Hochsensibilität bei Kindern

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E motional Intensity – emotionale Intensität

Hochsensible Kinder nehmen Informationen aus der Umwelt auf einer tieferen Ebene wahr. Durch die intensivere Verarbeitung von Eindrücken werden auch Gefühle bei sich und anderen stärker wahrgenommen. Sowohl Gutes als auch Schlechtes wird außergewöhnlich intensiv empfunden.

Hochsensible Kinder zeigen zudem eine hohe Empathiefähigkeit. Sie können sich sehr gut in die Gefühlslage und die Stimmungen anderer Menschen hineinversetzen − stehen sozusagen in Resonanz zu ihnen. Dies kann so weit führen, dass sie den Schmerz oder das Gefühl des anderen übernehmen und unter Umständen sogar auf körperlicher Ebene nachempfinden. Forscher gehen davon aus, dass dies mit Spiegelneuronen zu erklären ist.

Die häufige Überstimulation sorgt bei hochsensiblen Kindern nicht selten für ein schnelleres Hochkochen der Emotionen. Eine besonnene Reaktion vonseiten der Eltern ist unabdingbar, damit das Kind spürt, dass es die emotionale Last nicht allein tragen muss. Versuchen Sie, die Gefühle Ihres Kindes zu erahnen und beim Namen zu nennen: Angst, Liebe, Freude, Neugierde, Stolz, Schuld, Wut, Trauer, Verzweiflung. Die neuesten Erkenntnisse über emotionale Intelligenz besagen, dass diese Form der Offenlegung wichtig ist. Signalisieren Sie dem Kind, dass Sie seine Empfindung genau verstehen, sich davon aber nicht anstecken lassen.

S ensory Sensitivity – sensorische Empfindlichkeit

Hochsensible Kinder haben nicht nur ein reiches Innenleben, empfinden Emotionen viel intensiver und durchdenken sehr viel, ihr Nervensystem ist zudem darauf ausgelegt, Informationen verstärkt aufzunehmen. Dabei sind Art und Ausprägung je nach Kind unterschiedlich gelagert.

Stark ausgeprägter Tastsinn

Hochsensible Kinder mit einem ausgeprägten Tastsinn nehmen Reize über die Haut detaillierter wahr als andere Kinder. Sie spüren die Beschaffenheit eines bestimmten Materials, z. B. bei Kleidungsstoffen, viel intensiver. Das kann zu Überreaktionen führen, wenn die Jeans zu steif ist, die Wolle zu kratzig, die Naht juckend. Oft mögen diese Kinder feuchte Kleidung nicht, verweigern Fingerfarben oder vermeiden es, schmutzig zu werden. Ist dies bei Kleinkindern sehr ausgeprägt, empfiehlt der Kinderarzt meist eine sensorische Integration. Im Gegenzug dazu empfinden HSK Berührungen viel intensiver. Im Positiven ist dies eine hervorragende Möglichkeit, hochsensiblen Kindern Wertschätzung auszudrücken, ihnen angenehme Gefühle zu ermöglichen und zeitgleich Hormone freizusetzen, die entspannen und Glücksgefühle auslösen. Insbesondere in Stresssituationen kann das sichere Halten des Kindes Ruhe und Entspannung bei ihm bewirken.

Stark ausgeprägte visuelle Wahrnehmung

Hochsensible Kinder mit einer ausgeprägten visuellen Wahrnehmung nehmen über das Auge detailliert und genau Informationen auf. Sie beachten selbst kleinste Details, bemerken Veränderungen eines Gegenstandes im Raum sehr schnell, beobachten Bewegungen, Gestik und Mimik von Bezugspersonen und verarbeiten die Impulse intensiv. Diese Kinder sind ausgeprägt bildhafte Denker, sie lieben Farben, Formen und haben oft einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik.

Starker Gehörsinn

HSK mit einem ausgeprägten Gehörsinn nehmen selbst feinste, leiseste Geräusche wahr. Oft sind sie musisch begabt, haben ein Gespür für Harmonien und Klänge. Umgekehrt lässt sich natürlich gut nachvollziehen, dass ein Zuviel an Geräuschen, ein hoher Lärmpegel und eine hohe akustische Belastung Stress auslösen.

