Regionalentwicklung

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‚Territoriale Kohäsion‘ als neue Epoche ?

Eine interessante Entwicklung ist mit dem Lissabon-Vertrag von 2008/09 zu verzeichnen: Schon lange war die soziale und ökonomische Kohäsion als übergeordnetes Ziel der europäischen Integration formuliert worden. Nun kommt der territoriale Zusammenhalt hinzu, und zwar als sog. geteilte Kompetenz (EU-Vertrag Art. 174). Dies meint, dass die Europäische Kommission auf diesem Politikfeld ein Mandat ergreifen kann – tut sie dies nicht, so bleibt alles beim Status quo, die Kompetenzen bleiben also bei den Nationalstaaten (s. Faludi 2010). Allerdings ist nicht klar, was denn das Konzept des ,territorialen Zusammenhaltes‘ – die offizielle Übersetzung von territorial cohesion – eigentlich meint, und ob damit auch rechtlich-planerische Kompetenzen gemeint sein könnten.

Im Rahmen eines Grünbuch-Verfahrens wurden von Staaten, Regionen, Interessensvertretern und auch Einzelpersonen Meinungen eingeholt, die im Internet einsehbar sind (Eur-Lex 2009). Ein Grünbuch ist eine Diskussionsgrundlage, um eine beabsichtige Vorordnung oder Richtlinie vorzubereiten, indem politisch Beteiligte und Experten um ihre Meinung gebeten werden. Meist werden dann in einem weiteren Zwischenschritt (dem Weißbuch) die Vorschläge zusammengefasst und weiterentwickelt – was im Fall der territorialen Kohäsion bislang nicht erfolgt ist.

Im Rahmen der Grünbuch-Prozedur haben einige Vertreter im Prinzip den Status-quo als nicht zu verändern angesehen, während andere Vertreter einen räumlich differenzierteren Blick auf den europäischen Raum mit verstärkten Koordinierungs- und Unterstützungsinstrumenten seitens der EU erwarten.

Seit dem Grünbuch-Verfahren ist allerdings nicht viel geschehen: Es ist also nicht nur in der Literatur umstritten, worin denn genau politische Kompetenzen zur Verwirklichung eines ‚territorialen Zusammenhaltes‘ bestehen könnten. Es ist zugleich politisch unklar, wie der weitere Prozess ablaufen wird. Es sind jedenfalls sensible politische Themen auf der Agenda: Neben der Frage, ob es tatsächlich planerische Mandate für die europäische Ebene geben könnte, ist vor allem die Frage von finanzieller Förderfähigkeit in diesem Licht zu sehen. Es ist nicht absehbar und auch umstritten, inwieweit das Postulat der territorialen Kohäsion zu erweiterten europäischen Kompetenzen führen kann (s. Chilla 2012, Böhme & Zillmer 2015).

Beispiel: Die Ems-Aue

Die Ausweisung des Mündungsbereichs der Ems als Schutzgebiet nach europäischer Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist sehr konflikthaft verlaufen, und in diesem Beispiel lassen sich einige typische Argumentationen finden: Umweltverbände befürworteten die Unterschutzstellung, denn sie kritisieren schon seit Jahren den mangelhaften ökologischen Zustand der Ems. Damit (Kreuzfahrt-)Schiffe die Ems passieren können, werden immer wieder Baggerungen und Flussausbauten durchgeführt. Die Ems ersticke im Schlick und viele Fische könnten nicht mehr leben, da ihre typischen Lebensräume wie Flachwasserzonen, Schilfröhrichte und Auwälder stark geschrumpft seien. Durch die FFH-Richtlinie müsste eine Verträglichkeitsprüfung der regelmäßigen Ausbaggerungen durchgeführt und ökologische Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensräume der Fische vollzogen werden.

