Performance-Steigerung Krankenhaus

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1.5 Das „Wo“: Fokus der Performance-Steigerung

Wie in Abbildung 1.5 dargestellt, besteht die Erfolgsrechnung eines Unternehmens und somit auch einer Klinik aus dem Verhältnis von Erträgen zu Kosten. Sind die Erträge höher als die Kosten, erwirtschaftet ein Spital logischerweise einen Gewinn. Sind die Kosten höher als die Erträge, steht am Ende eines Geschäftsjahres ein Verlust in den Büchern.

Wenn wir systematisch die Performance einer Klinik und damit schlussendlich auch die Erfolgsrechnung verbessern wollen, gibt es im Grunde genommen nur folgende Ansatzpunkte:

eine Steigerung/Sicherung der Erträge,

eine Reduktion der Kosten und

die anzustrebende Kombination von beidem.

Wenn wir diesen Gedanken weiter verfolgen, sehen wir, dass die Erträge für eine Klinik durch die Leistungserbringung im stationären Bereich, im ambulanten Bereich und im nicht-medizinischen Bereich generiert werden (z.B. durch Dienstleistungen wie Upgrades, Hotellerieleistungen u.a.). Die in einer Klinik entstehenden Kosten können wir unterteilen in Personalkosten, Sachkosten und übrige Kosten wie Miete, Kapitalkosten und Steuern und Abschreibungen (s. Abb. 1.5). Dieses Buch beschäftigt sich mit der Performance-Steigerung im stationären Klinikalltag. Somit werden wir auf das Thematisieren der Ertragsgenerierung im ambulanten und nicht-medizinischen Bereich sowie die Kostenreduktion in den sogenannten übrigen Bereichen, mit welchen das Klinikpersonal keinen oder einen nur eingeschränkten Kontakt hat, bewusst verzichten.

Der Fokus der von uns beschriebenen Performance-Steigerung liegt somit auf den folgenden 3 grossen Bereichen:

Erträge stationär (s. Kap. 2.1)

Personalkosten (s. Kap. 2.2)

Sachkosten (s. Kap. 2.2)

In der Summe sollen Erträge gesichert resp. gesteigert und die Kosten gesenkt werden. Der Fokus liegt auf der Diskussion von stationär generierten Erträgen im DRG-System sowie auf Personal- und Sachkosten (fett gedruckt).

Des Weiteren muss man verstehen, wie in diesen drei grossen Bereichen die Erträge erwirtschaftet und die Kosten reduziert werden können. Wie aus Abbildung 1.5 hervorgeht, werden die stationären Erträge – in der Schweiz, in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern auch – durch ein Pauschalsystem generiert. In der Schweiz ist dies das sogenannte SwissDRG-System. Die Behandlung von Patienten im ambulanten Bereich wird in der Schweiz durch das Tarifsystem Tarmed oder in Zukunft durch das sich in der Entwicklung befindende Nachfolgesystem abgegolten, in anderen Ländern durch teils vergleichbare Systeme. Dieses System der ambulanten Ertragsgenerierung und die Generierung der übrigen Erträge werden, wie bereits erwähnt, bewusst nicht besprochen.

Abb. 1.5Der Fokus der Performance-Steigerung in diesem Praxisbuch liegt auf 3 grossen Bereichen: Erträge stationär, Personalkosten und Sachkosten (fett gedruckt).

Zu klären ist allerdings noch die Frage, welche von diesen genannten Möglichkeiten mit welcher Priorität evaluiert werden. Hierbei spielt eine Vielzahl von Faktoren wie z.B. das Ausmass des Potenzials, der Schwierigkeitsgrad der Umsetzung von Massnahmen, die Akzeptanz von neuen Massnahmen bei den Mitarbeitern und der zeitliche Horizont von der Implementierung bis hin zu ersten Erfolgsergebnissen eine Rolle.