Fein ausgeprägter Geschmacks- und Geruchssinn

Hochsensible Kinder schmecken und riechen feinste Nuancen – und diese viel intensiver, als es ihr Umfeld nachvollziehen kann. Sie sind durch eine Geruchsvielfalt schnell überwältigt, schmecken zum Beispiel sofort heraus, ob eine Soße mit Zwiebeln gekocht wurde, auch wenn diese nicht zu sehen sind. Aufgrund ihres ausgeprägten Geschmacks- und Geruchssinnes sind HSK oft heikle Esser, in positivem Sinne sind sie Fein-Schmecker. Im Alltag kann dies für Eltern allerdings anstrengend sein und bedeuten, dass sie viel kreativer und gleichzeitig entspannter sein müssen, um das Essverhalten des HSK auszuhalten.

1.2.2 Die Stärken hochsensibler Kinder

Hochsensible Kinder haben eine Vielzahl an wertvollen Fähigkeiten. Dazu gehören unter anderem ein gutes Einfühlungsvermögen, eine ausgeprägte Intuition, ein starkes Gerechtigkeitsempfinden, Verlässlichkeit, Kreativität und eine hoch entwickelte Detailwahrnehmung. Sie möchten an sie gestellte Anforderungen so gut wie möglich lösen. Schulkinder nehmen schulische Inhalte detailliert auf und erkennen komplexe Zusammenhänge in der Regel sehr schnell. Bei Kindern mit einer ausgeprägten sensorischen Wahrnehmung zeigt sich zudem oft eine hohe musische oder künstlerische Begabung. Ebenso kann sich ein feiner Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn zeigen.

Weitere Stärken:

■ hohe Feinfühligkeit

■ ausgeprägte Detailwahrnehmung

■ hohe Konzentrationsfähigkeit

■ sehr gute Intuition

■ ausgeprägte Sozialkompetenz

■ Kreativität

■ Reflexionsfähigkeit

■ starker Gerechtigkeitssinn

Die Stärken und das Potenzial hochsensibler Kinder zu sehen, zu entdecken und zu fördern ist eine der wesentlichen Erziehungsaufgaben betroffener Eltern. Damit sich die Potenziale der Kinder entfalten können, ist es unerlässlich, dass sie wenig Überreizung erfahren. Diese ganz zu vermeiden, wird im alltäglichen Leben nicht machbar sein. Umso notwendiger ist es, den Kindern Ruhephasen zu ermöglichen und ihr Bedürfnis nach Rückzug ernst zu nehmen.

1.2.3 Die Schwächen hochsensibler Kinder

Um hochsensiblen Kindern bis zum Erwachsenenalter wertvolle Unterstützung zukommen zu lassen, ist es wichtig, sowohl die Stärken als auch die Schwächen zu kennen und adäquat darauf einzugehen. Meiner Erfahrung nach können Potenziale dann zum Tragen kommen, wenn diese Kinder es lernen, sowohl mit ihren Stärken als auch mit ihren Schwächen zu leben und den Alltag darauf abzustimmen.

Hochsensiblen fällt es grundsätzlich sehr schwer, die Vielzahl an Sinneseindrücken zu verarbeiten, einzuordnen und abzulegen. Sie benötigen hierfür viel Zeit und Ruhe. Mit Zeitbegrenzungen, Druck und Spontanität haben sie ihre Mühe. Zudem sind Hochsensible laut Pfeifer (2009)7:

■ häufig überempfindlich

■ sehr verletzlich

■ sehr nachdenklich

■ vorsichtig, zurückhaltend und risikoscheu

■ ängstlich

■ nicht in dem Maß belastbar wie andere

■ schnell am Limit

■ schnell überwältigt und in Folge blockiert

■ dazu geneigt, Überreaktion zu zeigen

■ rasch gereizt, verstimmt

Was es mit diesen vermeintlichen Schwächen auf sich hat, wie damit umgegangen werden kann und wie die Stärken am Ende einen gebührenden Raum im Leben des Kindes erhalten, werden Sie im Laufe des Buches durch viele Ideen und Anregungen erfahren. Je mehr die Unterstützung der hochsensiblen Kinder auf das Temperament abgestimmt ist, desto höher die Chance auf eine gute Entfaltung. Ähnlich wie eine Pflanze die richtigen Bedingungen benötigt, um aufzublühen, wachsen auch hochsensible Kinder über sich hinaus, wenn sie Bedingungen erleben, die ihnen guttun.

