Die Suche hat ein Ende

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Neugeburt

Das Gefühl, allein gelassen worden zu sein, begleitete mich fast mein ganzes Leben. Schon als Kind plagte mich das Gefühl falsch zu sein, fremd zu sein. Verlassen und allein zu sein. Ich konnte es nie recht in Worte fassen, was mir fehlte. Aber wenn ich in den Himmel blickte und die endlose Weite des Universums sah, explodierte diese Sehnsucht aus mir heraus. Ein Sehnen, das scheinbar unbegründet und dennoch so real für mich war. So stand ich am Fenster, in die Nacht blickend, die Sterne bewundernd und voller Hoffnung, wann endlich meine Freunde kämen, um mich abzuholen.

In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es eine kurze Periode filmischen Schaffens, in welcher außerirdisches Leben positiv dargestellt wurde. In den folgenden Jahren änderte sich die Botschaft dieser Filme. Die Wesen aus anderen Welten wurden immer öfter als böswillige Biester dargestellt, welche nur die Zerstörung und Unterdrückung der Menschheit im Sinne hatten. Doch jene positiv gestimmten Filme sprachen das Herz das jungen Mario so sehr an, dass die Gewissheit in mir reifte, dass da draußen mehr Leben existiert, als wir ahnen.

Ich erinnere mich gut an »Die unheimliche Begegnung der dritten Art«. Mir war, als ob Richard Dreyfuss mein Alter Ego darstellte. Die Geschichte des Films und die darin gezeigten Gefühle empfand ich als ein Teil meiner Erinnerung oder meiner Hoffnung. Es war, als öffnete sich ein Tor in mir. Welches mich in eine Welt einlud, die ich bislang nicht wahrnehmen konnte. In mir wuchs ein Gefühl – nein: ein Wissen – über etwas Wahres, das ich nicht mehr ablegen konnte, das mir durch keine Wissenschaft oder verstandesgemäßes Denken weggenommen werden konnte. Ein bislang stummes Wesen erwachte in mir, etwas Unfassbares, das ich nicht greifen konnte.

In den folgenden Jahren, in welchen ich meine menschlichen Verpflichtungen und Identitätssuche weiterlebte, reifte parallel die Gewissheit über eine alles verbindende Kraft, jenseits des bärtigen weißhaarigen Mannes namens Gott. Die Grundsteinlegung einer tief greifenden Transformation begann mit der selbst gewählten Isolation in Amsterdam.

Es ist Königinnentag.

Die ganze Stadt ist auf den Beinen und Tage zuvor schon sind die Vorbereitungen zu spüren. Schon seit Mitternacht schieben sich laut lachende Menschengruppen durch die Straßen, welche die geschmückten Grachten säumen. Bekiffte und angetrunkene Touristen hängen in den Straßencafés, entweder voller Tatendrang oder schon so weit neben sich, dass sie die Freude und den Spaß in der Atmosphäre gar nicht mehr wahrnehmen.

Ich habe natürlich frei, heute arbeiten nur die, welche den immensen Durst und Hunger der Feiernden bedienen. Meine Arbeit in Amsterdam in einem Designbüro ist sowieso nur ein Vorwand. Es ist mir wichtiger vor Ende des Studiums einmal die Erfahrung einer fremden Stadt und einer fremden Sprache zu erleben. Es waren nicht die Drogen, die mich hierher führten. Es ist eher die Freiheit, die ich hier atme. Das Zusammenspiel zweier komplett entgegengesetzter Kräfte. Dunkelheit neben Friedfertigkeit. Es ist absolut faszinierend, diese Energien hier wahrzunehmen. Zu spüren, welche Gefühle in mir dabei aufkommen.

Einerseits die Angst, wenn ich nachts in einsamen Straßen mehreren stumm daherlaufenden Männern begegne. Oder wenn sich laut hallend Schritte den Weg durch die engen Gassen bahnen, die ich zu Fuß durchwandern muss, weil mir wieder mal das Fahrrad gestohlen wurde. Andererseits die Freiheit. Sie weht mit dem starken Wind aus Westen an den windschiefen Häusern vorbei, die sich aneinanderklammernd der Zeit zu widersetzen versuchen. Durch die Grachten bewegt sie sich, in den dort lebenden Menschen leuchtet sie. Eine herrliche Widersprüchlichkeit, ein beständiges auf und ab im Erleben. Hier findet man alles. Dunkel steht neben hell. Verrucht steht neben glamourös. Ein freies, wildes Dasein.

