AC/DC

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4 BAD BOY BOOGIE

Aus den Lehr- und Wanderjahren eines Spitzbuben

Bon Scott verbrachte die ersten sechs Jahre seines Lebens in der Klein­stadt Kirriemuir bei Forfar, die ausgerechnet in der Grafschaft Angus im Südosten Schottlands liegt. Der bekannteste Sohn der Stadt war der Peter-Pan-Autor J. M. Barrie, und in der Blütezeit des Ortes im achtzehnten Jahrhundert war dort ein weitreichender Handel mit der für die Leinen­herstellung benötigten Jutefaser beheimatet gewesen. Zur Zeit der Geburt von Ronald Beiford Scott (am 9, Juli 1946) lag die Stadt jedoch wirtschaftlich darnieder.

Bons Vater Charles, den seine Freunde und Verwandten nur Chick nannten, hatte vor dem Krieg in der familieneigenen Bäckerei gearbei­tet. Während seiner Zeit bei der britischen Armee traf er in Kirkcaldy, einer Hafenstadt bei Edinburgh, seine zukünftige Frau Isobelle Cun­ningham, besser bekannt als Isa. Sie heirateten 1941 und ließen sich nach Chicks Entlassung Ende des Jahres 1945 in Kirriemuir nieder. Beide stammten aus musikalischen Familien, und die Musik wurde auch weiterhin als fester Bestandteil des Familienlebens gepflegt. Chick schlug die Trommel in der Dudelsackkapelle von Kirriemuir und trat auch in der Operettengruppe der Stadt auf.

1952, als Bon sechs Jahre alt war, wanderten die Scotts nach Austra­lien aus, wohin es Isas Schwester schon im Jahr zuvor verschlagen hatte. Die Familie zählte nun einen weiteren Sohn, Derek, zu dem sich im darauffolgenden Jahr noch Graeme gesellen sollte. Zuerst lebten sie in Melbourne, dann in Adelaide. Als Graeme 1956 an Asthma erkrankte, fanden die Scotts an der Westküste eine neue Heimat. In der ruhigen Hafenstadt Fremantle unmittelbar südlich von Perth herrschte ein trockeneres Klima.

Schon in der Grundschule zeigte Bon (oder Ron, wie seine Familie heute noch sagt) eine Neigung zur Musik; zunächst spielte er Block­flöte, dann für kurze Zeit Klavier und Akkordeon, bis er schließlich am Schlagzeug hängenblieb. Die ersten Auftritte als Musiker hatte er mit zwölf, als er auf einem Schulkonzert mit einem Klassenkameraden ein Flötenduo spielte und als er zusammen mit seinem Vater in der Dudelsackkapelle des schottischen Heimatvereins von Fremantle die Trom­mel schlug. Bon durfte damit im Fernsehen auftreten und gewann fünf­mal hintereinander den Jahrespreis als Nachwuchsmusiker. Doch Ende der fünfziger Jahre hallten bereits die ersten schwachen Rock’n’Roll-Klänge aus Amerika über den Stillen Ozean. Schon bald sollte der rothaarige Spitzbube seine wahre Berufung finden; 1959 fing der Drei­zehnjährige mit Rockschlagzeug an.

Daneben suchte er aber auch noch andere Ventile für seine überschäumende Energie. So liebte er es, vor Gleichaltrigen bei den regel­mäßigen Strandbesuchen durch gewagte Sprünge ins Wasser zu glän­zen, und arbeitete ganz nebenbei an seinem Ruf als einer, der sich nichts bieten ließ; trotz seines schmächtigen Körperbaus und seiner geringen Größe war er bald ein stadtbekannter Schläger. Genau wie die Musik, so gaben ihm auch diese Arten der Betätigung ein berauschen­des Gefühl von Freiheit. Und was vielleicht noch wichtiger war: Sie brachten ihm die Aufmerksamkeit der Mädchen ein.

Obwohl Bon in der Schule gar nicht so schlecht war, ging er schon mit fünfzehn ab. Sein ganzes Leben hindurch hatte er eine Abneigung gegen jede Art von Obrigkeit, und so suchte er sein Heil außerhalb der staatlichen Bildungseinrichtung, sobald dies möglich war. Er schlug sich mit einer Reihe von Gelegenheitsarbeiten durch, so zum Beispiel als Landarbeiter, als Fischereigehilfe, als Postbote und als Lehrling bei einem Waagenbauer. In seiner Freizeit war Bon der typische Rocker jener Tage, mit Lederjacke, geschniegeltem Haar und einer Vorliebe für Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Little Richard und Chuck Berry. Dies war so ziemlich das Einzige, was die australischen Jugendlichen an echter Rockmusik zu hören bekamen. In jener Zeit ließ Bon sich auch seine erste Tätowierung stechen, ein kunstvoll gearbeitetes Rankenwerk knapp unterhalb der Gürtellinie. Wegen der schmerzhaften Schwellung konnte er erst nach Wochen seine Jeans wieder zuknöpfen.

