Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien

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6.1 Themenfindung und Anlässe – Einstiege

Der Einstieg in einen curricular vorgegebenen, also letztlich fremdorganisierten Kompetenzentwicklungsprozess (vgl. Kapitel 2) stellt unter pädagogischen und motivationspsychologischen Gesichtspunkten immer eine komplexe Herausforderung dar. Einstiege werden nicht umsonst besonders kritisch beäugt, wenn Lehrkräfte eine Unterrichtsstunde vorführen und von Dritten bewertet werden. Es geht im Einstieg zu einer Lernsituation darum, die Lerner*innen auf die Lernarbeit und das Thema einzustimmen. Der Einstieg hat hier grundsätzlich verschiedene Funktionen zu erfüllen. Ein wesentliches Ziel besteht darin, eine Verknüpfung mit bereits bekannten Inhalten, Verfahren und Erfahrungen herzustellen, die die Lerner*innen motivieren und gleichzeitig auch orientieren soll. Zusätzlich soll der Einstieg Sinn stiften und Assoziationen erzeugen. In einer Lerngruppe mit 20 oder mehr Lerner*innen sind dabei in der Regel sehr unterschiedliche Erfahrungswelten und Befindlichkeiten zu berücksichtigen, was eine komplexe soziale Situation erzeugt. Der Einstieg in eine designorientierte Lehrgangsorganisation ist dagegen relativ einfach. Er findet über die Themenfindung statt und lässt sich mit geringem Aufwand in die jeweilige Lernsituation integrieren. Die Herausforderungen sind eher praktischer Natur, wenn es beispielsweise um Fragen der Organisation geht. Für die Themenfindung bieten sich drei mögliche Einbettungsszenarien an:

1. Die Themen werden im Rahmen der Lernsituation sukzessive gefunden und an ausgewählte Lerner*innen vergeben.

2. Die Themenfindung markiert den Abschluss der Arbeit in einer Lernsituation. Die gesamte Lerngruppe diskutiert mögliche Themen und verteilt sie auf ausgewählte Lerner*innen.

3. Auch eine Mischform der beiden erstgenannten Varianten ist möglich. Hier werden die Themen von der Lerngruppe prozessual in einem digitalen Themenspeicher notiert, kommentiert und diskutiert und später im Plenum final verteilt.

[51] Alle drei Varianten können durch die Nutzung verschiedener digitaler Werkzeuge unterstützt werden. Dass Feedback-Tool Answergarden oder die Kartenabfrage von Oncoo eigenen sich in der Phase Themenfindung besonders. Alternativ kann man auch mit Google Docs arbeiten. Alle Lerner*innen können dann ihre Ideen für mögliche Themen posten. Dabei muss die Veranstaltung nicht unterbrochen werden, denn mit Hilfe der Tools können die Ideen im Hintergrund dokumentiert werden. So wird eine assoziative Ideenfindung möglich. Zusätzlich können sich in diesem kreativen Prozess auch Teams finden, die die einzelnen Themen später in den jeweiligen Projekten umsetzen.

Designprojekte setzen auf einem eher konventionellen Einstieg in die jeweilige Lernsituation auf. Über die Aussicht auf den Design- bzw. Produktionsprozess wirken Designprojekte dabei häufig zusätzlich aktivierend: In der Praxis kann beobachtet werden, dass die Aussicht auf den Design- bzw. Produktentwicklungsprozess einen weniger gut gelungenen konventionellen Einstieg in eine Lernsituation ‚retten‘ kann. Die resultierende Motivlage lässt sich am ehesten mit der Produktorientierung des Designprozesses erklären (vgl. Kapitel 2). Zusätzlich bietet der Designprozess die Möglichkeit, drei benotete oder unbenotete Feedbackprozesse in die Lernsituation zu integrieren, indem das Manuskript, das Audio und der finale Film bewertet werden können. Die Aussicht auf diese Feedbackprozesse wirkt dann zusätzlich extrinsisch aktivierend. Mit Blick auf die kognitiven Entwicklungsprozesse hat die Themenfindung in Designprojekten zwei weitere wichtige Funktionen:

1. Die Themenfindung schafft eine reflexive Lernumgebung. Sie entschleunigt die konventionellen Lern- und Vermittlungsprozesse, weil man innehalten muss, um die Themen einzugrenzen.

