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Wirtschaftswunder und Wirtschafts-Melancholie

WIRTSCHAFTSWUNDER UND WIRTSCHAFTS-MELANCHOLIE

Der Grundstimmung der Bundesrepublik blieb die Melancholie aufgrund der jüngsten historischen Ereignisse erhalten, und „Kompensation war und blieb das Wirtschaftswunder“, stellt der Melancholie-Experte Wolf Lepenies fest. Im sportlichen und mentalitätsgeschichtlichen Sinne sicher das „Wunder von Bern“. Die wirtschaftliche Eigendynamik der Fünfziger Jahre entspricht allerdings nicht dem Pragmatismus etwa amerikanischen Zuschnitts – es handelte sich für viele eben um „Wunder“. Erst jetzt, in der modernen Ökonomie Deutschlands im 21. Jahrhunderts, schickt sich auch die Bundesrepublik endlich an, weniger Staat und mehr Zivilbürgertum zu schaffen. Dreh- und Angelpunkt zu der Hinwendung ist die Eigenverantwortung und Verwirklichung einzelner in Gestalt der Verwirklichung ihrer Utopien, als Karriere. Tatsächlich ist, wie die Systemtheorie sagt, der Wirtschaftsmarkt der einzige Raum, der zur Verwirklichung von Utopien bleibt. Aber der moderne Markt ist nicht U-topia mit räumlicher Beschränkung, sondern A-topia, ein Raum ohne Privilegien und Grenzen, der der Ungleichheit der Menschen Rechnung trägt und jedem durch die allgemeinen Regeln der Wirtschaft eine Chance einräumt: „in einer utopischen Gesellschaft mit globalem Radius findet die Marktutopie die Bedingungen ihrer Selbstverwirklichung. Auch wenn Marktökonomen dies habituell ausblenden, so leiden ihre idealisierten Märkte bislang doch an der territorialen, ortsgebundenen und örtlich bindenden Vormundschaft des Staates.“ (Willke 2001:13)

Mit dem in Deutschland vererbten Abhängigkeitsgefühl von „Vater Staat“ ist es nun endgültig vorbei. Das Ende des Wohlfahrtsstaates ist erreicht – und damit auch das Ende des Pessimismus. Zuletzt hat sich die sozialistische Utopie an ihrer Gängelung und ihrem Einheitszwang selbst zur Strecke gebracht. Noch aber herrscht eine gewisse, wenn nicht traditionelle Art von Melancholie gegenüber den wirtschaftlichen Entwicklungen. Im wiedervereinigten Deutschland hatte sich zunächst die Utopie von „blühenden Landschaften“ als frustrierender Trugschluss erwiesen, der auch den Westen Deutschlands befällt: Je weniger Geld man hat, desto öfter stellt man sich die Frage, wofür man den speziell eingeführten „Solidaritätszuschlag“ bezahlt, der für den fast aufgegebenen „Aufbau Ost“ bestimmt ist. Keine Frage: Das Warten muss ein Ende haben. Das Handeln beginnt. Deutschland steht an einem Punkt, an dem die Überschätzung des Staates als unser Versorger Schicksalsträger nur dazu führen würde, dass es noch mehr Arbeitslose und mehr Markt-Melancholie gibt. Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert kann heute niemand mehr vom Staat mit besseren Chancen ausgestattet werden.

Heute spielen alle nach den gleichen Regeln: „Statt auf Gleichheit der Menschen setzt die Marktutopie auf die Gleichheit gegenüber den Regeln des Marktes. Tatsächlich kennen diese Regeln keine Privilegien. Bill Gates unterliegt diesen Regeln in gleicher Weise wie Tante Emma, General Motors ebenso wie die Garage an der Ecke.“ (Willke 2001:9) Es kommt nur darauf an, diese Regeln zu verstehen und zu kennen.

