Human Punk For Real

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1983


So langsam musste dann auch das erste Tattoo her. Irgendwo in ‘nem dunklen Keller in der Neustadt. Einer aus meiner Berufsschule kannte da jemanden. Das tat höllisch weh und ich vermied jeden Blickkontakt, da ich überhaupt nicht auf Nadeln stehe. Ich hatte mich wacker geschlagen und blutete wie ein Schwein.

Inzwischen war ich im zweiten Lehrjahr, und alljährlich gab es eine Betriebsversammlung, zu der die komplette Firma geladen wurde. Das alles lief unter der sogenannten Andreas Nagengast Stiftung, die der alte Nagengast nach dem Tode seines Sohnes ins Leben gerufen hatte.

Bei dieser Feier wurden unter anderem auch die besten Lehrlinge geehrt.

Ich konnte es eigentlich nicht sein, da ich im Schulischen eher normaler Durchschnitt war und die Lehrlinge im dritten Lehrjahr schon etwas weiter waren, als die im zweiten.

Die Firma Nagengast gehörte zu den größten Malerfirmen in Bremen-Nord und hatte so um die einhundert Angestellten zu jener Zeit.

Alle befanden sich im bestuhlten Saal, als der alte Nagengast seine Rede hielt.

Er war gerade dabei die Lehrlinge aus dem dritten Lehrjahr zu ehren, als er, zu meiner großen Verblüffung, meinen Namen aufrief. Es ging ein großes Raunen durch den Saal und alle, inklusive meiner Person hatten ein riesengroßes Fragezeichen auf der Stirn…

Als ich neben dem Chef und Firmengründer stand, hob er auf einmal mein Berichtsheft hervor, das ich jeden Monat bei den Meistern abzugeben hatte. Ich hatte zeichnerisch ein wenig Talent und so deutete der alte Nagengast auf eine korinthische Säule, die ich fein säuberlich in mein Berichtsheft gezeichnet hatte.

“An genauso einer Säule hing ich schwer verletzt, im zweiten Weltkrieg“ polterte der Alte in den staunenden Saal und drückte mir anschließend 50 D-Mark in die Hand.

Ich war völlig baff. 50 DM war damals gutes Geld und auf einmal hatte ich genug Kohle, um am darauf folgenden Wochenende nach Groningen zum Angelic Upstarts-Konzert zu fahren.

Zwei Wochen bevor es dann endlich gen England gehen sollte, hingen wir mal wieder vorm BO ab und waren fleißig am Picheln.

Ich hing draußen vor der Tür ab und erzählte meinem Kumpel Markus die neuesten Sabberblatt-Storys. Dann merkte ich nur, wie mich jemand extrem anrempelte. Als ich mich umdrehte, bekam ich den Schwinger meines Lebens. Ich hob sofort ab und flog gefühlte fünf Meter weit, wo ich dann anschließend in eine Mauerkante biss. Kuck mal da fliegt Thiede, rief Fellsack.

Der Typ der mich umgehauen hatte war ein Mega-Schrank, der vor seiner Ollen wohl den Breiten machen wollte. Keiner sagte was und wir ließen diesen Bastard gehen. Schade das GG nicht da war...

Ich sah aus wie der Elefantenmensch und war komplett am Ende. Ich hatte nur noch mitbekommen, dass die Cops den Krankenwagen immer wieder abbestellt haben. „Die Punksau braucht keinen Krankenwagen“ meinten die immer wieder. Nach zwei Stunden kam dann doch endlich ein Krankenwagen durch. Das Ende vom Lied, alle meine Zähne waren locker und mussten verdrahtet werden. Das hieß im Klartext, Suppe schlürfen und das für die nächsten drei Monate. Horror! Und das so kurz vor meinem England Urlaub.

Es ging dann bald mit Digger, Gaylord und Wanne auf nach London. Und das mit verdrahteter Schnauze und meinem ersten Tattoo.

In London war punkmässig noch immer die Hölle los. Wir verbrachten einige Konzerte im 100 Club, sahen Angelic Upstarts, die ich erst zwei Wochen vorher in Hannover gesehen hatte. Ab und an hingen wir auf der Kings Road rum und trafen irgendwo ‘nen Punk namens Mike Kenyon aus Carlisle. Er war ein sehr netter Typ, der meinte, er kenne ein besetztes Haus in Brixton, wo wir pennen könnten. Cool, immerhin besser als im fucking youth hostel. Irgendwann machten wir uns also auf nach Brixton. Es war uns ein bisschen mulmig zumute, da wir seit geraumer Zeit von Rassenunruhen in Brixton gehört hatten. Als wir dort ankamen, mussten wir circa 15 Minuten laufen. Wir kamen dann zu einem riesigen Areal, das die Form eines Fußballstadions hatte. Und alles besetzt. Hunderte Wohnungen. Und Tag und Nacht, nonstop, laute Reggae-Musik. Die einzigen Weißen, die man zu Gesicht bekam, waren Punks.