Hier komme ich her um mich zu erfahren, in der Tiefe meines einsamen Seins. Fern ab von Ablenkung und Freunden, fernab allem Bekanntem. Allein in einer Stadt, in der alles möglich ist. In einer Welt, die mir den Freiraum zur eigenen Entfaltung gibt.

Interessanterweise ist es Petra, die mich an diesen Tagen besucht, was mich trotz des Genießens und Eintauchens in den Schmerz des poorlonesomecowboysonalongwayfromhome sehr freut. Wir streichen durch die vollen Gassen mit den anderen Menschen, haben unseren Spaß und genießen die Frühlingswärme.

Der Abend bricht herein. Als wir wieder über die schulterbreite Treppe in dem dunklen nach Katzenpisse stinkenden Flur in meiner Dreimonatwohneinheit angelangt waren, hat der Alkohol seine Spuren in unserem Bewusstsein hinterlassen. Wir führen unsere typische Zweiwochenbeziehung durch und der Abend endet in erschöpfter Gelassenheit mit recht beachtlichem Verlust des klaren Denkens. Ein Tag der intensiven Gefühle.

Dem Zustand entsprechend bin ich mir nicht mehr im klaren, was und wie es sich abgespielt hat. Ich weiß nur, dass ich neben all den alten Energien und den bis dato unbeachteten, nicht sichtbaren Mitbewohnern eine Stimme wahrnehme, die durch mich spricht. Es sind nicht meine Worte und ich bin mir nicht bewusst, was ich da sage. Aber ich fühle eine Verbundenheit mit etwas großem, das hier in mir zu existieren scheint. Als ob der am Himmel thronende Mond herabgestiegen sei, um mir ein wegweisendes Licht in der Dunkelheit zu sein.

Petra weint, auch sie erfährt eine Öffnung im Raum, die nicht zu beschreiben ist. Das Weitere versinkt im Dunkel der Nacht.

Ich wache auf und erkenne mich nicht wieder. Es ist nicht der Kater oder eine sonstige Nachwirkung der gestrigen Feier. Ich bin grundlegend anders. Ich bin mehr geworden, größer, weiter, klarer. Ein lang verschlossenes Tor wurde geöffnet und ich schaue in einen noch unerleuchteten Saal. Wissen fließt nebelgleich um meine Knöchel. So dicht, dass es die Haare an meinen Beinen wehen lässt, aber ich kann es noch nicht lesen. Ich kann es nicht begreifen. Ich sehe nur, wie der nicht enden wollende, warme Wind der Gewissheit aus diesem großen, aber noch dunklen Saal herausströmt. Wie er versucht, in mich einzudringen. Nein! Wie ich versuche, ihn aufzunehmen. Wie ein Verdurstender das Wasser sucht.

Der Tag beginnt. Alles scheint wie zuvor, als hätte sich nichts verändert. Wäre da nicht dieses große Feld, das mich fortan umgibt. Ein Feld von unbenutztem Wissen. Ein weltengroßes Buch, das gelesen sein will. Ein weiteres Ich, das mir folgt, mich anschubst und mir neue Gedanken schenkt. Die folgende Zeit ist ungreifbar anders als zuvor. Die Traurigkeit in mir ist noch immer da, doch scheint aus dem Grunde des tiefen Brunnens ein Schimmern hervorzuquellen. Ein mit der Laterne winkendes Etwas, das mich hinein lockt in die Tiefe meiner Gefühle. Ich hab nichts zu verlieren und folge.

Was auch immer an diesem Tag passierte, meine Welt ist anders geworden. Als ich wieder zurück in Deutschland mein Studium fortführen will, begegnen mir Menschen, die ich zwar schon kannte, mir aber nie nahe waren. Sie bringen mir Botschaften, Ideen, Gedanken und weiterführende Literatur. Ich beschreite den Weg des Adepten. Nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal in dieser Inkarnation.

Alles, was ich lese, erkenne ich wieder. Mir zittern die Glieder, als ich die Wahrheiten erkenne, die sich mir plötzlich eröffnen. Ich atme jeden neuen Gedanken tief in mich ein. Wissend, dass dies nur der Anfang eines Weges ist, dessen Ende ich noch nicht beschreiben kann, der aber den Sinn meines Daseins bedeutet. Ich forsche und denke nach, meine Studien beziehen sich in alle erdenklichen Richtungen des menschlichen Daseins. Um das Menschsein genau zu verstehen, gehe ich nicht nur den Weg der esoterischen Betrachtung, sondern auch die Einbezugnahme psychischer Untersuchungen der Wissenschaft.