2. Die Themenfindung schafft Anlässe zur Wiederholung von Detailthemen und leistet damit einen Beitrag dazu, dass sich ein tiefergehendes Verständnis von den Inhalten entwickeln kann und die Behaltensleistung erwartbar gesteigert wird.

Designprojekte finden nie voraussetzungslos statt. Erfahrungen aus über 500 durchgeführten Designprojekten mit unterschiedlichen Lerngruppen zeigen, dass praktisch immer die Gefahr besteht, dass Lerner*innen mit der Doppelbelastung – inhaltliche Einarbeitung in ein neues Thema und Produktion eines Films in einem Designprojekt – überfordert sind. Designprojekte runden bzw. schließen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Themenkomplex bzw. einer Lernsituation daher häufig ab. Es geht dabei final immer auch um Bewusstwerdung, Reflexion, Vertiefung und Sicherung. Der Filmschnitt steht am Ende der Lernsituation, [52] weil erst dann die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dass der Film inhaltlich korrekt entwickelt, geschnitten, annotiert und animiert werden kann. In der Regel wird ein spezieller Projekttag für den Filmschnitt reserviert. Die verschiedenen Filme entstehen dann in einer arbeitsteiligen Gruppenarbeit an diesem speziellen Projekttag. Es gibt also nicht das Designprojekt, sondern viele Mikro-Designprojekte zu unterschiedlichen Detailthemen einer größeren Lernsituation. Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen bieten zahllose Möglichkeiten zur Themenfindung. Die Herausforderung besteht zum einen darin innezuhalten, wenn sich ein Thema ergibt. Zum anderen muss das Thema eingegrenzt und fokussiert werden. Wenn die verschiedenen Designprojekte abgeschlossen wurden, gibt in der Regel nur die Aggregation der Teilprojekte bzw. der verschiedenen Handlungsprodukte aus den Teilprojekten einen Gesamtüberblick über die jeweilige Lernsituation. Jedes Teilprojekt endet ansonsten mit einem speziellen, mehr oder weniger isolierten Teilhandlungsprodukt. Für Nichtfachleute ist es häufig sogar schwierig, das jeweilige Teilhandlungsprodukt ohne Vorwissen zu verstehen. Das Vorwissen kann aber in der Regel aus anderen Teilhandlungsprodukten bezogen werden. Abbildung 6 zeigt, dass jedes Teilhandlungsprodukt bzw. jedes Designprojekt thematisch eine bestimmte inhaltliche Komponente der mehr oder weniger komplexen Lernsituation fokussiert.

Die Kunst besteht darin, die richtigen Mikrothemen für die Designprojekte zu identifizieren, sie an die Lerngruppe weiterzugeben und diesen Prozess in einem Themenspeicher transparent zu dokumentieren. Die Aufteilung in Mikroprojekte entspricht der Anforderung, dass Kurzfilme inhaltlich maximal fokussiert sein sollten, damit sie Nachnutzungsprozesse passgenau unterstützen können (vgl. Kapitel 4). [53] Die finalen Handlungsprodukte beantworten entsprechend in der Regel eine spezielle Frage bzw. beschäftigen sich mit einem Detail (vgl. Abbildung 6). Der Fokus liegt auf inhaltlicher Tiefe und auf Qualität (vgl. Kapitel 4). Abbildung 6 visualisiert exemplarisch, dass in der vorliegenden Lernsituation drei Projektteams drei Detailthemen in drei Designprojekten umsetzten. Die Aggregation der finalen Filme in einem Lernmanagement-System oder in einer Playlist in einem Youtube-Kanal schafft später den Gesamtüberblick über die Lernsituation. Bei den einzelnen Designprojekten handelt es sich um Mikroprojekte, die zu einem größeren thematischen Zusammenhang bzw. zu einer größeren Lernsituation gehören.


Abbildung 6: Eine Lernsituation, verschiedene Designprojekte. Eigene Darstellung.

