Praxis der Selbstanzeige

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Ganz unstreitig dürfte die Anwendung des § 2 Abs. 3 StGB auf die Selbstanzeige allerdings nicht sein. Denn immerhin folgt diese Regelung aus dem allgemeinen strafrechtlichen Rückwirkungsverbot.[11] Ob dieses aber bei Regelungen wie § 371 AO berührt ist, die ihren eigentlichen Anwendungsbereich überhaupt erst nach Beendigung der Tat haben, darf zumindest bezweifelt werden. Die Literatur bejaht jedoch die Anwendbarkeit der lex mitior (§ 2 Abs. 3 StGB) mit Hinweis auf den materiell-rechtlichen Charakter des § 371 AO.[12] Für diese Auffassung spricht immerhin, dass die Selbstanzeige ihrer Natur nach zu den persönlichen Strafaufhebungsgründen zählt, für die das Milderungsgebot gelten soll.[13] Auch die Rechtsprechung des BGH bestätigt die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 StGB auf die Selbstanzeige nach § 371 AO.[14] Der Berater muss jedenfalls auf die umstrittene Frage der Geltung des alten oder neuen Rechts hinweisen.

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Hinweis

Dies führt dazu, dass bislang als unwirksam behandelte Selbstanzeigen, solange über sie noch nicht rechtskräftig entschieden ist, auf der Grundlage des neuen Rechts ggf. als wirksam zu behandeln sind. Insofern besteht hier in Einzelfällen (LSt-Anmeldungen, USt-Voranmeldungen, sowie bei Prüfungsanordnungen) Handlungs-, aber sicher auch Argumentationsbedarf.

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Beispiel

Unternehmer U gab für das Jahr 2013 jeweils unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Einen Teil dieser korrigierte er mittels der 2014 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung. Diese wertete das zuständige Finanzamt als Selbstanzeige. Da nicht alle Umsatzsteuervoranmeldungen berichtigt wurden, wurde die Selbstanzeige als unwirksam behandelt und ein Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung für alle eingereichten Voranmeldezeiträume eingeleitet. Ab dem 1.1.2015 ist für den Bereich der Umsatzsteuervoranmeldungen wieder eine Teilselbstanzeige möglich. Unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 StGB muss daher im laufenden Verfahren das neue Recht zur Anwendung kommen. Das Verfahren wäre hinsichtlich der zutreffend berichtigten Zeiträume einzustellen. Insoweit würde Straffreiheit nach § 371 AO eintreten.

Anmerkungen

[1]

Schuster JZ 2015, S. 27 ff., 32.

[2]

Einzelheiten hierzu 4. Kap. Rn. 207 ff.

[3]

So Schuster JZ 2015, S. 27 ff., 32.

[4]

BFH BStBl. II 2007, 364; BFH/NV 2013, 1448; zum Grad an Gewissheit BFH BStBl. II 2013, 526.

[5]

BFH/NV 2007, 2057.

[6]

Kritisch daher zu der Ausweitung auf 10 Jahre Spatscheck DB 2014, Beilage Standpunkte zu Heft 42, 2, 3 f.

[7]

Die Wiedereinführung der Teilselbstanzeige auch für andere Anmeldesteuern hätte nahe gelegen, da sich bei diesen insgesamt die Problematik des ggf. mehrfachen Korrekturbedarfs ergibt, die Anlass war, Sonderregelungen für die Lohnsteueranmeldung und Umsatzsteuervoranmeldung zu schaffen.

[8]

Nicht unter diese Norm fallen die „praxisrelevanten“ Länder: Schweiz, Österreich, Liechtenstein und Luxemburg.

[9]

BGHSt 38, 66, 67; MK-Schmitz § 2 Rn. 36.

[10]

Beyer NWB 2015, 769, 770.

[11]

Zur Entwicklung des Rückwirkungsverbots und der lex mitior Dannecker Das intertemporale Strafrecht (1993), S. 63 ff.

