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Fan@gmx.de

Bernd schickte eine Nachricht an gmx und bat um die IP-Adresse des Absenders. Er ahnte, dass man sie ihm nicht geben würde, einen Versuch war es trotzdem wert.

Dann rief er Sue auf dem Handy an. Nur die Mailbox. Er hinterließ einen Rückrufwunsch und wanderte ruhelos durch die Wohnung. Als sein Handy klingelte, zuckte er zusammen. Verflucht, wo hatte er es liegen gelassen? Er ging dem Ton nach und fischte es unter den Zeitschriften auf dem Telefontischchen im Flur hervor, die er kurz durchgeblättert hatte, während er seine Nachrichten abhörte.

»Schulze.«

»Hallo, Bernd, Sue hier. Du hast um Rückruf gebeten.«

Er ließ sich auf den Telefonhocker fallen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Zwar wollte er Sue nicht in Angst und Schrecken versetzten, allerdings musste er sie informieren.

»Einer deiner Leser läuft aus dem Ruder.«

»Wie meinst du das?«

Bernd fasste die Ereignisse kurz zusammen.

»Na, dann schick dem Spinner das Kapitel und die Sache ist gegessen.« Nach kurzem Schweigen fuhr sie fort: »Oder willst du die Polizei informieren?«

Bernd kratzte sich am Kinn. Nein, so weit wollte er im Moment nicht gehen, nicht bevor er wusste, mit wem er sich anlegte. »Nein, ich glaube nicht, dass er sich einer Straftat schuldig gemacht hat. Die werden mir bloß dasselbe raten wie du. Bitte sei vorsichtig Sue. Er meldet sich vielleicht bei dir.«

»Gut. Ich passe auf, Bernd. Und vielen Dank, dass du mich informiert hast.«

»Wann bist du zurück?«

»Am Mittwoch. Ich melde mich dann sofort bei dir.«

»Gut. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg. Halt die Augen offen und geh mit keinen fremden Männern mit!«

Er hörte Sue auflachen. »Zu Befehl, Herr Papa!«

Frauen! Nie nahmen sie Warnungen ernst. Sie hatte die Nachrichten ja nicht gelesen. Man durfte den Kerl nicht unterschätzen. So ein verdammt hartnäckiges Arschloch. Wenn er glaubte, er könnte Bernd Schwarz provozieren, dann hatte er sich gewaltig getäuscht. So nicht! Andere Leser hatten die Aufgabe gelöst und das Kapitel gefunden. Völlig problemlos. Er würde für den Spinner nicht die Spielregeln ändern. Jetzt erst recht nicht.

Für heute hatte er genug von dem Pisser.

6

Sue schüttelte den Kopf. Bernd hatte sich ernsthaft besorgt angehört. Dabei war der Mann gebaut wie ein Kleiderschrank. Über einsneunzig groß, breite Schultern, kräftiger Körperbau. Bernd sah aus, wie ein groß geratener Junge, der sich permanent über etwas wundert. Obwohl er kaum noch joggte, strahlte er allein durch seine körperliche Präsenz Kraft aus. So leicht sollte sich dieser Mann nicht einschüchtern lassen. Offensichtlich, war es dem Leser gelungen, bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Sie ging hinüber zu dem Schreibtisch und fuhr ihren Laptop hoch. Ob der Mann sich auch bei ihr gemeldet hatte?

In der Tat fand sie eine Nachricht von einer Person, die sich schlicht Fan nannte:

Sehr geehrte Frau Blumberg,

ich lese Ihren Roman, der mir bis jetzt sehr gut gefällt. Sie schreiben superspannend. Allerdings muss ich auch eine kleine Beschwerde loswerden. Einer Ihrer Partner, Bernd Schwarz, hält sich nicht an die Vereinbarungen. Bitte sagen Sie dem Mann, dass er mir das Kapitel schicken soll. Auf seiner Homepage habe ich keinen Hinweis finden können.

Vielen Dank.