Bon ging damals oft in den Klub Port Beach in Perth, und wenn die Nomads, eine Band aus der Gegend, dort spielten, stieg er so manches Mal auf die Bühne und sang eine Rock’n’Roll-Nummer mit ihnen. Eines Abends geriet er dort mit einer Gruppe von anderen Jungen, die seine Freundin belästigt hatten, in eine Schlägerei. Als die Polizei eintraf, floh er mit dem Auto eines Freundes, wurde dann aber bei dem Versuch, Benzin zu stehlen, gestellt. Der Sechzehnjährige wurde verhaftet, und einem Be­richt der West Australiern zufolge „bekannte er sich schuldig, der Polizei einen falschen Namen und eine falsche Adresse angegeben zu haben, sich der Straf­verfolgung entzogen zu haben, eine sexuelle Beziehung mit einer Minderjährigen zu unterhalten und zwölf Gallonen Benzin gestohlen zu haben“. Der jugendliche Straftäter wurde unter Vormundschaft des Ju­gendamtes gestellt und in das Jugendgefängnis Riverbank eingewiesen.

Anfangs hatte man Bon sogar in die Obhut seiner Eltern zurückge­ben wollen, jedoch schämte der sich so, dass er lieber ins Gefängnis wollte, als seinen Eltern als Gesetzesbrecher ins Auge zu sehen. Seine Schuldgefühle bei dem Gedanken daran, sie enttäuscht zu haben, wa­ren so groß, dass er sich anfangs sogar weigerte, sie zu sehen, als sie ihn besuchen wollten. Die trostlose Zeit in Riverbank stärkte zwar auf gewisse Weise sein unangepasstes Wesen, jedoch brachten ihn die neun Monate militärische Disziplin davon ab, weitere Straftaten zu begehen.

Obwohl Bon schon früh einen Hang zur Rebellion erkennen ließ, bewahrte er doch stets ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Von ihnen hatte er die Höflichkeit und das angenehme Auftreten, die ihm in seinem späteren Leben immer wieder aus der Klemme halfen.

Während seiner Zeit in Riverbank dachte Bon zum ersten Mal ernst­haft daran, eine Laufbahn als Musiker einzuschlagen. In den Freistunden spielte er in einer Band Schlagzeug, die er mit zwei anderen Insassen gegründet hatte. Der Krawall, den das jedesmal auslöste, überzeugte ihn davon, dass er wie geschaffen war zum Berufsschlagzeuger. Nach seiner Entlassung baute er sein Schlagzeug im elterlichen Wohnzimmer auf und überlegte, wie er wohl an eine Band kommen würde.

Es war eine günstige Zeit für solcherart Bestrebungen, denn der zunehmende Erfolg der Beatles und der Rolling Stones in Australien ließ auch in der Gegend um Perth eine kleine Szene von Beatgruppen entstehen. Während in Sydney die Easybeats auf dem Sprung nach ganz oben waren, gründete Bon Anfang 1965 mit drei Freunden seine erste Band, die Spektors. Sie spielten in den Jugendklubs Stücke von den Beatles und den Stones und andere Standardnummern, wie zum Bei­spiel „Gloria“ von Van Morrison. John Collins, der Sänger und Kopf der Gruppe, überließ seinem Trommler hin und wieder die Bühne und nahm selbst hinter dem Schlagzeug Platz. Bei diesen Gelegenheiten zeigte sich, dass Bon Charisma besaß, aber auch wusste, sich in Szene zu setzen, und er merkte selbst, dass seine Zukunft wohl eher das Mikrofon als der Trommelstock war.

Nach einem Jahr waren die Spektors (die bei den Scotts zu Hause probten) in Perth und Umgebung eine der beliebtesten Gruppen aus der Gegend. Das war ihnen jedoch nicht genug, und sie wussten, dass sie mehr musikalische Feuerkraft brauchten, wenn sie mehr als nur ein Wochenendzeitvertreib sein wollten. Die Winztons, die zweite große Band aus Perth, hatten ähnliche Gedanken, und so schloss man sich zusammen. Was dabei herauskam, waren die Valentines.