[12]

So MK-Schmitz § 2 Rn. 27; Schwartz PStR 2015, S. 37 ff., 41; i.E. auch Beyer NWB 2015, 769, 771, der aber § 2 Abs. 3 StGB bereits vom Wortlaut her nicht auf Fälle anwenden will, in denen Tatbeendigung vor Inkrafttreten der Neuregelung der Selbstanzeige am 3.5.2011 gegeben war.

[13]

So zumindest in Bezug auf die Einführung von Strafaufhebungsgründen LK-Dannecker § 2 Rn. 62.

[14]

BGHSt 56, 298 = NJW 2011, 3249 = HRRS 2011 Nr. 872 Rn. 61 f.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären?

Inhaltsverzeichnis

I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens

II. Personen(anzahl)bezogene Überlegungen

III. Fallgruppen nach Steuerarten (steuerspezifische Überlegungen)

IV. Die psychologische Komponente der Selbstanzeigeberatung

V. Summe aller Überlegungen: Die bestmögliche individuelle Beratung

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Im Mittelpunkt jeder Selbstanzeigeberatung (damit ist aus Klarstellungsgründen der Oberbegriff für die praktisch weit überwiegenden Selbstanzeigefälle gemeint, ergänzend aber auch die im Bereich Unternehmenssteuer (USt-Voranmeldungen, LSt-Anmeldungen) und zuweilen in Erbfällen vorkommenden Fälle der schlichten Nachmeldung nach § 153 AO) steht das ausführliche Beratungsgespräch. In diesem muss der Berater (Steuerberater oder Rechtsanwalt) seinen Mandanten umfassend beraten, ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen – beim Rechtsanwalt: rechtlichen – Einzelheiten und Folgen unterrichten und den sichersten Weg zur Erreichung des angestrebten Ziels aufzeigen.[1] Der Mandant soll vor Fehlentscheidungen bewahrt werden. Entschließt er sich zur Abgabe einer Selbstanzeige, muss der Steuerberater oder Rechtsanwalt dafür sorgen, dass diese die bezweckte Wirkung hat. Wie jeder Arzt erst über eine Anamnese zur individuellen Diagnose und letztlich zur patientengerechten Therapie gelangen kann, ist auch hier „Maßarbeit“ gefragt, um passgenau auf den vorgetragenen Lebenssachverhalt die individuell richtige und bestmögliche Lösung für den Mandanten anbieten zu können. Im Rahmen einer solchen „Sachverhaltsaufnahme“ kommt es zunächst darauf an, dem Mandanten, der sich regelmäßig erstmals in einer derartigen Beratungssituation befindet, einen kurzen Gesamtüberblick darüber zu vermitteln, was es konkret bedeutet, sich beim Finanzamt selbst anzuzeigen (Rn. 16 ff.). Im Anschluss an eine derartige Instruktion des Mandanten sind nach unseren Erfahrungen insbesondere personenbezogene (Rn. 35 ff.), steuerspezifische (Rn. 69 ff.), aber auch persönlichkeitsbezogene, mithin psychologische Überlegungen (Rn. 102 ff.) in die individuelle Beratung (Rn. 111 ff.) zu integrieren.

Anmerkungen

[1]

Zur Beratungspflicht des Steuerberaters BGH DStRE 2004, 237 = DB 2004, 131; aktuell auch OLG Koblenz WM 2013, 945; zur Beratungspflicht des Rechtsanwalts BGH NJW 2012, 2435; OLG Hamm Urteil vom 23.10.2014 – 28 U 98/13.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens

I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens

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Eine beim zuständigen Finanzamt eingereichte Selbstanzeige löst nach einem weitestgehend genormten Automatismus eine Reihe bestimmter Verwaltungsmechanismen aus, auf die der Berater den Mandanten sinnvollerweise bereits im Vorfeld, d.h. im Rahmen der Vorbereitungsgespräche, hinweisen sollte.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens › 1. Beginn des Verwaltungsverfahrens