Ihr ergebener fan

Flink beantwortete Sue seine Nachricht:

Lieber Fan,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Es freut mich, zu lesen, dass Ihnen mein Roman gefällt. Vielen Dank, dass Sie mich kontaktieren. Ich werde Ihrer Beschwerde nachgehen und bitte Sie um Entschuldigung. Alternativ finden Sie das Kapitel auf der Homepage von Meli Hansen. Ich wünsche Ihnen weiterhin spannende Unterhaltung.

Liebe Grüße

Susanne Blumberg

Damit war die Kuh hoffentlich vom Eis.

7

Seine Versetzung kam Peter gerade recht. Das Haus, das er drei Jahre mit Moni geteilt hatte, erschien ihm leer. Er trauerte ihr nicht nach, nein, das war es nicht, aber ein Teil von ihr war zurückgeblieben. Vorhin hatte er geglaubt, ihren Lavendelduft zu riechen. In der Küche meinte er, sie würde gleich zur Tür hereinspazieren und ihn fragen, ob er ihr einen Kaffee übrig gelassen hatte. Solche Erinnerungen brauchte er so nötig wie eine Grippe. Er weinte dieser Frau, die ihn für nichts und wieder nichts verlassen hatte, keine Träne nach.

In einem Kaff im Schwarzwald hatte man ihm die Stelle als Niederlassungsleiter angeboten.

Was er über Denzlingen im Internet fand, sah ansprechend aus. Eine Gemeinde mit circa vierzehntausend Einwohnern, einem Freibad mit dem bekloppten Namen »MACH BLAU« – die Leute zum Blaumachen anzustiften, war alles andere als klug! –, Häusern im mediterranen Stil, einem gesunden Anteil Industrie und abwechslungsreicher Hügellandschaft. Denzlingen befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft vom Glottertal, das durch die Schwarzwaldklinik im ganzen Land bekannt geworden war. Freiburg, Emmendingen und Waldkirch erreichte er in zehn Minuten mit dem Auto. Gut, in den Dialekt musste er sich erst einhören, aber das sollte klappen.

Der Umzug würde ihm genug neue Eindrücke verschaffen, um seine gescheiterte Ehe hinter sich zu lassen.

Peter wechselte auf eine Immobilienseite, um ein geeignetes Haus zu finden. Einen Makler hatte er schon beauftragt, der nach einem Objekt mit den vorgegebenen Spezifikationen Ausschau hielt.

Sein neues Haus musste nicht groß sein, aber frei stehend.

Ein Haus, um das er nicht herumlaufen konnte, durfte sich eigentlich nicht Haus nennen. Ein kleiner Garten, in dem er einen Teich anlegen würde, eine Garage, und einen Kamin oder Kachelofen im Wohnzimmer.

Auf die Suchergebnisse wartend, fiel sein Blick auf den E-Book-Reader neben dem Rechner. Darauf befand sich der Roman, den Moni ihm empfohlen hatte. Wohnte die Autorin nicht in Denzlingen?

Er tippte den Namen Susanne Blumberg in einem weiteren Fenster ein. Tatsächlich, sein Kopf funktionierte einwandfrei. Vielleicht fand er ein Haus in ihrer Nachbarschaft? Nur so, ohne Hintergedanken.

Eine Woche später verkündete der Makler Erfolg. Angeblich hatte er exakt das Haus gefunden, das Peter sich erträumte. Heute stand die Besichtigung an. Solange der Kauf noch nicht getätigt war, hatte er sich im »Ochsen«, einem der Hotels, die Denzlingen zu bieten hatte, einquartiert.

Der Makler verspätete sich um zehn Minuten und bat um Entschuldigung. So einfach kam er damit nicht durch: »Da haben Sie aber Glück. Gerade wollte ich zurück ins Hotel. Im Handyzeitalter sollte es nicht zu schwer sein, Bescheid zu geben, wenn man zu spät kommt.«

Der Makler hob eine Augenbraue, schritt durchs Gartentor und schloss die Tür auf. »Kommet Se?«, fragte er in einem Ton, der davon zeugte, dass es weitere Interessenten gab. Also folgte er ihm, bemüht zu vergessen, wie sauer er eigentlich war.

