Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik

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Entwicklungszusammenarbeit als Schlüsselelement für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Prosperität in Südkorea und Malaysia

In den 1960er-Jahren fühlte ich mich weit über mein wissenschaftliches Interesse hinaus als stark engagierter Mitgestalter am wirtschaftlichen Aufbau der Entwicklungsländer. Der Begriff der „Dritten Welt“ war noch nicht verbreitet. Meine Tätigkeit konzentrierte sich innerhalb der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf den Infrastrukturbereich (wie Häfen, Straßen und Fernmeldesysteme) jenseits von einengenden politischen Parametern bzw. Vorgaben. Entwicklungsförderung war sorgfältig evaluierte Beurteilung von Investitionsprojekten, die dem betreffenden Land unter vielversprechenden Perspektiven per Kreditfinanzierung ermöglicht werden konnten. Politische Präferenzen spielten keine nennenswerte Rolle. Zugelassen waren also weder Einschränkungen durch sog. Lieferbindung noch Toleranzen gegenüber wirtschaftlich untauglichen Regierungen. Auch eine Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands im Sinne von Exportförderungspolitik wurde in meiner KfW-Zeit nicht praktiziert. Beispielgebend für erfolgreich aufstrebende Entwicklungsländer sind Südkorea und Malaysia geworden, die die ihnen zugebrachte Hilfestellung mit einer eindrucksvollen Aufwärtsentwicklung und Prosperität beantwortet haben.

5 Entwicklungspolitik im Lichte der ökologischen Grenzen des Wachstums

Minister: Erhard EpplerEppler, Erhard (1968–1974)


Erhard Eppler (links) * 1926 (hier mit Willy Brandt)

❋ Beschreibung und Wertung

Die Phase 1968–1974 wurde außenpolitisch von der neuen Ostpolitik beherrscht, welche die Nachkriegszeit und die Phase des Kalten Krieges beendete. Ebenso ist sie durch eine Vielzahl von innenpolitischen Reformen als auch durch die Studentenbewegung geprägt.1 Der entwicklungspolitische Neuerer war zu jener Zeit Erhard EpplerEppler, Erhard. Er war Entwicklungsminister von 1968 bis 1974 unter den Kanzlern KiesingerKiesinger, Kurt Georg, BrandtBrandt, Willy und SchmidtSchmidt, Helmut. Am 21. Oktober 1969 wurde Willy BrandtBrandt, Willy Bundeskanzler. Die neue Regierung bestand aus einer Koalition von SPD und FDP und löste die große Koalition (CDU/SPD) unter Kurt Georg KiesingerKiesinger, Kurt Georg ab. Erhard EpplerEppler, Erhard kann deshalb mit gewissem Recht vornehmlich als der Entwicklungsminister Willy BrandtsBrandt, Willy bezeichnet werden.2 Das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) konnte sich während dieser Zeit weitgehend von außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Vorgaben lösen und die Grundlagen einer eigenständigen Politik legen.

EpplerEppler, Erhard unterstützte die neue Ostpolitik Willy BrandtsBrandt, Willy. Seit 1967 wurde die HallsteinDoktrinHallsteindoktrin nicht mehr streng ausgelegt. Mit dem Moskauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR von 1970 (der erst 1972 in Kraft trat) hatte sie ihren Sinn endgültig verloren, so dass sie mit der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im Dezember 1972 offiziell „begraben“ werden konnte. Die Bundesrepublik hatte ihren Alleinvertretungsanspruch aufgegeben und somit keinen Grund mehr, Staaten der Dritten Welt mit Entwicklungshilfe für die Nichtanerkennung der DDR zu belohnen.3

Im Zentrum der Entwicklungspolitik EpplersEppler, Erhard stand die ökologische Frage. Anfang der 1970er-Jahre erschienen Untersuchungen zu den Grenzen des Wachstums (EhrlichEhrlich, 19704, MeadowsMeadows, Dennis 19715), die die früheren wachstumsorientierten Ansätze in Frage stellten.6 Gleichzeitig stieg auch die Wahrnehmung ökologischer Probleme in der Entwicklungspolitik. EpplerEppler, Erhard selbst entwickelte sich schon in seiner Zeit als Minister zu einem entschiedenen Verfechter von Nachhaltigkeit. In dieser Zeit erlebte EpplerEppler, Erhard, besonders durch die bewusste Wahrnehmung des Elends in der Dritten Welt, einen Bewusstseinswandel, durch welchen sich der Schwerpunkt seines politischen Handelns in Richtung der Beachtung der Grenzen des Wachstums verlegte.7 So gab er mit einem Vortrag beim Internationalen Kongress der IG-Metall 1972 zum Thema Lebensqualität einen wichtigen Anstoß zur Ökologie-Debatte in der Bundesrepublik Deutschland und global.8