Designprojekte lassen sich grundsätzlich in jede Lernsituation integrieren. Wenn die Auseinandersetzung mit den Inhalten didaktisch bereits projektorientiert angelegt ist, integrieren sich die Designprojekte als Projekte im Projekt ebenso, wie wenn die Auseinandersetzung mit den Inhalten durch einen Vortrag der Lehrkraft initiiert wird. Entscheidend ist, dass man die Designprojekte als Lehrkraft so platziert, dass sie als arbeitsteiliges Gruppenerlebnis empfunden und bearbeitet werden können. Designprojekte benötigen praktisch immer einen Zeitraum von mehreren Tagen, die durch klar definierte Termine für die einzelnen Projektschritte strukturiert werden. Teilweise können einzelne Prozessschritte auch außerhalb der Lernsituation stattfinden oder ganz entfallen (vgl. Kapitel 6.4). Es kommt entscheidend darauf an, dass die verschiedenen Designprojekte von den Lehrkräften zeitstrukturell, inhaltlich und organisatorisch passgenau moderiert werden, da ansonsten sowohl die Lehrkräfte als auch die Lerner*innen den Überblick verlieren können. Daher sind Designprojekte in der Vorbereitung für die Lehrkräfte aufwändig und können scheitern, wenn sie unzureichend moderiert und [54] organisiert werden. Tabelle 4 zeigt ein in der Praxis erprobtes Organisationsinstrument für Designprojekte. Die Tabelle bildet die Organisationsstruktur für vier verschiedene Designprojekte/Themen (DP1 bis DP4) in der Klasse 20A exemplarisch ab. Mit dem Instrument können die Leistungen von vier Lerner*innen bzw. Lerngruppen (S1–S4) in den Phasen Manuskript, Deklamation und Filmschnitt dokumentiert werden. Die Tabelle zeigt außerdem die zeitliche Organisation: Das Manuskript soll am Tag aa vorliegen; die Deklamation findet am Tag bb statt und der finale Filmschnitt wird am Tag cc durchgeführt.

Tabelle 4: Organisationsinstrument für Designprojekte (vgl. www.Designorientierung.de/praxis)


Projekt Nr. Nach-name Email Klasse Mauskript Note Audio/Dekla-mation Note Film/Schnitt Note Ge-samt-note
DPI S1 S1@kfz4me.de 20A aa.yy.zz bb.yy.zz:11 Uhr cc.yy.zz
DP2 S2 S2@kfz4me.de 20A aa.yy.zz bb.yy.zz:11 Uhr cc.yy.zz
COPD S3 S3@kfz4me.de 20A aa.yy.zz bb.yy.zz:11 Uhr cc.yy.zz
DP4 S4 S4@kfZ4me.de 20A aa.yy.zz bb.yy.zz:11 Uhr cc.yy.zz

Grundsätzlich bieten Prozessdokumentationen, Maschinendokumentationen und Bedienungsanleitungen, Theorievertiefungen und freie Projekte besonders gute Bedingungen dafür, Designprojekte zu platzieren:

 

1. Prozessdokumentationen bieten sich als Format besonders dann an, wenn operative Handlungsschemata dokumentiert und in Prozessen (Produktion, Arbeit, Lernen etc.) eingeschliffen werden sollen. Ob es sich um das Lösen einer Mathematikaufgabe handelt, bei der die Lösung Schritt für Schritt entsteht bzw. erläutert wird, oder Lerner*innen erklären, wie man die Batterie eines Fahrzeugschlüssels wechselt: Prozesse lassen sich über annotierte Bildfolgen gut visualisieren. Prozessdokumentationen eigenen sich deshalb besonders gut für Designprojekte. Sie haben im Format Tutorial zudem eine hohe Praxisrelevanz.

2. Bedienungsanleitungen und Maschinendokumentationen: Wer kennt das nicht? Sie haben als Lehrkraft spezielle Experimente in einem Labor entwickelt. Die Experimente können von den Lerner*innen grundsätzlich eigenständig durchgeführt werden; die Ausstattung dafür steht zur Verfügung. Für die Durchführung müssen allerdings verschiedene Geräte, z. B. Messgeräte, eingesetzt und bedient werden. Die Experimente werden in jedem Jahr turnusmäßig durchgeführt und die Handhabung der Geräte muss entsprechend in jedem Jahr neu erklärt werden. Designprojekte können hier Bedienung und Funktion von Geräten filmisch dokumentieren. Entsprechende Designprojekte sind auch deswegen interessant, weil in der Regel problemlos rechtssichere visuelle Medien (Bilder und Stummfilme) erzeugt werden können. Dadurch, dass die Gerätschaften real vorhanden sind, können sie einfach visuell dokumentiert werden. Wenn die Designprojekte gut dokumentiert vorliegen, können sie in ähnlichen Projekten von Zeit zu Zeit einem Re-Design-Prozess unterzogen werden. Oft bringen Lerner*innen immer wieder neue Perspektiven in den Beschreibungsprozess ein. Dadurch lassen sich auch die Nähe zum Inhalt und die damit einhergehende didaktische Reduktion und Selbstverständlichkeit, [55] die eine Lehrkraft zwangsläufig im Laufe der Jahre entwickelt, elegant auflösen. Nicht zuletzt können die Lerner*innen sich die entsprechenden Dokumentationen beliebig oft ansehen und damit Inhalte unabhängig nacharbeiten, wenn sie etwas verpasst haben. Hier zeigt sich eine besondere Stärke des Konzepts. Da sich die Handlungsprodukte aus den Designprojekten in der Regel direkt auf die Gegenstände der realen Lernumgebung beziehen, wird eine Nachnutzung nicht nur wahrscheinlicher, sie wird auch effizienter, weil die Lerner*innen visuelle Bezüge herstellen und Assoziationen geweckt werden. Über entsprechende Marker, z. B. QR-Codes, können die Nachnutzungsprozesse zusätzlich initiiert und strukturiert werden.