Man kann ohne weiteres von unseren alten Einschränkungen eines ver- und fürsorgenden Staates abrücken und sich der längst realen, rigorosen Unbeschränktheit des Marktes aussetzen. „Es muss doch möglich sein, dass sich die Gesellschaft in bestimmten Dingen selbst organisiert. Es kann doch nicht sein, dass der Staat permanent die Familie, das Land, die Wirtschaft reglementiert“, sagt Markus Lüpertz, einer der wichtigsten lebenden deutschen Künstler, im Gespräch mit den traditionellen Vordenkern Günter Grass und Peter Glotz (SPIEGEL 32/2004, S. 41). Aus Angst halten noch viele lieber an der fürsorgenden Rolle des Staates fest. Während der wirtschaftlichen Rezession Anfang der Neunziger Jahre galt es in Deutschland sogar eine Zeitlang als schick, sich arbeitslos zu melden und dem Staat für eine Weile „auf der Tasche zu liegen“ – für Amerikaner ein undenkbares, vor allem „unmännliches“ Verhalten, das ihnen gar nicht in den Sinn kommen würde. „Deutsche Erwartungen an die Allgemeinbildung, die Kirche, den Staat, das Sozialwesen sind anders als die eines Amerikaners. In Deutschland ist es unchristlich, den Schwächeren nicht unter die Arme zu greifen; in Amerika ist es unmännlich, vom Staat zu leben. Die Deutschen finden Sinn in der Kritik und in der Verweigerung; die Amerikaner sehen Sinn nur im Tun.“ (Eric T. Hansen, „Typisch deutsch“, in: Süddeutsche Zeitung v. 13. Juli 2004, S. 11) Traditionell liegt auch die Schuld an der eigenen Arbeitslosigkeit in Deutschland am Staat – niemals an einem selbst. In den Vereinigten Staaten macht niemand dem Präsidenten einen Vorwurf, wenn er arbeitslos wird – höchstens sich selbst. Längst ist die Wirtschaft der Markt einer Weltgesellschaft geworden, wir aber bewegen uns immer noch in den engen Behausungen unserer nationalstaatlichen Grenzen. Deutschland ist eine Weltmacht und verhält sich wie ein ängstlicher kleiner Junge, der nichts mehr fürchtet als den Blauen Brief aus Brüssel. Leute ohne Arbeit sitzen zuhause, schauen fern und warten auf den „Ruck“, die „Wende“, den „Wechsel“, von dem die Politiker sprechen. Dass dieser Ruck von uns selbst kommen muss, werden diese nicht auszusprechen wagen. Wer aber die Globalisierung nicht verpassen will, muss den Rahmen schaffen, in dem man Karrieren und Unternehmen befördern kann. Und dafür muss man sich überlegen, für welchen Job man gerne um neun Uhr morgens vor der Tür ist.

Die moderne Wirtschaft ist vom Nationalstaat unabhängig, ob man will oder nicht: „Heute tragen Beobachtungen und Überlegungen vieler Disziplinen zu der Einsicht bei, dass die Steuerung komplexer Gesellschaftssysteme nicht der Politik überlassen werden kann. (...) Es nimmt die Einsicht zu, dass Steuerung im Wesentlichen als Selbststeuerung konzipiert sein muss.“ (Willke 2001:42) Deutschland befindet sich auf genau diesem Weg: Von der Angestelltenkultur und staatlich reguliertem Arbeitsmarkt zur selbst bestimmten Wirtschaft – und zu selbst bestimmenden Akteuren – hin zu Innovation und Unternehmertum. Deshalb muss man sich vom tradierten deutschen Glauben auf eine Veränderung „von oben“ schleunigst lösen. Dabei müssen sich sowohl Individuen als auch Unternehmen zum Teil umstrukturieren. Wer auf das Anziehen der nächsten Konjunktur wartet, um dann zu handeln, hat nicht verstanden. Die Konjunktur zieht nur dann an, wenn man jetzt handelt. Die Chance, sich in einem Unternehmen oder einem Angestelltenjob wirklich selbst zu verwirklichen, ist gering. Die meisten Menschen, die längere Zeit vergebens versucht haben, in ihrem Bereich einen neuen Job zu ergattern, verstehen langsam, dass man selbst Hand anlegen muss. Die Arbeitslosenzahlen werden nur sinken, wenn immer mehr Menschen aus der Statistik fallen. Nicht, weil sie obdachlos werden, sondern Unternehmer, die sich auf ihre eigenen Fähigkeiten besinnen müssen. Wenn sie diese gefunden haben, ist ihr Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Dafür brauchen sie Coaches.