1. Beginn des Verwaltungsverfahrens

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Die Selbstanzeige reicht der Berater – üblicherweise mit Zustellungsvollmacht des Steuerpflichtigen – schriftlich bei dessen zuständigen Wohnsitzfinanzamt ein.[1] Bewährt hat sich auch der Hinweis auf eine jederzeit mögliche Abschlagszahlung, verbunden mit der Bitte um baldige Rückmeldung, bzw. zeitnahe Kontaktaufnahme mit dem Veranlagungsbezirk, um die weitere Vorgehensweise abzustimmen (Muster 1 Rn. 473). Der Berater sollte hier ggf. selbst zeitnah „nachfassen“. Auf diese Weise erhält er einen Eindruck über die konkret zu erwartenden Bearbeitungsmodalitäten bei den jeweiligen Dienststellen, die leider bundesweit keinesfalls einheitlich sind.

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Hinweis

Wichtig für den Steuerpflichtigen, der Selbstanzeige erstattet hat, ist unabhängig von allen verwaltungsspezifischen Unterschiedlichkeiten: Bereits mit Eingang der Selbstanzeige beim Finanzamt ist das Geld weiß und ist bereits in jede Richtung verfügbar. Geänderter Steuerbescheide, der Bezahlung oder gar einer bereits als strafrechtlich wirksam anerkannten Selbstanzeige mit eingestelltem Strafverfahren bedarf es hierfür nicht. Der Steuerpflichtige kann jederzeit gegenüber den Banken über sein Geld verfügen, es im Ausland abverfügen und im Inland einzahlen. Auch gegenüber den Zollbehörden dient das Nachmeldungsschreiben bei eventuellen Zollkontrollen als „Weißgeldbeleg“. Gegenüber den ausländischen Banken kann der Berater nun die dort abverlangte Beraterbescheinigung erteilen.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens › 2. Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

2. Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

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Nach Eingang der Selbstanzeige gelangt der Fall zunächst üblicherweise zur örtlich zuständigen Straf- und Bußgeldsachenstelle, §§ 386 ff. AO, die verwaltungsintern in letzter Konsequenz über die Wirksamkeit der Selbstanzeige entscheidet. Diese leitet regelmäßig ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige zu überprüfen und gibt dies dem Steuerpflichtigen oder seinem Bevollmächtigten bekannt, § 397 AO. Auch wenn es bundesweit entsprechend den AStBV (Arbeitshilfe 1 Rn. 471.) einheitlich so geschehen sollte, lassen sich bundesländerübergreifend gleichwohl erhebliche Unterschiede feststellen. In einer Gesamtschau fallen erhebliche regionale Unterschiede auf, zum Teil nicht nur innerhalb einzelner Bundesländer oder einzelner Landesteile, sondern sogar innerhalb von Großstädten oder Kreisgrenzen. Einzelheiten zum diesbezüglichen „Flickenteppich Bundesrepublik“ sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – der Arbeitshilfe 2 (Rn. 472) zu entnehmen.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens › 3. Weitere Sachverhaltsermittlung in Besteuerungs- und Strafverfahren

