Praxis der Selbstanzeige

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bb) Risikovariante (bei unklarer Sach- und Rechtslage)

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Manche Sachverhalte eignen sich allerdings nicht für eine derart lupenreine Nachmeldung der nicht versteuerten Betriebseinnahmen auf den amtlichen Erklärungsbögen, weil die entsprechende Vorgehensweise schlicht zu unflexibel ist und bei einer erklärten „worst case-Besteuerung“ der Mandant ohne Not voraussichtlich unsachgemäß hoch besteuert würde. Da nicht alle Mandanten die strafrechtlich sicherste und dabei steuerlich kostspieligste Variante wählen können, um definitiv eine schnellstmögliche wirksame und dabei geräuschlose Selbstanzeige „garantiert“ zu bekommen, ist der Berater manchmal gehalten, das Instrument der Selbstanzeige flexibler einzusetzen: So genügt es bei Selbstanzeigefällen im Zusammenhang mit nicht versteuerten Einnahmen, unter Materiallieferungsgesichtspunkten, dem Finanzamt die zusätzlichen Besteuerungsgrundlagen mitzuteilen.

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Fallbeispiel 5:

Ein Golflehrer meldet neben den Kapitaleinkünften eines ausländischen Kontos für die ersten drei Jahre des strafbefangenen 5-Jahreszeitraums jeweils Bareinzahlungen von durchschnittlich 30.000 € nach. Neben der Anstellung als Golflehrer in einem Golfclub organisierte er als Professional für einen wechselnden Kreis von Stammkunden im Winter private Golfreisen in die südliche Hemisphäre. Daneben betreibt er einen Pro-Shop, bei dem das Finanzamt im Rahmen der letzten Betriebsprüfung wegen nicht ordnungsgemäßer Buchführung einen Unsicherheitszuschlag zugeschätzt hatte, was letztlich, nach Einstellung des entsprechenden Ermittlungsverfahrens, zu einem kleinen Bußgeldbescheid führte.

Lösungsansätze:

Für etwas risikofreudigere „Minimalisten“ unter den Beratern bedeutet dies, dass es ausreichend sein kann, lediglich die auf einem Auslandskonto nachweisbaren Bareinzahlungen konkret zu benennen und das Finanzamt um entsprechende Nachversteuerung zu bitten. Das Finanzamt wird durch diese Informationen (zumindest theoretisch) in die Lage versetzt, die Besteuerung durchzuführen, indem es aufgrund der genannten zusätzlichen Umsätze geänderte Umsatzsteuerbescheide erlässt, ggf. unter Hinzuschätzungen, notfalls für den gesamten 10-Jahreszeitraum. Auch die Änderung der bisherigen Einkommensteuerbescheide, ggf. Körperschaftsteuerbescheide bei einer GmbH und schließlich der Gewerbesteuermessbescheide, jeweils nach der Gleichung Umsatz = Gewinn, ist kein Problem und stellt auch keinen Veranlagungsaufwand dar. Angesichts der Veranlagungsmöglichkeiten an der Obergrenze ist die Frage einer unvollständigen Selbstanzeige infolge zu niedrig geschätzter Besteuerungsgrundlagen zugunsten einer wirksamen Selbstanzeige zu entscheiden.

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Hinweis

Allerdings muss der Mandant mit einer solcherart „auf Kante“ genähten Selbstanzeige umgehen können. Die Risiken sollte der Berater eingehend mit ihm erörtern. Denn gerade nach einer solchen Nachmeldung ist der weitere Verlauf in vielerlei Hinsicht völlig offen. Neben der zuständigen Sachbearbeitung (Veranlagungsfinanzamt oder Prüfdienst) und der geplanten Vorgehensweise des Finanzamts (sofortige Veranlagung oder Zuwarten auf einen exakten Prüfungsbericht) besteht eine wichtige „Weichenstellung“ für den Berater darin, mit den in selbsterklärten „Schwarzgeldfällen“ üblicherweise auf den Plan tretenden exakten Steuerfahndungsprüfern einen modus vivendi zu finden (hier: Schätzung ausländischer Golfumsätze (umsatzsteuerfrei) für die Vorjahre, keine Gewerbesteuer), um den Fall geräuschlos (ohne Prüfung des Golfshops auf dem Clubgelände) steuerlich abwickeln zu können.