Ich bin ein Schwamm ohne begrenztes Fassungsvermögen. Es ist, als würde ich mich selbst wiederentdecken, so als ob ich alles, was ich bin, erst noch einmal von unten her betrachten müsste, um den kompletten Überblick zu bekommen.

Dass sich diese Veränderung auch auf mein Studium auswirkt, bleibt nicht aus. Das Erfinden neuer Schnitte und Moden erfüllt mich nicht länger. So nutze ich meine Talente und Begabungen, um mir wichtig gewordene Themen zu bearbeiten und in dreidimensionale Körperlichkeit umzusetzen. Meine erste Arbeit beschreibt meine Auseinandersetzung über das Phänomen der Gegensätzlichkeit, das YIN und YANG. Ich schreibe, male und entwickle die Kostüme dazu. Eines aus hartem, glatten, glänzenden Blech, das mich bei der Bearbeitung im wahrsten Sinne des Wortes viel Blut und Schweiß kostet. Das andere eine unförmige, weiche, rotmatte Körperummantelung, welche sich durch die Bewegung verändert. In der Drehung verliert das »weibliche« Kostüm an Gewicht und tanzt um den Träger herum, während das steife, »männliche« Kostüm starr und schier unbeweglich seines Weges über den Laufsteg zieht.

Es zeigt sich mal wieder, dass ich in kein Schema passe. Meine Modeprofessoren wissen nichts mit meinen Arbeiten anzufangen. Ich bin froh, dass ich durch Herrn Jacobi – er war Professor für Bildhauerei – tatkräftige Unterstützung erfahren darf.

Nach dem siebten Semester beginne ich mit meiner Diplomarbeit. Es hat lange genug gedauert, das Studium soll nun mit einer grandiosen Arbeit so schnell wie möglich zu Ende kommen. Mein Diplomthema sind die sieben Hauptsünden.

Als ich nach Beendigung meines Studiums in die Arbeitswelt gestoßen wurde, trennten sich erst mal meine inneren Entwicklungsbedürfnisse und die äußeren Tätigkeiten zur Sicherung meines finanziellen Überlebens. Die neue Situation und meine erste länger als ein paar Monate andauernde Beziehung erforderte viel Energie. Aber neben meinem Arbeiten als Kostümbildner, Illustrator und Erforscher meines Beziehungslebens arbeitete die große Suche nach der einen Wahrheit still in mir weiter. Wir zogen nach Berlin und nach einer Weile begann ich mich mit Astrologie und Tarot zu beschäftigen. Da sich meine Jobsituation als nicht tagfüllend herausstellte, hatte ich genug Zeit für dieses Studium. Ich lernte mittels Berechnung der Transite und dem Ziehen und Interpretieren der Tarot–Karten immer mehr meinem eigenen Gefühl zu vertrauen.

 

Dem Drängen, diese Künste für andere auszuführen, widerstand ich. Es war für mich viel wichtiger, anhand dieser Möglichkeiten mein eigenes, inneres Wesen kennenzulernen. Durch den Vergleich der in Büchern beschriebenen Interpretation und meiner inneren Wahrnehmung erfuhr ich endlich das nötige Vertrauen in mich selbst. Ich nutzte die Astrologie und das Kartenlesen als eine äußere Bestätigung, dass meine eigenen Gefühle immer dem Charakter des Augenblicks entsprachen. Dadurch lernte ich auch das Leben mehr zu genießen, es fließen zu lassen. Zu vertrauen, dass ich rechtzeitig zu den passenden Chancen geführt werden würde. Und dass meine Gefühle für mich die richtigen sind.

Das war nach einem Leben der Fremdbestimmung ein großer Sprung in Richtung wahre Freiheit. Dieser Weg schenkte mir die Entdeckung eines großen leuchtenden Schatzes, der tief in meinem Sein auf mich wartete.

Leider war Berlin nicht meine Stadt. Zu deprimierend, zu düster, zu groß. Und meine fast zweijährige Beziehung endete in einem emotionalen Stillstand. Ich spürte, dass ich einen weiteren Schritt nach innen gehen muss. Der Schritt nach innen bedeutete auch einen Schritt im außen. Nach langem hin und her entschloss ich mich, nach Köln zu ziehen.