3. Vertiefung von speziellen Inhalten: Klassische Lernprojekte haben das Problem, dass aus der Selbststeuerung der Lernprozesse heraus keine bzw. unzureichend viele Übungs- bzw. Vertiefungsphasen implementiert werden. Kompetenzentwicklung ist aber auch darauf angewiesen, dass Dinge gewusst bzw. gekonnt werden. So werden Lerner*innen, die die Fachsprache zu einem Thema nicht beherrschen, kaum eine Chance haben, einem Fachgespräch zu folgen, Zusammenhänge zu verstehen und operativ tätig zu werden. Auch Frontalvorträge aus Präsenzlehrveranstaltungen können kaum richtig im eigenen Denken und Handeln verortet werden. Um in der Systematik der Referenztheorie zur Kompetenzbeurteilung zu bleiben: Nur wer die niederen Produktivitätsformen des Wissens (Fachbegriffe, Normenwissen etc.) beherrscht, kann sich wirklich sinnvoll und effizient mit den höherwertigen Produktivitätsformen (Kognitionen, Reflexionen) auseinandersetzten (vgl. auch Kapitel 7). Designprojekte bieten hier interessante Möglichkeiten. Das didaktische Szenario kann zum Beispiel auf die Phasen Manuskript und Deklamation verzichten und direkt mit der Phase Filmschnitt starten. Dies etwa dann, wenn zeitliche Ressourcen knapp sind. Die Lerner*innen erhalten dann ein Audio, das aus einem Vorgängerprojekt stammt oder vom Lehrpersonal selbst produziert wurde. Das Audio fasst inhaltlich z. B. wichtige Ergebnisse aus einem durchgeführten Projekt zusammen. Die Aufgabe der Lerner*innen besteht nun darin, einen Film zu fertigen (vgl. Kapitel 6.4). Bei der Arbeit werden dem Audio dann die visuellen Medien zugeordnet. Anschließend wird der fertig synchronisierte Film annotiert. In diesem Matchingprozess (Audio – Bild) wird das Audio mehrfach gehört und die Lerner*innen vertiefen, wiederholen und vernetzen dann über den Filmschnitt die Inhalte.

4. Das freie Projekt stellt dann, und nur dann, den Königsweg dar, wenn eine leistungsstarke Lerngruppe bereits mit Designprojekten vertraut ist. In freien Projekten werden die Inhalte innerhalb der curricularen Grenzen freigegeben (Selbstorganisation), d. h. die Lerner*innen wählen ihr Thema selbst aus (vgl. Kapitel 2). [56] Freie Projekte sind deswegen so interessant, weil man hier die Verantwortung für den Lernprozess komplett in die Hände der Lerner*innen gibt. Sie stellen allerdings komplexe Herausforderungen sowohl an die Lerner*innen als auch an die Lehrkräfte. Neben der selbstgesteuerten Auseinandersetzung mit den Inhalten gibt es die besondere Herausforderung, dass sich die Lerner*innen die visuellen Medien für das Projekt selbst zusammenstellen müssen. Sie sind entsprechend nur dann sinnvoll, wenn die Lerner*innen fundierte Kenntnisse zu allen Phasen von Designprojekten besitzen und auch die pädagogischen und rechtlichen Implikationen der einzelnen Phasen verstehen und einordnen können.