Unserer Erfahrung nach bietet es sich an, die Möglichkeiten einer Ertragssicherung/-steigerung zuerst zu evaluieren. Zum einen können Potenziale durch einfache Vergleiche erfahrungsgemäss verhältnismässig rasch aufgedeckt werden, zum anderen benötigen einige dieser Optimierungsmassnahmen nur wenige Wochen bis Monate bis zur Umsetzung. Und das Wichtigste: Diese Massnahmen erlauben bei vorhandenem Potenzial sogenannte „Quick Wins“, also erfreuliche Resultate von signifikantem Ausmass binnen nützlicher Frist. Dies ist nicht nur ökonomisch bedeutsam, sondern steigert auch die Akzeptanz unter den Mitarbeitenden deutlich mehr als eine prognostizierte Wartezeit auf Erfolge von mehreren Jahren. In einem zweiten Schritt empfehlen wir die Evaluation von Optimierungspotenzial auf Kostenseite. Dies hat den Grund, dass einige dieser Optimierungsschritte wie das Implementieren von klinischen Pfaden, die Entwicklung von Feedbackschlaufen und das Diskutieren über die eigene Performance im Kostenbereich teilweise mit einem Paradigmenwechsel in der Behandlung von Patienten, aber auch mit einem Kulturwandel, einhergehen.

1.6 Das „Wie“: Ansatz der Performance-Steigerung

Nachdem wir in Kapitel 1.5 mit den drei grossen genannten Bereichen das „Wo“ der Performance-Steigerung festgelegt haben (Erträge stationär, Personalkosten, Sachkosten), geht es nun um die Frage des „Wie“, also um den Ansatz der Performance-Steigerung im Klinikalltag.

Wie bereits in der Einleitung dieses Buches erwähnt, konzentrieren wir uns schwerpunktmässig auf Wege der Performance-Steigerung, in welche das klinisch tätige Personal unterschiedlicher Berufsgruppen in seiner täglichen Arbeit eingebunden ist. Konkret bedeutet dies, dass wir eine optimierte Leistungserbringung am Patienten anstreben (s. Abb. 1.6, dunkelblaues Dach).

Wir thematisieren z.B. nicht, wie Betriebsökonomen allein die Stückpreise einzelner ausgewählter Antibiotika im Einkauf senken können. Wir legen dagegen grossen Wert auf die Reduktion von intravenös verabreichten Antibiotika und den Wechsel auf günstigere Tabletten, verordnet durch das ärztliche Personal und umgesetzt durch die Pflege, sofern es die medizinische Sachlage erlaubt, um auf diese Weise Kosten zu sparen. Gleichwohl thematisieren wir, wie medizinische Fachexperten (in der Leistungserbringung am Patienten tätig) und Betriebsökonomen gemeinsam den Einkauf von spezialisiertem Material wie Stents im Bereich der Kardiologie optimieren können, weil hier nur durch die konstruktive Zusammenarbeit beider Berufsgruppen beste Ergebnisse erzielt werden können. Des Weiteren gehen wir bewusst nicht ein auf reine Verweildauervorgaben für das behandelnde ärztliche Personal, sondern erläutern Mittel und Wege, um die Verweildauer unter Wahrung der Behandlungsqualität so zu reduzieren, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen mittlerer Verweildauer und unterer Grenzverweildauer liegt (s. Kap. 1.4, s. Abb. 1.4).


Der von uns dargestellte Ansatz der Performance-Steigerung beruht somit grossmehrheitlich auf der Optimierung der Leistungserbringung am Patientenbett, unter engem Einbezug der dort klinisch tätigen Kollegen unterschiedlicher Berufsgruppen (s. Abb. 1.6, dunkelblaues Dach).

Wenn wir den typischen Patientenfluss betrachten, so treten Patienten entweder notfallmässig oder elektiv in eine Klinik ein (s. Abb. 1.6, hellblauer Balken). Die Patienten erhalten evtl. eine Intervention oder eine Operation resp. werden – wie beispielweise bei einer Lungenentzündung – konservativ, also ohne einen Eingriff, versorgt. Bei schlechtem Allgemeinzustand oder falls postinterventionell oder postoperativ eine Überwachung notwendig sein sollte, erfolgt ein Aufenthalt auf der Intensivpflegestation (IPS) oder einer Intermediate-Care-Station (IMC). In der Regel erfolgt die weitere Behandlung auf der Abteilung, bevor die Patienten die Klinik wieder verlassen.


Der Ansatz der Performance-Steigerung orientiert sich somit am Patientenfluss von Aufnahme bis Austritt.