Unbegründet wusste ich, dass hier meine berufliche Zukunft liegt. Und dass ich hier die Chance bekäme, meine Probleme mit Beziehungen und mir selbst aufzulösen. Zumal mir die hiesige Mentalität mehr behagte als das ruppige Miteinander im kalten Berlin. Wenn ich endlich reif für eine andauernde und glückliche Partnerschaft sein wollte, galt es zuerst einmal herauszufinden, was in mir falsch funktionierte, warum ich mich niemandem öffnen konnte. Der Umzug war der Startschuss für alle Arten von Therapien. Ich warf mich mit aller Energie in die Dunkelheit meines unerforschten Ich.

Meditation

Für all die inneren Schritte meiner Entwicklung und des steten Flusses einer spirituellen Öffnung hat sich die Meditation als Freund in der Not und Ort der Ruhe erwiesen. Zurück aus Amsterdam beginnt die lange Geschichte der morgendlichen Stunde des Zentrierens und Lernens. Zunächst suche ich den richtigen Platz in meiner zur Freude der Vermieterin gerundeten Wohnung. Jede Ecke hatte ich mit Maschendraht und Gips in eine abgerundete Form gebracht. Ich hatte scheinbar schon vor meiner Ausbildung zum Feng–Shui–Berater ein Gespür für behagliches Wohnen im gesunden Fluss der Energien. Mein Meditationsplatz ist vor der Balkontür mit Blick auf den sonnenbeschienenen Park. Ich setze mich auf ein Kissen und versuche, ruhig zu werden. Der Anfang ist nicht leicht. Die Ideen aus der Yoga–Schule sind eher gymnastischer Natur, aber ich weiß, dass in der Meditation Heilung und Führung liegt. Ich sitze mit geschlossenen Augen in einer Art Lotossitz, der mir dank einer ausgeprägten Beweglichkeit gleich gelingt und versuche einen noch nicht definierbaren Zustand zu erreichen.

Augen zu und siehe, da sind sie schon: Direkt und unabwendbar tauchen Gedanken aus dem Nichts und drängen sich in mein Bewusstsein. Alle erdenklichen Alltagsdinge entschweben dem Meer der Möglichkeiten: Erinnerungen, Probleme, Filme, Fragen, Frauen oder noch zu erledigende Dinge – der Kopf ist plötzlich voll von ihnen. Wollte ich nicht so etwas wie das Gegenteil erreichen? Ich konzentriere mich auf – ja was denn nun? Das Nichts? Ich suche und suche in mir, überall ist irgendetwas aber nirgendwo das Nichts.

Trotz anfänglicher Verzweiflung weiß ich, dass dies der richtige Weg für mich sein muss. Ich entdecke die Macht des Atems. Beobachte ich den Atem, wie er in mich fließt und wieder aus mir heraus, werde ich automatisch ruhiger. Ich entdecke, dass der Atem viel tiefer in mein Wesen fließt, wenn ich die Zunge an den Gaumen lege. Langsame Schritte führen zu einer Art Ritual täglicher Wiederholung, die durch nichts begründet ist, ein Ablauf der Dinge, die ich aus den verschiedensten Büchern zusammengetragen habe. Der erste »Erfolg« kommt erstaunlich schnell. Heute denke ich, dass mein Geist oder meine Seele diese seltenen heiligen Zustände verschenkt, um mich an der steten Wiederholung des Meditationsrituals zu halten. Ich bin quasi angefixt.

Ich sitze da und spüre wie ich von hinten anfange zu schweben. Wie ich mich aus meinem Körper heraushebe, nur noch verbunden mit einem zarten Band in meinem Kopf. Ich spüre die helle Leere um mich und fühle mich großartig. Alle Gedanken sind auf einen Schlag verschwunden. Ich befinde mich in einem Raum des absoluten Friedens. Das pure Sein, das zeitlose Nichtswollen nie enden sollender Freude. Ein wunderbarer Erfolg meiner neuen Bemühungen.

Aber wie es sich zeigt, ist dies kein Zustand, den ich auf Knopfdruck herbeizaubern kann. Also sitze ich da, täglich, in ungeübter Stellung, auf etwas wartend und hoffend, von dem ich nicht genau weiß, was es denn sein wird. Es ist nur klar: Es ist wichtig.

