Alzheimer - vorbeugen und behandeln

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Auf der Heimfahrt dachte ich: „Was haben wir schon zu verlieren?“, fuhr zu einem Naturkostladen und kaufte das Kokosöl, das ich einmal dort gesehen hatte.


Abbildung 1: Die erste Uhr – am Tag, bevor wir mit dem Kokosöl anfingen

Der zweite Eignungstest

Steves Eignungstest für die Impfstoff-Studie war für den nächsten Tag um 13 Uhr angesetzt. Um sicherzugehen, dass er mindestens 20 Gramm mittelkettige Triglyceride bekam, rührte ich beim Frühstück (mit seinem Einverständnis) mehr als 2 Esslöffel Kokosöl unter seinen gewohnten Haferbrei – und dann noch mehr, damit es nur ja Erfolg bringen sollte. Auch in meinen Haferbrei gab ich 2 Esslöffel – ich konnte ja nicht erwarten, dass Steve etwas aß, was ich nicht essen würde.

Während der Fahrt ging ich (wie schon am Tag vorher) Fragen zu Ort und Zeit mit ihm durch, doch er verwechselte die Monate und die Wochentage und konnte sich weder an das Wort „Frühling“ erinnern noch daran, wohin wir fuhren. Als wir ankamen, war ich davon überzeugt, dass der Test nicht besser ausfallen würde als beim letzten Mal.

Normalerweise bete ich, um Gott für das zu danken, was ich habe, und nicht, um ihn um etwas zu bitten. Doch diesmal bat ich darum, dass Steve den Eignungstest schaffte – ich wollte ihn nicht verlieren!

Nach dem Test hatte er kein gutes Gefühl und so saßen wir und warteten und hatten wieder einmal keine Hoffnung. Doch diesmal hatte er es geschafft! „Hat er es ihnen nicht erzählt?“, fragte Laura, die Assistentin, die seinen Blutdruck maß und ihm Blut abnahm. „Er hat 18 Punkte, wir machen weiter!“ Das waren 6 Punkte mehr als beim letzten Mal und 4 Punkte mehr als am Vortag. Sie ging den Test mit uns durch, Steve erinnerte sich an die Jahreszeit, den Monat und den Tag und er wusste, wo wir waren! Wir fassten Mut.

War diese deutliche Verbesserung dem Kokosöl zu verdanken oder der Vorbereitung auf dem Weg hierher oder meinem Gebet – oder hatten wir einfach nur Glück gehabt? In der AC-1202-Patentanmeldung stand, dass bei manchen Menschen schon nach der allerersten Dosis eine Besserung eingetreten war. Vielleicht gehörte Steve ja zu den Glücklichen, die so schnell reagierten? Aufgrund der Accera-Studien wäre es genauso gut möglich gewesen, dass er überhaupt nicht reagierte, da er Apo-E4-Träger war …

KAPITEL 5


Der mühsame Weg aus dem Abgrund

Ich fühlte mich, als lebte ich in einem parallelen Universum. Als Steve beim Mini-Mental-Status-Test im Alzheimer-Institut so gut abschnitt, wusste ich nicht, ob das dem Kokosöl oder meinen Gebeten geschuldet oder ob es einfach Glücksache war. Auf jeden Fall beschloss ich, ihm weiterhin täglich beim Frühstück etwas mehr als 2 Esslöffel Kokosöl zu geben. Bevor wir damit anfingen, war er morgens immer benommen, sprach sehr wenig und ging sehr langsam. Schließlich fand er zu seinem Platz und begann sehr langsam zu essen. Am dritten Tag kam er munter und lächelnd in die Küche, war gesprächig und wirkte glücklich. Er hatte kaum Probleme damit, seine Sachen und ein Glas Wasser zu finden, und sprach viel beim Frühstück. Am fünften Tag sahen wir einander an und waren der einhelligen Meinung, dass sich unser Leben verändert hatte!

Ich war daran gewöhnt, dass es bei Steve zu Schwankungen kam: Manchmal ging es ihm mehrere Tage lang besser, dann wieder einige Tage nicht so gut. Aber das hier war anders. Er sagte, er fühle sich, als sei ein Licht angeschaltet worden, der Nebel habe sich gelichtet und sein Leben habe sich zum Besseren verändert. Schon ganz früh zeigten sich die deutlichsten Veränderungen in seiner Persönlichkeit und in seiner Fähigkeit, ein Gespräch zu führen. Sein Gesicht war lebendiger, er begann zu scherzen, wurde im Laufe des Tages gesprächiger und schien mehr Energie zu haben. Anfangs zitterte er noch, wenn er versuchte, zu essen und zu sprechen, und sein Gang war noch etwas seltsam, doch insgesamt war dies eine enorme Verbesserung im Vergleich zu dem Zustand, in dem er wenige Tage zuvor noch gewesen war.