Während die Patienten diesen Weg durchlaufen, werden sie – ganz nach dem medizinischen Grund der Aufnahme – von verschiedenen Fachdisziplinen betreut (s. Abb. 1.6, grauer Balken). Ein Patient mit einer Lungenentzündung wird z.B. nach notfallmässiger Aufnahme von der Abteilung für Innere Medizin versorgt. Ein Patient mit einer elektiv und operativ zu versorgenden Hüftgelenksarthrose wird von der Abteilung für Orthopädie behandelt. Ein Patient, der für eine Wirbelkörperversteifung eintritt, wird operiert und weiter behandelt von der Abteilung für Neurochirurgie. Ein Patient für eine durchzuführende Herzkatheteruntersuchung wird von den Herzspezialisten versorgt etc.

 

Abb. 1.6Das Ziel dieses Buches ist die Vermittlung von Kenntnissen zur optimierten Leistungserbringung am Patienten in einer Klinik. Während des Aufenthaltes durchläuft der Patient unterschiedliche Stationen (hellblauer Balken) und wird von unterschiedlichen Fachdisziplinen – je nach Grund der stationären Aufnahme – betreut (grauer Balken). In der Summe sollen Erträge gesichert resp. gesteigert und die Kosten gesenkt werden. Der Fokus liegt auf der Diskussion von stationär generierten Erträgen im DRG-System sowie auf Personal- und Sachkosten (s. Abb. 1.5 fett gedruckt).

Zur optimierten Leistungserbringung unterschiedlich zu versorgender Patienten von Aufnahme bis Entlassung braucht es also vertieftes Know-how aus verschiedenen Fachdisziplinen. Nur so kann beurteilt werden, ob hochteures Knochenersatzmaterial bei der Durchführung einer Wirbelkörperversteifung wirklich indiziert ist oder man nicht auch zur Kostenoptimierung auf Knocheneigenmaterial des Patienten oder auf kostengünstigeres Knochenersatzmaterial zurückgreifen kann.


Der Ansatz der Performance-Steigerung fokussiert auf die Versorgung der Patienten von Aufnahme bis Entlassung, dies unter Berücksichtigung der Versorgung durch unterschiedliche Fachgebiete und erfordert daher tiefgreifendes Know-how des medizinischen Tagesgeschäftes.

Während des Klinikaufenthaltes entstehen natürlich unterschiedliche Formen von Kosten, welche die Klinik zu tragen hat. Demgegenüber stehen Erträge, welche die Klinik erhält. In der Summe sollten die Erträge natürlich die Kosten so weit wie möglich überwiegen. Das hier vorgestellte Prinzip der Performance-Steigerung versucht demnach, unter Ablauf des oben geschilderten Patientenflusses auf eine positive Art und Weise sowohl die Ertrags- als auch die Kostenseite zu beeinflussen (s. Abb. 1.6, Erträge und Kosten). Insbesondere beim Bestreben, Kosten zu senken, werden wir in Kapitel 2.2 darlegen, wie unterschiedliche Formen von Sachkosten und auch Personalkosten allgemein (= für viele Fachgebiete geltend) und speziell (= für z.B. nur ein Fachgebiet geltend) beeinflusst werden können.

Gewisse prozessuale Anpassungen zur Laborkostenreduktion können – konsequent auf der Notfallstation angewendet – allgemein die Laborkosten verschiedener Fachgebiete günstig beeinflussen. Die Evaluation von kostengünstigerem Knochenersatzmaterial dagegen betrifft speziell nur die Abteilung für Neurochirurgie. Die Verweildauerreduktion durch ein auf dem PACD-Score (Post-Acute-Care-Discharge-Score, s. Kap. 2.2.13) beruhenden Case Management ist bis dato nur für via Notfall eintretende Patienten der Inneren Medizin etabliert etc.

Eine vollumfängliche Darlegung aller möglichen Massnahmen zur positiven Beeinflussung insbesondere von Kosten würde den Umfang dieses Buches bei weitem sprengen. Wir konzentrieren uns somit auf ausgewählte, unserer Ansicht nach wichtige Aspekte der Kostenreduktion, welche in der Regel in einer Klinik einen grossen Effekt haben können.


Der Ansatz der Performance-Steigerung beinhaltet somit die Implementierung von Massnahmen zur positiven Beinflussung von Erträgen auf der einen und Kosten auf der anderen Seite.