Die Verantwortung für die Entwicklungsländer war für EpplerEppler, Erhard nicht eine Wiedergutmachung für den Kolonialismus, sondern Ausdruck des gemeinsamen Interesses an einer friedlichen Entwicklung in einer Welt mit begrenzten Wachstumsaussichten. Im Zentrum seiner Überlegungen stand die ökologisch begründete Skepsis gegenüber dem wachstumsorientierten Entwicklungsmodell, das ersetzt werden sollte durch ein grundbedürfnisorientiertes Entwicklungsmodell als Kern des entwicklungspolitischen Handelns.

Als EpplerEppler, Erhard 1968 das Ministerium übernahm, unterstützt von Staatssekretär Udo HeinHein, Udo, hatte es nur wenige eigene Kompetenzen. Ein Großteil der Entscheidungen wurde im Wirtschafts und Außenministerium gefällt. Die ersten Jahre der Amtszeit EpplersEppler, Erhard waren besonders von Kämpfen um Kompetenzen mit anderen Ministerien geprägt.9 1969 wurde in den Bundesministerien das „Amt“ des Parlamentarischen Staatssekretärs neu geschaffen. Ihm wurde die Aufgabe zugewiesen, den Minister bei der Erfüllung seiner politischen Aufgaben zu unterstützen. Erste Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ wurde Brigitte FreyFrey, Brigitte (1969–1972). Sie setzte sich für mehr Zuständigkeiten für das BMZ ein. Mit Antritt der sozialliberalen Koalitionsozialliberale Koalition 1969 bekam das BMZ die Kompetenzen für Massenmedienprojekte vom Bundespresseamt, im Mai 1970 die Zuständigkeit für die Planung von Kapitalhilfe vom Wirtschaftsministerium, das jedoch die Durchführungskompetenz für Einzelprojekte behielt und somit auch bei der Planung mitsprechen konnte. Erst nach dem Ausscheiden des Wirtschaftsministers Karl SchillersSchiller, Karl bekam das BMZ im zweiten Kabinett BrandtBrandt, Willy, also erst ab 1972 die Kompetenz für die Kapitalhilfe vom Wirtschaftsministerium. Vom Landwirtschaftsministerium wurde 1970 die Kompetenz für Projekte der Agrarhilfe übertragen, aber erst im Frühjahr 1972 auch die Federführung für die Nahrungsmittelhilfe. Die Durchführung der Projekte wurde als nichtministerielle Aufgabe aus dem Ministerium ausgegliedert und der neu geschaffenen Bundesstelle für EntwicklungshilfeBundesstelle für Entwicklungshilfe übertragen, die sich für ihre Aufgabe der Deutschen Fördergesellschaft für Entwicklungsländer (GAWi) bediente.10 Es wurde auch ein von Planung und Durchführung unabhängiges InspektionsreferatInspektionsreferat geschaffen, das die Aufgabe hatte, laufende Maßnahmen der deutschen Entwicklungshilfe zu überprüfen und eventuell notleidende oder fehlerhafte Projekte zu sanieren.11 Damit waren die administrativen Voraussetzungen für die Durchsetzung einer Konzeption aus einem Guss geschaffen.12 Treibende Kraft war dabei neben EpplerEppler, Erhard sein beamteter Staatssekretär Karl-Heinz SohnSohn, Karl-Heinz.

Am 11. Februar 1971 wurde mit der Entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesrepublik für die zweite Entwicklungsdekade zum ersten Mal eine umfassende Konzeption der deutschen Entwicklungspolitik der Öffentlichkeit vorgelegt. Sie stand in deutlichem Kontrast zur früheren Entwicklungspolitik, die sich vor allem auf größere Projekte, besonders Infrastrukturmaß­nahmen, konzentrierte. Ein Schwerpunkt lag auf kleineren dezentralen Programmen. Nachhaltigkeit war hier ein wichtiger Aspekt. Es sollten die Eigenverantwortlichkeit gestärkt und die Mittel der Entwicklungspolitik gebündelt und auf wenige Regionen konzentriert werden. Entwicklungspolitik wurde als langfristiges Instrument definiert, das nicht als Instrument kurzfristiger außenpolitischer Erwägungen tauge. Es wurde explizit formuliert: „Die Bundesrepublik versucht nicht, den Partnerländern politische sowie gesellschafts und wirtschaftspolitische Vorstellungen aufzudrängen.“13 EpplerEppler, Erhard verstand sich als „Anwalt der Dritten Welt“. „Entwicklungspolitik wurde ein Ansatz zu einer Weltinnenpolitik. Entwicklungspolitik zielt auf Frieden.“14