1.3 Hochsensibilität - Erziehung, Temperament oder neurobiologische Besonderheit?

Viele Eltern hochsensibler Kinder werden mit dem Vorurteil konfrontiert, ihre Erziehung sei schuld daran, wenn Sohn oder Tochter scheue und ängstliche Verhaltensweisen zeigen. „Wie? Dein Kind traut sich nicht alleine zum Bäcker? Das müsste in dem Alter aber längst drin sein. Du bist viel zu nachlässig.“ − „Was treibt dein Kind beim Essen für Spielchen mit dir? Was auf den Tisch kommt, wird gegessen! Du lässt ihm wirklich alles durchgehen. Würde es bei mir groß werden, wäre es längst nicht so wählerisch.“ Mit diesen oder ähnlichen Kommentaren wird Eltern unterstellt, sie hätten das Kind verzogen. Aber: Hochsensibilität ist weder ein Erziehungsfehler noch eine gewollte Marotte der Kinder! Die Gründe sind vielmehr in den besonderen Wahrnehmungsverarbeitungen zu suchen. Hierfür spielen laut wissenschaftlichen Untersuchungen ererbte Faktoren eine entscheidende Rolle.

Experten gehen davon aus, dass zwei Drittel aller betroffenen Kinder den hochsensiblen Wesenszug von Geburt an in sich tragen. In diesen Fällen wird die hohe Sensibilität vererbt und lässt sich in der Regel auch bei Eltern oder Großeltern finden. Bei einem geringeren Anteil kann die hohe Sensibilität durch psychische Verletzungen oder traumatische Belastungen erworben sein.8

1.3.1 Die Frage des Temperaments

Ein Temperament wird laut Pfeifer (2009) folgendermaßen definiert:

„Temperament: umschreibt die biologischen, genetisch bereits angelegten Reaktionsmuster eines Menschen. Sie zeigen sich bereits im Säuglingsalter (…). Man unterscheidet vier Dimensionen, nämlich (1) Offenheit für neue Erfahrungen, Suche nach Neuem (novelty seeking), (2) Vermeiden von Schaden und Schmerz, (3) Abhängigkeit von Belohnung und Zuwendung sowie (4) Durchhaltevermögen oder Ausdauer.“9

 

Das Temperament wird demnach genetisch festgelegt. Wissenschaftler nutzen unterschiedlichste Kategorien, um Temperamente zu unterteilen. Betrachtet man hochsensible Kinder unter Einbeziehung der vier oben genannten Dimensionen, so lassen sich einige Beobachtungen feststellen: Hochsensible haben ein sehr wachsames Gehirn, das einem dauerhaft eingestellten „inneren Radar“ ähnelt. Das heißt, sie sind kontinuierlich am Aufnehmen von Informationen, um Situationen besser überblicken und einsortieren zu können. Oftmals zeigt sich diese innere Anspannung in neuen Situationen oder in Situationen, die eine Entscheidung verlangen, auch für Außenstehende. Je nach Alter sind Weinerlichkeit, rasches Verstummen, erhöhte Muskelanspannung und Unruhe zu beobachten. Entspannung tritt bei den Kindern erst nach längerer Zeit ein. Erst dann werden sie mutig und geben ihre Zurückhaltung zugunsten eines aktiven Handelns auf. Zeitgleich zeigt sich eine starke Selbstüberwachung, auch „self-monitoring“ genannt. Dies bedeutet, dass hochsensible Kinder sich und ihr Verhalten in sozialen Situationen ständig überprüfen mit dem Ziel, möglichst nicht aufzufallen und keine Fehler zu machen. Fragen wie „Wie komme ich an?, Bin ich gut genug?, Werde ich akzeptiert?, Wie sehe ich aus?, Wie beurteilen mich die anderen?, Hoffentlich mache ich nichts falsch!“ sind konstante Begleiter dieser Kinder. Nicht selten zeigt sich ein sehr kritisch eingestelltes Selbstbild.

1.3.2 Die besondere Wahrnehmung hochsensibler Kinder

Wie bereits angedeutet, nehmen wir über unsere Sinneskanäle kontinuierlich Informationen bzw. Reize aus unserem Umfeld auf. Diese Reize werden in einer Art Filter vorsortiert, um das Kurzzeitgedächtnis nicht zu überlasten. Das Unterbewusstsein entscheidet, welche der Informationen wichtig und welche unwichtig sind. Mittels Botenstoffen (Neurotransmitter) werden die für wichtig erachteten Informationen an die jeweils zuständige Gehirnregion weitergeleitet. Es findet eine Reizverarbeitung statt, bei der die neuen Informationen mit bisher Bekanntem abgeglichen werden und zu dementsprechenden Entscheidungen oder Erkenntnissen führen.