Häufig lösen visuelle Medien (Fotos, Abbildungen, Stummfilme etc.), die in der jeweiligen Lernsituation Verwendung finden, den Themenfindungsprozess aus. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass bereits visuelle Medien vorliegen, an denen sich der Schreibprozess in der Phase Manuskript orientieren kann. Im weiteren Verlauf kann das visuelle Material dann auch genutzt werden, um den Filmschnitt vorzunehmen (vgl. Kapitel 6.4). Visuelle Medien haben entsprechend eine wichtige Funktion in Designprojekten. Leider ist der Umgang mit visuellen Medien nicht unproblematisch. Urheberrechte, Nutzungs- und Persönlichkeitsrechte sowie Markenrechte sorgen oft für Unklarheit. Was bei der Medienwahl beachtet werden muss, wird in den folgenden Abschnitten thematisiert.

Medienrechtliche Hinweise für die Praxis – Umgang mit Fremdmedien

Designprojekte werden technisch umgesetzt, indem ein produziertes Audio mit visuellen Medien und Annotationen bzw. Beschriftungen angereichert wird (vgl. Kapitel 6.4). Für die Umsetzung in ein audiovisuelles Filmprojekt werden daher visuelle Medien wie Stummfilme, Fotos, Grafiken, Abbildungen, technische Zeichnungen, Screenshots etc. benötigt. Visuelle Medien haben in Designprojekten darüber hinaus noch weitere zentrale Funktionen: Sie initiieren und strukturieren zum einen den Schreibprozess in der Phase Manuskript (vgl. Kapitel 6.2), zum anderen sind sie häufig der entscheidende Impulsgeber bei der Themenfindung. Die Frage danach, welche Medien in Designprojekten Verwendung finden können, ist allerdings oft schwer zu beantworten. In den folgenden Abschnitten geht es daher einerseits um die Frage, was beachtet werden muss, wenn Fremdmedien in Designprojekten verwendet werden sollen. Andererseits wird erläutert, welche Anforderungen die Produkte aus Designprojekten erfüllen müssen, wenn sie selbst veröffentlicht werden sollen. Die Rechtsfigur hat bei der Entwicklung und Veröffentlichung von Werken im Kontext von Bildungsprojekten eine zentrale, geradezu existenzielle, Bedeutung, insbesondere gilt dies für die Veröffentlichung [57] von Produktionen, die Werke fremder Urheber integrieren. Designprojekte fordern zudem in Übereinstimmung mit der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ ausdrücklich dazu auf, den Umgang mit urheberrechtlichen, medienrechtlichen und medienethischen Fragestellungen zu thematisieren (vgl. Kapitel 1). Bevor mit der Implementierung von Designprojekten begonnen wird, sollten daher restriktive Grundsätze zur Einbindung von Medien im Allgemeinen und Fremdmedien im Speziellen erarbeitet, besprochen und mit der Lerngruppe vereinbart werden. Eine abschließende Klärung im juristischen Sinn ist dabei allerdings ausgeschlossen, da die Materie häufig zu komplex ist. Im Kontext von Design- bzw. Bildungsprojekten geht es entsprechend darum, Wege aufzuzeigen, wie man Medien als Lehrkraft so einsetzen kann, dass keine offensichtlichen Rechtsverstöße begangen werden. Die folgenden Ausführungen sollen vor diesem Hintergrund einen Beitrag dazu leisten, dass Lerngruppen mit dem Thema bzw. mit der Komplexität des Themas vertraut gemacht werden können. Sie können und dürfen keine Rechtsberatung im engeren Sinn darstellen. Es geht um die Aufarbeitung von Fragen, die sich im Kontext didaktischer Überlegungen ergeben, um Regeln bzw. Hinweise, die sicherstellen, dass maximale Rechtssicherheit besteht. Es geht um Tipps für die Praxis. Auf der Website www.designorientierung.de/praxis findet sich eine PowerPoint-Präsentation zum Thema, die genutzt werden kann, um das Thema mit Lerngruppen zu besprechen.

1. Praxistipp: Wenn die nutzungsrechtliche Situation zu einem Medium nicht eindeutig geklärt werden kann, sollte auf das Medium verzichtet werden.