Der multifaktorielle Ansatz der systematischen Performance-Steigerung hat zusammenfassend also das Ziel der optimierten Leistungserbringung an Patienten entlang des typischen Patientenflusses unter Einbezug unterschiedlicher Fachgebiete und Abteilungen. Hierbei sollen Erträge und Kosten positiv beeinflusst werden. Erforderlich ist ein tiefgreifendes Know-how des medizinischen Tagesgeschäftes.

1.7 Nutzen und Bedeutung der Performance-Steigerung

Nachdem wir das „Wo“ (Fokus) und das „Wie“ (Ansatz) der Performance-Steigerung diskutiert haben, lohnt es sich zu überlegen, was eigentlich Nutzen und Bedeutung der Performance-Steigerung sind. Wer profitiert von einer Performance-Steigerung? Was bedeutet Performance-Steigerung für den einzelnen, am Patientenbett tätigen Mitarbeitenden?

Es liegt auf der Hand, dass sicher die Klinik selbst von einer Performance-Steigerung profitiert. Wie bereits erwähnt, steigt der ökonomische Druck im Gesundheitswesen kontinuierlich an. Somit zieht die Klinik selbstverständlich einen konkreten Nutzen aus der Optimierung von Erträgen und Kosten.

Auch die Patienten, welche eigentlich nicht erst an zweiter, sondern erster Stelle dieser Gedanken stehen sollten, können einen Nutzen aus ausgewählten Massnahmen der Performance-Steigerung ziehen. Stellen wir uns einmal vor, die Häufigkeit der Blutentnahmen in einer Klinik wird gesenkt, weil diese streng medizinisch gesehen keinen Mehrwert für den Patienten darstellen. Wäre nicht jeder Patient froh, wenn er im Verlaufe seines Aufenthaltes weniger häufiger gestochen wird? Wäre nicht jeder Patient froh, wenn abgesehen von einer vertretbaren Verweildauerreduktion nach Einsatz eines neuen Hüftgelenks die Zeit bis zur ersten schmerzfreien Vollmobilisation verkürzt wird? Im Verlaufe dieses Buches werden wir noch auf mehr Beispiele eingehen, anhand derer sichtbar wird, dass auch Patienten von ausgewählten Massnahmen der Performance-Steigerung profitieren können.

Auch die Mitarbeiter können von ökonomisch orientierten Massnahmen profitieren. Allzu schnell werden in Situationen von ökonomischem Druck Personalkosten reduziert, indem der Personalschlüssel korrigiert wird. Schafft es eine Klinik dagegen, mit anderen Massnahmen ihre finanzielle Situation zu verbessern, kann dies zu vermehrter Sicherheit, zu Vertrauen und Motivation bei den Mitarbeitenden führen.

Ein Streben nach Performance-Steigerung bedeutet Veränderungen: Veränderungen auf vielen verschiedenen Ebenen, eingreifend in den gewohnten Tagesablauf unterschiedlicher Berufsgruppen, eingreifend in allenfalls seit Jahren gleiche Abläufe in der Patientenbetreuung etc. Wir sollten uns bewusst sein, dass diese Veränderungen auch Unsicherheiten erzeugen können, wenn alte Gewohnheiten abgeschafft und durch Neues ersetzt werden. Dies wiederum bedeutet für Kadermitarbeitende, dass Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit allfälliger Neuerungen gut kommuniziert werden sollten. Dies bedeutet, dass man sich kritischen Diskussionen und z.B. Vorbehalten gegenüber Kostenreduktionen stellen sollte. Dies bedeutet auch das Schaffen von Transparenz gegenüber Mitarbeitenden, z.B. in der Hinsicht, dass Veränderungen häufig einhergehen mit grossen zu leistenden Anstrengungen. Dies bedeutet aber auch, dass bei Bedarf, analog oben bereits genannter Beispiele, eine Aufklärung der Mitarbeitenden erfolgen sollte, dass Kostenreduktionen, korrekt durchgeführt, auch mit einer Erhöhung des Patientennutzens einhergehen können.


Take Home Messages

Der Begriff „Performance“ kann im Gesamtkontext dieses Buches am besten übersetzt werden mit „Leistung“ und „Leistungsfähigkeit“.

Zentraler Bestandteil eines „Performance Managements“ ist die Frage nach Wegen einer „Performance-Steigerung“.

