Der Glückskompass

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GRUNDEINSTELLUNG

Der Weg zum Glück ist gepflastert mit guten Ratschlägen. Oft kommen sie von Menschen, die für sich selbst einen Weg gefunden haben, glücklicher zu werden, und glauben, dass er auch für alle anderen funktioniert. Doch was sagt eigentlich die Forschung? Tausende Studien hat sie bereits zum Thema Glück hervorgebracht. Der Großteil davon ist schwer verständlich, voller langmächtiger wissenschaftlicher Ausführungen. Doch bei genauerer Betrachtung ergibt sich ein nachvollziehbares Grundwissen über das Glück. Außerdem empfiehlt uns die Forschung einige einfache Glücksübungen.

Stellen Sie sich vor, Sie organisieren bei sich zu Hause eine Geburtstagsfeier für Ihren besten Freund. Es ist ein runder Geburtstag. Viele andere Freunde und Verwandte haben sich angekündigt. Alle freuen sich auf das Fest. Das Organisieren macht Ihnen Spaß. Die meisten warmen Speisen bereiten Sie selbst zu, das kalte Buffet sowie Kuchen und Torten steuern Ihre Gäste bei.

Nur die große Geburtstagstorte mit der Aufschrift aus Zuckerguss und den Verzierungen mit Marzipanfiguren überlassen Sie lieber Profis. Die Torte soll richtig spektakulär werden, zumal sich das Geburtstagskind für große Torten begeistert. Nach langer Detailplanung erteilen Sie einer renommierten Konditorei den Auftrag, das süße Kunstwerk nach Ihren Skizzen anzufertigen.

Am Festtag, einem Sonntag, sind Sie schon seit den Morgenstunden mit den Vorbereitungen beschäftigt. Kurz nach Mittag treffen die ersten Gäste ein. Der Buffettisch füllt sich zusehends. Nur der Platz in der Mitte, wo die große Torte stehen soll, ist nach wie vor leer.

Sie rufen bei der Konditorei an und erreichen eine freundliche Mitarbeiterin, die versichert, die Torte sei unterwegs. Aber sie kommt nicht. Es ist wie verhext. Trotz weiterer Telefonate keine Torte. Bei der Konditorei muss etwas schiefgegangen sein, was die Angestellten dort jedoch nicht zugeben wollen. Offenbar spielen sie auf Zeit.

Schließlich meinen einige Gäste, sie müssten bald aufbrechen. Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als zu improvisieren. Die größte der vorhandenen kleinen Torten muss – behelfsmäßig mit Kerzen geschmückt – als Geburtstagstorte herhalten, damit alle noch das Happy Birthday anstimmen können.

Wie würden Sie sich in dieser Situation fühlen? Wäre Ihr Tag verdorben? Oder würden Sie achselzuckend denken, so ist das Leben? Irgendwo dazwischen können Sie sich jetzt einordnen.

In diesem Kapitel widmen wir uns den kleinen Dingen in unserem Leben, die einen großen Unterschied für unser Glück machen. Dazu zählt unter anderem unser Umgang mit den Torten, die im Leben so oft ausbleiben.

ERWARTUNGEN UND ENTTÄUSCHUNGEN

Wenn Sie eher zu jenen Menschen gehören, die sich überwiegend über den Fehler und die Hinhaltetaktik der Konditorei ärgern, statt das Fest trotzdem in vollen Zügen zu genießen, beachten Sie bitte folgende Warnung.

Erwartungen, Vorfreude und Hoffnungen sind eine Gefahr für Ihr Glück. Sie können immer enttäuscht werden.

Wenn wir uns auf etwas Besonderes freuen, konsumieren wir Glücksgefühl auf Basis unserer Phantasie, die der Realität voraus ist. Sollte die Realität dann vom Erträumten negativ abweichen, produziert das Unglück. Wir haben uns sprichwörtlich zu früh gefreut. Wir erleben eine Enttäuschung, also das Gegenteil von Glück.

Je höher Erwartungen, Vorfreude und Hoffnungen sind, desto größer ist auch das Potential für eine Enttäuschung.