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › III. Fallgruppen nach Steuerarten (steuerspezifische Überlegungen) › 3. Erbschafts- und Schenkungssachverhalte

3. Erbschafts- und Schenkungssachverhalte

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Vom reinen Steueraufkommen betrachtet, müssten Erb- und Schenkungsteuerfälle ein Mauerblümchendasein fristen. Mit einem leicht ansteigenden Steueraufkommen zwischen 4,2 und 4,6 Mrd. € in den Jahren 2011-2013 liegt diese Steuerart bei etwa 30 % des ohnehin mit lediglich ca. 1/7 der Bundessteuern geringen Gesamtaufkommens der Landessteuern. Gemessen am Gesamtsteueraufkommen im Vergleichszeitraum zwischen 573 und 620 Mrd. € liegt der Anteil bei verschwindend geringen 0,7 %, also weit entfernt von den Gemeinschaftsteuern wie Lohn- und Umsatzsteuer mit jeweils 24 % als absoluten Spitzenreitern beim Steueraufkommen.[1] Tatsächlich ist die Erb-, und Schenkungsteuer die Steuerart der Zukunft. Das liegt zum einen an dem Befund von geschätzten Vermögenswerten in Billionenhöhe, die in Deutschland eine „Generation der Erben“ heranwachsen lässt (die Rede ist von einer jährlichen „Erbsumme“ von 250 Mrd. €)[2], andererseits aber auch – aufgerüttelt durch Rechnungshofberichte – an einem deutlichen „Bedeutungszuwachs“ dieser Steuerarten für Maßnahmen der Erhebungseffizienz. Nicht umsonst haben die Bundesländer vielfach die Erb- und Schenkungsteuerstellen, die bislang innerhalb der Verwaltungshierarchie eher eine Nebenrolle gespielt haben, sächlich und personell deutlich aufgestockt, bzw. planen, dies zu tun.

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Angesichts des Finanzvolumens, der geringen Höhe der Freibeträge insbesondere bei nicht Blutsverwandten, der Zusammenrechnung von Vermögenswerten im 10-Jahreszeitraum sowie den Besteuerungstabellen für Erb- und Schenkungsteuerfälle ist vor allem auch für Schenkungsfälle die große praktische Bedeutung unmittelbar ersichtlich. Diese Einschätzung verstärkt sich durch die Anlaufhemmung bei der Festsetzungsverjährung in Schenkungsteuerfällen nach § 170 Abs. 5 AO, die erst mit Kenntnis der zuständigen Fachbehörde beginnt.

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Zu den Freibeträgen[3] nach Steuerklassen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und den geltenden Freibeträgen vgl. nachfolgende Besteuerungstabelle (in Klammern jeweils die Freibeträge für Erwerbe vor dem 1.1.2009).[4]


Verwandtschaftsgrad Steuerklasse Freibetrag
Ehegatten, eingetragene Lebenspartner I 500.000 € (307.000 €)
Kinder, Enkelkinder (wenn deren Eltern verstorben sind), Stiefkinder, Adoptivkinder I 400.000 € (205.000 €)
Enkelkinder I 200.000 € (51.200 €)
Eltern, Großeltern, Urenkel I 100.000 € (51.200 €)
Geschwister, Kinder der Geschwister, Stiefeltern, Schwiegerkinder, etc. II 20.000 € (10.300 €)
Nicht verwandte Erben III 20.000 € (5.200 €)

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Zu den Steuersätzen der Erbschaftsteuer vgl. nachfolgende Tabelle (in Klammern die Beträge vor dem 1.1.2009, wobei für das Jahr 2009 in der Steuerklasse II die nunmehr für Steuerklasse III geltenden Prozentsätze Anwendung fanden).


Höhe des Erbes (nach Abzug Freibetrag) in € Steuersatz Steuerklasse I Steuersatz Steuerklasse II Steuersatz Steuerklasse III
bis zu 75.000 (52.000) 7 % 15 % (12 %) 30 % (17 %)
bis zu 300.000 (256.000) 11 % 20 % (17 %) 30 % (23 %)
bis zu 600.000 (512.000) 15 % 25 % (22 %) 30 % (29 %)
bis zu 6 Mio. (5,113 Mio.) 19 % 30 % (27 %) 30 % (35 %)
bis zu 13 Mio. (12,783 Mio.) 23 % 35 % (32 %) 50 % (41 %)
bis zu 26 Mio. (25,565 Mio.) 27 % 40 % (37 %) 50 % (47 %)
mehr als 26 Mio. (25,565 Mio.) 30 % 43 % (40 %) 50 % (50 %)