Wie ich die Veränderungen dokumentierte

Ich erzählte meiner Schwester Angela und meinem Vater, was mit Steve geschehen war. Meine Schwester schlug mir vor, Tagebuch zu führen. Und so begann ich, alles aufzuschreiben, woran ich mich erinnern konnte. Einige Auszüge daraus möchte ich hier wiedergeben:

21. Mai – Tag 1: Zwei Esslöffel Kokosöl in Haferbrei und Weizenprotein zum Frühstück; auf dem Weg ins Institut Vorbereitung auf den Gedächtnistest. Im Auto brachte er alles durcheinander, doch beim Test (4 Stunden nach dem Frühstück) schaffte er 18 Punkte und wurde in die Studie aufgenommen.

22. Mai – Tag 2: Wir nehmen zwei Esslöffel Kokosöl zum Frühstück und später auch etwas davon zum Kochen.

26. Mai – Tag 6: Ich nehme Kokosöl nicht mehr nur zum Frühstück, sondern koche damit und gebe es in Smoothies (dickflüssige, cremige Fruchtsaftgetränke). Steve mag es. Bisher ist er jeden Morgen sehr munter. Eines Morgens erzählte er mir, er habe geträumt, dass wir nicht genug Geld hätten. (Es ist ziemlich lange her, dass er sich an einen Traum erinnerte.) Am nächsten Tag erzählte er mir Dinge aus seiner frühen Schulzeit. Heute beschäftigte er sich mit der Reinigung des Pools und saugte im Gästezimmer und im Wohnzimmer. Dann ließ die Konzentration nach, er ging hinaus zu den Pflanzen, geriet in Verwirrung wegen irgendwelcher „Viecher“ und grub die Zwiebeln aus den Pflanzgefäßen. Ich hatte ihn schon früher so etwas tun sehen und sagte ihm das – doch er konnte sich nicht daran erinnern.

28. Mai – Tag 8: Ein guter Morgen, Steve war munter. Zwei Esslöffel Kokosöl, mit warmem Mehrkornmüsli, einer halben Banane und einem halben Schöpfer Schokoladenmolke-Pulver. Seit zwei Tagen bekommt er morgens und abends zusätzlich zu seinen Medikamenten L-Carnitin. Er erinnert sich sofort, dass es Frühling ist und „fast Juni“. Heute vor einer Woche konnte er trotz aller Bemühungen bis zum späten Nachmittag weder die Jahreszeit noch den Monat behalten. Wirkt jetzt mehr seinem Alter entsprechend und nicht wie ein Achtzigjähriger.

29. Mai – Tag 9: Heute wieder sehr munter. Reinigte nach dem Frühstück die Filter der Poolpumpe und konnte selbstständig die Deckel abnehmen. (Früher musste ich ihm immer mehrmals sagen, was er mit den Deckeln machen solle.) Er wollte wissen, ob die Pumpe so konzipiert sei, dass sie sich automatisch einschalten könne (Antwort: nein), und sagte, er habe darüber bisher nicht nachgedacht. Erscheint insgesamt „normal“ – außer dass er manchmal Probleme mit der Wortfindung hat – und kann seine Gedanken besser zu Ende bringen. – Ich rief die Firma an, die das in den AC-1202-Studien verwendete Fettsäureprodukt (Neobee 895) geliefert hatte. Sie schicken mir ein Muster und mailten gleich ein Merkblatt mit Fachinformationen.

30. Mai – Tag 10: Steve war heute munter und ausgelassen. Er mähte mit dem kleinen Rasenmäher das Gras vor dem Haus.

31. Mai – Tag 11: Steve erscheint „normal“ – glücklich und munter. Er ging die Zeitung holen, kam schnell zurück und las in einer Zeitschrift. Mit ein wenig Hilfe räumte er die Spülmaschine aus und bestückte sie neu (mit ganz geringer Hilfe). Er war auch abends noch sehr munter. Wir führen gute Gespräche, auch wenn er mit der Wortfindung einige Probleme hat.