Wir sind gut beraten, unsere Erwartungen mit genau dem Abstand zu betrachten, den wir zur Zukunft haben. Zwischen uns und der Zukunft liegt immer eine Menge Ungewissheit. Zu sehen, was uns möglicherweise unglücklicher macht, ist ebenso wichtig wie zu sehen, was uns möglicherweise glücklicher macht.

Glücklicher werden ist keine Einbahnstraße. Wir sind ständig in Gefahr, Rückschläge und Enttäuschungen zu erleben.

Das bedeutet nicht, dass wir ohne jegliche Erwartungen, ohne Vorfreude und ohne Hoffnungen leben sollen. Eine prinzipiell optimistische Lebenseinstellung ist laut Studien förderlich für unser Glücksempfinden, weil wir damit in der Gegenwart positive Emotionen in Bezug auf die Zukunft haben. Wir sollten aber einen guten Umgang mit der Gefahr der Enttäuschung finden.

Dafür gibt es verschiedene Optionen.

Es ist gut, wenn wir uns eine schöne Zukunft ausmalen. Dennoch sollten wir damit rechnen, dass es anders kommt, weil das Leben zum Glück voller Überraschungen steckt. Wenn wir uns gerade schönen Hoffnungen hingeben, sollten wir immer auch an den schlechtesten Fall denken. Einfach als Ausgleich. Wenn wir am Ende irgendwo dazwischen landen, wird sich unsere Enttäuschung in Grenzen halten und unsere Chance, dann doch zufrieden zu sein, ist am größten.

Optimismus ist gut, solange wir uns nicht an das Eintreten bestimmter Ereignisse in der Zukunft klammern.

Vermeiden wir es so gut wie möglich, uns zu früh zu freuen. Konzentrieren wir unsere Freude nicht auf das, was noch fehlt, also zum Beispiel auf die große Torte. Freuen wir uns vor allem über die Vergangenheit und über die Dinge, die schon da sind. Über das volle Buffet, die vielen Gäste und das schöne Fest. Das entspricht einer Haltung der Dankbarkeit.

Eine Studie der Psychologin Iris Mauss und ihrer Kollegen an amerikanischen und israelischen Universitäten lieferte dafür den wissenschaftlichen Nachweis. Menschen, die es besonders hoch bewerten, glücklich zu sein, sind generell unglücklicher. Besonders hoch ist demnach die Gefahr, unglücklicher zu werden, in jenen Situationen, in denen wir uns besonders viel Glück erwarten. Personen, die mehr unternehmen, um glücklich zu sein, sind auch eher enttäuscht. Diese Enttäuschung lässt sie dann womöglich noch verbissener nach Glück streben. So führt das Streben nach Glück ins Unglück.

Diesen paradoxen Effekt des Strebens nach Glück gilt es zu vermeiden. Viele Menschen denken: Ich will glücklicher werden. Wenn wir uns allerdings nach Glück sehnen, stehen wir unserem Glück im Weg. Das wusste auch der englische Philosoph und Ökonom John Stuart Mill. In seiner Autobiografie 1873 schrieb er: »Glücklich sind nur jene, die ihre Gedanken auf etwas anderes fixieren als ihr eigenes Glück.«

Glück lässt sich nicht erzwingen. Je hartnäckiger wir das versuchen, desto mehr stoßen wir es ab.

Nehmen wir als Beispiel dieses Buch. Es vermittelt gesichertes Wissen über das Glück. Wenn wir dieses Wissen mit Bedacht einsetzen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir unser Glücksniveau anheben und mehr Momente sowie längere Phasen des Glücks erleben. Empfehlenswert sind Aktivitäten, die mit höherer Wahrscheinlichkeit Glücksgefühle nach sich ziehen und bei denen sich Enttäuschungen gut vermeiden lassen. Diese Wahrscheinlichkeit ist wohlgemerkt das Gegenteil einer Garantie. Je mehr wir damit rechnen, dass Glück sich einstellt, desto größer ist unsere mögliche Enttäuschung. Wir sollten daher nie mit dem Glück rechnen.