Abends allein auf die Straße zu gehen war keine gute Idee. Als wir dann im besetzten Haus ankamen, hießen uns die dort abhängenden Punks einigermaßen freundlich willkommen. Ein Skinhead war auch dabei. Alle waren viel am Pattex schnüffeln und daher etwas schräg drauf. Bis auf einen Typ namens Andy. Mann, was würde ich dafür geben, diesen Kerl noch einmal zu treffen!

Wir hatten unglaublich viel Spaß. Wir hingen dann wieder im 100 Club ab und sahen die Destructors, UK Subs und sogar Broken Bones, die zu dieser Zeit kaum jemand kannte. Unter anderem war dort noch ein ultrageiles Conflict-Konzert, das mich von den Socken haute! Ich hatte Conflict vorher noch nie gesehen oder etwas von ihnen gehört. Und auf dem Hinweg war ich noch der festen Überzeugung, dass diese Band Kornflakes hieß. Da hatte mich aus unserem Squat wohl jemand kräftig auf die Schippe genommen.


Conflict

Irgendwann hieß es, dass Exploited im 100 Club spielen würden. Aus unserem Squat wollte keiner hin, da man befürchtete, dass dort endlos Skinheads erscheinen würden. Wir machten uns trotzdem auf den Weg. Beim 100 Club angekommen, waren zum Glück nicht so viele Glatzen anwesend. Aber drei aus Bremen. Winter, Kai Hawaii und Bohlmann. Die drei waren mit Bums angereist. Bums und Winter waren quasi Nachbarn. Wir kannten Winter und Kai schon vor deren Skinheadzeit und waren mal so was wie Kumpels. In Bremen hätten wir uns bestimmt aufs Maul gehauen, was später auch leider mit mir und Kai noch geschehen sollte… Das war damals so, und ich bin froh, dass wir heute alle sehr gut befreundet sind! Aber wir waren jetzt auf englischem Boden und dort herrschten andere Gesetze. Nur dieser Bohlmann blieb mir weiterhin unsympathisch und suspekt.


London, Punkette im 100 Club

Am Eingang gab’s dann erst mal Stahkappenkontrolle. Als good old stupid german kam man damit aber zum Glück noch durch. Einige Bands spielten schon. Annie anxiety war als nächstes dran. Das war wohl eher so was wie ‘n schräges Punk Rock Kunstprojekt. Niemand wusste so genau, wer die vierte Band sein sollte. Auf dem Plakat standen nur Annie Anxiety, eine Band, die ich vergessen habe, Exploited und Special Guest.

Während ich dann mal wieder zur Theke ging, kam dann der „Special Guest“ auf die Bühne und, besonders unter den Besuchern mit wenig Haaren, war ein fetter Aufschrei nicht zu überhören. Diese „Special Guests“ waren Crass! Crass und Exploited hassten einander und nicht einmal Exploited hatte ‘ne Ahnung, dass Crass an diesem Abend aufspielen würde! Was für ‘ne Show! Ein fettes Fuck you! an alle.

Ein Hammer-Konzert! Auch im historischen Sinne. Nach dem Konzert gingen wir völlig begeistert ins besetzte Haus und erzählten den anderen Punks davon. Keiner von denen wollte uns das glauben. Exploited mit Crass! Niemals! Die taten uns als schwachsinnige Deutsche, ohne Ahnung ab. Und dass wir dann noch drei Glatzen mitbrachten, stieß auch ein wenig auf. Vor allem in einer Gegend, wo es fast nur Schwarze gab.