3. Weitere Sachverhaltsermittlung in Besteuerungs- und Strafverfahren

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Hand in Hand gehen in der Praxis die Ermittlungen, die letztlich zur Änderung der bisherigen Besteuerungsgrundlagen auf der Basis der nacherklärten/-gemeldeten Sachverhalte bzw. Zahlen führen. Das Veranlagungsfinanzamt tritt gegenüber dem Mandanten bzw. dem empfangsbevollmächtigten Berater[2] steuerlich i.S.d. §§ 93, 208 Nr. 2 AO auf. In diesem Fall meldet sich die Veranlagungsstelle des Wohnsitzfinanzamtes mit ergänzenden Rückfragen bei noch nicht abschließend für vollständig erachteter Materiallieferung. Die hier üblichen – oftmals regional unterschiedlich ausgeprägten – Anfragen einer Veranlagungsstelle (vgl. Muster 2 Rn. 474) haben dann (bei aller „Detailtreue“) für den Mandanten noch einen verhältnismäßig entspannten Anstrich. Dies ändert sich aber zumeist dann, wenn der Mandant mit einem oftmals standardisierten Fragenkatalog – nach zuvor bekannt gegebenem steuerstrafrechtlichem Ermittlungsverfahren – über die Straf- und Bußgeldsachenstelle im Rahmen der ihr obliegenden Überprüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige oder aber über „Außendienste“ wie der Amtsbetriebsprüfung oder der Steuerfahndungsstelle konfrontiert ist (vgl. hierzu die Mustertexte 3-5 Rn. 475–477). Über die genannten vier grundsätzlichen Zuständigkeitsvarianten, die der Finanzverwaltung zur bestmöglichen organisatorischen Abwicklung von Selbstanzeigefällen zur Auswahl stehen, gibt es – regional unterschiedlich – verschiedene zusätzliche Kombinationsmöglichkeiten. Oftmals sind diese abhängig vom „Organisationsgrad“ der jeweiligen Oberfinanzdirektionen, der wiederum an den Kapazitätsgrenzen der Veranlagungsfinanzämter orientiert ist. So werden manche Selbstanzeigen direkt (ggf. unter Vorbehalt, bzw. vorläufig §§ 164 f. AO) veranlagt, bei anderen hat die Außenprüfung oder die Steuerfahndung, teilweise sogar die Staatsanwaltschaft „den Hut auf“, d.h., die Veranlagungsstelle darf erst ändern, wenn diese Dienststellen insoweit „grünes Licht“ geben, bzw. die Staatsanwaltschaft prüft abschließend die Wirksamkeit der Selbstanzeige. Andererseits „erwarten“ die Veranlagungsstellen von ihren Außendiensten statt der üblichen Berichte oder Aktenvermerke z.T. auch schon „mundgerecht aufbereitete Veranlagungshilfen“, die sie in die Lage versetzen, bereits die passenden Kennziffern in die EDV einzugeben.

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Die regionalen Tendenzen einschließlich der voraussichtlichen Verfahrensdauer kommuniziert der Berater dem Mandanten möglichst vorab. Anhaltspunkte ergeben sich wiederum aus den in der Arbeitshilfe 2 Rn. 472 zusammengestellten Erfahrungswerten.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens › 4. Abschluss des steuerlichen Ermittlungsverfahrens: Änderungsbescheide

4. Abschluss des steuerlichen Ermittlungsverfahrens: Änderungsbescheide

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Ohne Änderungsbescheide keine (fiskalische) Verfügbarkeit der für die Selbstanzeige entrichteten Nachzahlungssummen“: Diese Regel beherzigen jene nach landestypischer „Organisationsstruktur“ zuständigen Veranlagungsfinanzämter, die deshalb auch in den meisten Fällen zeitnah und nach §§ 164, 165 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung (bezogen auf die Kapitaleinkünfte vorläufig) Änderungsbescheide erlassen. Die vielfach in der Literatur propagierte und teilweise auch von den Ämtern gewünschte – z.T. auch konkret beziffert geforderte – Abschlagszahlung (vgl. Muster 6 Rn. 478) hat eher psychologische als kassentechnische bzw. „haushalterische“ Bedeutung. Die Finanzämter müssen Abschlagszahlungen mangels zugrundeliegender Bescheide als Buchungstitel auf Verwahrung buchen, so dass das Geld nur vorübergehend „geparkt“ ist und dem staatlichen Haushaltskreislauf nicht zur Verfügung steht. Die viel zitierte „Zinsersparnis“ aufgrund des praxisüblichen Teilerlasses der Zinsen nach § 233a AO bei frühzeitiger Abschlagszahlung ergibt sich aufgrund der dann entsprechend geringeren Hinterziehungszinsen (reduzierter Zinslauf nach § 235 Abs. 3 S. 1 AO).

