̣ιὸν ἔ̣δωκε[̣ν] αὐ|τοῖς ὁδηγε[̣ῖν ε̣ἰ[̣ς Κόλχ]̣ο̣υ̣ς.

Die dank diesem Papyrus erhaltene Information der Tragödie12 ist folgende: Athamas herrscht mit Ino, Cadmus’ Tochter, in OrchomenosOrchomenos. Er hat schon zwei Kinder mit Nephele, Helle und Phrixos. Es wird von einer Person gesprochen, gegen die eine Intrige durchgeführt wird. Sie, möglicherweise Ino, ruft Dionysos an und flieht vor dem drohenden Tod. Der Gott schickt Phrixos und Helle den Wahnsinn und führt sie zur Wüste, damit die Mänaden sie töten. Nephele stürzt steil herab und holt ihre Kinder. Lloyd-Jones erläutert, „the word καταπτᾶσα seems to indicate that Nephele was not an ordinary wife, but a supernatural being, an opinion which is confirmed by her ability to produce the ram when it was most needed“13. In der Tat ist es dieser Zusammenfassung gemäß Nephele, die ihren Kindern einen Widder gibt, um nach Kolchis zu gelangen.

Abschließend werden nun die allgemeinen Schlussfolgerungen über die zwei Phrixos betitelten Tragödien präsentiert.

Dank der in den Papyri von Oxyrhynchos gefundenen Hypothesen kann man etwas mehr über die Handlung beider Dramen aussagen als nur aufgrund der Fragmente. Allerdings ist es schwierig, beide Tragödien mit Sicherheit zu rekonstruieren und vor allem je nach Handlung zu trennen. Man hat den Eindruck, dass es bei beiden um die gute Ehefrau, die Stiefmutter, die Diener, den verbrannten Samen, die Gerechtigkeit, das Leben und das Sterben, und insbesondere um den Tod als gerechte StrafeStrafe ging.

Hier werden jetzt einige Behauptungen aufgestellt, deren Eigenschaften nur hypothetisch sein können, denn die überlieferten Hypothesen und Fragmente gestatten es nicht weiterzugehen.

 1) Der erste Phrixos käme logischerweise vor dem zweiten.

Auffällig ist, dass die Handlung der Tragödie in ThessalienThessalien lokalisiert wird, weil dieses Gebiet mit dem Umherirren von Athamas nach Learchos’ und Melikertes’ Tod im Nachhinein verknüpft wird. Dieses Drama erzählt die bekannte Episode des verbrannten Samens, das heißt, die Intrige der StiefmutterStiefmutter, die Orakel von Delphi und den Befehl des Opfertods von Phrixos. Aus zwei Gründen will der Aiolide über die Leiden am Anfang des Werkes sprechen: Entweder weil Euripides’ Ino schon aufgeführt worden war und er sich auf den Tod der Kinder von Themisto bezieht oder weil er den Tod der Kinder von Ino mutmaßt14.

 

Der Tragödie werden die Frg. 822a, 824, 828 und 835 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 822a KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 824 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 828 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 835 Kannicht zugeschrieben.

 2) Der zweite Phrixos käme logischerweise nach dem ersten.

Die Handlung findet in BöotienBöotien statt. Eine andere Version der Tatsachen wird erzählt: Die Intrige wird enthüllt und Ino riskiert, hingerichtet zu werden. In diesem Drama sollte angeblich die freiwilligfreiwillige Bereitschaft von Phrixos, für das Vaterland zu sterben, auftauchen; wichtig ist zu unterstreichen, dass diese Theorie durch kein Fragment unterstüzt wird, und dass kein Autor der Antike diesen Vorschlag erwähnt. Wahrscheinlich wurde Phrixos’ Opfertod nicht durchgeführt, sonst hätte Inos Bestrafung keinen Sinn. Ino würde Dionysos anrufen, der Phrixos und Helle den Wahnsinn schickt. Nepheles Kinder fühlen sich verpflichtet, zum Berg, zu den Mänaden, zu gehen, denn Ino war einst Teil dieser Gruppe, wie man dank E. Ba. 229 weiß. Nephele gibt ihnen den Widder, nicht um sie vor einem vermuteten Opfertod zu retten, sondern um sie aus den verbrecherischen Händen der Mänaden zu befreien. Diese Rekonstruktion würde zum ersten Phrixos passen, weil dieser den Präzedenzfall von Ino, ‚Ko-Protagonistin‘ von Phrixos im Werk, erzählen würde. In beiden Fällen würde das negative Bild von Ino präsentiert.

Könnte diese Tragödie einen ‚dionysisch‘ geprägten Farbton haben? Phrixos und Helle, die wie Pentheus mit dem von Dionysos geschickten Wahnsinn bestraft werden, sind kurz davor, von den Mänaden vernichtet zu werden. Euripides wollte Athamas an Agave heranführen: Beide Figuren waren unglücklich wegen ihrer Neffen. Das Problem liegt in der Frage, warum er dann seine Tragödie Phrixos betitelte; möglicherweise deshalb, weil diese Person von vornherein im Werk vorhanden ist und in Kolchis lebendig ankommt.

Der Tragödie werden die Frg. 822b, 831, 838 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 822b KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 831 KannichtEuripidesPhrixos A-B:Frg. 838 Kannicht zugeschrieben.