Crass

Brixton war zu der Zeit harter Tobak. Teilweise standen Cops mit Maschinengewehren vor den Supermärkten, aus Angst vor Plünderungen. Wir machten uns abends des Öfteren auf den Weg zu ‘nem Pizzaladen. Die gaben uns alle Pizzas und Baguettes säckeweise umsonst. Alles, was sie über den Tag nicht verkaufen konnten, und eh weggeworfen hätten. Leider war das so viel, dass man das nicht alles aufessen konnte und wir schmissen die Hälfte aus dem Fenster. In England war aber derzeit ein Jahrhundertsommer, und die Sachen fingen nach kurzer Zeit an zu gammeln. Es stank irgendwann so dermaßen, dass wir ausziehen mussten und 300 Meter weiter ein anderes Gebäude besetzten. Ein paar Tage später tauchte der reguläre Besitzer der besetzten Wohnung auf und beklagte sich über die Edding-Kritzeleien an den Wänden. Dann rauchte er ‘nen Joint mit uns und haute wieder ab.

Irgendwann kamen wir mal wieder vom Konzert und sahen eine Blutspur, die zu unserer Wohnung führte. Etwas später klopfte es an die Tür und unser Nachbar stand mit ‘nem Küchenmesser vor uns. Er meinte, er hätte jemanden der bei uns einbrechen wollte angepiekst. Der Typ läge unten im Keller, wir sollten uns den mal anschauen.

Holy Shit - no way! Tür zu, und wir verschlossen uns erst mal für ‘ne Weile.

Die meisten Punx hingen mehr mit meinen Jungs ab, da ich mit meiner Drahtfresse wohl nicht so ansprechend aussah. Speziell die Punkhühner machten einen großen Bogen um mich, sehr zu meinem Leidwesen.

Für den Fall, dass mich wieder so ein gelangweilter Bär umdreschen wollte, hatte ich mir in Deutschland ‘ne Dose CS-Gas gekauft, um mich im Notfall verteidigen zu können. Irgendwann hingen wir dann mal wieder auf der Kings Road herum, und ein gelangweilter Cop kam auf mich zu und fing langsam an mich zu filzen. Als er das CS-Gas fand, gab’s sofort die „magische Acht“ auf den Rücken und ich wurde festgenommen. Was ich nicht wusste, CS-Gas ist in England illegal.

 

Die Gebrauchsanweisung ist aber auch in Englisch....

Na Klasse, ein paar Skins schmissen noch ein paar Flaschen, um den Cop von mir abzubringen, aber zu spät. Draußen waren über 30 Grad, und ich musste beim englischen Supersommer ein ganzes Wochenende auf Zelle verbringen. Man stellte mir noch ‘ne Dolmetscherin, die mich dann darauf hinwies, dass ich am Montag zum Schnellgericht gebracht würde, und, aller Voraussicht nach, wohl ausgewiesen werden würde. Na Klasse!

Zwischendurch klopften immer wieder mal ein paar Cops an meiner Zellentür an und fragten mich, ob ich mein Exploited-T-Shirt verkaufen würde. Ich lehnte natürlich dankend ab.

Am Montag ging‘s in Handschellen in den viel zu engen Gefangenen-Transporter und dann fuhren wir sämtliche Knäste Londons ab.

Beim Gericht angekommen musste ich feststellen, dass ausschließlich Punks dort vorgeladen waren. Manche hatten nur ‘nen Stinkefinger gezeigt und wurden festgenommen. Das Thatcher-Regime wollte hart durchgreifen.

Ich bin dann aber mit einer Verwarnung und 60 Pfund Strafe davongekommen, da man feststellte, dass ich das Land eh in vier Tagen verlassen würde.

Ein paar Tage später musste ich zu ‘nem Amt, um meine Strafe zu bezahlen. Digger und ich saßen auf dem Boden, und warteten bis ich an der Reihe war. Etwas später erschienen vier unglaublich witzige Typen, die sich vor Lachen kaum noch halten konnten. Sie gesellten sich dann zu uns, und wir alle lagen nach kurzer Zeit schreiend vor Lachen auf den Boden. Digger und ich hatten kein Wort verstanden und schmissen ab und zu mal ein Yay, oder wenn es angebracht war ein „Really“ in die Runde, um nicht aufzufliegen. Ich könnte mich jetzt noch darüber totlachen, wenn ich daran zurückdenke.

Während im Sommer ‘83 Halt die Schnauze aus Nord und Dünnschiss auf dem Marktplatz ihr Debüt gaben, hingen wir wieder mal am Eck zum Schnorren rum.

Ein paar Wochen zuvor, bin ich mal wieder bei den Chaostagen in Hannover gewesen.

Dort hatte ich bei ‘nem Typen namens C. Guddat gepennt, und der tauchte nun im Viertel auf.