»Hier linker Hand«, der Makler öffnete die Tür, »haben wir die Gästetoilette.« Er ging in den nächsten Raum. »Hier die Küche als geschlossener Raum, so wie Sie es haben wollten.« Peter nickte zufrieden. Die Küche war groß genug, aber nicht so riesig, dass ihm nach dem Kochen die Füße brennen würden.

Der Makler öffnete die große Schiebetür. »Hier geht es in den Garten. Die Hecken sorgen für eine angenehme Abgeschiedenheit.« Peter folgte ihm nach draußen. Ein süßer Sommergeruch nach Erdbeeren, Sauerampfer und feuchter Erde empfing ihn. Am Haus standen Rosenbüsche, der Rasen wirkte sehr gepflegt und ein Teich passte auch hinein.

Herrlich! Vorsicht, er durfte nicht zu überschwänglich reagieren, sonst brauchte er gar nicht mehr verhandeln. Er spürte die Sonne auf der Haut und hätte es sich am liebsten gleich auf einer Liege oder einer Hollywoodschaukel gemütlich gemacht.

»Wir schauen uns noch den ersten Stock an«, verkündete der Makler und ging voraus. »Über uns gibt es noch ein ausbaufähiges Dachgeschoss.«

Peter nickte. »Ich möchte es gerne sehen.«

Der Makler zog die Raumspartreppe hinunter und stapfte die Stufen hinauf. »Hier! Viel zu sehen gibt es nicht.«

Peter betastete die Dämmung. Keine Feuchte. »Von wann ist die Isolierung?«

»Ah! Alles entspricht den aktuellen Richtlinien. Wann die erneuert wurde, weiß ich nicht auswendig. Ich suche Ihnen die Daten raus und schicke sie Ihnen auf den Rechner. Wollen wir uns zum Schluss noch die Kellerräume ansehen?«

»Und wie gefällt es Ihnen?«, fragte der Makler, nachdem sie alle Räume besichtigt hatten.

»Es gefällt mir sehr gut. Wie viel können Sie nachlassen?« Peter kaufte nichts, ohne sein Glück zu versuchen.

»Tut mir leid, aber da ist nichts mehr drin. Wenn Sie es nicht nehmen, hätte ich noch andere Interessenten.«

Der Makler bemühte sich, Hochdeutsch zu sprechen, aber es hörte sich gezwungen und unnatürlich an.

Peter zuckte die Schultern. »Wann könnte ich einziehen, wenn ich gleich unterschreibe?«

»Also – es steht leer, aber wir müssen erst den Notartermin vereinbaren. Wenn sie es eilig haben, setzen wir gleich einen Vorvertrag auf.«

»Ich nehme das Haus und möchte so schnell wie möglich einziehen. Meine Möbel sind bei einer Spedition untergestellt, und wie ich hörte, bekommt man den Termin beim Notar kurzfristig. Haben Sie einen Vorvertrag dabei?«

Wahrscheinlich nicht, dachte Peter. Obwohl ihr Geschäft darin bestand, Immobilien zu verkaufen, bereiteten die Makler sich nie richtig auf ihre Termine vor.

 

»Nein, so schnell entscheiden sich die Kunden in der Regel nicht, aber im Büro. Wenn Sie mich begleiten, können wir das regeln, auf den Kauf anstoßen und ich gebe Ihnen gleich die Schlüssel mit. Was meinen Sie?«

8

Ein Sandsack, den brauche ich jetzt. Etwas, auf das ich eindreschen und woran ich mich abreagieren kann.

Autoren! Da heißt es immer, das wären kreative Menschen. Was für ein Bockmist!

Dieser Schwarz hat sich gemeldet. Er sagt, er schaltet die Polizei ein, wenn ich ihn weiter nerve! Ich ihn nerve!

Dem muss ich wohl die Flötentöne beibringen.

Und die Autorin hat geantwortet, dass ich das gesuchte Kapitel auch bei Meli Hansen finden würde.

Sie hat nicht kapiert, worum es geht!

Sie hat ihre Leute nicht im Griff. Sie soll gefälligst dafür sorgen, dass die das tun, was sie versprochen haben. Verdammt!

Ich will mein Kapitel von diesem Schwarz. Wenn er nicht bereit ist, sich an die Regeln zu halten, dann muss er aus dem Spiel entfernt werden.