1. Juni – Tag 12: Steve stand früh auf und war munter. Wir unterhielten uns viel über alle möglichen Dinge: Politik (der Fernseher läuft), Kokosöl und darüber, was er tun wollte. Den Monat Juni erriet er richtig. Er hat viel Humor und sieht körperlich großartig aus; sein Gang hat sich normalisiert.

Ich frage mich, ob es einen Zusammenhang zwischen Herpes simplex (den Lippenbläschen, die er auch schon um die Augen gehabt hatte) und Alzheimer gibt. Als es Steve das letzte Mal schlecht ging, hatte er auch schlecht heilende Fieberbläschen auf der linken Unterlippe. Ich muss mal nachsehen, welche Nervenbahnen von den Lippen zum Gehirn führen. Könnte das Virus vielleicht auf diesem Weg zu Amygdala und Hippocampus gelangen?

2. Juni – Tag 13: Ich wachte um 5 Uhr morgens auf und schrieb einen dreiseitigen Brief über AC-1202, das mittelkettige Triglyceridöl und Kokosöl. Diesen schickte ich per Fax, Post und E-Mail an eine pensionierte Richterin am Obersten Gerichtshof, an die Alzheimer-Forschungsgruppe, die amerikanische Alzheimer-Gesellschaft, an zwei Senatoren und an einen Herzchirurgen sowie an den Sender CNN und das amerikanische Frühstücksfernsehen. Steve ging es immer noch gut. Die Alzheimer-Forschungsgruppe antwortete per E-Mail: Man gehe der Sache nach und wolle mir dann antworten.


Abbildung 2: Die zweite Uhr – 2 Wochen, nachdem wir mit dem Kokosöl angefangen hatten

3. Juni – Tag 14: Steve war gegen 7 Uhr wach, munter und bereit loszulegen! Er zeichnete eine Uhr, die gegenüber derjenigen von vor zwei Wochen im NeuroScience Center eine deutliche Verbesserung darstellte (vgl. Abbildung 2). Dann erledigte er mehrere Arbeiten (Absaugen der Teppiche und Böden und Reinigen der Poolfilter).

13. Juni – Tag 24: Was für ein toller Kerl: Während ich bei der Arbeit war, kümmerte sich Steve um die Wäsche, räumte sie aus der Waschmaschine in den Trockner, legte sie zusammen und räumte sie weg, ohne dass er aufgefordert werden musste oder Unterstützung brauchte! Es ist sehr lange her, dass er etwas so zu Ende bringen konnte – meistens vergaß er, die Wäsche aus der Waschmaschine in den Trockner zu stecken. Heute war er den ganzen Tag gut drauf.

 

Abbildung 3: Die dritte Uhr – 37 Tage, nachdem wir mit dem Kokosöl angefangen hatten

Trotz enormer Verbesserungen lief anfangs nicht alles glatt:

20. Juni – Tag 31: Steve weigerte sich heute früh, seinen Haferbrei mit Kokosöl aufzuessen, und wollte stattdessen Schokokekse. (Gestern Abend musste ich ihn dazu überreden, das MCT-Öl pur einzunehmen, da er das viel angenehmere Kokoseis oder andere Zubereitungen verweigerte.) Mit viel gutem Zureden aß er sein Frühstück schließlich auf.

26. Juni – Tag 37: Steve zeichnete wieder eine Uhr, die diesmal noch eindeutiger aussah (vgl. Abbildung 3). Er macht auch in anderer Hinsicht allmählich Fortschritte: Er zittert immer weniger (sichtbar) und sein Gang wird normaler.

Ein wertvoller Fund

Inzwischen verbrachte ich fast jeden freien Augenblick damit, mich über Ketone, mittelkettige Fettsäuren, Kokosöl und MCT-Öl kundig zu machen.

Im Zuge meiner Internetrecherchen stieß ich auf den Namen Dr. Richard L. Veech – er war Stoffwechselspezialist bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde und anscheinend ein weltbekannter Ketonforscher. Ich fand seine Kontaktadresse und Hinweise auf mehrere Artikel, unter anderem auf einen mit dem Titel: „Review: The Therapeutic Implications of Ketone Bodies“ [zu Deutsch etwa: „Überblick: Die therapeutischen Auswirkungen von Ketonkörpern“ Anm. d. Übers.], veröffentlicht in der Zeitschrift Prostaglandins, Leukotrienes and Essential Fatty Acids (Veech, 2004). In diesem Artikel äußert er sich ausführlich zum Thema Ketone und darüber, wie Neuronen (Hirnnervenzellen) sie anstelle von Glukose als Energiequelle verwerten können, insbesondere bei Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson, bei denen die Glukoseverwertung nicht möglich ist. Er schrieb auch über ihren Einsatz bei Diabetes und einer Reihe anderer Krankheiten.