Im Kontext von Designprojekten geht es regelmäßig darum, zu entscheiden, ob ein bestimmtes visuelles oder auch auditives Medium genutzt werden kann oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage ist besonders schwierig, wenn die Medien, die eingebunden werden sollen, nicht von der Lerngruppe selbst entwickelt worden sind. Da die Sachlage häufig kompliziert und oft nicht eindeutig ist, gilt als oberste Regel, dass man im Zweifel auf das Medium verzichten sollte. Es empfiehlt sich ausschließlich Medien zu verwenden, an denen man entweder selbst alle Rechte hat, oder Medien, an denen die Mitglieder der Lerngruppe – ggfs. durch eine entsprechende Übertragung der Nutzungsrechte auf die Lehrkraft oder die jeweilige Institution – alle Rechte haben. Weiterhin sollte dafür gesorgt werden, dass die verwendeten Medien keine Personen, Markennamen und Logos zeigen, und auch die örtlichen Bezüge in den Medien unkenntlich gemacht werden. Die Medien sollten also komplett entpersonalisiert sein und keine Hinweise auf Marken, Labels oder Orte bieten.

 

[58] Teilweise ist der Einsatz von Fremdmedien gewünscht bzw. unvermeidlich. Gründe dafür gibt es viele, beispielsweise Zeitersparnis. So kann es sehr aufwändig sein, eine bestimmte Grafik selbst zu entwickeln oder ein bestimmtes Foto zu machen. Wenn Fremdmedien eingesetzt werden, ist in jedem einzelnen Fall zu recherchieren und zu klären, unter welchen Bedingungen das jeweilige Medium genutzt werden darf. Es geht dabei neben den Nutzungsrechten selbst immer auch um Persönlichkeitsrechte sowie markenrechtliche und medienethische Fragestellungen.

Bevor geklärt wird, welche Medien für Entwicklungsarbeiten im Kontext von Designprojekten genutzt werden dürfen und unter welchen Bedingungen dies passieren kann, ist es sinnvoll, sich den Zusammenhang zwischen Urheberrecht und Nutzungsrecht klar zu machen. Jedes Werk, das erstellt wird und erstellt wurde, ist im bundesdeutschen Rechtssystem ab dem Moment seiner Erstellung urheberrechtlich geschützt. Die Werke stehen somit zunächst unter einem restriktiven Kopier- und Bearbeitungsschutz. Die Urheber*innen haben aber die Möglichkeit ihre Werke zu lizenzieren. Lizenzieren bedeutet, dass man die Bedingungen zur Nutzung des eigenen Werks definiert. Dazu werden Nutzungsbedingungen formuliert, die im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zum Sachthema mehr oder weniger frei bestimmt werden können. Es gibt zahlreiche standardisierte Formen der Lizenzierung. Entsprechend vielfältig und komplex ist das Lizenzrecht an dieser Stelle, so dass es auch Jurist*innen immer wieder vor Herausforderungen stellt.


Abbildung 7: Plattformen, die Creative Commons unterstützen. Quelle: https://creativecommons.org/about/platform/ [Zugriff: 06-01-2020]. Bildschirmkopie.

2. Praxistipp: Die Creative-Commons-Lizenzbedingungen eignen sich für die Nutzung in Designprojekten.

[59] Es ist bereits angeklungen, dass es auch standardisierte Lizenzen für die Organisation von Nutzungsrechten gibt. Für die Verwendung in Designprojekten eignen sich Werke bzw. Medien, die unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht wurden. Hinter der Creative Commons (CC) Initiative steht eine gemeinnützige Organisation, die sieben unterschiedliche Lizenzverträge formuliert hat, die von vielen großen Content-Plattformen genutzt werden.

Glaubt man einschlägigen Internetportalen, so gibt es, wenn man alle Medien zusammenzählt, die seit Gründung der CC-Initiative im Jahr 2001 veröffentlicht wurden, mittlerweile insgesamt ca. 1,2 Billionen Werke. Creative Commons stellt damit den Standard für offene Lernressourcen und bildungsrelevante Projekte dar (vgl. Klimpel 2019). Die CC-Lizenzen regeln die Bedingungen, unter denen das jeweilige Werk verwendet bzw. bearbeitet werden darf. Die Creative Commons Initiative gibt dazu international rechtsverbindliche Lizenztexte heraus, die mittlerweile in der vierten Generation vorliegen.

Um einem*r Nutzer*in maximale Freiheit in der Verwendung eines Werks zu geben, ist es möglich, die Lizenz Creative Common Zero (CC0) zu verwenden. Diese Lizenz verzichtet nicht auf das Urheberrecht, bietet aber den Nutzer*innen die maximale Freiheit bei Nutzung und Überarbeitung von Werken. Die Begriffe „Public Domain“ und „Gemeinfrei“ bezeichnen Lizenzbedingungen, die mit Blick auf die Erteilung von Nutzungsrechten vergleichbar sind.