Die Stadt Papenburg, die Landkreise Emsland und Leer und die Meyer-Werft klagten gegen die Ausweisung des FFH-Gebiets. Sie führten vor allem wirtschaftliche Gründe an, befürchten Einschränkungen der Überführungsmöglichkeiten der von der Meyer-Werft gebauten Kreuzfahrtschiffe und damit erhebliche negative Auswirkungen auf die Hafenstädte an der Ems sowie den lokalen Arbeitsmarkt. Die Werft ist auf die ständigen Baggerarbeiten angewiesen, um ihre groß dimensionierten Kreuzfahrtschiffe vom binnenländischen Papenburg ins seeschifftiefe Wasser zu überführen (s. Abb. 18). Die Klage wurde allerdings vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg abgewiesen. Passend zu diesem Urteil ist die vom Europäischen Gerichtshof getroffene Entscheidung, dass Entwicklungs- und Infrastrukturmaßnahmen die FFH-Gebiete nicht beeinträchtigen dürfen.

Aktuell wurde nun der Masterplan ‚Ems 2050‘ zur Verbesserung des Erhaltungszustandes der Natura 2000-Gebiete an der Ems ausgearbeitet und Anfang 2015 von allen zuständigen Stellen unterschrieben. Da die FFH-Richtlinien lange Zeit nicht beachtet wurden, ist dieser Masterplan die letzte von der Kommission akzeptierte Möglichkeit, das mit hohen Kosten verbundene Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie europäisches Recht konkrete und lokale räumliche Auswirkungen hat. Oft stehen bei den Natura-2000-Gebieten wie in diesem Fall ökologische Argumente dem ökonomischen Nutzen gegenüber (BUND 2010, BUND et al. 2012, Niedersachsen 2015).


Abb. 18 Überführung der Norwegian Breakaway auf der Höhe vom Siel Nüttermoor am 13. 03. 2013 – dazu wurden die Emsauen von der Ledamündung bis Oldersrum mit Seewasser überflutet (© Eilert Voss, Wattenrat)

Die Tatsache, dass auf europäischer Ebene bislang keine rechtlichen Instrumente zur Raumplanung etabliert worden sind, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine fast unübersehbare Vielfalt an rechtlichen Vorgaben aus anderen Bereichen in hohem Maße die Regionalentwicklung durchdringen und überlagern (weiterführend s. Battis & Kersten 2009, Erbguth 2011, Goppel 2011). Dies kann hier nur exemplarisch erfolgen – wir konzentrieren uns im Folgenden auf die Beispiele des europäischen Naturschutzrechts und der Transeuropäischen Netze (TEN).

Natura 2000

Von überraschend großer Rechtswirksamkeit hat sich eine Richtlinie herausgestellt, die seit 1992 gilt und das europäische Naturerbe schützen soll. Gemeinsam mit der Vogelschutz-Richtlinie aus dem Jahr 1979 wird durch diese Richtlinie zum Schutz von Fauna, Flora und Habitaten (FFH) eine umfangreiche Gebietskulisse des europäischen Festlandes und z. T. auch jenseits der Küsten geschützt (Abb. 19). Europaweit sind derzeit 13,9 % der Landfläche geschützt, wobei im dicht besiedelten Deutschland 9,3 % der Fläche erfasst sind, im stark ländlich geprägten Slowenien ist es etwa ein Drittel der Landesfläche (BfN o. J.). Der FFH-Schutz wird in Deutschland zumeist in Form von Naturschutzgebieten umgesetzt. Das europaweite System an FFH-Gebieten wird auch als Natura-2000 bezeichnet.

In rechtlicher Hinsicht ist zunächst bedeutsam, dass in FFH-Gebieten ein sogenanntes Verschlechterungsverbot gilt: Als Qualitätsmerkmal gilt dabei der ökologische Zustand. Die bisherige Nutzung ist insoweit zwar in der Regel nicht betroffen, aber jede Art von Nutzungsänderung (Bauvorhaben, Planungsverfahren) unterliegen recht strengen Prüfungen.