Ich hatte viele Fragen an diesen Arzt, nicht nur über die Anwendungsmöglichkeiten bei jemandem wie meinem Mann, sondern auch bei meinen Neugeborenen. Ich beschloss, all meinen Mut zusammenzunehmen und ihm meine Fragen telefonisch zu stellen:

1. Warum nicht Kokosöl anstelle von MCT-Öl?

2. Warum nicht zu jeder Mahlzeit anstatt nur morgens? Wäre es nicht besser, wenn man versuchte, dem Körper die Ketone kontinuierlich zuzuführen?

3. Warum gerade 20 Gramm MCT-Öl?

4. Wären frei verkäufliche Teststreifen zur Ketonbestimmung im Urin sinnvoll?

5. Gab es schon Studien mit Neugeborenen über die Anwendung von Ketonkörpern aus MCT-Öl zur Behandlung von Problemen wie Frühgeburt, Hypoglykämie (Unterzucker) oder Sauerstoffmangel bei der Geburt?

Bei unserem ersten Telefongespräch erwähnte ich nicht, dass ich Steve Kokosöl gab, sondern stellte ihm einfach meine Fragen. Er erzählte mir von Accera und von der Firma Stepan (die ich auch schon kannte) und sagte, er glaube nicht, dass die durch das MCT-Öl gebildeten Mengen von Ketonkörpern ausreichend seien, um Wirkung zu zeigen, wobei es egal sei, ob man das Öl einmal oder über den ganzen Tag verteilt einnahm. Er wisse nicht, warum MCT-Öl so wirke, denn der Blutketonspiegel mache nur ein Zehntel dessen aus, was für den Transport von Ketonkörpern in die Gehirnzellen benötigt werde. – Aber ich wusste ja, dass das bei Steve funktionierte.

Obwohl ich ahnte, dass er skeptisch reagieren würde, wenn ich ihm von Steve und meinen Beobachtungen und Eindrücken erzählte, fragte ich ihn, was er von Kokosöl zur Ketonbildung halte, und er antwortete: „Warum nicht?“ Er sprach auch von einem Wachstumsfaktor BDNF [brain-derived neurotrophic factor, zu Deutsch etwa: vom Gehirn stammender neurotropher Faktor], einer Substanz, die geschädigte Neuronen retten könne. Frei verkäufliche Teststreifen zur Ketonbestimmung im Urin hielt der für „nutzlos“. Offenbar messen sie nur die als Acetoacetat bekannten Ketone und nicht Beta-Hydroxybutyrat (diejenigen Ketone, die von den Neuronen hauptsächlich als Energiequelle für die Zelle verwendet werden), die meist in etwa gleichen Mengen im Blutstrom vorhanden sind. Dr. Veech sprach sich für die Bestimmung aus dem Blut aus. Bezüglich der Dosis von 20 Gramm sagte er, dass die meisten Menschen diese Menge vertragen würden, ohne Durchfall zu bekommen (der ein Zeichen dafür sei, dass der Körper nicht mehr vertrage). Er hielt die Behandlung von Frühgeborenen und Neugeborenen, die unter Hypoglykämie oder Sauerstoffmangel litten, mit Ketonen für hilfreich; darüber sollten Studien gemacht werden.

Ketone aus dem Labor

Bei unserem Gespräch erfuhr ich, dass Dr. Veech einen Ester synthetisiert (also eine chemische Verbindung aus einem Alkohol – hier 1,3-Butandiol – und einer Säure – hier Beta-Hydroxybutyrat – des Ketons Beta-Hydroxybutyrat). Diese Kombination sorgt dafür, dass das Blut nach der Aufnahme nicht zu sauer wird. Ketonester kann in kristalliner Form hergestellt werden oder als konzentrierte Flüssigkeit, die man mit Wasser leicht verdünnen kann. Er kann oral oder intravenös verabreicht werden und wird, sobald er in den Blutstrom gelangt ist, vom Gehirn und anderen Organen begierig aufgenommen und genutzt. Seine Dosierung kann problemlos angepasst werden, sodass ein Spiegel erreicht wird, wie er während des Hungerns oder unter der klassischen ketogenen Ernährung bei der Behandlung der Epilepsie auftritt.