Nun haben Untersuchungen des amerikanischen Psychologen Jerome Kagan ergeben, dass hochsensible Kinder (bei Kagan „gehemmte Kinder“) eine hohe Konzentration an Botenstoffen aufweisen. Dadurch können mehr einströmende Impulse aufgenommen und weiterverarbeitet werden, es werden insgesamt weniger Reize gefiltert.10

Haben hochsensible Kinder aufgrund einer starken Reizflut oder durch Zeitmangel nicht die Möglichkeit, Impulse unmittelbar zu verarbeiten, werden die Informationen nicht – wie bei anderen Kindern – „ökonomisch“ gelöscht, sondern in einer Art „Zwischenablage“ gespeichert. Sobald Ruhe eintritt, beginnen hochsensible Kinder mit der Verarbeitung der ungeklärten bzw. unverarbeiteten Impulse. Dies ist auch der Grund dafür, dass HSK selbst nach Wochen noch mit ungeklärten Fragen ankommen, die für uns Erwachsene schon längst in Vergessenheit geraten sind. Da die Ruhe meist beim Zubettgehen einkehrt, gehören Einschlafschwierigkeiten zu den häufigsten Folgen. Das Gehirn arbeitet noch auf Hochtouren und findet keine Ruhe.

Die ganz eigene Art, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, kann in vielen Situationen vorteilhaft sein. So sind hochsensible Kinder ganzheitliche Denker, die sehr reflektiert und detailliert an Aufgaben und Sachverhalte herangehen. Sie haben eine ausgeprägte Gedächtnisleistung und meist ein gut entwickeltes wahrnehmungsgebundenes logisches Denken. Sind diese Kinder allerdings mit innerpsychischen Prozessen, ungeklärten Gedanken und Gefühlen beschäftigt oder stehen sie unter Zeit- oder Leistungsdruck, fällt ihnen die Konzentration mitunter schwer.

1.3.3 Das Verhaltenssystem hochsensibler Kinder

Wir alle haben ein inneres Verhaltenssystem, das sich aus einem Hemmsystem und einem Aktivierungssystem zusammensetzt. Das Aktivierungssystem ist zuständig dafür, dass wir Neues wagen, aktiv werden, uns ausprobieren, Raum einnehmen, Grenzen testen. Das Hemmsystem bietet hierzu einen Gegenpol. Es ist dafür da, uns in unserem Handeln zu bremsen, eine Reflexion der Situation anzusteuern und zur Vorsicht zu mahnen, bevor gehandelt wird. Beide Systeme haben ihren Sinn und dienen entweder der Sicherheit oder der Grenzerweiterung.11

Hochsensible Kinder haben laut E. Aron in der Regel ein ausgeprägtes Hemmsystem. Dies wurde mittels bildgebender Verfahren nachgewiesen. In diesem System ist die rechte Hemisphäre des denkenden Gehirnteils (Frontalkortex) stark aktiviert. HSK brauchen mehr Zeit, um Situationen zu verarbeiten und zu guten Entscheidungen zu gelangen. Erst wenn sie einen Sachverhalt von allen Seiten beleuchtet und sämtliche Risiken durchdacht haben, handeln sie und setzen damit ihr Aktivierungssystem in Gang. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass hochsensible Kinder Zeitdruck und auch Überraschungen nicht mögen. Das Hemmsystem hilft hochsensiblen Kindern, ihrem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis gerecht zu werden.12

Ersichtlich wird dieses Verhaltenssystem insbesondere in unbekannten Situationen bzw. neuen Lebensphasen. So werden Hochsensible beim Eintritt in den Kindergarten, beim Schuleintritt oder bei Ausbildungs- oder Studienbeginn zunächst beobachtend, wenig aktiv und vorsichtig sein. Haben sie verstanden, was von ihnen erwartet wird, wie sich die jeweiligen Regeln gestalten, wie die Abläufe sind und welchen Personen in ihrem neuen Umfeld sie vertrauen können, werden HSK aktiv, knüpfen Kontakte und beginnen zu handeln. Dieser Prozess benötigt mitunter außergewöhnlich viel Zeit, ist aber für Hochsensible ein elementar wichtiger Entwicklungsvorgang.