Entwicklungspolitik sollte verstärkt im Rahmen von mit Empfängern abgestimmten länderbezogenen Hilfeprogrammenländerbezogene Hilfeprogramme erfolgen. Ausgehend von den Zielen und Prioritäten der Entwicklungsländer wurden Bereiche und Ansatzpunkte mittelfristig durchzuführender Maß­nahmen festgelegt. Die Beiträge der Bundesrepublik sollten auf diese Weise den Bedürfnissen und Möglichkeiten einzelner Entwicklungsländer besser angepasst werden. Die Programme wurden im partnerschaftlichen Dialog mit den Entwicklungsländern und in Koordination mit anderen bilateralen und multilateralen Hilfeorganisationen vorbereitet.

Wie sah das konkret aus? Im Jahre 1971 hatte die Bundesregierung begonnen, die öffentliche Hilfe tatsächlich auf der Grundlage länderbezogener Hilfeprogramme zu gewähren. Erste Programme für Tansania, Kenia, Ghana, Nigeria, die Elfenbeinküste, Kamerun, Marokko, Peru, Thailand und Indonesien wurden erstellt.15 Allen Länderhilfeprogrammen gemeinsam war eine detaillierte Analyse der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktur und der Entwicklungspolitik des jeweiligen Landes. Auf dieser Grundlage wurden die sektoralen und regionalen Einstiegsmöglichkeiten sowie Projektansätze für die deutsche Entwicklungshilfe abgeleitet, wobei die Maßnahmen anderer Geber berücksichtigt wurden. Ich habe damals noch als Mitarbeiter des ifo-instituts für Wirtschaftsforschung, München, zusammen mit Mitarbeitern aus dem BMZ die Länderhilfeprogramme für Tansania, Kenia und Marokko erarbeitet.

 

Unter EpplerEppler, Erhard wurden sechs Schwerpunktbereiche für die Entwicklungspolitik festgelegt:

 Bekämpfung der Arbeitslosigkeit,

 Förderung eines arbeits und umweltorientierten Bildungssystems,

 Strukturveränderungen im ländlichen Raum,

 Ausweitung und Diversifizierung des gewerblichen Sektors,

 Stärkung der Planungs und Organisationsfähigkeit der Länder und

 unmittelbare Hilfe zur Verbesserung der Lebensbedingungen.16

Dem UmweltschutzUmweltschutz sollte im Sinne der Grundauffassung EpplersEppler, Erhard ein wichtiger Platz eingeräumt werden.17 In der Fortschreibung der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesrepublik Deutschland vom 11. Juli 1973 wurde formuliert: „Die Bundesregierung wird die Entwicklungsländer durch ihre Entwicklungshilfe unterstützen, die Umweltbedingungen für ihre Bevölkerung zu verbessern und Umweltschäden möglichst zu vermeiden. Im Zusammenhang mit entsprechenden Bemühungen auf internationaler Ebene wird die Bundesregierung bei der Planung und Durchführung ihrer Hilfsmaßnahmen auf die Folgen für die Umweltbedingungen in den Entwicklungsländern achten.“18