Anfänglich wurde Dr. Veechs Ketonentwicklung durch staatliche Gelder finanziert. Die Abteilung Forschung und Entwicklung des US-Verteidigungsministeriums wollte wissen, ob dieser „Supertreibstoff“ die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit von Kampftruppen verbessern könne. Zuschüsse kamen auch von der Parkinson-Stiftung. Doch inzwischen war Dr. Veech sehr frustriert, denn er benötigte zusätzlich 15 Millionen Dollar für eine größere Anlage, um Ketonester tonnenweise herstellen und ihn an Alzheimer- und Parkinsonpatienten testen zu können. Seine Arbeit wurde von der amerikanischen Gesundheitsbehörde „begutachtet“ und dann flossen die Forschungsgelder nur noch spärlich. Er vermutete, das habe daran gelegen, dass er keine Lobby hatte. Andere Alzheimer-Forschungsprojekte bekamen 75 Millionen Dollar, aber als Arzt und Biochemiker war er sich sicher, dass diese Vorhaben hinsichtlich dieser Krankheit nichts bewirken würden. Er schickte mir schließlich zwei seiner Artikel über den therapeutischen Einsatz von Ketonen.

Wie meine „Keton-Verbindungen“ sich ausweiteten

Zwei Wochen, nachdem Steve zum ersten Mal Kokosöl bekommen und zu meinem großen Erstaunen und meiner Freude die viel bessere Uhr gezeichnet hatte, fand ich es an der Zeit, Dr. Veech davon zu erzählen. Daraufhin sollte ich ihm Steves Uhrenzeichnungen per Fax schicken. Er hielt den Unterschied für wirklich erstaunlich und sagte noch einmal, dass er den geringen Ketonspiegel, der durch das Kokosöl zu erzielen war, für nicht hoch genug hielt, um eine solche Wirkung zu erreichen. Auch die nächste Uhr, die Steve nach 37 Tagen zeichnete, faxte ich an Dr. Veech.

Ich las weiterhin alles, was ich über Ketone, mittelkettige Fettsäuren, Kokosöl und MCT-Öl finden konnte. Dr. Veech mailte mir weiterhin wichtige Abhandlungen zum Thema und stellte für mich den Kontakt zu mehreren seiner Kollegen her, die ebenfalls mit der Ketonforschung zu tun hatten: Dr. George Cahill, Dr. Theodore VanItallie und Dr. Sami Hashim. (Mehr über diese Männer und ihre wichtige Arbeit in Teil II) Ich las ihre Abhandlungen und ließ keine Gelegenheit aus, ihnen Fragen zu stellen und von ihnen zu lernen. Dr. Hashim war mit Dr. Veech über die Höhe des Ketonspiegels zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit bei einem Alzheimerpatienten nicht einer Meinung. Er glaubte, ein geringerer Spiegel sei ausreichend.

KAPITEL 6


Mein Ziel: Die vielversprechende Entdeckung bekannt machen!

Sobald es offenkundig wurde, dass Steve auf die Einnahme des Kokosöls so stark positiv reagiert hatte, machte ich es mir zur Aufgabe, diese Information möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Mein wichtigstes Ziel war, Menschen und Gruppen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, für diesen neuen Weg zu gewinnen. Ich wollte werben für die Unterstützung der Ketonforschung, für den Einsatz der Ketone als alternative Energiequelle bei bestimmten neurodegenerativen Krankheiten sowie für die Finanzierung von Dr. Veechs Ketonesterproduktion. Mein zweitwichtigstes Anliegen war, für die Erforschung der mittelkettigen Fettsäuren zu sensibilisieren und darauf aufmerksam zu machen, dass diese in der Leber zu Ketonen umgewandelt werden und so lange als alternative Energiequelle dienen können (wenn auch eher in begrenzter Menge), bis die synthetischen Ketonester einmal in größerem Umfang zur Verfügung stehen.

Ich glaubte, wenn ich diese Botschaft nur den richtigen Leuten vermitteln würde, dann würde sie im großen Stil ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Doch wer waren die „richtigen“ Leute?


Meine Schwester schlug vor, ich solle mich mit einem Schreiben an Sandra Day O’Connor, pensionierte Richterin des Obersten Gerichtshofs, wenden, deren Mann an Alzheimer erkrankt und die auch Mitglied der Alzheimer-Studiengruppe (ASG) war. (Dies ist ein 2007 von der amerikanischen Regierung ins Leben gerufener Arbeitskreis, der sich um die beschleunigte Entwicklung neuer Medikamente und um Möglichkeiten kümmert, betroffenen Familien mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.)