Er berichtete uns, dass ihm ein paar Glatzen am Hauptbahnhof meine Gasknarre, die ich in seiner Wohnung vergessen hatte, abgenommen und ihm einen Satz heiße Ohren verpasst hatten.

Wir waren so um die 15-20 Leute und marschierten sofort los gen Hauptbahnhof. Am Rembertiring bemerkten wir dann ‘nen Mob von circa 150 Leuten, die wir Anfangs nicht richtig einstufen konnten. Wir gingen aber davon aus, dass es rechte Faschos und irgendwelche Fussball-Asis waren. Dann hielt plötzlich ‘ne Streife an, und die Cops meinten: „wenn ihr Ärger macht, sacken wir euch ein.“

15-20 Leute gegen circa 150? Ist doch eher andersrum oder??

Als die Cops abhauten und sich die Hände rieben, weil wir gleich „ne Reise“ bekommen würden, wies ich unsere Leute darauf hin, dass um die Ecke ein Steinhaufen von ‘ner Baustelle war. Wir waren kaum am Haufen angelangt, da kam der Mob auch schon um die Ecke.

Wir überraschten sie erst mal mit einem Mega Steinhagel. Danach hieß es, Hackengas geben, in Richtung Sielwalleck. Aber aus irgendwelchen Gründen verfolgte der Mob uns nicht weiter. Wir verloren bei der Flucht ein paar Leute und waren eigentlich nur noch eine Handvoll Punks. Als es dann dunkel wurde, formierte sich der Mob erneut am Dobben. Einer von uns feuerte eine Leuchtkugel in die Menge. Im Rotlicht der Leuchtkugel konnte man sehen, dass es enorm viele Faschos waren.

Nun hieß es erneut Hackengas geben. Oder nicht? GG brüllte mich an: „Wenn du abhaust, hau ich dich um!“

Irgendwas zuckte dann in mir zusammen und ich blieb stehen, obwohl ich da eigentlich gar keinen Bock drauf hatte. Also ergab ich mich meinem Schicksal. Und dann passierte das Verrückteste. Als wenn eine Ampel auf Rot umgestiegen wäre, blieben die Faschos einfach stehen und trauten sich nicht über die Kreuzung. Ich verstand die Welt nicht mehr, kann aber nicht verschweigen, dass mir das um einiges lieber war.

Ein älterer Herr tippte mich an und sagte: „komm mit rüber“. „Nee, nee, lass man“, sagte ich. Selbstmord ist keine Lösung, dachte ich.

Auf einmal hörte ich ein Zischen und sah, wie der ältere Herr ein paar Glatzen mit CS Gas abgaste. Damit hatte bestimmt keiner von ihnen gerechnet. Ein paar Hippies schlossen sich uns an und verteilten ebenfalls ein paar Backpfeifen.

Irgendwann klopfte mir dann so ‘n Typ auf die Schulter und meinte, „Die Glatzen kommen!“. „Haste ‘ne Meise“, erwiderte ich, „hier ist doch alles voll von denen“ „Nee, nee, die Richtigen“, schrie er völlig aufgelöst. Ich schaute nach links und sah ‘nen Mob schwerstbewaffneter Bilderbuchglatzen auf uns heranstürmen. Allen voran deren damaliger Obermotz, G.Hanke.

Ich rief nur, „GG, schau nach links!“ GG ließ von den anderen Faschos ab und rannte ohne zu zögern den „Bilderbuchglatzen“ entgegen. Er brach ‘nen Flaschenhals ab und wandte sich direkt gegen Hanke. Der wiederum warf sofort seinen Baseballschläger weg und wollte GG die Hand reichen. Danach sah ich wie der ganze Mob hilflos anfing zu zittern, weil deren „Führer“ gleich ‘ne Klatsche bekommen sollte. Die Jungs hatten die Hosen voll und liefen wie die Hasen in alle nur erdenklichen Richtungen. Was für ein Abend. Danach hatte ich jeden Respekt vor den Faschos verloren.

Seit geraumer Zeit hingen wir des Öfteren mit ein paar Punks aus Bremerhaven ab. Fishtown HC und Nebenwirkung spielten einige Shows zusammen, wo immer was ging.


Bremer in Fishtown

Und irgendwann stand dann mal ein Konzert in Kopenhagen, im besetzten Umdungshuset an.

Wir Bremer waren ja immer äußerst mobil, und uns war kein Weg zu weit. Also fuhren wir erst mal zu ‘nem Wretched-Konzert nach Groningen, und von dort aus am nächsten Tag direkt nach Kopenhagen.