Vince Lovegrove, der Sänger der Winztons, erklärte später der au­stralischen Musikzeitschrift RAM: „Bon war der süße kleine Schlagzeu­ger mit süßen kleinen Augen, süßen kleinen Schweinsöhrchen, einer süßen kleinen Stupsnase, einem süßen schottischen Akzent und ziemlich auffälligen Tätowierungen. Wenn man nur süß war, konnte einem das damals im Musikgeschäft schon ein ganzes Stück weiterhelfen.“ Diese Eigenschaft sollte letztendlich aber nicht der Schlüssel zu Bon Scotts Erfolg sein.

5 SHOW BUSINESS

Weiche Schale, harter Kern

Bei den recht professionell arbeitenden Valentines war Bon zum Sänger aufgestiegen. Er wechselte sich dabei mit Vince Lovegrove ab, dessen Können und Erfahrung ihn zum natürlichen Haupt der Band machten. Bon hielt sich aus den geschäftlichen Dingen heraus. Zwischen den beiden Frontmännern bestand eine Art freundschaftlicher Rivalität. Das Gruppenkostüm waren zumeist flotte blaue Anzüge, und sie benutzten Spezialeffekte wie Blitzlichtbomben und andere Spielereien, um ihre Konzerte interessanter zu machen. Das Programm bestand in jener Zeit hauptsächlich aus amerikanischen Soulhits und Stücken von engli­schen Gruppen wie den Who und den Small Faces. Eine wichtige Quelle bei der Materialsuche war die Plattensammlung ihres Managers Allan Robertson, der bei dem Radiosender 6KY in Perth Platten auflegte und der für den Namen Valentines verantwortlich war.

Da die neu zusammengeschlossenen Musiker die Auftrittsverpflich­tungen gleich zweier Bands übernehmen konnten, nahmen sie in der Liveszene von Perth schnell eine herausragende Stellung ein. Jedoch schlugen ihre Versuche, sich eine Identität als gute Studioband aufzu­bauen, fehl. Im Mai 1967 veröffentlichten sie bei der kleinen Plattenfir­ma Clarion ihre erste Single. Darauf zeigten sie sich wenig originell, und diese Einfallslosigkeit, die ihnen zu eigen war, sollte auch dafür verant­wortlich sein, dass ihnen auf Dauer ein eigenes musikalisches Profil verwehrt blieb. Auf der A-Seite war eine Fassung von „Every Day I Have To Cry“, im Original von dem amerikanischen Rhythm-&-Blues-Sänger Arthur Alexander, und auf der B-Seite ein unbekanntes Stück von den Small Faces, „I Can’t Dance With You“. Obwohl die Single, wie bereits gesagt, wenig einfallsreich war, erreichte sie auf der Hitliste von Perth einen Platz unter den ersten Fünf, was für ein Erstlingswerk gar nicht schlecht war.

 

Die Valentines erzielten einen Volltreffer, als sie im Theater Ihrer Majestät in Sydney zwei Konzerte für die Easybeats eröffnen durften. Dort traf Bon zum ersten Mal George Young und Harry Vanda, die letztendlich eine entscheidende Rolle in seiner musikalischen Laufbahn spielen sollten. Zu jener Zeit interessierte ihn jedoch mehr der Sänger, Stevie Wright, dessen Bühnenshow er anfangs für seine eigenen Auftrit­te nachzuahmen versuchte.

Die beiden Gruppen kamen so gut miteinander aus, dass George und Harry ein Lied für die Valentines schrieben, als die Musiker nach den Sydneyer Konzerten zusammen feierten: „She Said“ war das erste von insgesamt drei Stücken, die die Easybeats den Valentines überlie­ßen, und erschien als A-Seite ihrer zweiten Single. Doch selbst die leidenschaftlichsten Verehrer der fünf aus Sydney hätten zugeben müssen, dass es nicht zu ihren besten Kompositionen gehörte. Da konnte es auch nicht helfen, dass auf der Rückseite eine Neuaufnahme des Phil-Spector-Oldies „To Know Him Is To Love Him“ zu hören war. Die unverschämt schwache Fassung der Valentines nannte sich „To Know You Is To Love You“. Verdientermaßen blieb diese zweite Single in den Regalen der Plattenläden stehen.