Key Performance Indikatoren (KPIs) dienen zur Beurteilung und zum Vergleich der aktuellen und zukünftigen Leistungsfähigkeit.

Einer der wichtigsten KPIs für eine Klinik ist das EBITDA (Earnings Before Interest, Tax, Depreciation, Amortization).

In diesem Buch beschäftigen wir uns mit Möglichkeiten der Performance-Steigerung in drei grossen Bereichen: stationären Erträgen, Personal- und Sachkosten.

Literatur

1.Duden (2020) Eintrag:

Performance. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Performance (abgerufen am 07.08.2020)

2.Linguee (2020) Eintrag: Performance. URL: https://www.linguee.de/deutsch-englisch/search?source=englisch&query=performance (abgerufen am 07.08.2020)

3.Koontz H (1971) Appraising Managers as Managers. New York McGraw-Hill

4.Armstrong M (2009) Armstrong’s Handbook of Performance Management. 5th edition. Kogan Page London/New York

5.Koppes LL (2007) Historical Perspectives in Industrial and Organizational Psychology. Psychology Press Hove

6.Donabedian A (1989) The end results of health care: Ernest Codman’s contribution to quality assessment and beyond. Milbank Q 67(2), 233–56 (discussion 257–67)

7.Coombs JG (2005) The Rise and Fall of HMOs. The University of Wisconsin Press

8.Capelli P, Tavis A (2016) The Performance Management Revolution. Harvard Business Review Oct., 58–67

9.Lee CD (2005) Rethinking the goals of your performance management system. Employment Relations Today, 32(3), 60

10.Doran GT (1981)

There’s a S.M.A.R.T. way to write management’s goals and objectives. Management Review 70(11), 35–36

11.PWC (2012) Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2012. URL: www.pwc.ch/gesundheitswesen (abgerufen am 07.08.2020)

12.Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2014) Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik): Diagnosen, Prozeduren, Fallpauschalen und Case Mix der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern. Fachserie 12, Reihe 6.4

13.Neumann H, Hellwig A (2002) Fallpauschalen im Krankenhaus: Das Ende der „Barmherzigkeit der Intransparenz“. Dt. Ärztebl. 99(50), A 3387–3391

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Performance-Steigerung im Klinikalltag
2.1 Erträge
2.1.1 Fallbeispiel und Selbstcheck

Eine 82-jährige Patientin wird von ihrem Hausarzt aufgrund von Fieber, Abgeschlagenheit und Husten auf die Notfallstation zugewiesen. Klinisch und radiologisch bestätigt sich der Verdacht auf eine Lungenentzündung (= Pneumonie) rechts. Die Vitalparameter werden wie folgt erfasst: Temperatur 38,8 Grad C, Blutdruck 91/62 mmHg, Puls 109/min., Sauerstoffsättigung 89% mit 6 l Sauerstoff. In der laborchemischen Untersuchung fallen eine Leukozytose von 18,5 giga/l, ein Akutes Nierenversagen AKIN Stadium III mit einem Kreatinin-Wert von 350 umol/l bei vorbestehender Chronischer Niereninsuffizienz und eine Hyponatriämie mit einem Natrium von 122 mmol/l auf. Die ABGA zeigt einen deutlich erniedrigten Sauerstoff-Partialdruck von 7,9 kPa.

Nach zügig eingeleiteter Antibiotikatherapie und 7 Tage später kann die Patientin die Klinik in deutlich gebessertem Allgemeinzustand wieder verlassen. Im Entlassungsbericht ist die Diagnosenliste wie folgt dokumentiert:

1.Pneumonie rechts

2.Chronische Niereninsuffizienz

a)Kreatinin bei Aufnahme 350 umol/l, Kreatinin bei Entlassung 143 umol/l

 

b)GFR 38 ml/min., am ehesten im Rahmen einer hypertensiven Nephropathie

3.Polyarthrose

4.Arterielle Hypertonie

Die medizinische Behandlung erfolgte einwandfrei, der Entlassungsbericht wurde binnen 24 Stunden fertiggestellt, das Prozedere für den nachbehandelnden Hausarzt war klar formuliert. Einige Wochen nach Entlassung der Patientin stellen Mitarbeiter des Medizin-Controllings fest, dass dieser Fall in die sogenannte DRG E77 F eingeteilt wurde und einen Ertrag von ca. 6.028 CHF generiert hat. Diesem

gegenüber stehen Kosten von ca. 8.300 CHF. Bei genauerer Betrachtung können keine überflüssigen, medizinisch nicht indizierten Untersuchungen erkannt werden. Die Verweildauer war mit 7 Tagen auch nicht überdurchschnittlich hoch.