Heutzutage würde ich nur noch den Vogel zeigen...


... in Bremerhaven

Drei oder vier Autos machten sich also auf den Weg gen Dänemark. Den Konzertveranstalter, den wir noch ein paar Stunden vorher in der Innenstadt getroffen hatten, hat Gockel später am Abend unter ‘ne Dusche gestellt und vermöbelt. Wie gesagt, mit unserem Mob konnte man riesigen Spaß haben, aber Spaß und Gewalt lagen oft nah beieinander.

Während Fishtown HC dann spielte, bemerkten wir auf einmal ein Glatzenpärchen im Publikum. Das ging in unseren Augen überhaupt nicht, und Glanert schnappte sich gleich den Typen und machte mit ihm Brutalpogo, bis er vor die Bühne zwischen Gockels Beine knallte. Gockel hatte mal wieder auf der Bühne sitzend gepennt, was damals des Öfteren vorkam. Er sah nun die Glatze zwischen seinen Beinen, schaute nach rechts, wo seine leere Pernodflasche lag, schaute wieder die Glatze an, dann die Pernodflasche, zuckte kurz, und zerschlug ihm die Flasche auf den Schädel. Die Freundin wollte ihren Typen natürlich helfen, hat dann aber auch gleich einen gekriegt. Dann war erst mal Ruhe im Karton, bis dann ungefähr 10 Minuten später die Tür aufging.

Ein Godzilla von Glatze stand in der Tür mit 50 gewaltbereiten Glatzen. Und die zeigten ihm nur, der da, der da...

Fuck. Nix wie raus hier dachte ich, aber wie? Ich ging auf den Godzilla zu und meinte in meinem schlechten Englisch, „What‘s your problem?“ Das hatte wohl Eindruck geschoben und er ließ mich tatsächlich durch. Kurz darauf flogen reichlich die Fäuste. Koma, Schaschlik, Gockel, Kanne, Digger, alle waren busy. Meine Schwester rannte in den zweiten Stock zu GG und schrie, „Grieche komm runter, da sind alles Glatzen!“ Hö, hö grinste er, „hier doch auch“. Er hing am Tresen mit ‘nem Rocker aus Hamburg und die Beiden verteilten nun „ihre Visitenkarten“. Dann boxte GG sich den Weg zur Treppe frei, schnappte sich Godzilla und schlug mit seiner Faust direkt neben den Schädel, in die Wand hinein. Danach schaute er seine Hand verwundert an, schüttelte kurz den Kopf und knockte den Riesen aus. Der ist dann wie ein Kartoffelsack in sich zusammengesackt. Ich weiß bis heute nicht, wie ich da, ohne mich schlagen zu müssen, raus gekommen bin. Als ich dann später mit meinem Auto vorgefahren war, sah ich ‘nen Typen der wie eine Kopie von Hitler aussah. Mit Fliegerhose, gleiche Frisur, gleicher Schnauzbart mit Rottweiler, plus Sohn in der Hand. Die Dänen schienen den zweiten Weltkrieg irgendwie nicht kapiert zu haben. Es war Zeit sich zu verpieseln.

Später erfuhren wir noch, dass die Glatzen den Frauen, bei denen wir geschlafen hatten, einen Besuch abstatteten, und sie alle zusammengeschlagen haben.

1984
Was hatte sich George Orwell nur dabei gedacht?


Conflict, meine Lieblingsband kam nach Bremen!

Mann, was hatte ich mich darauf gefreut. Durch Zufall kam ich an den damaligen Tourmanager, P. Ehrlenfeld. Mit ihm machte ich über ein paar Ecken klar, dass ich den Rest der Tour mit Conflict mitfahren würde. Ich und meine mulmigen Gefühle...

Ich hatte mal wieder so was wie ‘ne vage Vorahnung. Als Conflict mit etwas Verspätung im Schlachthof vorfuhren, war mir nicht ganz koscher zumute…

Ich ging erst mal in den Backstageraum, wo mich P. Ehrlenfeld der Band vorstellte. Er dachte eigentlich das wir uns kannten. Colin von Conflict schaute etwas überrascht, willigte dann aber ein. Ich schmiss meinen Rucksack mit meinen besten T Shirts etc. in den Bandwagen und war gespannt auf die Show und die nächsten Tage.

Dann kam es, wie es kommen sollte.