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Hinweis

Für den Regelfall im Sinne einer möglichst schnellen und endgültigen Änderungsveranlagung (am Besten in „einem Guss“ für zehn Jahre) empfiehlt sich die Abgabe der Anlagen KAP, SO und AUS mit möglichst konkret nachgewiesen Kapitalerträgen auf den amtlichen Vordrucken.

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Beispiel

Die Steuerfahndungsstelle hatte bereits Ende 2013, im Zusammenhang mit Erkenntnissen einer Steuer-CD, dem Mandanten ein Aufklärungsschreiben wegen eines unbekannten Steuerfalls nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO zukommen lassen. Nach Fristverlängerungen hatte dieser sowohl die Bankbelege (Jahresendstände, ggf. Erträgnisaufstellungen sowie die Einzelbelege) diverser ausländischer Banken auf unterschiedlichen Kontinenten ebenso zusammengestellt wie seine amerikanischen Mieterträge, so dass der Berater, bei geringfügig ergänzendem Schätzungsbedarf, die Nachmeldung mit konkretem Zahlenmaterial eingereicht hatte (vgl. hierzu Muster 7 Rn. 479). Längere Zeit war trotz der Bitte, wegen der weiteren Vorgehensweise (u.a. einer Abschlagszahlung) Rücksprache zu nehmen, nichts passiert. Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, den zuständigen Fahnder telefonisch zu erreichen, teilte er mit, er sei wegen Arbeitsüberlastung und einer Vielzahl vordringlicher Verfahren noch nicht zur Bearbeitung gekommen. Er werde aber versuchen, dies zeitnah nachzuholen und sich dann alsbald melden. Anfang März 2015 meldete sich der Fahnder und gab zu erkennen, dass er nach Überprüfung gegen die nachgemeldeten Zahlen aufgrund der vorgelegten Belege keine grundsätzlichen Bedenken habe. Allerdings habe er noch eine Bitte: Wenn für die bezifferten nachgemeldeten ausländischen Kapitaleinkünfte die Anlagen KAP eingereicht würden, so würde er zur zuständigen Veranlagungsstelle gehen und für eine zeitnahe Änderungsveranlagung noch im März sorgen.

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Bei mehreren Beteiligten (z.B. Geschwister, Erbengemeinschaft) wäre vorschriftsgemäß eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung auf amtlichem Vordruck abzugeben. So ist – auch vor dem Hintergrund der nicht zuletzt durch Selbstanzeigefälle stark angestiegenen Arbeitsbelastung der Veranlagungsdienststellen – erfahrungsgemäß die schnellstmögliche Veranlagung und damit auch Erledigung des Gesamtverfahrens möglich. Voraussetzung hierfür ist jedoch die – schon weit im Vorfeld der Abgabe der Selbstanzeige – getroffene umfangreiche Vorarbeit von Mandant und Berater unter intensiver Beteiligung der jeweiligen ausländischen Bankinstitute. Was die Kalkulation der Nachzahlungszinsen im Rahmen der Selbstanzeigeberatung anbelangt, so liegt die Bandbreite erfahrungsgemäß etwa bei einem Drittel der für den steuerlichen 10-Jahreszeitraum nachentrichteten Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für den „klassischen Nachmeldungsfall“, der Nachversteuerung von Kapitaleinkünften aus sonst vollständig versteuerter Mittelherkunft. Bei Schwarzgeldfällen mit mehreren nachentrichteten (Ertrags-)Steuerarten ändert sich nicht die Quote, dafür aber erheblich das absolute Nachzahlungsvolumen. (zum reinen Zinsfall bzw. zum Schwarzgeldfall siehe unter Rn. 69 ff. und Rn. 78 ff.)