Für eine erfolgreiche Entwicklungspolitik war es unerlässlich, den Einsatz der verschiedenen Instrumente der Hilfe zu koordinieren. In der deutschen Entwicklungspolitik galt es daher, den Verbundgedanken durchzusetzen.19 Dies zeigte sich zunächst im Bestreben, mehrere Instrumente in größeren Vorhaben desselben Sektors konzentriert einzusetzen. So wurde die Kapitalhilfe oft ergänzt durch Entsendung von Fachpersonal im Rahmen der Technischen Hilfe, z.B. Straßen und Straßenbaumeistereien, Häfen/Eisenbahnen und Betriebspersonal, Verarbeitungsbetriebe und Management etc. Zu diesen VerbundprojekteVerbundprojekten traten bald auch Vorhaben, die mehrere Sektoren umfassten. Hier sind die Dorfentwicklungsprojekte, aber auch die Kopplung von Landwirtschaftsprojekten mit Verarbeitungsbetrieben zu nennen. Besonders stark trat der intersektorale Aspekt in Erscheinung, wenn im Rahmen eines länderbezogenen Hilfeprogramms eine bestimmte Region gefördert werden sollte, denn die Verbesserung der Lebensbedingungen in den Regionen setzte in der Regel aufeinander abgestimmte Maßnahmen in verschiedenen Sektoren voraus. Die Bundesregierung förderte mehrere solcher regionaler Entwicklungsvorhabenregionale Entwicklungsvorhaben (z.B. Paktia in Afghanistan und Salima in Malawi). In ihnen wurden in Analogie zu den Verbundmaßnahmen der Dorfentwicklung ganze Regionen gefördert.20 Im Rahmen dieses Ansatzes sollte auch das Instrument der ProgrammfinanzierungProgrammfinanzierung eingesetzt werden. Programmfinanzierung wurde definiert als die Bereitstellung von Mitteln zur vollen und teilweisen Finanzierung geprüfter Sektoral und Regionalpläne.21 Es wurde aber ausdrücklich festgeschrieben, dass Programmfinanzierung keine Budgethilfe sei. Im Hinblick auf die Beschäftigungswirkungen in Entwicklungsländern konnten sowohl Devisenkosten als auch Kosten, die in Landeswährung anfielen, von der Bundesrepublik finanziert werden.22

In der Amtzeit EpplersEppler, Erhard wurden die Entwicklungshilfemaßnahmen durch die Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan sowie durch das Auseinanderbrechen Pakistans in zwei Teile 1971 wesentlich beeinflusst. Die Entwicklungszusammenarbeit mit dem neuen Staat Bangladesch wurde folgerichtig 1972 begonnen.23

Die Jahre 1972 bis 1974 standen im Zeichen der DürrekatastropheDürrekatastrophe in den Ländern der Sahelzone (Senegal, Mali, Mauretanien, Obervolta, Niger, Tschad) und Äthiopiens (Provinz Wollo).24 Es wurde umfangreiche Nahrungsmittel und Entwicklungshilfe geleistet, um die schlimmste Not zu mildern.

In den letzten beiden Jahren der Amtszeit von EpplerEppler, Erhard (1972–1974) wurde Hans MatthöferMatthöfer, Hans als Nachfolger von Brigitte FreyFrey, Brigitte Parlamentarischer Staatssekretär. EpplerEppler, Erhard hatte seine Ernennung durchgesetzt, trotz hinhaltenden Widerstandes des Kanzlers Willy BrandtBrandt, Willy. Matthöfer als Kenner Lateinamerikas und als „Linker“ war geradezu prädestiniert, die chilenische AllendeAllendeRevolution zu unterstützen, was er auch tatkräftig tat. AllendeAllende wurde im September 1973 durch einen Militärputsch gestürzt.

1974 wurde die Entwicklungszusammenarbeit mit JugoslawienJugoslawien25 begonnen, eine innenpolitisch äußerst kontroverse Entscheidung. EpplerEppler, Erhard wurde vorgeworfen, das Parlament über den Kredit von 700 Mio. DM nicht rechtzeitig unterrichtet zu haben und den Kredit ohne Projektbindung zu vergeben, außerdem diene der Kredit indirekt der Aufarbeitung deutscher Kriegsschuld. EpplerEppler, Erhard setzte das Vorhaben dennoch durch.

Es wurde ein Programm zur Förderung der Rückkehr türkischer Arbeitnehmer in ihre Heimat initiiert („GastarbeiterprogrammGastarbeiterprogramm“). Ferner wurde der Transfer situationskonformer, d.h. arbeitsintensiver Technologien in die Entwicklungsländer gefördert, um vor allem einen Beitrag zur Lösung von Beschäftigungsproblemen in den Partnerländern leisten zu können („TechnologieprogrammTechnologieprogramm): ein Lieblingsprojekt von EpplerEppler, Erhard, allerdings ohne nachhaltige Wirkung. Es ist auch interessant zu erwähnen, dass erste Testversuche gestartet wurden, um ein EDVorientiertes Informationssystem einzuführen.26