2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären? › III. Fallgruppen nach Steuerarten (steuerspezifische Überlegungen) › 4. Umsatzsteuerfälle

 
4. Umsatzsteuerfälle

a) Keine Selbstanzeigen bei Umsatzsteuerkriminalität

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In Umsatzsteuerfällen geht meist um sehr viel Geld. Dies hängt mit den meist hochpreisigen Warenumsätzen, oftmals auch mit hoher Umschlagsfrequenz sowie dem verhältnismäßig hohen Steuersatz zusammen. Die Vorsteuererstattung auf der Einstiegsebene, aber auch die um 19 % reduzierbaren Preiskalkulationen geben offenbar interessante Anfangsimpulse und verheißen über die verschiedenen Handelsstufen ordentliche Gewinnspannen. Insbesondere ausländische Initiatoren haben so immer wieder Wege gefunden, unter Beteiligung zahlreicher als inländische Unternehmer im Geschäftsverkehr auftretender Personen, die Lücken und Schwachstellen des deutschen Mehrwertsteuersystems auszunutzen. Selbst bei Ausschöpfung der strafprozessualen Möglichkeiten für Fälle der organisierten Kriminalität ist das strafrechtliche Risiko der Initiatoren im Ausland einigermaßen überschaubar und kalkulierbar. Im Inland gehen die ersten Lieferstufen (Missing Trader und Buffer I) strafrechtlich die größten Risiken ein. Auf den Folgestufen verbleiben regelmäßig nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH steuerliche Risiken, die üblicherweise volumenbedingt zur Insolvenz und ggf. zur Geschäftsführerhaftung führen.

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Im Bereich der Warenbewegungen waren vor allem Computerteile, Handys und sonstige elektronische Geräte immer wieder Gegenstand instanzgerichtlicher, aber auch einiger instruktiver höchstrichterlicher Entscheidungen.[5] Aber auch im Krangeschäft, im Schrotthandel[6] und – vor der Gesetzesumstellung auf das Reverse-Charge-Verfahren – auch im Gold-, nach 2011 dann im Silberhandel, sind im Zusammenhang mit dem versagten Vorsteuerabzug für umsatzsteuerliche Lieferungen zahlreiche Entscheidungen ergangen.[7] In großem Umfang zu steuerrechtlichen Diskussionen führen auch Fälle der versagten Umsatzsteuerfreiheit bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Kfz-Handel sowie zunehmend der Bereich der Ausfuhrlieferungen.

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Im Bereich von Dienstleistungen waren die bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft geführten Fälle im Zusammenhang mit dem länderübergreifenden Verkauf von Emissionsrechten – unter der umsatzsteuerlichen Rubrik „sonstige Leistungen“ – mit Hinterziehungsvolumen im dreistelligen Millionenbereich spektakulär.

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Unter bildhaften Begriffen wie Umsatzsteuerkarusselle[8] oder Kettengeschäfte[9] sind hier letztlich Spielarten der organisierten Kriminalität angesprochen. Aus der Natur der Sache gibt es in diesen Fällen keine Selbstanzeigen. Aufgrund des Vollständigkeitsgebots müsste ein Beteiligter, so er sich überhaupt „schuldig“ bekennen kann, damit rechnen, den Finanzbehörden im Rahmen der selbstanzeigeadäquaten „Materiallieferung“ für seine Straffreiheit Unmögliches leisten: Die Finanzämter werden ihn auffordern, sämtliche Einzelsachverhalte für alle Besteuerungszeiträume unter Berücksichtigung sämtlicher beteiligter Personen aufzudecken.