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens › 5. Abschluss des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

5. Abschluss des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

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Sobald die geänderten Steuerbescheide bestandskräftig und die darin ausgewiesenen Beträge auch bezahlt sind sowie die entsprechende Meldung der zuständigen Stelle (Straf- und Bußgeldsachenstelle, StA) vorliegt, stellt diese das eingeleitete Ermittlungsverfahren nach §§ 371 AO, 170 Abs. 2 StPO gegenüber dem Steuerpflichtigen/Beschuldigten bzw. seinem Berater sanktionslos ein. Die Selbstanzeige ist damit „verbrieft“ wirksam, d.h. Änderungen sind nur bei später (etwa aufgrund neuer Erkenntnisse einer Steuer-CD) nachweislich unvollständiger oder wesentlich unrichtiger Sachverhaltsdarstellung der eingereichten Selbstanzeige möglich.

 

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Hinweis

Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO entfaltet keine Bestandskraft. Allerdings sind derartige „Neuaufrollungen“ praktisch die ganz große Ausnahme, nicht zuletzt auch wegen der weiterlaufenden Strafverfolgungsverjährung und des psychologisch nicht zu unterschätzenden Aspekts des Rechtsfriedens, aber auch wegen der aus Verwaltungssicht anstehenden Flut an neuen erfolgversprechenden Verfahren.

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Dem Mandanten ist dabei aber auch mitzuteilen, dass es durchaus Fälle gibt, in denen die Selbstanzeige bei der Strafsachenstelle – oder in größeren Fällen bei der Staatsanwaltschaft – länger als gewöhnlich „auf dem Prüfstand“ steht. Das gesamte Selbstanzeigeverfahren kann so für die betroffenen Personen oder Unternehmen, die sich während des laufenden Verfahrens auch bei der laufenden Besteuerung keine Fehler leisten dürfen (Hinweispflicht des Beraters), zu einer echten Geduldsprobe werden. Die Ermittlungsbehörden werden in derartigen Fällen bei klaren ergänzenden Verdachtsmomenten im nicht strafverfolgungsverjährten Zeitraum versuchen, über Durchsuchungsmaßnahmen zu beweiskräftigen Ermittlungsergebnissen zu kommen. In weniger klaren Fällen stellen die Behörden weitere Ermittlungen, insbesondere im Rahmen von Betriebsprüfungen, an, die sich dann üblicherweise auf den 10-Jahreszeitraum nach § 173 Abs. 2 AO erstrecken.

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Ohne konkret vorgefundene Beweismittel muss der Fall aber letztlich (irgendwann), notfalls im Schätzungswege, seinen steuerrechtlichen und dann auch seinen steuerstrafrechtlichen Abschluss finden. Bei sog. „fehlgeschlagenen Selbstanzeigen besteht dieser oftmals in einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO mit Zustimmung des Gerichts gegen Zahlung einer Geldauflage oder einer Verurteilung zur Zahlung einer Geldstrafe im Strafbefehlswege, bei dem es nicht zur öffentlichen Verhandlung kommen muss.

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Hinweis

Dass in derartigen Fallkonstellationen nur Erfahrungswerte darzustellen, niemals aber ein bestimmter Verfahrensgang zu garantieren ist, liegt auf der Hand.

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Der Mandant ist auf die Risiken einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung trotz abgegebener Selbstanzeige, ggf. sogar im Gefolge einer öffentlichen Hauptverhandlung nach vorheriger Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft deutlich hinzuweisen. Der – sicherlich extreme – Fall Hoeneß ist hier für viele in der Öffentlichkeit stehende Selbstständige oder Gewerbetreibende ein unmissverständliches Signal.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › I. Gesamtüberblick zum Ablauf des Selbstanzeigeverfahrens › 6. Der letzte Akt: Hinterziehungszinsbescheid