Ziehen Sie eine Karte und gehen ins Gefängnis.

Und dieser Spielverweigerer wagt es, mir zu drohen?

Unmöglich, das einfach hinzunehmen. Völlig ausgeschlossen.

Dem werde ich zeigen, mit wem er sich anlegt. Der wird mich noch kennenlernen.

Aber zuerst lerne ich dich kennen, du kleiner Mistkäfer, und dann spieße ich dich auf.

Ich lese, er treibt sich in mehreren Schreibforen herum. Gut, dann werde ich mich dort auch registrieren und noch mehr über dich herausfinden. Jeder hat schwache Punkte. Ich finde sie alle.

Hm, ich brauche einen Nick. Wie wäre es mit »Newbie«? Ja, das lässt vermuten, dass ich jung, unerfahren und lernfähig bin.

So die Mail ist abgeschickt. Ups, die Bestätigungsmail ist schon da. Ein Link, dem ich folgen muss und zack schon bin ich drin, im Forum. Dann wollen wir mal sehen, was dieser Schwarz so von sich preisgibt.

Ach ne? Er löst Sudokus. Wunderbar. Dann wird er sich ja freuen, wenn ich ihm eine Ladung davon schicke. Da reibe ich mir doch die Hände. Das wird ein Spaß. Zu dumm, dass ich sein Gesicht nicht sehen kann, wenn er die Bescherung entdeckt.

Ach was, da fällt mir sicher noch etwas ein.

9

Sue arbeitete an ihrem Manuskript, als sie das Signal für eine neue Nachricht registrierte. Mist, sie hatte vergessen, das Mailprogramm zu schließen. Wenn sie arbeitete, konnte sie Störungen nicht gebrauchen.

Heute kam ihr die Abwechslung ganz recht. Sie konnte sich eh nicht konzentrieren.

Frau Blumberg,

vielen Dank für Ihre Antwort. Leider ist es nicht damit getan, mir eine andere Adresse zu nennen. Wir alle haben uns auf ein Spiel eingelassen. Sie gaben die Regeln vor. Dieser Bernd Schwarz hält sich nicht daran. Wollen Sie das einfach so hinnehmen? Überlegen Sie, wie sich dieses Verhalten auf das ganze Projekt auswirken wird. Wenn die Leser ihre Kapitel nicht bekommen, wird man Sie in der Luft zerfetzen. Sie versprechen den Lesern, dass sie am Ende das komplette Buch haben. Das kann nur gewährleistet werden, wenn alle mitspielen. Ich verlange mein Kapitel von Bernd Schwarz. Sorgen Sie gefälligst dafür, dass er es mir schickt.

Wenn Sie das nicht tun, tragen Sie Mitschuld an allem, was dann geschieht.

Ein wütender fan

fan@web.de

Scheiße noch mal! War der Kerl jetzt vollkommen durchgedreht? Warum musste dieser Spinner so stur sein? Hatte Bernd ihren Rat nicht befolgt?

Sie rief ihn an.

»Schulze.«

»Bernd, Sue hier. Sag mal, hast du dem Mann sein Kapitel nicht geschickt?«

Bernd schnaubte verächtlich.

»Nein! Ich lass mich doch nicht von einem x-beliebigen durchgeknallten Quatschkopf bedrohen. Gehts noch?«

»Meinst du nicht, es wäre einfacher, wenn du nachgibst? Du kennst den Mann nicht und aller Wahrscheinlichkeit nach wirst du auch nie wieder von ihm hören.«

»Nein! Schon aus Prinzip nicht! Der Irre hat meine Tochter bedroht.«

»Ich weiß …«

Am anderen Ende hämmerte Bernd auf seine Tastatur ein.

»Scheiße, so ein Schwein!«

»Bernd? Was ist los?«

»Dein Irrer hat meinen Rechner verseucht!«

»Wie? Was soll das heißen?«

»Wart mal … Der Saftsack sieht mich …«

Ein dumpfer Knall drang an ihr Ohr. Ein Schuss? Nein, nicht laut genug.