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Dass dies – wenn es überhaupt logistisch zur Zufriedenheit der Ermittler (zuständig sind regelmäßig Spezialeinheiten, Schwerpunktstaatsanwaltschaften und spezielle Umsatzsteuerfahnder) leistbar sein sollte – diametral den „branchenüblichen“ Geheimhaltungs- und Verschleierungsmechanismen zuwiderläuft, liegt auf der Hand. Die weitestgehend praktizierte Diskretion hängt nach unseren Erfahrungen mit oftmals internationalen Organisation sowie der arbeitsteiligen Vorgehensweise der Initiatoren der jeweiligen Umsatzsteuermodelle zusammen, deren Hauptziel über Jahrzehnte hinweg darin bestand, das leicht zu umgehende deutsche Vorsteuererstattungssystem „auszutricksen“. Abgesehen davon scheitert eine wirksame Selbstanzeige in derartigen Fallkonstellationen schlicht an der fehlenden Zahlungsmöglichkeit von Umsatzsteuer, Zuschlag und neuerdings auch noch der Hinterziehungszinsen nach §§ 371 Abs. 3, 398a Abs. 1 AO. Naturgemäß sind die vom Finanzamt zurückgeforderten Umsatzsteuerbeträge aus Umsatzgeschäften vergangener Tage bereits investiert oder „konsumiert“, so dass selbst Umsatzsteuerfahndungen trotz zwischenzeitlich verstärkten Einsatzes steuerlicher oder strafrechtlicher Arrestmaßnahmen unter fiskalischen Aspekten oftmals nicht erfolgreich verlaufen.

b) Nachmeldungen bei Voranmeldungen im Unternehmensbereich

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Praktisch werden Selbstanzeigen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer vor allem im Gewand nachgeholter nicht rechtzeitiger oder korrigierter unzutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen auftreten. Oftmals handelt es sich hierbei in Betrieben um personal- oder systembedingte Versehen, die sich – wegen der monatlichen Abgabeverpflichtung für Voranmeldungen – etwa bei Eingabefehlern durchaus unbemerkt für längere Zeiträume anzahl-, und summenmäßig aufaddieren können.

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Beispiel

Die für die Buchhaltung zuständige, im familieneigenen Metzgereibetrieb tätige Ehefrau hat bei der Vorkontierung fälschlicherweise mehrfach den ermäßigten Umsatzsteuersatz angesetzt. Das Steuerbüro hat den Fehler zunächst auch nicht gemerkt, stößt allerdings bei der Vorbereitung der anstehenden Betriebsprüfung darauf.

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Die neue Rechtslage unterstützt auf den ersten Blick eine Forderung der Praxis und lässt aus Praktikabilitätsgründen für den Bereich der Voranmeldungen die 2011 gesetzlich abgeschaffte „Teilselbstanzeige“ wieder zu. Ob die im Beispiel erforderliche Reaktion aber von Erfolg „gekrönt“ sein wird, hängt letztlich von der „Argumentationsdichte“ ab, mit der Mandant und Berater das Finanzamt für die Überzeugung einzunehmen wissen, es habe sich um ein – möglichst erstmaliges – (Dauer-)Versehen gehandelt.

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Hinweis

Es sind genau diese Fallkonstellationen, in denen der Berater den Begriff der Selbstanzeige vermeiden und entweder konkludent mit Abgabe der korrigierten Umsatzsteuervoranmeldungen handeln bzw. bei notwendigem Schriftverkehr allenfalls von einer Nachmeldung sprechen sollte. Der Fall hat dadurch in psychologischer Hinsicht wesentlich bessere Chancen, auf „kleiner Flamme“ (juristisch als schlichte Änderung § 153 AO) im Veranlagungssektor über die Bühne zu gehen, als wenn allein schon die mit dem Begriff der Selbstanzeige verbundene strafrechtliche Diktion das Finanzamt reflexartig in Richtung der Hinterziehungszinsen als steuerliche Konsequenzen blicken lässt, verbunden mit der obligatorischen Weitergabe des Falles an die für Steuerstrafverfahren zuständige Dienststelle.

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Der geschickte Berater weiß auch, dass bei einer strafrechtlichen Behandlung des Sachverhalts auch nach der neuen Rechtslage eine Teilstraffreiheit für die Voranmeldungszeiträume nicht auf die Jahreserklärung „durchschlägt“ und insoweit eine Selbstanzeige wegen zugestellter Prüfungsanordnung bzw. „Prüfererscheinen“ gesperrt wäre. Er wird daher „alle Hebel in Bewegung“ setzen, um den Sachverhalt schon im Vorfeld der eigentlichen Prüfung glaubhaft als „Versehen“ bei den zuständigen Stellen zu thematisieren.

c) Der letzte Rettungsanker: Beihilfenachmeldung bei besonders schwerem Fall der Umsatzsteuerhinterziehung

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Angesichts der üblichen Justizpraxis, bereits bei erschlichener Vorsteuer ab 50.000 € von einer Steuerverkürzung im besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 AO auszugehen, besteht in einer Vielzahl von zumeist „hochpreisigen“ Umsatzsteuerfällen, oftmals schon bei mehreren Beteiligten, jedenfalls aber bei dem Anschein organisierter Strukturen, bereits frühzeitig die Notwendigkeit für den Berater, sich auf den „Kampf um die Bewährung“ einzustellen.