1.3.4 Das starke Sicherheitsbedürfnis

Durch das hohe Sicherheitsbedürfnis zeigt sich bei hochsensiblen Kindern oftmals eine Vermeidung von neuen, unbekannten und damit unsicheren Situationen. HSK neigen von sich aus nicht unbedingt dazu, Neues zu wagen. Gut erklären lässt sich dieses Verhalten an dem Drei-Zonen-Modell


Hochsensible Kinder halten sich gerne in der Komfortzone auf, einem Zustand, in dem nichts Neues zu erwarten ist, Menschen, Situationen und Begebenheiten bereits bekannt sind und damit Sicherheit vermitteln. Gäbe es nur die Komfortzone, wären HSK glücklich. Allerdings geschieht hier kein persönliches Wachstum. Dafür ist es immer wieder notwendig, die Komfortzone zu verlassen und in die Risiko- bzw. Lernzone zu treten, einen Zustand, der unbekannt ist und dadurch sowohl Erfolg als auch Scheitern Tür und Tor öffnet. Ist der Raum zu weit gesteckt, allzu unsicher und sind die Risiken unüberschaubar, entsteht Panik. Diese wiederum engt den Handlungsspielraum ein, führt zu Blockaden und zu Handlungsunfähigkeit. Um Persönlichkeitswachstum zu garantieren, heißt es, immer wieder zwischen Komfortzone und Risiko- bzw. Lernzone „zu wandern“ und damit Grenzen zu erweitern und neue Lebensphasen zu meistern. Hierzu braucht es die Unterstützung einer wohlgesonnenen Bezugsperson.

1.3.5 Introvertiert oder extrovertiert?

Was haben Introversion und Extroversion mit hochsensiblen Kindern und deren Verhaltenssystem zu tun? Entgegen der gängigen Meinung, hochsensible Kinder seien ausschließlich introvertiert, führen Studien zu anderen Erkenntnissen. Es kann laut Aron davon ausgegangen werden, dass ca. 70 % der hochsensiblen Kinder introvertiert und 30 % extrovertiert sind.13

Bei extrovertiert hochsensiblen Kindern sind beide oben genannten Verhaltenssysteme gleich stark ausgeprägt. Das Bedürfnis nach neuen Erfahrungen und nach aktivem Handeln ist ebenso stark ausgebildet wie das Bedürfnis nach Sicherheit und dem Vermeiden von Risiken. Diesen Kindern fällt es mitunter sehr schwer, Entscheidungen zu treffen, da widerstreitende Bedürfnisse in ihnen zu inneren Konflikten führen. Extrovertiert Hochsensible sind leicht gelangweilt, aber auch leicht überstimuliert, sie wagen sehr schnell Neues, sind dann aber wiederum schnell überfordert. Auf Außenstehende kann dies irritierend und widersprüchlich wirken.

Introvertiert hochsensible Kinder wiederum haben ein starkes Reflexionssystem. Sie bevorzugen ein äußerlich ruhiges Leben, haben keinen Mitteilungsdrang und fokussieren sich auf ihr reges und tiefes Innenleben. Aus dem Alleinsein schöpfen sie Kraft.

1.3.6 Die Stärke der Emotionen

Untersuchungen haben ergeben, dass die Intensität der Emotionen bei hochsensiblen Kindern, wie bereits unter 1.2.1 dargestellt, viel stärker ausgeprägt ist als bei anderen. Sowohl bei Pfeifer (2009) als auch bei Cain (2011) wird diese Besonderheit im Nervensystem eingehend beschrieben.14


Quelle: Pfeifer (2009), S. 34

Zunächst findet bei jedem Menschen eine Informationsaufnahme durch die Sinneskanäle statt. Bei der Weiterleitung der Reize in das limbische System folgen auf die sachlichen Informationen entsprechende Gefühle und eine erste Bewertung der Situation. Weiterverarbeitet wird nun, indem die Impulse in den sensorischen Arealen mit bisher Bekanntem und Abgespeichertem abgeglichen werden, bis schließlich im Stirnhirn auf Vernunftsebene eine Lösung gefunden, eine Entscheidung getroffen wird.

Untersuchungen zeigen, dass das Nervensystem hochsensibler Kinder, bedingt durch das wachsamere Gehirn, emotional viel stärker reagiert als bei anderen Kindern. Das heißt, das limbische System ist bei HSK hochaktiv, und es werden stärker als notwendig Stresshormone ausgeschüttet. In Summe dauert es dadurch auch viel länger, bis es zu einer Beruhigung kommt und der lösungsorientierte Teil des Gehirns aktiviert wird.

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