»Bernd. Um Gottes willen, was ist da los?«

Lediglich Ächz- und Stöhnlaute erklangen aus dem Hörer.

»Bernd?«

»So, das war’s. Der Typ hat es irgendwie geschafft, meine Webcam zu aktivieren und sich ins Fäustchen gelacht, als er mir zusah, wie ich circa tausend Sudokus auf dem Rechner fand.«

»Was?«

»Der Kerl gehört in eine Zwangsjacke. Wieso läuft so einer frei rum? Von mir kriegt der gar nichts mehr. Und wenn ich noch eine Silbe von dem höre oder lese, gehe ich zur Polizei! Nichts gegen dich, Sue, aber mir vergeht die Lust an diesem Projekt.«

Oh, Mann, kaum war der Roman erschienen, gab es schon Probleme. Hoffentlich ging das nicht so weiter. »Es tut mir leid, Bernd. Aber das konnte ich nicht ahnen. Mit all den anderen Lesern gibt es keine Probleme.«

»Sue, ich muss hier jetzt erst mal aufräumen. An deiner Stelle würde ich die anderen warnen.«

Er legte auf, ohne sich zu verabschieden.

Sue atmete tief durch und fuhr sich durchs Haar. Bernd hatte recht. Sie musste die anderen, vor allem Meli, an die sie diesen Kranken verwiesen hatte, warnen. Hoffentlich sprangen ihr die Leute jetzt nicht einer nach dem anderen ab. Dann wäre ihr ganzer schöner Erfolg im Eimer.

Nacheinander meldete sie sich in den verschiedenen Foren an und berichtete dort über die Vorkommnisse. Ihren Roman konnte sie für heute endgültig vergessen. Kurz entschlossen nahm sie ihren Schlüssel und ging rüber zu Alex.

Es dauerte eine Weile, Sue dachte schon, er sei nicht im Haus, bis er die Tür öffnete. Er grinste über das ganze Gesicht, sah aus, wie die Katze, die gerade eine Maus verspeist hatte.

»Hallo Alex. Darf ich reinkommen? Ich muss mit jemandem reden.«

»Hereinspaziert!«, sagte er und winkte sie hinein. »Was guckst du denn so bedröppelt? Ist was passiert?« Er ging voraus in die gemütliche Küche, öffnete den Kühlschrank und fragte, was sie trinken wollte.

»Ich glaube, ich brauche etwas Stärkeres. Kann ich von dem leckeren Calvados haben?«

Alex kehrte mit zwei Cognacschwenkern zurück, drückte ihr einen in die Hand und bedeutete ihr, Platz zu nehmen. Immer noch grinste er über beide Backen, als hätte er im Lotto gewonnen. Alex prostete ihr zu und fragte: »Wo drückt der Schuh?«

Sue roch am Glas, schwenkte die Flüssigkeit und nippte daran. »Verrate mir erst, warum du aussiehst, als wäre der Hauptgewinn deiner!«. Es kam nicht oft vor, dass Alex aussah wie der strahlende Sonntagmorgen.

»Nichts«, log er ganz offensichtlich.

»Komm schon, mir machst du nichts vor.«

»Hey, kann ich nicht einfach mal gute Laune haben? Die Sonne scheint, ich habe frei, sonst steckt nichts dahinter.«

Gut, wenn er eine neue Freundin hatte und mit ihr nicht darüber sprechen wollte, dann eben nicht.

»Und was ist bei dir los, dass du einen Drink brauchst?«

»Ach, das ist kompliziert. Einer meiner Leser bedroht Bernd Schwarz. Der Typ ist total durchgeknallt.«

Um Alex Lippen spielte ein kleines, süffisantes Lächeln. »Wer? Der Schwarz oder der Leser?«

»Alex! Das ist nicht lustig, kein bisschen.« Wenn Alex sie nicht ernst nahm, konnte sie gleich gehen. Ein Versuch noch. »Also: Der Typ, er nennt sich Fan, will ein Kapitel von Bernd …«

»Na, dann soll er es ihm halt geben.« Alex beugte sich zu ihr vor; sein Interesse schien geweckt.