Selbst die größten Unternehmen müssen sich umkrempeln. An ihnen kann man studieren, dass sie nur dann erfolgreich bleiben, wenn sie sich immer wieder neu definieren: „ (...) Kodak, Daimler-Benz, Philips und viele andere. Sie alle wurden gnadenlos vom Sockel gestoßen, weil neue Produkte und bessere Angebote auf dem Markt erschienen. Josef Schumpeters „produktive Zerstörung“ erreicht sie alle, nur weil sie sich selbst diesen Regeln des Marktes unterwarfen, konnten sie sich ihrerseits mit innovativeren Produkten und preiswerteren Angeboten wieder hocharbeiten.“ (ebd.) Die Verdienste der Gewerkschaften in den Zeiten des Wirtschaftswunders – Respekt. Aber heute profilieren sie sich fast nur noch durch die Behinderung gesellschaftlicher Prozesse, die alte Wirtschaftszweige obsolet machen und gelernten Bergarbeitern die fatale Illusion vermitteln, ihre Jobs würden nur aus Willkür aufgegeben. Ihr Mitgliederschwund ist bezeichnend, die Starrsinnigkeit von ver.di verhindert jedoch längst nötige Umstrukturierungsprozesse: Weniger Staat, mehr Zivilgesellschaft.

Es ist erstaunlich, dass zwei der zu Amtszeiten meistgehassten Politiker heute fast als Helden gefeiert werden, weil sie damals den Gang durch das tiefe Tal der Umstrukturierung gegangen sind, um die Wirtschaft neu zu gestalten: Margret Thatcher und Ronald Reagan. Es ist erstaunlich, dass der befreundete konservative deutsche Kanzler diese unpopuläre, aber notwendige Entscheidung vor sich her geschoben hat und statt dessen Zweckoptimismus deklarierte: Helmut Kohl (Slogan: „Weiter so, Deutschland!“). Um so erstaunlicher, dass ausgerechnet die ehemalige Toscana-Fraktion der Lehrer und Arbeiter sich unter ihrem Kanzler komplett umstrukturiert hat und beginnt, das Land zumindest im Ansatz mit Reformen in Richtung Entrepreneurship und Innovation umzubauen: Gerhard Schröder. Noch erstaunlicher, dass ein Grüner dieses Werk mitträgt und vielleicht fortsetzen wird: Joschka Fischer. Man sollte diese Entwicklungen nicht zu negativ sehen. Schließlich bietet sie die einmalige Chance, das Ideal von einem eigenen, erfolgreichen Leben – dem Ideal der Aufklärung – als persönliche Karriere zu erreichen und zu erleben. Es besteht zum ersten Mal die Chance, den Markt selbst zu steuern und die Regeln des Marktes schnell zu begreifen und selbst zu bestimmen. Unternehmen werden lernende Systeme, deren Kenntnis von Leuten abhängig ist, die das Ganze beobachten und verstehen. Dazu braucht man keine braven Angestellten, sondern ein motiviertes Team. Dazu braucht man weniger Consulting und mehr Coaching. Coache helfen Menschen, ihre Ziele zu erreichen.

Deutschlands Kultur – oder Unternehmenskultur – wird vermutlich eine Coaching-Kultur werden, wie es in den USA längst der Fall ist. Das Potenzial dafür findet sich unter anderem in der deutschen Kultur und Wissenschaft. Um ein Beispiel zu geben: Immanuel Kant definierte Menschen als „Zweck an sich“, einmalige Wesen mit einer je einmaligen Zielsetzung – und das Leben entsprechend als den Weg, diese Zielsetzung zu erkennen, die Lebenszeit zu nutzen, um diesen Zweck zu erfüllen. Schärfer noch: Dieses Ziel ist der Mensch selbst! Natürlich besteht jeder Mensch auch noch aus Fleisch und Blut. Aber er hat seine Sinne und seinen Verstand, um sich nach den besten Möglichkeiten auszuloten.