In planerischer Sicht besonders relevant sind die Fälle, in denen konkrete Vorhaben an FFH-Vorgaben gescheitert sind, Trassenvarianten verändert wurden oder wo die Planung erheblich erschwert war. Mal ist es der Feldhamster, der mit dem Braunkohle-Abbau im Konflikt steht, mal die Gelbbauchunke, die einer Umgehungsstraße – und im Zuge des Wachstumsdruck, der auf metropolitanen Räumen lastet, auch Wohngebieten – im Wege steht (Chilla 2006). Dieser auch in der Praxis recht wirksame Schutz war bei der Politikformulierung durchaus gewollt. Aus deutscher Sicht ist allerdings zu vermerken, dass dieses FFH-Recht eine Sonderstellung im Rechtssystem einnimmt, da die im Planungsrecht ansonsten üblichen Ermessenspielräume der Gesamtplanung (von der Landesplanung bis hin zur Bebauungsplanung) deutlich eingeschränkt sind.

Während es auf lokaler Ebene zu vielfältigen Auseinandersetzungen um den FFH-Schutz kommt, so werden die vielfältigen Einzelstandorte auf europäischer Ebene zusammengeführt – dies erfolgt allerdings nicht ‚gebündelt‘ nach Mitgliedsstaaten, sondern innerhalb von sogenannten biogeographischen Regionen: Aufgrund der Tatsache, dass Flora und Fauna nicht an Staatsgrenzen haltmachen, wurden hier neue Bezugsräume etabliert, die ‚quer‘ zu den Nationalstaaten liegen. Deutschland hat Teil an drei Regionen – der atlantischen, kontinentalen und der alpinen Region (s. Abb. 19). Den biogeographischen Regionen ist jeweils ein Gremium zugeordnet, in dem über die Neuausweisung von Gebieten und über die Art des Schutzes beraten wird. Die Zugehörigkeit zu einer biogeographischen Region entscheidet in erheblichem Maße über die Schutzwürdigkeit, denn es kommt auf die spezifischen Arten innerhalb der jeweiligen Region an. Aus biologischer Sicht hat ein solcher Referenzraum zweifellos seine Berechtigung. Aus politischer Sicht ist das Vorgehen ungewöhnlich, da in anderen Politikbereichen Gremien kaum je nach funktionalen Argumenten zusammengesetzt werden (z. B. Agrar- oder Handelspolitik). Die Position der Europäischen Kommission wird bei einem solchen Vorgehen tendenziell gestärkt, da sie eine starke Koordinierungsfunktion bekommt. Insgesamt kann die europäische Naturschutzpolitik als in hohem Maße europäisiertes Politikfeld gelten, das zugleich sehr raumwirksam ist.


Abb. 19 Biogeographische Regionen und FFH-Gebiete in Europa.

Transeuropäische Netze

Ein weiteres sehr raumwirksames Politikfeld stellen die sogenannten Transeuropäischen Netze – abgekürzt TEN – dar. Sie stellen für verschiedene Typen an Infrastrukturen im Prinzip Entwicklungskorridore dar. Das können Straßen-, Eisenbahn- und Wasserstraßennetze sein, aber auch Energie- und Telekommunikationsnetze. Besonders prominent sind die Vorgaben für die Schnellzugverbindung, die sogenannte TEN-T (trans-European transport network, s. Abb. 20). Dieses TEN ist zwar keine rechtliche Vorgabe im engeren Sinne: Die Planungshoheit der EU-Mitgliedsstaaten wird hier formal gesehen nicht berührt. Neben einer gewissen Selbstverpflichtung durch die Zustimmung zu den TEN ist in den mitgliedsstaatlichen Planungsverfahren aber auch die anteilige Finanzierung von Planungen von nicht zu unterschätzendem Gewicht, hinzu kommen häufig finanzielle Unterstützungen aus der europäischen Regionalförderung. Obwohl also die TEN-Karten aussehen wie Planungsvorgaben, sind sie eher als finanzielles oder persuasives Instrument anzusehen (hierzu s. Kap. 2.2, 2.3).