Colin legte sich schon beim ersten Lied mit ein paar Kumpels von uns an. Die Stimmung kippte schnell, und es wurde ein riesen Desaster. Publikum gegen Band und umgekehrt. Alle kamen bei mir an und beschwerten sich, was für Arschlöcher das seien. Ich war nun mal der größte Conflict-Fan und bekam nun mittlerweile Schläge von meinen eigenen Freunden angedroht. Alle wollten noch während der Show den Bandwagen anzünden.

„Könnt ihr gerne machen“, erwiderte ich. „Aber erst müssen meine Sachen raus“. Ich ging nach dem Konzert zu Paco, dem Drummer und fragte ihn nach dem Autoschlüssel. Paco war sturzbesoffen und gut gelaunt weil er Geburtstag hatte. Ich hatte eher wenig Grund zu feiern und konnte ihm nach langem Betteln die Schlüssel abluchsen. Draußen eskalierte es weiter. Auf der einen Seite die Bremer, auf der anderen Conflict mit so circa 15 anderen englischen Punks. Conflict waren eigentlich dafür bekannt, auf ihren Konzerten mit Glatzen aufzuräumen.

Aber nun ging es Punks gegen Punks. Meine Lieblingsband gegen meine Freunde. Nur Smeagol und ich in der Mitte, um das Schlimmste zu verhindern. Ich hielt Colin an beiden Armen fest, bis ich bemerkte, dass er ein Messer in der Hand hatte…

Irgendwie ist es uns dann doch gelungen. Zum Glück! Das hätte in einem schlimmen Blutbad geendet. Beide Seiten schienen wohl ein wenig voneinander beeindruckt. GG steckte mir dann später, „was für Wixer, aber wenigstens scheinen die sich prügeln zu können“. Conflict wetterte danach noch einige Jahre über Bremen rum, weil sie dachten, die Ordner vor der Bühne seien Faschos gewesen.

Das einzig Gute an dieser Geschichte, so dachte ich, war, dass ich am nächsten Tag wieder in Bremen bei meiner Freundin war. Was für ein Trugschluss. Als ich sie anrief und von dem Debakel erzählte, steckte sie mir, dass sie nun wieder mit ihrem „Ex“ zusammen sei. So spielt manchmal das Leben.

Fuck it! Fuck her!

Etwas später sollten Disorder und Swart Framtid aus Norwegen in Hannover spielen. Ein anderes Highlight! Dieses Mal nahmen wir den Zug und fuhren mit 17 Mann nach Hannover. Die Hannoveraner mochten uns noch nie, und wir Bremer konnten auch nur selten was mit ihnen anfangen.


Disorder in der Korn, 1984

 

Angekommen in der Korn, benahmen wir uns mal wieder wie die Barbaren. Wir waren laut und wenn‘s sein musste, noch lauter. Irgendwann prügelte ich mich mit Trio aus Spaß durch die ganze Kneipe, was bei den Hannoveranern nur Kopfschütteln auslöste. Als unser Kampf zu Ende schien und Trio hinter mir war, gab ich ihm eine mit meinem Rücken, so dass er mit dem Kopf scheppernd gegen die Wand knallte. Auf einmal war Totenstille und Schumann sprang auf und schrie, „das war das Zeichen!“ Er griff sich ‘nen Stuhl und schleuderte ihn durch die Scheibe. Danach brachen erst mal einige Tumulte aus...

Kahrs hatte sich den ganzen Abend über mit ‘nem Norweger angelegt. Jedes Mal, wenn sie an einander vorbeigingen, behakten sie sich. Irgendwann, auf der Treppe, wurde es dann beiden zu eng und sie prügelten auf sich ein. Die Treppe runter bis zum Innenhof. Kahrs hatte einen bandagierten Arm und sah zuerst wie der sichere Verlierer aus. Danach übernahm er aber das Zepter und schlug auf den Norweger ein wie ein Berserker.


Der Kampf war irgendwann zu Ende und der Norweger stand freudestrahlend auf und nahm Kahrs überglücklich in die Arme. „Endlich mal einer, der kämpfen kann“ schrie er voller Freude.

Den ganzen Abend hagelte es Freibier für Kahrs. Der Norweger bedankte sich auch bei uns, dass wir nicht in ihn hineingetreten hatten, während er am Boden lag.