Die Valentines entschlossen sich dazu, Perth zu verlassen und ihren Stützpunkt nach Melbourne zu verlagern, nachdem sie bei „Battle of the Sounds“, dem wichtigsten landesweiten Wettbewerb, den zweiten Platz belegt hatten. Die Musikmetropole Australiens beherbergte damals Künstler wie die Loved Ones, die Groop, Ronnie Bums, Normie Rowe, Bobby & Laurie oder die Masters Apprentices und die Twilights, beide ursprünglich aus Adelaide, oder auch Johnny Young, der ebenfalls aus Perth gekommen war. Zwar schaffte es keiner von ihnen, etwas Eige­nes, Neues auf die Beine zu stellen und Musik zu machen, die ihren Kollegen in England und Amerika schlaflose Nächte bereitet hätte, aber dennoch hatte die Szene in Melbourne genug Energie, um den Australiern klarzumachen, dass die Rockmusik nun auch in ihrem Land fest etabliert war.

Nach ihrer Ankunft in Melbourne begaben sich die Valentines unter die Fittiche der mächtigen Konzertagentur AMBO. Auch wenn sie hin und wieder eine kleine Tournee durch das Umland bekamen, so spiel­ten sie doch hauptsächlich in Melbourne selbst, und das meistens vor dünn gesätem Publikum. Sie wohnten in dem Vorort Burwood, wo sie buchstäblich von der Hand in den Mund lebten, wenn sie sich das Allemötigste aus den Lebensmittelläden stahlen, um dem Hungertod zu entgehen. In dieser entmutigenden Lage war es meist Bon, der mit seinem Optimismus dafür sorgte, dass seine Bandkameraden die Köpfe nicht hängen ließen. Die dritte und vierte Single der Valentines, „I Can Hear The Raindrops“ und das psychedelisch angehauchte „Peculiar Hole In The Sky“, im Original von den Easybeats, schafften es nur ansatzweise, die Gunst der Käuferschaft zu gewinnen.

Ende 1968 war es in Australien so weit gekommen, dass sich Musik, die sich ganz offensichtlich nur noch mit dem Gedanken ans liebe Geld mühte, hervorragend verkaufen ließ. Und so konnten die Valentines in einem Interview mit Go-Set ganz unverhohlen verkünden, dass sie eine echte Teenie-Band ohne höheres Ziel seien. Die einstigen Biedermän­ner gaben sich nun mit Rüschenhemden, Schlaghosen und Perlenket­ten ein geradezu abenteuerliches Äußeres – alles im Gruppenlook, versteht sich. Bon deckte sogar seine Tätowierungen mit Puder ab. In derselben Go-Set-Ausgabe füllte er einen Fragebogen aus, in dem er behauptete, neunzehn zu sein (er war zweiundzwanzig) und als Lieb­lingsmusik die Beatles, die Moody Blues, John Lee Hooker, Otis Red­ding, die Supremes und schottischen Dudelsack angab.

Die neue Plattenfirma der Valentines, Philips, nahm das Heft in die Hand, indem sie einen gewaltigen Medienfeldzug unternahm, der der neuerlich gewandelten Band endlich den Durchbruch bringen sollte. Zum Jahreswechsel erhielten die Zeitschriften, Radio- und Fernsehsen­der eine Grußkarte mit dem Spruch: „Das Motto für dieses Jahr ist: ,Be my Valentine in ’69‘.“ Die Kampagne ebnete den Weg für die nächste Single mit dem wiederum von George Young und Harry Vanda ge­schriebenen „My Old Man’s A Groovy Old Man“ auf der A-Seite und einem Stück der Pretty Things, „Ebeneezer“, auf der B-Seite. Als Er­scheinungsdatum hatte man passenderweise den Valentinstag des Jahres 1969 gewählt. Mit dieser Single konnten die Valentines nun endlich den Erfolg verbuchen, den sie sich lange erhofft hatten. Sie kamen in sämtliche Hitparaden und waren fortan echte Popstars, die die Teen­ager mit ihrem Auftreten dazu brachten, ihnen buchstäblich die Kleider vom Leibe zu reißen.

Nach einem Gratiskonzert der Gruppe am 10. März in den Alexan­dra Gardens in Melbourne vor 7000 Zuschauern im Rahmen des alljähr­lich stattfindenden Moomba-Festivals kam es zu Ausschreitungen, in deren Verlauf Vince einen übereifrigen Polizisten mit dem bloßen Fuß von der Bühne stieß, was ihm auch prompt eine Verhaftung einbrachte.