Noch während der Amtszeit EpplersEppler, Erhard, nämlich im Januar 1974, wurde beschlossen, im Rahmen der Neuordnung des Durchführungsbereichs der bilateralen Technischen Zusammenarbeit die Bundesstelle für EntwicklungshilfeBundesstelle für Entwicklungshilfe (BfE) und die Fördergesellschaft für Entwicklungsländer (GAWiGAWi) in einer bundeseigenen Gesellschaft (Deutsche Gesellschaft für Technische ZusammenarbeitDeutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ)27 zusammenzuführen. Einen maßgeblichen Anteil daran hatte Hans-Jörg ElshorstElshorst, Hans-Jörg, der später auch einer der Geschäftsführer der GTZ wurde.

Die öffentliche Entwicklungshilfe erhöhte sich in der Amtszeit von Erhard EpplerEppler, Erhard von 1,1 Mrd. Euro 1968 auf 1,9 Mrd. Euro 1974. Dies relativiert sich allerdings, wenn der Anteil am BSP betrachtet wird. Dieser Anteil sank von 0,42 % 1968 auf 0,37 % 1974.28 Dies ist damit zu erklären, dass das Bruttosozialprodukt in dieser Zeit stark wuchs. Damit entfernten sich in der Amtszeit EpplersEppler, Erhard die Leistungen von dem Ziel, als öffentliche Entwicklungshilfe 0,7 % des BSP zu leisten. Es liegt also nahe zu behaupten, dass in EpplersEppler, Erhard Amtszeit eher die notwendigen Strukturen und inhaltliche Konzepte geschaffen wurden, als dass neue quantitative Impulse umgesetzt worden wären.

Die öffentliche Meinungöffentliche Meinung war für EpplerEppler, Erhard durchaus ein zentrales Problem der Durchsetzung einer sinnvollen und erfolgreichen Entwicklungspolitik. Er schreibt: „Erst wenn eine kritisch engagierte, sachkundige öffentliche Meinung – wie in Schweden – konkrete und gleichzeitig realisierbare Forderungen an die Regierung stellt, enthält Entwicklungspolitik den Stellenwert, der ihr zukommt.“29 Durch die Auswirkungen der StudentenrevolutionStudentenrevolution waren der Entwicklungspolitik neben wirtschaftsnahen konservativen Kreisen auch Kritiker „von links“ erwachsen. Von dieser Seite kamen vor allem Vorwürfe des Neokolonialismus.30

Während seiner gesamten politischen Laufbahn konnte sich EpplerEppler, Erhard, der lange Zeit Mitglied im Vorstand der evangelischen Kirche war, der Unterstützung der evangelischen als auch der katholischen Kirche sicher sein. Besonders als Entwicklungsminister gab es viele Berührungspunkte, da für die KirchenKirchen Entwicklungshilfe ein genuiner Betätigungsbereich war, spätestens seit dem entsprechenden Beschluss der Weltkirchenkonferenz in Uppsala 1968. Die Kirchen waren – neben dem DED – zu EpplersEppler, Erhard Amtszeit auch die einzigen sichtbaren Organisationen, die eine Öffentlichkeit in entwicklungspolitischen Fragen herstellten und selbst für die Partnergemeinden in Entwicklungsländern direkt vor Ort aktiv waren.31

Aus dem Gedanken heraus, dass die im zweiten Entwicklungsjahrzehnt notwendige Entwicklungspolitik der Industrienationen nicht alleine Aufgabe der Regierung sein könne, sondern von einer breiten Schicht der Bürger verstanden, bejaht und getragen werden sollte, hatte Bundespräsident HeinemannHeinemann, Gustav die Gründung eines Forums für EntwicklungspolitikForum für Entwicklungspolitik angeregt. Am 17. August 1970 berief der Bundespräsident 27 sachkundige Persönlichkeiten auf die Dauer von 3 Jahren in das Deutsche Forum für Entwicklungspolitik.32 Sie repräsentierten folgende gesellschaftliche Bereiche und Gruppen: Gewerkschaften, Landwirtschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Jugend, Kirchen, politische Stiftungen und Publizistik. Das Forum sollte in seiner Zusammensetzung bewusst den Meinungspluralismus in der Bundesrepublik widerspiegeln, um mit seinen Aussagen ein entsprechend breites Echo in der deutschen Bevölkerung zu erreichen. Es arbeitete unabhängig und war an Weisungen nicht gebunden. Das Forum hatte ein dreiköpfiges Präsidium:33 Prof. Theodor DamsDams, Theodor, Universität Freiburg, der Schriftsteller Günter GrassGrass, Günter und Dr. Wilfried GuthGuth, Wilfried, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Das Forum hatte die Aufgabe, die Bewusstseinsbildung in allen Schichten und gesellschaftlichen Gruppen in der Bundesrepublik über Zielsetzung und Bedeutung der Entwicklungspolitik zu fördern. Die Wirkungen des Forums hielten sich in Grenzen.