Ich teste verschiedene Zeiten aus, und bemerke, dass ich auf jeden Fall ausgeschlafen sein muss. Von anderen Suchenden erfahre ich, dass diese extra morgens um 4 Uhr aufstehen. Aber allein der Gedanke daran lässt mich so herzhaft gähnen, dass ich es erst gar nicht versuche. An Tagen, an welchen ich weniger als acht Stunden schlafe, hole ich diesen während meiner Meditation nach.

So ziehen sich meine Bemühungen um Zentriertsein und innere Ruhe durch mein Leben. Auch wenn ich nicht wirklich große Veränderungen verspüre, ist mir klar, dass ich an etwas arbeite, das seine Zeit braucht. Meine Wahrnehmung der nicht augenscheinlichen Dinge ist noch tief in mir verborgen. Ich folge einem Weg, dessen Ziel ich nicht wirklich sehe und dessen Markierung nur zehn Zentimeter vor meinen Füßen aus dem Nebel des Unbewussten ragt.

Neben den Studien über Astrologie und Tarot finde ich in den täglichen Ritualen Ruhe und Geborgenheit. Auch wenn ich oft an Alltägliches denke, ist diese Stunde des Mit–mir–Seins wundervoll entspannend und beruhigend. Dementsprechend verändert sich auch mein äußeres Dasein: Ich werde immer ruhiger.

Ich versuche aus Büchern, die ich lese, Informationen und Tipps zu der Art und Weise, wie ich zu meditieren hätte, zu erhalten, und gehe dennoch meinen eigenen Weg. Während meiner Therapiezeiten ist das Meditieren intensiver als zuvor. Ich spüre die Gegenwart von den uns umgebenden Wesen. Kann sie aber noch nicht genau wahrnehmen, definieren oder gar mit ihnen kommunizieren. Aber es passiert etwas in diesen täglichen Stunden. Ich erlebe die Meditation als eine Hilfe, mit der ich das in Therapien erfahrene, aufgewühlte oder in meinen Ausbildungen Erlernte in mein Wesen integrieren konnte. Um es für mich greifbarer zu machen. Um es aufzunehmen in mein tägliches Sein.

Anfang der Neunziger beginne ich mit Reiki. Ich bin natürlich sofort fasziniert, da sich hier ein Weg zeigt, der mir helfen kann, meine Mission, die Welt zu retten, anzugehen. Endlich bin ich in der Welt der unsichtbaren aber erfühlbaren Kräfte angekommen: Reiki. Energien schicken und heilen.

Ich beginne damit zu arbeiten und versuchte das neu Gelernte und Erkannte überall und an jedem anzuwenden. Nun beginne ich auch Wesen wahrzunehmen.

Wir waren in Zandvoort am Meer. Für mich ist diese Küste erstaunlich hässlich und eigentlich fühle ich mich dort sehr unwohl, aber es ist eine der wenigen Möglichkeiten, schnell ans Meer zu kommen. Wir hatten den Tag faul in der Sonne liegend verbracht und beobachtet, wie sich die Möwen an weggeworfenen Pommes gütlich taten. Wir hingen an den Strandbars herum und ließen in einem mittelmäßigen Restaurant den Tag ausklingen. Die Nacht verbrachten wir in einem dieser aus dem Sand gestampften Riesenhotels. Hässlich, kalt und merkwürdig riechend, aber billig. Aneinandergekuschelt schliefen wir ein. Wir waren frisch verliebt, nach einer langen Zeit von freiwilliger Abstinenz – um das zugrunde liegende Beziehungsproblem in mir zu erörtern – hatte ich mich wieder der Frauenwelt geöffnet.

Ich wache schweißgebadet auf. Sie atmet ruhig, liegt tief schlafend neben mir. Mir ist entschieden zu heiß und ich fühle mich erstaunlich miserabel. Was ist los? Das frittierte Essen?

Da sehe ich in dem halbdunklen, durch hereinscheinende Neonreklamen in unwirkliche Schatten getauchten Zimmer, direkt am Fußende meines schlecht matratzierten Bettes diese Gestalt. Düster kauert sie an meinen Füßen, beobachtet mich mit undefinierbaren Augen. Schwarze Gestalt mit einem Geruch, der Angst und Kälte verbreitet. Sekunden, die in ihrem Schrecken zu Minuten, Stunden, die zur Ewigkeit werden.