Während die Valentines nach außen hin das Saubermann-Image pflegten, waren sie außerhalb des Rampenlichts für ihre Zechgelage, Frauengeschichten und Drogenexzesse bekannt. Die Gruppe hatte es bald satt, sich zu verstellen. Es gab nun auch in Australien mehr und mehr Musiker, die sich einen echten künstlerischen Anspruch gaben, und da die Valentines ihren Anteil am rein kommerziellen Erfolg gehabt hatten, hielten sie die Zeit für gekommen, eine ernsthaftere Richtung in der Musik einzuschlagen.

Diese Wende offenbarte sich aber keineswegs auf ihrer nächsten Single, „Nick Nack Paddy Whack“, die noch ganz für das Schulmäd­chenpublikum bestimmt war. Das Stück, das auf einen Kinderreim zurückgeht, war reine Effekthascherei und konnte wenig dazu beitra­gen, der Gruppe künstlerische Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auf der Rückseite war „Getting Better“, das Bon zusammen mit Gitarrist Wyn Milson geschrieben hatte. Als Bon Scotts erste Komposition ist es zwar von biografischer Bedeutung, jedoch ist das musikalische Verdienst nur gering.

Obwohl die Valentines sich nun bemühten, anspruchsvollere Hörer für sich zu gewinnen, schafften sie es, gleichzeitig ihre jüngere Gefolg­schaft bei der Stange zu halten, was ihnen einen recht engen Termin­plan, dafür aber auch höhere Einnahmen, bescherte. Sie spielten oft an einem Abend auf mehreren Konzerten, zuerst für die Schulmädchen auf den Diskoschwofen in den Gemeindehallen, später am Abend in einem Rockklub. Dafür legten sie dann ihr Gruppenkostüm ab, in dem sie die Popmelodien geträllert hatten, und schlüpften in Jeans und T-Shirts, um nun freiere und eher rockorientierte Musik zu spielen. Erst bei diesen Gelegenheiten konnte sich Bon so richtig lösen und seine natürliche Begabung als Mann der Bühne zeigen.

Am 20. September 1969 durchsuchte die Polizei den Proberaum der Gruppe und fand dabei Marihuana. Die Ordnungshüter hatten von einem anderen Musiker, der geplaudert hatte, um seine eigene Haut zu retten, einen Hinweis bekommen. Die Bandmitglieder wurden allesamt verhaftet; sie nutzten die Zeit bis zur Verhandlung, um sich offen für die Legalisierung weicher Drogen auszusprechen und die Schika nierung durch die Polizei zu verurteilen. Bon sagte in einem Interview: „Die Polizei sollte nicht ganze Bevölkerungsschichten verfolgen, nur weil sie anders sind“, und in einem anderen: „Die australische Regie­rung hat mal einen Stoß mit dem Ellenbogen verdient. Sie wird die letzte sein, die Homosexualität erlaubt, und beim Hasch ist es genauso.“ Bon kümmerte sich sonst nicht um Politik, und es sollte das einzige Mal bleiben, dass er sich zu einer Stellungnahme hinreißen ließ.

Die Gruppe versuchte nach dieser Erfahrung, sich selbst ein Dro­genverbot aufzuerlegen, was aber nur dazu führte, die Spannungen in der Band, die ihre Zukunft ohnehin schon gefährdeten, weiter zu vergrößern. Die Musiker erschienen im darauffolgenden Februar vor Gericht, und jeder kam mit einer Geldbuße von 150 Dollar davon.

Zu jener Zeit machten schon Trennungsgerüchte die Runde. Im April erschien „Juliette“. Die Single kam nur knapp unter die ersten Dreißig in der Hitparade, was daran lag, dass zu dieser Zeit die austra­lischen Radiosender die großen Plattenfirmen boykottierten. Letztere hatten versucht, den Rundfunkanstalten für die Erlaubnis, ihre Veröf­fentlichungen zu spielen, Gebühren zu berechnen. .Juliette“ wurde ganz einfach nicht gespielt und hatte wenig Chancen, sich gegen die Produkte der kleinen, unabhängigen Plattenfirmen durchzusetzen.

Hatten die Valentines schon vorher auf wackeligen Beinen gestan­den, so versetzte ihnen der Misserfolg ihrer neuesten Single den Todes­stoß. Die Gruppe wurde offiziell am 1. August 1970 aufgelöst. Bon Scott war die längste Zeit süß gewesen.