Erhard EpplerEppler, Erhard war ein visionärer, fordernder, zuweilen aber auch schwieriger Minister. Gunther HuonkerHuonker, Gunther, EpplersEppler, Erhard Büroleiter im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, erinnert sich: „Niemand im Hause konnte EpplerEppler, Erhard Redeentwürfe liefern, die seinen Vorstellungen auch nur annähernd entsprachen. Das gab nur Ärger. Große Reden hat er gleich selbst geschrieben.“ Auch ich musste dies schmerzlich erfahren, mein erster Redeentwurf für eine Rede des Ministers bei dem Entwicklungsausschuss der OECD in Paris fiel glatt durch. „Lesen Sie erstmal die Akten gründlich“, stand auf meinem mit Herzblut geschriebenen Entwurf.

Nachdem Bundeskanzler Willy BrandtBrandt, Willy infolge der GuillaumeAffäreGuillaumeAffaire im Mai 1974 seinen Rücktritt eingereicht hatte, übernahm mit Helmut SchmidtSchmidt, Helmut ein Politiker das Amt, der nicht nur eine generelle kritische Haltung gegenüber der Eppler’schen Version von Entwicklungspolitik einnahm, sondern der angesichts der Ölkrise eine stärkere Berücksichtigung der Eigeninteressen forderte und tendenziell beabsichtigte, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen.34

EpplersEppler, Erhard entwicklungspolitische Bilanz ist beachtlich. Er legte die erste umfassende Konzeption der deutschen Entwicklungspolitik der Öffentlichkeit vor. Entwicklungszusammenarbeit erfolgte von nunmehr auf der Grundlage länderbezogener Hilfeprogramme. Dem Umweltschutz wurde ein wichtiger Platz eingeräumt, regionale Entwicklungsvorhaben gefördert und das Instrument der Programmfinanzierung eingeführt. Ferner wurde ein Gastarbeiterprogramm und ein Technologieprogramm konzipiert und ein Forum für Entwicklungspolitik gegründet. Kritisch anzumerken bleibt die Gewährung eines großen Entwicklungskredits an Jugoslawien am Parlament vorbei. EpplerEppler, Erhard hat die notwendigen Konzepte erarbeitet, in quantitativer Hinsicht ist ihm hingegen kein Durchbruch gelungen.

EpplerEppler, Erhard stellte am Ende seiner Amtszeit resigniert fest: „Ein neues, zwischen mächtigen Ressorts eingezwängtes Ministerium ist auf ein Mindestmaß an Wohlwollen im Kanzleramt angewiesen. Nur wenn zumindest offen ist, wie ein Streit enden wird, der bis ins Kabinett getragen wird, kann ein solches Ressort arbeiten.“35 Unter BrandtBrandt, Willy hatte EpplerEppler, Erhard dieses Wohlwollen für die Entwicklungspolitik ausgemacht. Helmut SchmidtSchmidt, Helmut dagegen wollte von Entwicklungspolitik möglichst wenig hören. Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass kurz nachdem das BMZ die nötigen Kompetenzen für eigenständiges Arbeiten erhalten hatte, unter der Kanzlerschaft Helmut SchmidtsSchmidt, Helmut kein Interesse mehr an Entwicklungspolitik bestand. Als für EpplerEppler, Erhard klar wurde, dass vom Kanzler kaum neue finanzielle Engagements bewilligt werden würden, trat EpplerEppler, Erhard am 4. Juli 1974 zurück.36 In seiner Rücktrittserklärung zitierte er Gustav HeinemannHeinemann, Gustav mit dem Satz: „Wer heute nur für sich selber sorgen will, verspielt mit der Zukunft anderer auch seine eigene.“37 Für EpplerEppler, Erhard war Entwicklungspolitik ein Versuch, das Leben für alle erträglich zu machen, damit es nicht für alle unerträglich wird.