Das Konzert war großartig und die Hannoveraner waren froh, als wir uns endlich in Richtung Hauptbahnhof aufmachten. Es war so gegen ein Uhr nachts und unser Zug fuhr erst um vier Uhr morgens. Wir waren nicht lange gegangen, als auf einmal jemand schrie, „da vorne sind Glatzen!“ Alle rannten dann wie die Verrückten den Glatzen hinterher, bis diese Schutz in einer Disco suchten. Ich war einer der Letzten, der hinzukam. Die Glatzen fuchtelten mit ‘nem Messer im Eingangsbereich herum, so dass es uns unmöglich war, denen an die Wäsche zu gehen. Ich schnallte das schnell und war einer der Ersten, der sich abwendete, um gen Bahnhof zu gehen. Ich war noch keine drei Meter gegangen, da kamen mir drei Typen entgegen. Ich wusste sofort: Das gibt Ärger!

Und wie das dann so ist, blieben die drei Schränke bei dem Letzten von uns hängen. Wir also mit 17 Mann im geordneten Rückwärtsgang. Schumann schlug dem breitesten Tier von allen mit seiner Eisenkette auf die Hände, was dem aber nichts auszumachen schien. Die Lage wurde immer ernster und irgendwas musste passieren.

Auf einmal kam Rugen aus Bremerhaven, und rammte dem Tier sein Messer in den Körper. Und das direkt vor der Bullenwache!

„Los, nix wie weg hier“, schrie ich, und wir rannten zum Hauptbahnhof. Wir mussten allerdings noch über zweieinhalb Stunden auf unseren Zug warten. Fuck, ich wollte nur noch nach Hause. Irgendwann kamen ein paar Türken und meinten, „Mann ihr habt aber nicht schlecht gewirbelt!“.

„Wieso?“ fragten wir und dann erzählten sie uns, dass die Bürgerwehr und miese Gestalten aus dem Rotlichtmillieu draußen vorm Bahnhof stünden und die Bullen alles abgeriegelt hätten. Wir positionierten schon mal alle Kofferkulis oberhalb der Treppe, für den Fall dass der Bahnhof gestürmt wurde.

Später kam dann endlich der Zug und die behelmten Cops kamen rein zum Personalien aufnehmen. Anschließend ließen sie uns aber ziehen.

Ich habe zehn Kreuze gemacht, als der Zug sich endlich auf nach Bremen machte.


Kutter und Droehnung nach ca. 5 Stunden Haare spiken

Ein paar Monate später spielte Nebenwirkung in Herford, wo Kahrs jedes Mal, wenn er den Konzertraum betrat, ein neues Möbelstück in den Händen hatte. Er hatte die komplette Teestube in den Konzertsaal transferiert und sich reichlich mit dem ansässigen Sozialarbeiter gehabt. So zogen wir also von Stadt zu Stadt und machten uns einen Namen.

Zwischendurch waren wir noch mal interrailmäßig in Portugal, wo wir zu besoffen waren, unsere Zelte aufzubauen. Immer wieder fiel einer von uns ins Zelt hinein. Wir machten dann drei Tage lang ‘ne Abschiedsfeier in der hiesigen Zeltplatzkneipe. Immer wieder zu lustig-betrunken um abzureisen...

1985 schloss ich meine Lehre als Maler und Lackierer ab und musste nun ein paar Monate später meinen Zivildienst in Bremen-Grambke antreten. Ich hatte leider das Pech, dem Jahrgang anzugehören, der 20 Monate absolvieren musste. Erst musste ich ein paar Monate mit psychisch Kranken in der Holzwerkstatt arbeiten und später dann als hauseigener Maler. Das alles lief unter dem Namen freie Christengemeinde. Dies hatte im Großen und Ganzen meine anti-christliche Einstellung noch bestärkt. Dennoch blieb ich im Anschluss an meinen Zivildienst noch weitere acht Jahre dort. Was ich dort alles erlebt habe, würde ein zweites Buch füllen, deshalb fasse ich mich kurz und lasse das.

Nach meinem letzten England Aufenthalt lernte ich den Franzosen Nico und seine Freundin Moni in Amsterdam kennen. Wir beide waren totale Conflict-Fans und fuhren so ziemlich die gleiche Schiene. Nico lebte in Hamburg, wo ich dann öfter meine Wochenenden verbrachte. Einmal kam ich zu Besuch und hatte den ganzen Tag noch nix gegessen. Seine Freundin Moni meinte irgendwann zu mir: „Zur Feier des Tages hab ich Haschkekse gemacht.“.

Oh Shit! Dachte ich und wollte absolut nicht unhöflich sein. Ich hasse eigentlich Drogen! Ab und zu hatte ich mal am Joint gezogen, was ich aber eher langweilig bis bekloppt fand. Naja, was soll‘s, dachte ich, kannst ja mal einen probieren.