6 AIN’T NO FUN (WAITING ’ROUND TO BE A MILLIONAIRE)

Eile hat Weile

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Trennung der Valentines zwei Monate vor ihrer offiziellen Auflösung bekam Bon einen Anruf von Bruce Howe, der ihm anbot, als Sänger bei seiner Gruppe Fraternty einzusteigen. Die von der Presse hochgejubelte neue Formation hatte sich aus den Levi Smith Clefs von Barrie McAskill entwickelt, deren 1970er Album Empty Monkey schon deshalb ein bedeutendes Werk in der australischen Musikgeschichte ist, weil es neben den üblichen Singles eine der wenigen Langspielplatten ist, die in jener Zeit in Australien produziert wurden. In dem Neuaufbruch der Hippiemusik, die nach dem Woodstock-Festival schließlich auch den Fünften Kontinent erreicht hatte, fühlten sich Fraternity dazu berufen, die australische Antwort auf die Country-Gospel-Rocker The Band hinter Bob Dylan zu liefern.

Als Bon, der jetzt einen Bart trug, zu Fraternity stieß, hatte die Gruppe schon eine Single, „Why Did It Have To Be Me“, aufgenommen. Sie hatten einen Vertrag mit der unabhängigen Plattenfirma Sweet Peach und waren deshalb nicht von dem Boykott der Radiosender betroffen. Sie kamen ursprünglich aus Sydney, verlagerten aber nun ihren Stützpunkt nach Adelaide, das zwar in musikalischer Hinsicht weitab vom Schuss lag, wo jedoch ihr Manager und wohlhabender Gönner, Hamish Henry, immer in greifbarer Nähe war. Dieser hatte die Gruppe unter seine Fittiche genommen und ihnen Unterkunft, Ausrü­stung und ein regelmäßiges Einkommen verschafft. Das Gerücht, MCA in Amerika habe Interesse an Fraternity bekundet, führte die Presse dazu, ein reichliches Maß an Vorschusslorbeeren auszuteilen. Der Sunday Mirror in Sydney verkündete gar, sie seien „auf dem direkten Weg, die größte Rockgruppe Australiens zu werden“.

Die Musiker lebten abgeschieden auf einem Bauernhof in einer Hügellandschaft 30 Kilometer außerhalb von Adelaide, wo sie sich an der durch die Legende verklärten Lebensweise ihrer amerikanischen Vorbilder, The Band, ausrichteten, deren Leben in einer Hippiekommu­ne seinerzeit das klassische Album Music Front Big Pink hervorgebracht hatte. Da sie aber in Hamish Henry jemanden hatten, der ihre Rechnun­gen bezahlte, und sie sich auch sonst nicht unter Druck fühlten, etwas hervorzubringen, konnte der Bauernhof, auf dem fast ständig gefeiert wurde, ihre Schaffenskraft nicht beflügeln. So waren denn auch auf den beiden Langspielplatten, die die Band in der dreijährigen Zeit ihres Bestehens aufnahm, zusammen nur ein knappes Dutzend Eigenkom­positionen enthalten. Bei der lässigen Arbeitseinstellung der Musiker konnte die Gruppe aus den guten Voraussetzungen in der Zeit nach Woodstock, die für die australische Rockmusik insgesamt äußerst fruchtbar war, keinen Nutzen für sich ziehen. Dass sie den „Battle of the Sounds“ des Jahres 1971 gewannen, förderte nur ihre Selbstzufrieden­heit, wenn es in der Band überhaupt etwas bewirkte. Der Wettbewerb hatte in jener Zeit schon längst nicht mehr die Bedeutung von einst.

Obwohl die Gruppe, dem Namen Fraternity entsprechend, nach außen hin das Bild einer brüderlichen, auf Gleichheit aufgebauten Gemeinschaft von sich entwarf, herrschte in der Gruppe eine festgefüg­te Rangordnung, in der Bon, trotz seiner Stellung als Frontmann, nur wenig zu sagen hatte. Nur selten durfte er etwas aus seiner eigenen Feder beisteuern, und viele seiner Texte aus jener Zeit sollten erst einige Jahre später in den Stücken von AC/DC auftauchen.