 

Abb. 20 Überblick über die Transport-Korridore der TEN-T-Politik (verändert nach KOM 2013a)

Beispiel: TEN-Verbindung Köln–Frankfurt

Die 175 km lange und sechs Milliarden teure ICE-Trasse zwischen Köln und Frankfurt a. M. wurde im Jahr 2002 nach siebenjähriger Bauzeit eröffnet. Die Kosten trugen im Wesentlichen die DB AG und der Bund; die TEN-Mittel von Seiten der EU waren mit rund 125 Mio. Euro vergleichsweise gering. Die Strecke verläuft über weite Strecken parallel zur Bundesautobahn 3. Auf der Bahntrasse können Höchstgeschwindigkeitszüge mit bis zu 300 km/h fahren – so schnell wie kein Zug zuvor in Deutschland. Dadurch wurde die Reisezeit zwischen Köln Hbf und Frankfurt Hbf um eineinhalb Stunden auf rund 70 Minuten verkürzt und stellt damit die schnellste Verbindung zwischen dem Rhein-Ruhr- und dem Rhein-Main-Gebiet dar.

Die ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt a. M. gehört zum Rhein-Alpen-Korridor (s. Abb. 20) und damit zu den meist genutzten Schienenverkehrsachsen Europas. Er verläuft von den Nordseehäfen in Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam entlang des Rheintals über Köln und Frankfurt durch die Schweiz nach Mailand bis in den Süden Europas an den Hafen von Genua. Damit stellt dieser Korridor eine Verbindung zwischen den wichtigen ökonomischen und größeren Agglomerationen dar (Rhein-Ruhr, Rhein-Main-Neckar, Mailand). Dieser Streckenabschnitt ist damit auch ein wichtiger Baustein des Hochgeschwindigkeitsnetzes zwischen den Metropolen Paris, Brüssel, Köln/Frankfurt, Amsterdam und London (PBKAL-Projekt). Die Europäische Union verspricht sich dadurch neue Impulse für den Eisenbahnpersonenverkehr und Wettbewerbsvorteile gegenüber der Straße bzw. dem Luftverkehr, was letztendlich zu einem ökologisch verträglicheren und insgesamt effizienteren Verkehrssystem in Europa beitragen soll (KOM 2002,Deutscher Bundestag 2003).


Abb. 21 Parallelfahrt auf der Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main anlässlich der Eröffnung am 25. 07. 2002

(Foto: Thomas Herter/Deutsche Bahn AG)

Die Umsetzung der TEN-Politik gilt als eher zäh, die ambitionierten Zeitpläne werden immer wieder angepasst. Dies ist aufgrund der Kostenintensität und Komplexität dieser großen Vorhaben auch nicht überraschend, obliegt die Hauptfinanzierung doch den Mitgliedsstaaten selbst. Doch bei all der Kritik ist doch der Einfluss der europäischen Transportpolitik nicht von der Hand zu weisen. Nur zwei Beispiele: Der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes, der unter dem Begriff Stuttgart 21 ja erhebliche Aufmerksamkeit bekommen hat, ist in die europäische TEN-Politik eingebunden, auch die bereits umgesetzte Zug-Schnellverbindung zwischen Köln und Frankfurt ist ein typischer Baustein der TEN-Politik.

Dabei sind die Auswirkungen der TEN-Politik aber nicht umstritten: Es ist für die europäische Raumentwicklung zunächst zweifellos wünschenswert, dass die großen Metropolen ‚näher aneinanderrücken‘. Dies erleichtert wirtschaftlichen Austausch und bringt langfristig wohl auch die Bürger aus den vielen europäischen Ländern einander näher. Nicht zuletzt hilft dieses Angebot bei der Vermeidung von Kurzstreckenflügen, die einen besonders hohen CO2-Ausstoß aufweisen. Allerdings kann dieser Metropolenfokus auch kritisch gesehen werden, wenn ländliche Räume hierbei zum Zwischen- oder Transitraum degradiert werden. Dies wäre dann zu befürchten, wenn beispielsweise der schienengebundene Regionalverkehr aufgrund von zunehmenden Schnellverbindungen häufiger warten muss; oder auch wenn sich die Standortfaktoren für wirtschaftliche Aktivität stark zugunsten von Metropolen verschieben. Diese Diskussion ist nicht eindeutig zu entscheiden – aber auch in diesem Fall gilt: Jedes Instrument der Regionalentwicklung ist mit Bedacht und räumlich differenziert einzusetzen.