Einen Keks gegessen, kurz gewartet - nix passiert. Cool, dachte ich, und - ich hatte Hunger. Großen Hunger! Und in Nullkomma nix hatte ich die ganze Keksplatte verschlungen.

Das Ende vom Lied war ein Erwachen auf Hamburgs miesester Drogenstation mit Junkies und Pennern. Ein reiner Zombi-Alptraum. Fazit: Never again! Ich bleib bei Bier und Bloody Mary!

In Bremen sind dann das erste Mal zwei Amis aus Oakland bei uns gestrandet. Sammy Town und Joe spielten beide bei Fang und blieben für ein paar Monate bei uns hängen. Die nächsten Jahre verbrachten wir damit, Gigs für Fang zu organisieren und knüpften unsere ersten Kontakte nach Kalifornien.


Fang – von links nach rechts: Joe Miller, Bill Collins, Mike Brannum, Sam Mc Bride

Ich wohnte immer noch in der Gärdestraße, wo meine Schwester so langsam ihre Auszugspläne schmiedete. Piet, ebenfalls aus HB-Nord, zog dann gegen Ende des Jahres bei mir ein. Den Nachbarn war ich schon seit längerem ein Dorn im Auge. Besonders nach einem Vorfall…

Ich lebte in einen Vier-Parteien Block; davor ‘ne Grünfläche, dann wieder Block.

Als ich eines Morgens, stark verkatert in die Küche taumelte, machte ich mir erst mal ‘nen Kaffee. Als ich dann den ersten Schluck zu mir nahm und aus dem Fenster blickte, traute ich meinen Augen nicht. Mitten auf der Grünfläche stand mein Wagen und, um ihn herum, lauter Achten in den Rasen gezogen. Meine Jungs und ich mussten da wohl morgens einige Kreise gezogen haben. Eigentlich gab’s gar keine richtige Möglichkeit, dorthin zu kommen.


Joe und Sammy Town ... von Fang

Aus Amiland kamen dann noch Toxic Reasons zu uns in die Hansestadt und verweilten für drei Monate in Bremen.

Schon komisch, einige Bands mochten Bremen echt extrem. So erging‘s auch Toxic Waste aus Belfast. Ebenfalls 2000 Ds, die dann im Vortex in Bremen-Walle, zusammen mit Screatch Rock, ein phänomenales Konzert hinlegten.

Mit Gary (RIP) von 2000 Ds kam ich sehr gut klar und organisierte in den 90ern ein klasse Open Air im Freizi Lesum, mit Wat Tyler, Children of Riot, Redrum, Leatherface, 2000DS, Dread Messiah und anderen. Das war, trotz Nieselregen ein großes Ereignis im Bremer Norden.

Als Schüler hatte ich mal beim Schwimmkurs in der sechsten Klasse einen schlimmen Unfall. Ich und ein Klassenkamerad waren die einzigen Nichtschwimmer. Als der Bademeister rausging, sprangen wir beide ins Wasser. Und da ich näher an der Leiter dran war, hatte ich natürlich die tolle Idee, wer als erstes bei der Leiter ist.

Als ich zur Leiter schwamm und hastig aufstieg, rutschte ich aus und knallte mit dem Kinn auf die oberste Stufe. Der Aufprall war so heftig, dass mir dabei einige Zähne samt Wurzel aus dem Kiefer geflogen sind. Andere Zähne waren abgebrochen, was monatelange Behandlungen in der Kieferchirurgie nach sich zog! Das war definitiv keine schöne Zeit für mich! Als Spätfolge ist mir dann irgendwann im Jahr 1985 mein Vorderzahn abgestorben. Dieser musste mir erst mal mit einem Provisorium ersetzt werden, als mir der tote Zahn gezogen wurde.

Leider mussten beim Provisorium irgendwelche Dilettanten zu Werke gewesen sein, so dass selbst bei geschlossenem Mund mein Zahn herausragte. Ich lief dann wochenlang mit ‘nem Halstuch herum, um meinen Mund zu verdecken.

Irgendwann stand ein Broken Bones-Konzert im Schlachthof an. Ich sollte links vor der Bühne die Boxen bewachen. Als der Sänger dann registrierte, dass ich fast jedes Lied mitsang, hielt er mir das Mikrophon vor die Nase, und stieß mir dabei mein Provisorium aus.

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