Wird eine CC0-lizenzierte Ressource genutzt, muss kein*e Urheber*in genannt werden, das Werk darf bearbeitet, kommerziell verwendet und in jeder Form weiterverbreitet werden. Die Angaben in der Bildbeschriftung von Abbildung 8 sind also grundsätzlich nicht erforderlich; allerdings bringt eine korrekte Quellenangabe die Wertschätzung gegenüber den Schöpfer*innen des Werks zum Ausdruck und sorgt dafür, dass die Motivation erhalten bleibt, Medien als offene Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Es gibt bei einer CC0-Lizenzierung ansonsten lediglich die Einschränkung, dass man sich nicht als Urheber*in des Werkes ausgeben darf. Der Lizenztyp CC0 stellt im Grunde eine Art Verzichtserklärung bzw. eine Art bedingungsloser Lizenz dar, d. h., dass weitere Lizenzbedingungen bzw. Einschränkungen entfallen (vgl. Klimpel 2012).


Abbildung 8: Internationales Zeichen für Public Domain. Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20727290 [Zugriff: 06-01-2020]). Gemeinfrei.

[60] Werke unter CC-Lizenz unterliegen – abgesehen von der Lizenz CC0 – immer Einschränkungen bei der Nutzung bzw. bei der Veränderbarkeit. Grundsätzlich unterscheiden sich die Einschränkungen durch die folgenden vier Lizenzmodelle.

Tabelle 5: Creativ-Commons-Lizenzierung – vier grundsätzliche Rechtekonzepte


Lizenzname Symbol Bezeichnung Einschränkung
CC BY Attribution (Namensnennung) Die Autor*innen des Werkes müssen in der von ihnen festgelegten Art und Weise genannt werden.
CC NC Non-Commercial (Nicht kommerziell) Das Werk darf nicht zur Erreichung eines geldwerten Vorteils verwendet werden.
CC ND No Derivatives (Keine Bearbeitung) Das Werk darf durch den*die Nutzer*in nicht bearbeitet, beschnitten oder farblich verändert werden.
CC SA Share Alike (Weitergabe unter gleichen Bedingungen) Das Werk, welches mit Werken aus dieser Lizenz entsteht, darf nur unter dieser Lizenz weitergegeben werden.

Die vier Rechtekonzepte können wie in einem Baukasten miteinander kombiniert werden. Zu beachten ist, dass seit der Version drei der Lizenzbedingungen nur noch Kombinationen mit der Einschränkung BY möglich sind. Weil sich die Rechtekonzepte ND (keine Bearbeitung) und SA (Weitergabe des neuen Werks nur unter gleichen Bedingungen) ausschließen und das Konzept BY für (Namensnennung) immer verpflichtend ist, ergeben sich insgesamt sechs Lizenzen. Diese sechs Lizenzen werden durch die Sonderform CC0 ergänzt. Man bezeichnet diese Lizenzen teilweise auch als Kernlizenzen. Die möglichen sieben Lizenzkombinationen werden in Abbildung 9 gezeigt.


[61] Abbildung 9: Lizenzbedingungen der Creative Commons. Quelle: JoeranDE. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Creative_Commons_Lizenzspektrum_DE.svg [Zugriff: 06-01-2020]. https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode.

[62] Wenn man im Rahmen von Designprojekten Werke nutzen möchte, die unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht wurden, sollte das Folgende beachtet werden:

1. Werke unter einer Creative-Commons-Lizenz sind immer als solche zu kennzeichnen. Der Zusatz BY, also Namensnennung, ist dabei obligatorisch. Die Namensnennung ist auch bei CC0-Medien zu empfehlen.

2. Wenn ein Werk unter einer Creative-Commons-Lizenz weitergegeben werden soll, muss im Vorfeld geprüft werden, ob Rechte eines Dritten durch die Nutzung des Werks verletzt werden.

3. Wenn Personen in Werken zu sehen sind, wiegt das Recht am eigenen Bild schwerer als die Lizenzrechte der Creative-Common-Lizenz. Man sollte daher auf Medien verzichten, auf denen Personen zu sehen sind (vgl. Kapitel 6.4).

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