Kann also eine sehr gängige Erkrankung wie eine Lungenentzündung nicht kostendeckend behandelt werden? Dies wäre die eine Möglichkeit, aber sich mit dieser Erklärung zufriedenzugeben, wäre klar zu kurz gedacht.

Offenbar haben auf der Kostenseite keine Verschwendungen stattgefunden. Ist es allerdings gelungen, den bestmöglichen Ertrag zu generieren? Wie genau wird dieser Ertrag überhaupt generiert? Und können wir in unserer täglichen klinischen Arbeit Einfluss nehmen auf den einer Klinik zustehenden Ertrag für die Behandlung von stationären Patienten gemäss Abbildung 1.5 aus Kapitel 1.5, sodass das EBITDA positiv beeinflusst wird?

Der für die Behandlung zuständige Oberarzt und Assistenzarzt sind offen gesagt überfragt. Beide haben schon einmal etwas vom Pauschalsystem gehört, dass in einem solchen System alle entstandenen Kosten mit einer Pauschale abgegolten werden und man deshalb unnötige Kosten vermeiden sollte. Aber wie das genau funktioniert, wie ein Ertrag generiert wird und wie genau man Einfluss nehmen kann, können beide nicht beantworten.

Da der Weg von der Patientenbetreuung bei Aufnahme bis hin zum Ertrag nach Entlassung häufig nicht genau bekannt ist, wird er im Folgenden übersichtsartig in einzelnen Schritten dargestellt:

Patienten treten entweder notfallmässig oder elektiv (= geplant) in eine Klinik ein. Gemäss unserem Fallbeispiel erfolgte die Aufnahme der 82-jährigen Patientin notfallmässig.

In der Klinik erfolgt die Behandlung von Patienten: entweder rein konservativ, also ohne eine Operation oder Intervention, oder mit Operation oder Intervention. Gemäss unserem Fallbeispiel erfolgte die Behandlung konservativ durch die Gabe von Antibiotika.

Patienten treten nach der Behandlung aus der Klinik wieder aus.

Es erfolgt die Erstellung eines Entlassungsberichtes.

In unserem o. g. Fallbeispiel wurden die entsprechenden Diagnosen 1 bis 4 dokumentiert.

Der Entlassungsbericht gelangt an die Medizinische Kodierung. Diese überprüft anhand der vorliegenden Dokumentation die erbrachten Leistungen einer Klinik während des Aufenthaltes eines Patienten. Ausserdem beurteilt sie anhand der Dokumentation den Schweregrad eines Krankheitsbildes. In unserem Fallbeispiel erkennt die Medizinische Kodierung also den Grund für die notfallmässige Aufnahme (= die Lungenentzündung), die notwendige Therapie (= die Antibiotikagabe) und erkennt, dass die 82-jährige Patientin noch weitere chronische Erkrankungen hatte (Diagnosen 2 bis 4).

Anhand des Entlassungsberichtes erfolgt durch die Medizinische Kodierung die Einteilung eines Falles in eine DRG, für welche ein sogenanntes Kostengewicht hinterlegt ist. Hierfür ordnet die Medizinische Kodierung dem Aufenthalt als Hauptdiagnose diejenige Diagnose zu, welche den höchsten Aufwand generiert hat. In unserem Fallbeispiel ist dies die Behandlung der Lungenentzündung. Die Hauptdiagnose wird mit einem Code versehen, dem sogenannten ICD-Code. Zusätzlich zur Hauptdiagnose ordnet die Kodierung dem Fall die Komplikationen und Komorbiditäten zu, welche im Entlassungsbericht notiert wurden, in unserem Fallbeispiel die Diagnosen 2 bis 4 (ebenfalls durch ICD-Codes).