Koordinierungsbedarf ?

Naturschutz- und Transportpolitik sind nur zwei Beispiele für Sektorpolitiken, wo durch europarechtliche Einflüsse die nationalen und regionalen Spielräume erheblich beschränkt werden. Indem aber zugleich kein europäisches Mandat für Raumplanung vorliegt, besteht hier auch keinerlei Koordinierungsstelle auf europäischer Ebene. Daher wird von einigen gefordert, dass bei europarechtlichen Initiativen eine ‚räumliche Erheblichkeitsuntersuchung‘ (territorial impact assessment) erfolgen solle. Darüber hinaus wird gefordert, dass gerade die vielfältigen indirekten Einflüsse ein Argument für eine europäische Planungskompetenz seien. Dem wird entgegengehalten, dass die Koordinierung durchaus mittels der mitgliedsstaatlichen Raumordnungen erfolgen kann und dass eine zusätzliche Ebene eher zu zunehmender Komplexität führen könnte.


Tab. 6 Gründe für und wider ein europäisches Mandat für Raumordnung (verändert nach Dühr et al. 2010: 11)
ProContra
RaumpolitikViele europäische Politikbereiche sind raumwirksam und stellen somit eine ‚faktische‘ Raumpolitik dar. Diese Raumwirksamkeit sollte frühzeitig reflektiert und koordiniert werden.Die räumlichen Dimensionen der einzelnen Fachpolitiken können innerhalb der Fachbereiche durch nicht-planerische Instrumente ausreichend geregelt werden. Die raumplanerische Koordination kann auf nationalen und niedrigeren Ebenen vollzogen werden. Zudem besteht die Gefahr der Bürokratisierung.
Räumliche GerechtigkeitWirtschaftliche Integration führt zu verstärkter räumlicher Konzentrationen von ökonomischen Aktivitäten und damit zu Disparitäten. Gemeinsame räumliche Planung stellt ein Instrument zur ausgeglichenen räumlichen Entwicklung dar.Im globalen Wettbewerb können nicht alle Regionen gleich erfolgreich sein; zudem: ökonomisch erfolgreiche Zentren strahlen in benachbarte Regionen aus. Räumliche Planung hätte nur einen begrenzten Einfluss auf die Lokalisation von Wirtschaftsaktivität. Allenfalls kommt der Regionalpolitik mit ihren finanziellen Förderinstrumenten die Aufgabe zu, die räumliche Ausgewogenheit zu fördern.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und SubsidiaritätGlobalisierung und vernetzte Gesellschaften schwächen die Nationalstaaten zunehmend. Neue Formen territorialer Governance sind daher notwendig für einen effektiveren Umgang mit den funktional begründeten Regionsabgrenzungen. Daher ist die Vermutung, dass im Zweifelsfall die untere Ebene die besser geeignete ist, abwegig.Nationalstaaten spielen weiterhin die entscheidende Rolle – gerade in der Raumplanung – um demokratisch legitimierte Eingriffe zu verantworten. Auch weil die Kenntnis der regionalen Verhältnisse vor Ort am besten ist, sind im Zweifel kleinräumige Zuständigkeiten besser geeignet, und zwischenstaatliche Kooperationen reichen aus, um mit transnationalen Angelegenheiten umzugehen.
Nichttarifäre HandelshemmnisseUnterschiedliche räumliche Planungssysteme können den Markt verzerren und bei Investitionen auch den Aufwand (Transaktionskosten) erhöhen – daher ist ein gewisses Maß an Harmonisierung der Raumplanung notwendig.Die Harmonisierung/Angleichung grundlegender Standards wurde bereits durch die verschiedenen Fachpolitiken erreicht. In der Raumplanung kommt es vor allem auf eine angemessene Koordinierungsleistung vor Ort an, nicht um europäische Standards, die womöglich mehr Bürokratie bedeuten.