Instinktiv richte ich mich auf, ich fühle das Grauen, lehne mich zurück, schließe die Augen und atme tief ein. Ich bete inständig zu den Engeln, mich zu schützen. Immer wieder bitte ich um Hilfe, bis ich spüre, dass die Düsternis, die Schwere in diesem Zimmer nachlässt und so nach und nach kehrt tiefe Ruhe in mich ein. Ich bleibe noch eine Weile in diesem meditationsähnlichen Zustand, bis ich wieder die Augen öffne und Ruhe um mich herum wahrnehme.

Ich bin völlig irritiert ob der Vision, aber auch fasziniert von der Klarheit meines Umgehens mit dieser Situation. Diese Sicherheit hat mich auch später in den merkwürdigsten Situationen geleitet.

Fortan gewinne ich intensivere Wahrnehmungen, instinktiveres Wissen. Als ich wenig später feststelle, wie gut es funktioniert, die energetische Kraft von Reiki zu benutzen, wird mir aber auch schnell klar, dass diese Kraft in alle Richtungen benutzt werden kann. In der Ausbildung – oder besser gesagt: schnellen Einweihung – wird immer wieder die rein positive Seite der Reiki–Energie proklamiert. Aber Energie ist frei von einer festgesetzten Bestimmung. Energie ist einfach Energie und es liegt immer in des Nutzers Macht, diese so oder so anzuwenden.

Als ich mir selbst durch dieses ständige Wiederholen eines bestimmten Mantras einen Unfall herbeizauberte, ist für mich der Augenblick gekommen, die energetischen Kräfte genau anzuschauen, und mit der Reiki–Arbeit aufzuhören. Ich beschloss, zu allererst meine Gedanken in den Griff zu bekommen, bevor ich noch mal mit der leicht beeinflussbaren Substanz energetischer Kräfte herumspiele. So blieben nach einer Zeit, in der ich immer mehr in die Welt des Unfassbaren geglitten war, zunächst Zweifel und Skepsis.

Doch nach einigem Überlegen und In–mich–Hören blieb nur die Unsicherheit über die Art und Weise, wie diese Energien genutzt und wahrgenommen werden. Aber nicht die Infragestellung des dahinter liegenden Konzeptes. Ich war mir sicher, auf einem guten Pfad zu sein. Nur, dass ich noch nicht richtig erkennen konnte, wohin er mich führen wird und wie die hier gefundenen Energien und Kräfte zu nutzen sind. Dass es ein göttliches Wesen gibt, das alles Leben beinhaltete, war mir unveränderlich klar. Ich wusste es einfach. Doch das warum und wo, und wie man dahin findet, war mir noch verschleiert. Ich war mir nicht sicher, wohin mich meine Suche führen würde, aber zunächst folgte ich dem schwachen Glimmen im Inneren meines Seins.

Parallel zu allen Erlebnissen und der alles verbindenden morgendlichen Meditation, arbeitete ich in den Bereichen künstlerischen Schaffens. Mittlerweile hauptsächlich als Bühnen– und Dekorationsmaler. Ich entwarf, baute und bemalte die verschiedensten Objekte und Sets. In meiner teilweise knapp bemessenen Freizeit verfolgte ich weiterhin meine Studien über die Tiefenpsyche meines viel verschachtelten Wesens. Ich verfolgte Fährten, die mich in die Irre führten, nur um mir später meine Intuition zu bestätigen. Wodurch ich die Sicherheit in mir selbst stärkte und befreite.

Ich hörte in meine Ängste und blickte in die dunklen Ecken meines vielzimmerigen Furchtgebäudes. Durch meine Talente konnte ich meine Ängste verarbeiten, indem ich sie auf Leinwand bannte. Unzählige Bilder entstanden, die alle mein innersten Geheimnisse offenbarten. Die meine Furcht darstellten, welche ich dadurch ansehen und annehmen konnte. Oder ich verwandelte die mich lähmenden Angstmonster in dreidimensionale Skulpturen aus Schaumstoff.

In dieser Zeit beginnen sich meine Meditationen grundlegend zu verändern. Ich nehme zunächst die hellen Wesen um mich herum wahr. Wesen, die mir bekannt sind, die mir immer schon nahe waren und in aller Geduld mein Erwachen begleiteten.