Der ermittelten DRG ist ein sogenanntes Kostengewicht hinterlegt, eine dimensionslose Zahl. Dieses Kostengewicht wird mit der sogenannten Basisrate, einem fixen Betrag, in der jeweiligen Landeswährung multipliziert und ergibt somit den Ertrag. Das für die ermittelte DRG E77 F spezifische Kostengewicht unseres Falls beträgt 0,626, wird mit der sogenannten Basisrate von ca. 9.630 CHF multipliziert und ergibt den Ertrag von ca. 6.028 CHF. Ein anderer Patient mit demselben oder ähnlichem Krankheitsbild, der auch in diese DRG eingeteilt wird, erbringt somit in der Regel genau denselben Ertrag. Oder zunächst einmal ganz einfach gesprochen: Dieselbe DRG = derselbe pauschale Ertrag.


Die Tatsache, dass dieser Ertrag einer Pauschale entspricht, bedeutet, dass die während eines stationären Aufenthaltes eines Patienten entstehenden Kosten, abgesehen von wenigen Ausnahmen, mit dieser Pauschale abgegolten sind. Dies erfordert also einen sorgfältigen Umgang mit den eigenen Ressourcen, um unnötige Kosten zu vermeiden.

Wichtig: Werden die Diagnosen 2 bis 4 in unserem Fallbeispiel nicht im Entlassungsbericht erwähnt, werden sie für die Kodierung auch nicht benutzt. Dies kann einen Einfluss haben auf die Höhe des Ertrages, wie wir später erkennen werden. Wir lernen aber jetzt bereits, dass die vollständige Dokumentation im Entlassungsbericht eine grosse Rolle spielt.

Ebenfalls wichtig: Diagnosen sollten präzise formuliert sein. Eine „Chronische Niereninsuffizienz“, also eine Chronische Nierenerkrankung, wie im o.g. Fallbeispiel ersichtlich, ist zwar nicht falsch dokumentiert, kann aber noch präziser angegeben werden, nämlich als „Chronische Niereninsuffizienz im CKD Stadium III“. Letztere kann durch präzise Angabe des Stadiums einen Einfluss auf den Ertrag haben.

Hinzu kommen die Prozeduren, welche während des Aufenthaltes durchgeführt wurden. Prozeduren können – wie in unserem Fallbeispiel – die Verabreichung von Antibiotika sein oder die Durchführung von Interventionen oder Operationen.


Die vollständige und präzise Angabe von Hauptdiagnose, Komplikationen und Komorbiditäten sowie die Angabe der durchgeführten Prozeduren sind notwendig für die korrekte Einteilung eines Falles in eine DRG.

Die beiden letztgenannten Punkte sollten wir uns noch etwas genauer anschauen:

Die Einteilung eines Falles in eine DRG erfolgt gemäss Hauptdiagnose, Komplikationen und Komorbiditäten sowie den durchgeführten Prozeduren. Wenn wir allerdings unser Fallbeispiel noch einmal genauer betrachten, so fällt auf, dass das Akute Nierenversagen im AKIN Stadium III, die Elektrolytstörung der Hyponatriämie und auch der deutlich verringerte Sauerstoffpartialdruck im Blut im Entlassungsbericht gar nicht erwähnt werden. Des Weiteren ist auch die offenbar vorbekannte „Chronische Niereninsuffizienz“ nicht präzise gemäss Stadium klassifiziert. Wir haben jedoch gelernt, dass einerseits die vollständige Auflistung von Komplikationen und Komorbiditäten und andererseits die präzise Dokumentation derselben ertragsrelevant sein können.

Es stellen sich hier folgende Fragen:

1.Könnte es also sein, dass durch diese offenbar suboptimale Dokumentation ein geringerer Ertrag generiert wurde, als der Klinik zusteht?

2.Wenn ja: Bedingt durch welchen Mechanismus ist eine optimale Dokumentation überhaupt ertragsrelevant?

3.Können wir im klinischen Alltag auf einen solchen Mechanismus Einfluss nehmen und Sorge tragen für die Generierung des Ertrages, welcher unserer eigenen Klinik regelkonform zusteht?

Um diese Fragen genau beantworten zu können und den Sachverhalt dahinter genauer zu verstehen, lohnt es sich, dass wir uns zumindest in Grundzügen mit dem DRG-System auseinandersetzen. Wir werden also in den nun folgenden Kapiteln etwas genauer auf die stationär generierten Erträge gemäss schematischer Erfolgsrechnung einer Klinik (s. Abb. 1.3) eingehen, beginnend mit einer übersichtsartigen Schilderung des sogenannten DRG-Systems.