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Fallbeispiel 6:

Ein Unternehmer (U) sieht sich aus einer Betriebsprüfung heraus aufgrund Kontrollmaterials mit dem Vorwurf der Umsatzsteuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall konfrontiert. Er hat über Jahre Altgold bar von verschiedenen Lieferanten angekauft, denen er über den Warenumfang Gutschriften erteilt hatte. Dabei ging er angesichts der Gesamtumstände irgendwann davon aus, dass das Geld nicht bei den eigentlichen Lieferanten verblieb, sondern nach Einbehalt einer „Tätigkeitsvergütung“ über Mittelsmänner an den eigentlichen Eigentümer der Ware, den tatsächlichen Verkäufer, zurückfloss. Neben Altgold kaufte U auch noch andere Metalle an. Die tatsächlichen Lieferanten sollten auch hier unerkannt bleiben. U verbuchte den Wareneinkauf daher aufgrund ihm erteilter Abdeckrechnungen seiner Goldlieferanten.

Problemstellung:


1. Wenn U gleich zu Beginn der Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs der Vorsteuererschleichung in Höhe von einer halben Mio. € die ihm bekannten Zusammenhänge betreffend den eigentlichen Verkäufer und sein Umfeld aufdeckt und gegen Kaution auf freien Fuß kommt, ist zwar eine Teiletappe gewonnen, allerdings weder die Firma gerettet noch Rechtsklarheit erreicht, dass nicht doch eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung nach Abschluss der gesamten Ermittlungen herauskommt.
2.
3. Im Zuge der Ermittlungen gegen den eigentlichen Verkäufer und dessen Umfeld wird sich auch herausstellen, dass die Lieferanten nicht nur Altgold gegen Gutschrift verkauft, sondern auch noch gegen 10 % der Rechnungssumme bereits vorbereitete Einkaufsrechnungen über andere von ihnen tatsächlich nicht gelieferte Waren unterschrieben haben. Dass mit diesen Rechnungen nicht die bisher vermuteten Altgoldankäufe, sondern nur bislang nicht bekannte Warenankäufe „abgedeckt“ worden sein können, würde sich spätestens nach Vernehmungen der in Untersuchungshaft sitzenden Lieferanten herausstellen.

Lösungsansatz:

 

In dem Zeitfenster bis zur Tatentdeckung kann der Berater versuchen, „den Stier bei den Hörnern zu packen“ und für den Mandanten eine Beihilfenachmeldung abgeben. Dabei sind nicht nur die Lieferanten, sondern insbesondere auch Art, Zeitpunkt und Umfang der tatsächlichen „Schwarzankäufe“ detailliert zu benennen. Es empfiehlt sich bei derartigen Konstellationen, die Lieferanten „mitzunehmen“ und, wenn möglich, den Finanzbehörden inhaltlich und zeitlich abgestimmte Nachmeldungen der Beteiligten zukommen zu lassen. Die Lieferanten werden bei Nachzahlung sämtlicher aus den „Schwarzgeschäften“ resultierender Steuerforderungen straffrei, der Unternehmer im Idealfall bei hinreichend detaillierter Sachverhaltsdarstellung wegen des Beihilfevorwurfs ebenso – und zwar auch ohne eigene Steuernachzahlung. Die Risiken einer Qualifizierung als Mittäter (Verlust der für Gehilfen obligatorischen Strafmilderung, § 27 Abs. 2 S. 2 StGB) sowie bei der Sperrwirkung in puncto Tatentdeckung, Verfahrenseinleitung, gerade auch nach neuem Recht, sind nicht zu verhehlen. Deutlich wird aber auch bei fehlgeschlagener Selbstanzeige der Strafmilderungsgrund einer „Drittschadenswiedergutmachung“ durch die Schwarzverkäufer dem Unternehmer zu Gute kommen.

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Hinweis

In komplexen Fallkonstellationen der Umsatzsteuerkriminalität mag in Einzelfällen die „wache Zusammenarbeit“ mit den Ermittlern den Boden bereiten für weitere „Zusatzpunkte“ im Kampf um die Bewährungsstrafe, die der Mandant etwa auch in Form einer wirksamen Beihilfenachmeldung erzielen kann.