Insgesamt ist die Diskussion um europäische Planung weiterhin offen. Tab. 6 zeigt, welche Argumente hierbei besondere Bedeutung haben.

2.1.2Bundesebene

Im föderalen System Deutschlands sind im Hinblick auf die Planung die wesentlichen Kompetenzen auf der Länderebene angesiedelt. Zwar gibt es durchaus bundesrechtliche Vorgaben, wie insbesondere das Raumordnungsgesetz (ROG). Dieses wird aber wenig konkret: Neben dem formalen Rahmen, der die Organisation der Landesplanung ungefähr vorgibt, werden die übergeordneten Ziele und Leitvorstellungen formuliert. Der abstrakte Charakter vieler Dokumente auf Bundesebene darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es durchaus eine gewisse Wirkmächtigkeit gibt – dies sei am Beispiel der Leitbilder-Diskussion sowie der sogenannten Europäischen Metropolregionen illustriert. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der Bund in einzelnen Rechtsmaterien ausnahmsweise und punktuelle Kompetenzen hat – dies gilt etwa für küstennahe Meereszonen und für Netzausbau-Planungen im Zuge der Energiewende (Priebs 2013: 75 f.)

Leitbilder und Handlungsstrategien der Raumordnung

Zur gemeinsamen Ausrichtung und Ausgestaltung der Raumordnung von Bund und Ländern hat die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) nach einem mehrjährigen fachlichen und politischen Diskussionsprozess im Jahr 2006 „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“ verabschiedet. Die Ministerkonferenz setzt sich zusammen aus Vertretern aller Bundesländer und einem Bundesvertreter. Die Leitbilder konkretisieren die §§ 1 und 2 ROG, haben aber einen rein empfehlenden Charakter. Vor diesem Hintergrund sind sie eigentlich kein rechtliches Instrument im engeren Sinne, sondern sind zumindest auch als persuasives Instrumentarium anzusehen. Sie richten sich an raumplanerische Entscheidungsträger in Bund und Ländern sowie regionale Planungsträger, Gemeinden und Entscheidungsträger raumwirksamer Fachpolitiken, wie z. B. Verkehr und Energie.

Neben dem 1. Leitbild mit dem Titel „Wachstum und Innovation“, das die Metropolregionen verankert, sind zudem Leitbild 2 „Daseinsvorsorge sichern“ (Infrastrukturversorgung zur Erhaltung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen) und Leitbild 3 „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“ verabschiedet worden (ausf. zur Gleichwertigkeit s. Kap. 3.2). Alle drei Leitbilder sollen gleichrangig nebeneinanderstehen. Neben einer inhaltlichen Beschreibung der Leitbilder wurden diese auch durch Karten illustriert (BMVBS 2006). Vor allem in der Zeit nach der Veröffentlichung der Leitbilder wurden diese in der Wissenschaft stark diskutiert (z. B. Aring & Sinz 2006, Blotevogel 2006, Knieling 2006, Lutter 2006) und später auch deren Umsetzung analysiert (z. B. Issaoui & Sinz 2010). Insgesamt wurden die Leitbilder recht positiv beurteilt. Allenfalls die deutliche Wachstumsorientierung (1. Leitbild) und eine mögliche einseitige Fokussierung auf Metropolregionen (nach dem Motto ‚die Starken stärken‘) wurde in der Öffentlichkeit, aber auch in Sektorpolitiken wie der Agrarpolitik, kritisch diskutiert.

Die Ministerkonferenz für Raumordnung hat sich inzwischen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen (wie z. B. demographischer Wandel, Klimawandel und Energiewende) entschlossen, die Leitbilder aus dem Jahr 2006 weiterzuentwickeln und zu konkretisieren (BMVI 2015). Dazu veröffentlichte die MKRO im Juni 2013 einen Entwurf, nach dem die Leitbilder nun unter folgenden Titeln bestehen: 1. Leitbild „Wettbewerbsfähigkeit stärken“, 2. Leitbild „Daseinsvorsorge sichern“ und Leitbild 3 „Raumnutzung steuern“.

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