 

Nach vielen Jahren des Suchens und Grabens ist die Zeit gekommen, in der ich spüre, dass ich aufhören kann mit der Verfolgung des Dunklen in mir. Ich beende die Therapiesitzungen, Trancen oder progressives Problemausdemkörperatmen, das mir viel geholfen und viel in mir gelöst hat. Es ist, als sähe ich die Welt plötzlich ganz neu. Aufgetaucht aus dem tiefen Morast des Schmerzes und Zweifels beginnen Blumen und Blüten auf meinem Weg zu sprießen: Ich gehe das erste Mal grundlos breit grinsend durch sie Straßen Kölns.

Das Leben in mir erwacht und ich fühle mich neu und genieße fortan das einfache Dasein. Ich stürze mich in die sich mir bietenden Jobs beim Fernsehen und folgend auch beim Theater. Diese Zeit ist so arbeitsintensiv, dass ich außer der Meditation, die ich nicht mehr täglich ausführen kann, keinen Gedanken an inneres Wachstum ausleben kann. Ich genieße das freudige Erleben purer Lust. Meine Jobs machen großen Spaß. Besonders beim Theater, wo ich all meine Talente einbringen kann.

Auch auf dem Feld der Beziehungskämpfe erreiche ich einen Hafen der Ruhe. Petra zieht zu mir und schon bald danach beschließen wir, Kinder haben zu wollen. Diese Zeit ist voller Lebendigkeit und Freude. Ich erfahre mein Leben als künstlerisch Arbeitender, als Beziehungspartner und schließlich auch als Vater sehr erfüllend. Und befinde mich in einem befreiten zufriedenen Zustand. Die Meditation ist zwar nicht vergessen, aber weit in den Hintergrund gerückt. Das normal menschliche Dasein hat mich erfasst und ich genieße mich zum ersten Mal in vollem Bewusstsein meiner Komplexität. Und erlebe mich nicht als Spielball irgendwelcher unbewussten Ängste oder Taten. Ich lerne in dieser Zeit auf anderen Ebenen.

Die Tiefe der vorherigen Suche hat mich geöffnet, das beständige in mich Zurückkehren hat mich bestärkt und ruhiger gemacht. Sicher gibt es noch einige ungeklärte Zustände, aber im Vergleich zu dem Wesen, das voller Beziehungsangst und Unsicherheit in diese Stadt gezogen ist, bin ich nun ein ganz anderer Mensch geworden. Ich beobachte von außen, lerne durch das Erleben als Vater und Teamchef und werde sicherer durch die steten Herausforderungen in meiner Arbeit. Ich bleibe ruhig in Zeiten finanzieller Schwächen, denn ich bin der großen lichtvollen Hand, die mich zu führen scheint, gewahr.

Als ich aber plötzlich für drei Menschen verantwortlich war, bröckelte das Vertrauen in den finanziellen Fluss für ungefähr ein Jahr. Es gab zwar immer wieder Aufträge. Aber die tief in mir liegende, damals noch nicht vollständig bearbeitete Einstellung zu Reichtum und Selbstwert ließen mich zweifeln, dass dieser immer wieder erfahrene Fluss auch für mehrere Menschen funktionieren kann. Nach einem Jahr der Unsicherheit, die sich dem Gefühl entsprechend in den Finanzen niederschlug, war es wieder das tiefe Wissen in mir, das mich ins Vertrauen zurückführte. Ich war mir wieder sicher, stets versorgt und behütet zu sein. Der Bann war gebrochen, die Finanzen flossen mehr denn je und die anfänglich schlecht bezahlten Jobs verwandelten sich in gut honorierte.

Das Leben genießend floss ich von Arbeit zu Arbeit, immer erfolgreicher und bekannter werdend, mein Sohn war unterwegs und alles war perfekt.

Plötzlich bin ich mir bewusst, dass dieses Leben zwar befriedigend ist, dass aber etwas fehlt. Etwas, das ich seit meiner Kindheit in mir gespürt hatte, etwas Essenzielles, etwas Weltbewegendes. Ich nehme wieder intensiveren Kontakt zu mir selbst auf. Beginne wieder das bewusste Beten und lese Bücher, die mich zu tieferem Verstehen über die göttliche Natur des Menschen führen. Meine Vertraute aus den Anfangstagen in Köln kommt wieder in mein Leben und alles ist wie früher: die einstige Nähe und Vertrauen zu ihr ist wieder da.

Sie ist mittlerweile Schülerin von F.E. geworden, und leitet gerade zum ersten Mal das Ausbildungsseminar zum energetischen Feng–Shui–Berater.