Über ihren Erfolg als Livegruppe konnten sich Fraternity nicht be­klagen. Die häufigen Auftritte in Adelaide machten sie bald zu Helden der Stadt. In den Konzerten verzichteten sie auf den künstlerischen Anstrich, den sie sich im Studio gaben, und spielten härter und lauter. Hin und wieder bekamen sie tatsächlich Schwierigkeiten wegen des großen Lautstärkepegels. So geschah es, dass bei einem Auftritt in dem ziemlich konservativen Bundesstaat Queensland im Nordosten des Landes die Polizei auftauchte und die Band dazu aufforderte, die Ver­stärker herunterzudrehen. Der gewitzte, aber in politischen Dingen recht einfaltige Bon hielt daraufhin auf der Bühne eine Protestrede, die der Ordnungsmacht als Vorwand dazu dienen konnte, das Konzert abzubrechen.

 

Einige Höhepunkte in der recht kurzen Karriere von Fraternity sind etwa die Australientournee als Vorgruppe des legendären amerikani­schen Rock’n’Roll-Stars Jerry Lee Lewis und der Auftritt im Rahmenpro­gramm des von Hamish Henry finanzierten Myponga-Festivals, das mit Black Sabbath als Hauptgruppe das größte Rockmusikereignis in Ade­laide darstellte, seit die Beatles im Jahre 1964 300 000 Menschen ange­lockt hatten.

Fraternity sollte es jedoch nicht gelingen, die glaubhaft überlieferte Eindringlichkeit ihrer Konzerte auf ihren Schallplatten wiederzuge­ben. Ihre erste Single, noch aus der Zeit vor Bons Einstieg und im September 1970 veröffentlicht, brachte es nicht weit in den Hitpara­den, und auch der Nachfolger „Seasons Of Change“ fand nicht den gewünschten Anklang. Im Oktober 1971 wurden gleich zwei Singles veröffentlicht, „The Race“ und „If You Got It“, eine schnörkellose Boogie-Nummer, die es bis auf Platz 2 der südaustralischen Hitliste brachte. „The Race“ wurde noch von Sweet Peach herausgegeben, für „If You Got It“ hatten sie eine eigene Plattenfirma mit Namen Raven gegründet. Die Langspielplatte Livestock, die schon Ende 1970 fertig­gestellt worden war, mit Bon am Mikrofon und an der Blockflöte, war zunächst auf Eis gelegt worden, bis sie schließlich erst über ein Jahr später, wenig erfolgreich, veröffentlicht wurde. Die Australier konnten mit der eigenwilligen Mischung aus straff gehaltenen, einfallsreichen Rocknummern und gespreizten, überfeinerten Kunstwerken nicht viel anfangen.

Trotz des Erfolgs der Vorabveröffentlichung von „If You Got It“ versprach die im April 1972 folgende Langspielplatte Flaming Galab, für die Hamish Henry einen Vertrag mit der Plattenfirma RCA erwirkt hatte, wenig für die Zukunft von Fraternity. Nur drei der Stücke waren neu, der Rest bestand aus altem Material, das überarbeitet und neu aufgenommen worden war.

Fraternity hatten ursprünglich vorgehabt, 1972 eine Konzertreise durch Amerika zu unternehmen. Stattdessen entschlossen sie sich nun dazu, ihren Stützpunkt ganz nach England zu verlagern, wo Hamish Henry Beziehungen zum Musikgeschäft hatte. Rückblickend hat sich dies als Fehlentscheidung erwiesen. Eine Amerikatournee hätte der Gruppe neuen Auftrieb geben können. Großbritannien jedoch wurde zu jener Zeit von der ersten Glamrock-Welle heimgesucht, von der Künstler wie David Bowie, Marc Bolan und Mott the Hoople in die Hitparaden gespült wurden, und der Stallgeruch des australischen Hin­terlandes, der Fraternity umgab, konnte kaum hoffen lassen, bei den Engländern Begeisterung auszulösen.

Hamish Henry brachte die Gruppe mit dem großen Konzertveran­stalter MAM und dem Manager Tony MacArthur zusammen, der über weitreichende Beziehungen verfügte, doch die zermürbenden, erfolg­losen eineinhalb Jahre in dem Londoner Vorort Finchley untergruben den anfänglichen Kampfgeist und Schwung der Gruppe. Der Um­stand, dass sie alle zusammen mittellos unter einem Dach leben mussten, förderte die Reibereien zwischen den Bandmitgliedern nur noch. Auch die Beziehung zwischen Bon und seiner Frau Irene, die er unlängst in Adelaide geheiratet hatte, wurde in Mitleidenschaft ge­zogen.

Obwohl Fraternity einen großen Konzertveranstalter hinter sich hatten, spielten sie nur ein paarmal in England, unternahmen eine kurze Tournee durch Deutschland und saßen ansonsten herum, wäh­rend ihre Ehefrauen das Einkommen durch Gelegenheitsarbeiten auf­besserten. Bon musste sich schließlich dazu überwinden, eine Stelle in einer Perückenfabrik anzunehmen.