»Der Mann hat Bernd bedroht, seine Tochter auch, und er hat ihm den Rechner verseucht.«

»Was?«

»Ja, er hat ihm lauter Sudokus auf den Rechner geschickt.«

Alex lehnte sich zurück, kräuselte die Stirn und fragte: »Bernd Schwarz, war das nicht der, der sich angeblich gut mit Computern auskennt?«

Sue blickte Alex verwirrt an. »Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«

»Na, wenn er Ahnung hat, spielt er sein Image zurück und das war’s.«

»Image?«, fragte Sue.

»Ein Abbild seines PCs. Jeder, der sich auskennt, erstellt sich so ein Abbild, das er bei Bedarf zurückspielt. Damit ist das, was du da erzählst, kein Beinbruch, sondern recht schnell behoben.«

Irgendwie schien Alex nicht zu begreifen, dass es nicht nur darum ging, den Schaden zu beheben. »Das mag ja sein, aber wer weiß, was der Typ sich als Nächstes einfallen lässt. Ich halte den für gefährlich.«

Alex lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, strich mit der Hand übers Kinn und fragte: »Sudokus? Stimmt! Das hört sich sehr gefährlich an. Nimm nur die Eins. Sie hat ein echt spitzes Dach. Wenn die einen erwischt, kann man sich schwere Verletzungen zuziehen …«

Sue haute ihm leicht auf die Hand und konnte ein Grinsen nicht verbergen. So ein Quatschkopf. »Mann, Alex! Zieh das nicht ins Lächerliche.«

Er nahm sie in den Arm, strich ihr sanft über den Rücken und sagte: »Mach dir mal keine Sorgen. Wird schon alles wieder gut. Sag deinem Bernd, er soll tun, was der Mann verlangt, und alle sind zufrieden.«

Sue befreite sich aus der Umarmung und blickte Alex empört an. »Das ist ja das Problem. Genau das habe ich Bernd geraten, aber er will sich nicht erpressen lassen. Ich glaube sogar, er ist drauf und dran, die Zusammenarbeit mit mir zu beenden.«

»Ach was, der wird schon noch klug. Zerbrich du dir mal nicht seinen Kopf.« Er stand auf und ging zum Kühlschrank.

»Hast du schon gegessen? Ich mach uns Nudeln mit Pilzsoße, oder Champignoncremesuppe, du hast die freie Wahl«, erklärte er.

Sue überlegte kurz, ob sie protestieren sollte. Immerhin hatte er das Thema beiseite gefegt, als handele es sich um eine Belanglosigkeit. Andererseits konnte sie nichts tun. Weder auf Bernd noch auf den verdammten Psychopathen hatte sie Einfluss. Und seine Pilzsoße war ein Gedicht, die konnte sie nicht ausschlagen. Wie gut, dass sie gekommen war. Das Abendessen würde ihr helfen, abzuschalten.

10

Immer noch habe ich diesen Schwarz vor Augen. Ein hochroter Kopf, der aussieht, als würde er gleich platzen.

Wie hektisch der auf seiner Tastatur rumhackt …..

Zu köstlich! Der hat sich die Krätze geärgert. Was für ein Zufall, dass er gerade am Telefonieren war. Mit Susanne Blumberg, der ich das ganze Heckmeck zu verdanken habe. Einfach perfekt! Ich hätte das nicht besser planen können. Und der Blick, als er die laufende Webcam entdeckte. Herrlich! Leider nur ein kurzes Vergnügen. Viel zu schnell hat er die Verbindung gekappt. Dieses Schauspiel hätte ich zu gerne noch etwas länger genossen.

Das Kapitel hat der Drecksack allerdings mit einem Passwort gesichert. Zu dumm, dass ich das nicht knacken konnte, aber dafür hat er ja eine Belohnung bekommen.

Wenn dieser Schwarz jetzt nicht langsam schlau wird, und tut, was ich von ihm verlange, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als ihm oder seiner Tochter einen Besuch abzustatten.

Er hat sich nicht nur einmal geweigert, seine Aufgabe zu erfüllen, sondern mehrfach, und er hat mir mit der Polizei gedroht. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, dass die Todesstrafe angemessen ist.