Als ich F.E. das erste Mal begegne, bin ich nicht soo überzeugt von seinem Können, dennoch interessiert. Skepsis, wie immer. Aber die sich hier anbietende Welt der Wahrnehmung und Einflussnahme in die Energie–Ebenen verspricht eine weitere Öffnung zu der einen Kraft, derer ich mir zwar bewusst war, die ich aber lange nicht bedacht hatte. Die Möglichkeiten dieser Energiearbeit sind bei Weitem tiefer und wirksamer als das Arbeiten mit Reiki. Ich beschließe, die Seminare mitzumachen. Da ich fühle, dass das Können, das Wissen und die Heilung, die ich in der Ausbildung erhalten werde, ein wichtiger Schritt für meine eigene Entwicklung sein wird.

Den ersten Abschnitt der Ausbildung bezahle ich durch die Ausstattung und Bemalung des Seminarraumes von Sigrid. Diese Arbeit befriedigt mich zusehends, denn diesen Seminarraum zu gestalten war der erste Schritt in eine Welt, in der ich auf mehreren Ebenen gleichzeitig arbeiten konnte. Sichtbar und unsichtbar. Ästhetik in einem energetischen Rahmenprogramm. Ich habe noch weitere Seminarräume gestaltet, und das Verbinden all meiner Qualitäten in einem Schöpfungsprozess war immer ein besonderes Erlebnis.

In der ersten Seminarwoche wird mir bewusst, wer ich tatsächlich bin, wo ich herkomme, was mein Weg zu sein scheint. Ich erinnere mich plötzlich an die bereits oben erzählten Tage am silbernen Fluss, und als würde ein Schleier von mir genommen, erkenne und sehe ich Wesen und Energien. Kräfte, die ich zwar ahnte, aber nie wirklich leben konnte, kommen an die Oberfläche: Aussichten auf das Entdecken meines wahren Wesens und der einen Wahrheit.

Und hier sehe und erkenne ich endlich den mich schon so lange behutsam leitenden Geistführer: Babaji.

Ich kann kaum beschreiben, was dieser Schritt in eine neue, unbekannte und doch so alte und bekannte Welt für mich bedeutete. Ich sehe meine Berufung, erkenne meinen wahren Weg, sehe mich selbst, wie ich wirklich bin.

Durch das Erscheinen von Babaji öffnen sich die Schranken und meine Meditationen verändern sich zusehends. Was vorher zur Ruhe– und Friedensfindung, zur Zentrierung und Konzentration genutzt wurde, entwickelt sich jetzt als ein Treffpunkt jenseits von Raum und Zeit. Zu welchem sich Besucher aus den unterschiedlichsten Welten und Dimensionen einfinden.

Als das Seminar zu Ende ist, ziehe ich mich zunächst aus der Gruppe um F.E. zurück. Ich beobachte, wie die starke Energie und das immense Geborgenheitsgefühl in der Gruppe einige meiner Mitseminaristen sofort zum nächsten Seminar zieht, in die nächste Ausbildung, zur nächsten Stufe. Doch dies ist nicht mein Weg. Ich weiß tief in mir drin, dass das, was eben aufgewühlt und neu entdeckt wurde, sich zuerst in mein menschliches Dasein integrieren will.

Ich lehne das Angebot, das weiterführende Seminar direkt zu beginnen, ab. Ich möchte mir Zeit für meine eigene innere Entwicklung geben. Eine gute Entscheidung: Denn die aufgewühlten Strukturen, die erhaltene Heilung und die gewonnenen Kräfte zur Wahrnehmung und Veränderung unserer energetischen Umwelt brauchen ihre Zeit, um sich mit meinem geistigen und materiellen Körper zu verbinden. Ein sofortiges Beginnen weiterer Ausbildungsseminare zu noch tieferen energetischen Kräften hätte mich überfordert. Solch ein voreiliges Handeln hätte mir eher geschadet als genützt. Und so erfreue ich mich an den neuen Wahrnehmungen und Erfahrungen.

Jederzeit bei mir stehend und bereit meine Fragen über mich und das Leben im generellen zu beantworten, erfahre ich Babaji als Freund, der mir näher steht als jeder außenstehende Mensch. Es gibt keine Frage, die nicht beantwortet und keine Hilfe, die nicht gewährt werden würde. Und wieder erlebe ich wahre Wunder in und mit mir.

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