Ich griff den Vorschlag auf und schrieb der ehemaligen Richterin von Steves Krankheit, von den konventionellen Möglichkeiten, die wir in Anspruch genommen hatten, und von meiner Entdeckung, dass Ketone Abhilfe schaffen könnten. Ich berichtete über die Patentanmeldung, über das MCT-Öl und über das Kokosöl, das bei Steve eine so großartige Besserung bewirkt habe, und gab der Hoffnung Ausdruck, dass sich entsprechende Fachleute schnell mit der Thematik befassen und dafür sorgen sollten, dass die Öffentlichkeit über die Ergebnisse informiert werde.

Während ich auf Antwort wartete, stellte ich eine Liste weiterer Adressaten zusammen, denen ich ähnliche Briefe schickte oder mailte. Dazu gehörten Gesundheitsorganisationen, Senatoren wie Hillary Clinton, Medienpersönlichkeiten wie Oprah Winfrey und Mehmet Oz, Fernsehsender und und diverse Printmedien.

Dies war erst der Anfang einer Kampagne, mit der ich meine Botschaft verbreitete, und viele weitere Anläufe sollten noch folgen. Es war mir völlig klar, dass es sich bei unseren Erfahrungen nur um ein einziges Fallbeispiel handelte: Die Frau eines von Alzheimer betroffenen Mannes glaubte, er reagiere positiv auf Kokosöl … Warum sollte mir das irgendjemand abnehmen? Es war zu erwarten, dass meine Adressaten skeptisch reagierten. Ich legte immer Wert darauf, die Accera-Studien zu erwähnen, und betonte, dass mein Fallbeispiel lediglich eine weitere Bestätigung ihrer Ergebnisse sei. Ich wies auch nachdrücklich darauf hin, dass die entsprechende Substanz frei verkäuflich sei, dass diese Information sofort weithin bekannt gemacht werden könne und dass die Betroffenen nicht erst auf ein zu irgendeinem fernen Zeitpunkt zur Verfügung stehendes verschreibungspflichtiges Medikament warten müssten.

Ich dachte, der eine oder andere der Adressaten würde sich schließlich bei mir melden und mehr Informationen haben wollen, doch zu meiner Überraschung und Enttäuschung gab es keinerlei Reaktion. Aber deswegen gab ich noch lange nicht auf. Wenn es über die Medien nicht funktionierte, meine „Mission“ zum Erfolg zu führen, dann musste ich es eben an der „Basis“ versuchen.


Einen Monat, nachdem Steve zum ersten Mal Kokosöl in sein Frühstück bekommen hatte, besuchten wir (nach einem Jahr Pause) wieder einmal unsere Familien. Es dauerte nicht lange, bis mein Vater, seine Frau, meine Schwestern und Steves Geschwister bemerkten, dass es ihm viel besser ging als beim letzten Besuch. Damals schien er orientierungslos, konnte sich an die Namen vieler Familienmitglieder nicht erinnern, hatte seinen Sinn für Humor verloren und seine Beiträge zu Unterhaltungen ergaben keinen Sinn. Doch diesmal begrüßte er Nichten und Schwäger mit Namen, lachte, beteiligte sich an Gesprächen und gab sogar einige seiner eigenen Witze zum Besten. Steve erlaubte mir, seine diversen Uhrenzeichnungen zu zeigen; alle waren einhellig der Meinung, dass es ihm deutlich besser gehe als im Jahr zuvor und dass ich da wohl einer großen Sache auf der Spur sei. Bei diesem Besuch konnte ich somit einige vom Wert des Kokosöls überzeugen.

 

Die Reaktionen unserer Familienangehörigen, die bewiesen, dass ich mir Steves Besserung nicht nur eingebildet hatte, bestärkten mich darin, meine Anstrengungen zu steigern, damit andere Betroffene ebenfalls davon profitieren konnten. Ende Juli 2008 fand in Chicago ein internationaler Alzheimer-Kongress statt, eine gute Gelegenheit, Ärzte und Forscher zu treffen und ihnen die potenziellen Vorteile der Ketone nahezubringen. Ich schrieb einen Artikel und wählte als Titel den Satz, der mir ständig im Kopf herumging: „Was wäre, wenn Alzheimer geheilt werden könnte – und keiner wüsste davon?“ Diesen Artikel wollte ich in hoher Stückzahl mitnehmen und unter den Teilnehmern verteilen. Als Ärztin wusste ich natürlich, dass es vermessen ist, die „Heilung“ einer Krankheit anzukündigen, und dass ich auf große Skepsis stoßen würde – aber ich bin wirklich fest davon überzeugt, dass Ketonester die Krankheit im frühesten Stadium rückgängig machen und sogar in fortgeschritteneren Stadien Besserung bewirken kann.