In dem Bemühen, dem Publikumsgeschmack der Glamrock-Ära ein Stück weit entgegenzukommen, legte die Gruppe den bedeutungs­schweren Namen Fraternity ab und benannte sich in Fang um, was durchaus als Phantasiename durchgehen konnte. Im April 1973 eröffneten sie ein paar Konzerte für die Glamrocker Geordie aus Newcast­le. Bei dieser schicksalhaften Begegnung war es vor allem die Reibei­senstimme des Sängers Brian Johnson, die sich Bon ins Gedächtnis grub und die er einige Jahre später, so will es jedenfalls die Legende, seinen Bandkameraden bei AC/DC empfehlen konnte. Auch die Büh­nenshow von Geordie, bei der Brian Johnson den Gitarristen auf den Schultern trug, sollte Bon nicht mehr vergessen ...

Im Mai hatte die Band ein paar Auftritte als Vorgruppe der deut­schen Art-Rock-Band Amon Düül, was keine besonders gute Kombina­tion war. Ein Konzertbericht im Cloucestershire Echo gibt uns eine ungefähre Vorstellung davon, wie merkwürdig sich Fang neben der Hauptgruppe angehört haben mussten. Dort hieß es, ihre Musik sei „anspruchslos, aber laut“ und ihre Stücke hörten sich an „wie das Rhythm-&-Blues-Material der aberhundert Möchtegern-Rolling-Stones Anfang der Sechziger“.

In dem Maße, wie sich die Stimmung innerhalb der Band ver­schlechterte, prägte sich Bons gleichgültige Haltung gegenüber dem eigenen Leib und Leben aus. Einmal gerieten seine Mitbewohner in helle Aufregung, nachdem er eine Überdosis Stechapfel zu sich genom­men hatte, einer giftigen Pflanze, der man eine bewusstseinserweitern­de Rauschwirkung zuschreibt.

Im August 1973 gab die Band auf einem kleinen Festival in Windsor ihr letztes Konzert. Bald darauf stieg Hamish Henry aus. Er hatte viel Geld in die Gruppe gesteckt und viel Geld dabei verloren. Zuletzt hatte er von den Musikern ungerechtfertigte Vorwürfe zu hören bekommen, woraufhin er beschloss, den Geldhahn zuzudrehen.

Es war also zum großen Knall gekommen, und während die ersten Gruppenmitglieder nach Australien zurückgingen, blieb Bon zunächst in London, wo er in einer Kneipe als Barkeeper arbeitete. Er und Irene kehrten erst Ende des Jahres nach Australien zurück, von wo an sie getrennte Wege gingen. Sie hatten sich in nur knapp zwei Jahren Ehe vollständig einander entfremdet.

Der Gedanke, Fraternity in der Heimat wiederzubeleben, lag in der Luft, es tat sich aber nichts Bemerkenswertes. Bon war der Boden entzogen. Schließlich nahm er eine Stelle in einer Dünge­mittelfabrik an. Nebenher sang er hin und wieder bei den Mount Lofty Rangers, einer anderen Gruppe aus Adelaide.

An einem Abend im Februar 1974 steuerte Bon, der zuvor mit Irene und auch mit den Rangers gestritten hatte und der ziemlich betrunken war, seine schwere Triumph mit hoher Geschwindigkeit in ein entge­genkommendes Fahrzeug. Schon längst hatte ihm seine Geneigtheit, alles wenigstens einmal auszuprobieren, und im Besonderen sein leicht­sinniges Verhalten im Straßenverkehr, den Spitznamen Ronnie Roadtest eingebracht. Er trug Knochenbrüche, schwere Gesichtsverletzungen und eine Gehirnerschütterung davon, verlor ein paar Zähne und lag drei Tage im Koma. Er erlebte in diesem Zustand einen Herzstillstand, konnte aber wiederbelebt werden. Nachdem der das Bewusstsein wie­dererlangt hatte, war er vier lange Wochen im Streckverband. Es war gewiß kein Zuckerschlecken für den freiheitsliebenden Bon, mit ver­drahteten Kiefern seine Flüssignahrung ‒ Whiskey! ‒ durch einen Trink­halm einsaugen zu müssen. Seine Bewegungsfreiheit war ihm immer über alles gegangen, und nun war er hilflos ans Bett gefesselt.