 

Dieser Gedanke unterstellt für jeden Menschen auf der Welt einen Sinn, eine individuelle Bestimmung und nebenher seine Einzigartigkeit. Darüber kann man sicherlich diskutieren. Aber überlegen Sie, ob es nicht etwas gibt, das Sie besser beherrschen, als jeder andere (außer Autofahren). Überlegen Sie, was es gibt, was Sie wirklich interessiert, was Sie mit Teilnahme und Hingabe verfolgen könnten. Stellen Sie sich vor, Sie könnten in Ihrem Bereich das Beste aus anderen Leuten herausholen, was diese zu bieten haben: Ihr Ziel. Stellen Sie sich vor, Sie packen andere Menschen an ihrer eigenen Neugier, holen das aus ihnen heraus, was sie am besten beherrschen, und fördern ihr Talent, indem Sie sie ständig zurück ins Feuer werfen, auch wenn sie Sie hassen und lernen, sich selbst zu lieben, wenn sie über sich hinauswachsen, wenn sie plötzlich mehr auf die Beine stellen, als sie sich selbst jemals zugetraut hätten, wenn sie Talent, Profi, Meister werden... dann sind Sie ein Coach! „Jeder Mensch trägt seine Talente mit sich herum, aber oft fehlt der Mut, sie umzusetzen. Angst, sich zu blamieren, vielleicht auch Existenzängste. Aber es gibt diese Momente, in denen sich eine Chance bietet, und dann genau muss man Mut fassen, es auch zu tun. Man kann nicht warten, dass einem jemand diese Träume erfüllt, dass die Regierung sich schöne Dinge ausdenkt, damit man gut leben kann.“, erläutert der erfolgreiche Schauspieler und Filmemacher Deutschlands Michael „Bully“ Herbig seine Vorstellungen von einem gelingenden Leben (DIE ZEIT 15. Juli 2004, S. 54).

Das Leben ist das, wozu wir es machen

DAS LEBEN IST DAS, WOZU WIR ES MACHEN

Hier schließt sich der Kreis. Ganz am Anfang dieser Einführung steht – aus gleicher Quelle – die Formel dieses Buches, Nietzsches Zitat: „Sei Du selbst – das bist Du alles nicht, was Du thust, meinst, begehrst“. Es besagt, dass man sich niemals am Ziel, immer nur in einer bestimmten Stufe des Lebens und seiner Entwicklung befindet. William James kommt zu einem ähnlichen Schluss: Das Leben ist das, „wozu wir es machen“ (zit. in Konersmann, Melancholie, S. 170). Das ist die psychologische Version dessen, was Immanuel Kant als „Zweck an sich“ bezeichnet hat: Der Mensch, das ist das Leben, das bist Du selbst mit deinen eigenen Zielen. Diese Ziele muss man erst einmal entdecken – oder wiederfinden. Gerade, wenn Du denkst, das bist Du selbst, bist Du es nicht. Keiner kann Dir im Prinzip in Dein Leben hineinpfuschen – und nur Du selbst hast es in der Hand. „Du selbst zu sein“, ist das Ziel. Der Antrieb auf dem Weg dorthin wird die Neugier sein. Die Erkenntnis, vielleicht jemand anderes zu sein, als das, was man „tut, meint, begehrt“, ist vielleicht ein gutes Zwischenergebnis – oder das, was Nietzsche mit „Ausströmung von Licht und Wärme, liebevolles Niederrauschen nächtlichen Regens“ meinte: Erleichterung, und das gute Gefühl, aus der Gewohnheit auszubrechen und auf dem richtigen Wege zu sein: „Gewiss, es gibt wohl andere Mittel, sich zu finden (...), aber ich weiß kein besseres, als sich auf seine Bildner und Erzieher zu besinnen“, sagt Nietzsche im gleichen Zusammenhang (Unzeitgemäße Betrachtungen, Werke Bd. 1:340). Das sind Ihre Coache.