Ketonspiegel und Kokosöl

Zwei Wochen vor dem Kongress kam Dr. Veech mit der Idee auf mich zu, Steves Ketonspiegel vor und nach der Einnahme des Kokosöls zu bestimmen. (Konkret ging es dabei um Beta-Hydroxybutyrat und Acetoacetat, die beiden Ketonarten, die in die Energie für die Zellen umgewandelt werden.). Meine Aufgabe war es, in entsprechenden Abständen Proben zu entnehmen; das geschah am 11. Juli. Die Ergebnisse, die wir von Dr. Veech erhielten, zeigten, dass Steves Acetoacetatspiegel höher war als der Beta-Hydroxybutyrat-Spiegel (vgl. Abbildung 4).

Dr. Veech war besorgt über die niedrigen Ketonspiegel – allerdings abgesehen davon, dass sie nach dem Abendessen 3 Stunden anstiegen, dann aber ihren höchsten Wert noch nicht erreicht hatten, sodass wir nicht wussten, wie weit sie wohl noch stiegen, bevor sie wieder abfielen. Er war auch besorgt darüber, dass der Acetoacetat-Spiegel höher war als der Beta-Hydroxybutyrat-Spiegel. In den Accera-Studien wurde nur letzterer genannt. Er vermutete, dass durch Steves Aktivitäten tagsüber ein Teil der Ketone verbraucht wurde. Am Abend, wenn er eher inaktiv war, verbrauchten die anderen Gewebe wahrscheinlich weniger Ketone, sodass während der Nachtruhe, der Zeit, die man als Regenerations- und Reparaturphase des Körpers kennt, mehr für das Gehirn zur Verfügung stand.

Vor dieser kleinen Studie hatte Steve nur zum Frühstück und zum Abendessen eine bestimmte Dosis Kokosöl bekommen. Es war nun offensichtlich, dass er sie auch mittags bekommen sollte.

Ketonspiegel und mittelkettiges Triglyceridöl

Zwei Wochen später schlug Dr. Veech vor, den Ketonspiegel noch einmal zu bestimmen, diesmal aber nach Einnahme von MCT-Öl. Gleichzeitig sollte er zum Vergleich bei einer zweiten Person bestimmt werden. Es fügte sich, dass einer meiner Mitarbeiter, der an Diabetes vom Typ 2 litt, seinen Vater durch vaskuläre Demenz verloren hatte und sich um seine eigene Gesundheit Sorgen machte, mit der Einnahme von MCT-Öl begonnen hatte, als ich ihm erzählte, wie gut Steve auf Kokosöl ansprach. Er erklärte sich bereit, an der Bestimmung teilzunehmen. Diesmal war Steves Beta-Hydroxybutyrat-Spiegel höher als der von Acetoacetat.


Abbildung 4: Bestimmung von Glukose, Acetoacetat (AcAc) und Beta-Hydroxybutyrat (bHB) in bestimmten Intervallen bis zu 3 Stunden nach Aufnahme des Kokosöls. Der Ketonspiegel war relativ gering, jedoch in den etwa 3 Stunden nach der Frühstücksdosis am höchsten und vor der abendlichen Dosis fast wie zu Beginn der Bestimmung. Der Spiegel stieg dann noch an und war 3 Stunden nach der Abenddosis erheblich höher. (Abdruck der Grafik mit freundlicher Genehmigung von Dr. Richard L. Veech, NIH.)

Ein Vergleich der beiden kleinen Studien zeigte, dass der Ketonspiegel nach Kokosöl niedriger war und seinen höchsten Wert später erreichte als derjenige nach Einnahme des MCT-Öls, dass er jedoch wesentlich länger anhielt als bei MCT-Öl. Der MCT-Öl-Spiegel war höher und erreichte seinen höchsten Wert bei Steve nach etwa 90 Minuten, war jedoch nach 3 Stunden auf ein Minimum abgesunken. Auch der Spiegel von Beta-Hydroxybutyrat war nach Einnahme von MCT-Öl höher als der von Acetoacetat, wohingegen nach der Einnahme von Kokosöl das Gegenteil galt. Dass mein Mitarbeiter zur Zeit der Studie eine Diät machte und wöchentlich erheblich an Gewicht verlor, mag erklären, warum sein Ketonspiegel bereits vor der Einnahme von MCT-Öl zum Frühstück erhöht war.