Was wir jetzt besonders brauchen können, ist ein bisschen Pragmatismus. Die „Bildner“ unseres modernen Lebens sind Coache – und wir brauchen mehr denn je davon. Coaching bedeutet Kommunikation von höchster Qualität zu betreiben: auf seinem ureigenen Gebiet zu agieren, sich in die Situation anderer zu versetzen und mit seiner Brillanz anderen Menschen zu Brillanz auf ihrem Gebiet zu führen. Coaches sind deshalb weder Manager, noch Unternehmensberater oder Motivatoren – sondern Leute, die anderen Menschen ihre Stärken klar machen und auf diese Weise neue Energien freisetzen. Die deutsche Kulturgeschichte besitzt mit ihrem Aktivposten, der Aufklärung, und deren Heroen die besten Voraussetzungen für Coaching. Als einzige Kultur in der westlichen Hemisphäre hat sie die alten kartesianischen Werte von Mechanik, Wissenschaft und Fortschritt zugunsten eines Humanismus erhalten. Die Helden des „Coaching“ sind Kant, Goethe & Co.. „Licht, Liebe, Leben“ – die Herren wussten schon, wovon sie redeten.

Es steht alles, was man braucht, zur Verfügung: Ihre besondere Brillanz, die kein anderer Mensch besitzt. Milliarden von Menschen, deren Neugierde Sie wecken. Und ein Werkzeugkasten mit hundert Tools, die eine Service-Ökonomie braucht und die Sie zum Coach in Ihrem Metier machen. Wir werden Ihnen zeigen, wie es funktioniert.

Willkommen im Licht.

Willkommen im Leben.

Willkommen im Team.

2. WAS DIE WELT JETZT BRAUCHT, IST COACHING

2. WAS DIE WELT JETZT BRAUCHT, IST COACHING

„Um seine Träume zu verwirklichen, muss man sich den Arsch aufreißen.“

(Michael „Bully“ Herbig, 36,

Regisseur, Autor, Schauspieler, erfolgreichster deutscher Spielfilmproduzent aller Zeiten)

Wer gewinnt, ist modern

WER GEWINNT, IST MODERN

Zu den Olympischen Spielen in Athen 2004 wurde rechtzeitig eine neue Brücke fertiggestellt. Zur Einweihung darf ein besonders ausgezeichneter Ehrenmann als letzter Träger die Fackel des olympischen Feuers die letzten dreihundert Meter über diese Brücke tragen. Dieser Mann ist kein Grieche. Er heißt Otto Rehhagel. Seit einigen Wochen wird er allerdings von den Griechen „Rehakles“ genannt, angelehnt an die mythische Figur Herakles, der zehn schier unmöglich zu bewältigende Heldentaten vollbrachte. Dass dem deutschen Coach der griechischen Nationalmannschaft diese Ehre zuteil wird, darauf hätte drei Monate vorher kein Mensch einen Pfifferling gesetzt. Inzwischen aber ist Rehhagel Ehrenbürger Athens, Held Griechenlands, und seine griechische Gurkentruppe der amtierende Fußball-Europameister. Eigentlich war die Mannschaft bestimmt, schon in der Vorrunde auszuscheiden. Doch arbeiteten sie sich von Spiel zu Spiel weiter. Der krasse Außenseiter schlägt Weltklasse-Mannschaften wie Frankreich aus dem Rennen – Portugal gleich zwei Mal. Schon beim Einzug ins Viertelfinale war Rehhagel der König Griechenlands. Beim Halbfinale gelang der Mannschaft ohne auffällige Spieler dann die unglaubliche Überraschung: Griechenland im Finale! Dann die noch größere Sensation: Der zweite Sieg gegen den klaren Favoriten Portugal (na gut, mit dem „Silver Goal“ nach dem Eckstoß) – Griechenland... Europameister! Mit seinem klassischen Konzept des Arbeitsfußballs (Libero, Viererkette, Manndeckung) hat der deutsche Trainer dem modernen, glamourösen Weltfußball mit seinen Stars das Fürchten gelehrt. Die Lösung: Homogenität und Ruhe. Kein Medienstress, denn wo kein Star ist, spielen alle gleich. Wenn auch gleich schlecht. Also haben sie nichts zu verlieren. Und haben am Schluss alles gewonnen. Rehhagel: „Wer gewinnt, ist modern!“

It’s not about the bike

IT’S NOT ABOUT THE BIKE

Ein Triathlet aus Austin/Texas namens Lance Armstrong hat Mitte der Neunziger Jahre den größten Sieg seines Lebens davon getragen – den Sieg über den Krebs. Seine „Coache“ Chris Carmichael und Eddy Mercks waren diejenigen, die ihm seinen Sieg bei der Tour de France prophezeihten. Bei seiner ersten Tour schied er nach zwei Tagen aus. 1995 gewann Armstrong eine Etappe und scheiterte hoffnungslos in den Bergen. Armstrong musste eine Primärtugend lernen: Geduld. „Heute glaube ich, dass Geduld das ist, was einen Jungen von einem Mann unterscheidet“, sagt er in seinen Memoiren. Nach der Überwindung seines unheilbar scheinenden Krebsleidens gewinnt er 1999 zum ersten Mal die Tour de France und stellt 2004 einen neuen Rekord auf: Der erste Mensch, der bei der Tour de France sechs Mal hintereinander siegt. Warum nimmt man solche Strapazen auf sich? Nur wegen des Sports? Armstrong: „It’s not about the bike. It’s a metaphor for life, not only the longest race in the world but also the most exalting and heartbreaking and potentially tragic. It poses every conceivable element to the rider, and more: cold, heat, mountains, plains, ruts, flat tires, high winds, unspeakably bad luck, unthinkable beauty, yawning senselessness, and above a all great, deep self-questioning. During our lives we’re faced with so many different elements as well, we experience so many setbacks, and fight such a hand-on battle with failure, head down in the rain, just trying to stay upright and to have a little hope. The Tour is not just a bike race, not at all. It is a test. It tests you physically, it tests you mentally, and it even tests you morally.“ (70f.) Armstrong macht deutlich, dass der Sport Muster liefert, die andere Lebensbereiche beeinflussen. Ein weiteres Muster ist die Energie des Teams. Was ihm zu seiner Siegesserie verhalf, war die Einführung des Teamsports in der Tour de France. Wo sich früher mehr oder weniger die Einzelgänger abrackerten, hatte der legendäre Miguel Indurain eine Strategie entwickelt, in der alle Teammitglieder für ihn fahren und gleichzeitig die Gegner taktisch ausschalten: „You don’t win a road race all on your own. You need your team mates – and you need the good will and cooperation of your competitors, too. People had to want to ride for you, and with you“ (55). Durch seine Coache hat er gelernt, worauf es noch ankommt: Seine Ungeduld zu zügeln. Niemals zu früh zu attackieren. Sich im Peloton gut zu benehmen und sich Freunde zu machen: „Give an inch, have a friend“. Es geht also weniger ums Fahrradfahren, sondern darum, dass alles nach Regeln funktioniert, die auf andere Bereiche übertragbar sind. Die Erfahrungen Lance Armstrongs gehen über den Sport hinaus – sie beschäftigen sich mit dem Leben. Es geht im Sport wie im Business oder im Leben um Werte, Verhalten, humane Energien. Sport ist ein Bereich, in dem wir die Dinge des Lebens simulieren: Unsere Ziele, unsere Pläne, unser Verhalten, unsere Einstellung gegenüber Unwägbarkeiten wie den Krebs. Coaching zieht die Essenzen daraus: Coache sind Personen, die die Regeln des Sports auf Business übertragen.