Dr. Veech riet mir dringend, Steve MCT-Öl zu geben und die Menge so lange immer ein wenig zu erhöhen, bis er sich übergab oder Durchfall bekam. Und mit seiner Einwilligung machten wir das so. Wir behielten auch das Kokosöl bei, denn da er anfangs so gut darauf angesprochen hatte, enthielt es möglicherweise etwas, was in dem stärker raffinierten MCT-Öl nicht vorhanden war.

Ich begann mit einer Mischung aus Kokosöl und MCT-Öl zu experimentieren und erhöhte die Menge des MCT-Öls allmählich, bis Steves Toleranzschwelle erreicht war. Dann reduzierte ich es geringfügig. Meine Überlegung war, dass er so den Vorteil des höheren Spiegels aus dem MCT-Öl und den Vorteil der längeren Erhaltung des Spiegels aus dem Kokosöl ziehen würde, sodass sein Gehirn rund um die Uhr mit Ketonen versorgt wäre. Ist das notwendig? Nimmt das Gehirn sie auf und speichert sie dann oder werden sie aufgenommen, sofort verarbeitet und gleich verbraucht? Das weiß man noch nicht. Bis heute mische und dosiere ich die Öle für Steve dreimal täglich in der Annahme, dass es klug ist, wenn man versucht, einen konstanten Blutketonspiegel aufrechtzuerhalten.

Nachdem wir Steves Toleranzgrenze gefunden hatten, blieben wir bei einer Dosis von 4 Teelöffeln (20 ml) MCT-Öl und 3 Teelöffeln (15 ml) Kokosöl (zusammen also 7 Teelöffel oder 35 ml). Viele Monate lang vertrug er keine Erhöhung des MCT-Öls, doch nach einem Jahr kam er mit einer Steigerung auf insgesamt 8 Teelöffel (40 ml) und einige Monate später auf 9 Teelöffel (45 ml) zurecht. Im Jahre 2011 war das unsere Standarddosis, dreimal täglich zu den Mahlzeiten.

Zwei Tage ohne die gewohnte Menge Kokosöl

Bei zwei Gelegenheiten bekam Steve seine morgendliche Dosis Kokosöl nicht. Bei der ersten musste er nüchtern zur Blutabnahme kommen und es gab im Labor so viel zu tun, dass es schon fast Mittag war, bevor er etwas zu essen bekam. Wir beschlossen, in ein Restaurant zu gehen, und als das Essen kam, war er sehr zittrig und hatte erhebliche Schwierigkeiten mit dem Besteck. Für mich war es ziemlich bald klar, dass sein Rückfall dem fehlenden Kokosöl geschuldet war, und ich gab ihm eine der vorbereiteten Dosen, die ich in kleinen Flaschen bei mir hatte. Nach 20 bis 30 Minuten lächelte Steve wieder und der Tremor verschwand.

Das nächste Mal kam es dazu, als wir im Oktober 2008 in Kalifornien Urlaub machten, wo ein Zeitunterschied von 3 Stunden gegenüber Florida besteht. Als wir zum Frühstück ins Restaurant gingen, war es nach unserer gewohnten Zeit schon fast Mittag. Auch hier zeigten sich wieder die Symptome, die er beim ersten Mal gehabt hatte, und wie beim ersten Mal verschwanden sie 20 bis 30 Minuten nach der Einnahme des Kokosöls. Er sagte, während dieses Zustands fühle er sich sehr beengt und könne das Essen nicht schmecken.

Im sehr frühen Stadium der Alzheimerkrankheit ist der Geruchssinn oft beeinträchtigt und manche Ärzte testen im Rahmen der Diagnostik Allerweltsgerüche, die jeder erkennen sollte. Vielleicht, so schien es mir, verlieren Alzheimerpatienten das Interesse am Essen, weil sie nicht nur Schwierigkeiten haben, es zu riechen, sondern weil sie es auch nicht mehr schmecken können, da die Nerven, die die Geschmacksknospen versorgen, nicht mehr funktionieren. Vielleicht bleiben ja die Nerven, die mit Hunger und Sättigung zu tun haben, ebenfalls auf der Strecke?