Das Beste, was wir tun können, ist, dem Glück die Türen zu öffnen. Dieses Buch zeigt, welche Türen und Hintertüren das sein können. Wir sollten eine Tür nur öffnen, wenn sie zu uns passt. Dann lassen wir das Glück einfach kommen.

Unsere beste Einstellung zum Glück ist die gelassene Offenheit. Wenn es kommt, ist es wunderbar. Wenn es diesmal nicht kommt, kommt es vielleicht ein anderes Mal durch eine andere Tür.

Je gelassener wir sind, desto besser. Denn diese Gelassenheit ist selbst schon ein sanfter beglückender Zustand, der Enttäuschungen mildert.

ERFOLG UND DAS GLÜCK

Gelassenes Wahrnehmen von Möglichkeiten statt verbissenes Streben nach Ergebnissen empfiehlt sich auch aus einem anderen Grund: Lange galt als erwiesen, erfolgreiche Menschen seien glücklicher. Bis die Psychologin Lisa Walsh und ihre Kollegen vom Psychologie-Department der University of California und der Chapman University die betreffenden Studien genauer lasen. Die Forscher fanden heraus, warum sich diese falsche Annahme so lange halten konnte. Die Studien hatten Ursache und Wirkung verwechselt.

Nicht Erfolg führt zu mehr Glück, sondern Glück führt zu mehr Erfolg.

Positive Emotionen gehen dem beruflichen Erfolg voraus. Studienteilnehmer, die positive Emotionen erfuhren oder entwickelten, handelten im Gegensatz zu jenen mit negativen oder neutralen Emotionen kooperativer, setzten sich höhere Ziele und konnten bessere Leistungen erbringen. Außerdem schätzten sie sich selbst und andere positiver ein und verhielten sich im Allgemeinen sozialer. Sie waren auch eher originell, flexibel, kreativ, spielerisch und neugierig als der Rest.

Mit dem Glück als Rückenwind geht alles leichter. Hingegen ist es in einer Phase der Unzufriedenheit oder gar des Unglücks doppelt schwer, erfolgreich zu sein. Daher empfiehlt es sich, in schwierigen Phasen eher die Ruhe zu bewahren, Kraft zu sammeln, Neues auszuprobieren und auf gute Gelegenheiten zu warten. Nach Erfolg zu streben, um aus einer Phase des Unglücks herauszukommen und wieder glücklich zu werden, kann zwar auch gelingen, führt allerdings mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Enttäuschungen und damit zu noch tieferem Unglück.

RICHTIGES ENTTÄUSCHUNGS-MANAGEMENT

Die neue Flamme hat sich als Flop erwiesen? Der Traumurlaub war in Regen und Nebel gehüllt? Befördert wurden nur zwei Kollegen? Unsere Kompetenz beim Umgang mit potentiellen und tatsächlichen Enttäuschungen spielt für unser Glücksniveau eine entscheidende Rolle.

Potentielle Enttäuschungen können wir mittels Realismus vorhersehen. Realismus ist die beste Basis, um vorausschauend zu handeln, um Enttäuschungen zu vermeiden oder zumindest ihre Wucht zu mindern.

 

Wir geben einer prinzipiell optimistischen Lebenseinstellung ein solides Fundament, wenn wir das Gute sehen, aber dennoch mit allem, auch mit dem Schlechten, rechnen.

Die rosarote Brille zu tragen, also nur das Positive zu sehen, ist dem Glücksempfinden abträglich, weil die Enttäuschungen uns umso wuchtiger treffen. Umgekehrt ist es allerdings genauso problematisch, gleichsam eine dunkelgrau getönte Brille zu tragen und nur das Negative zu sehen. Auch an Dingen, die auf den ersten Blick negativ erscheinen, gibt es eine positive Seite. Das Positive im Negativen zu sehen, ist eine Fähigkeit, die unserem Glücksempfinden zuträglich ist.

Sofern wir alles unternommen haben, um mögliche Enttäuschungen zu vermeiden, können wir tatsächliche Enttäuschungen im ersten Moment nur hinnehmen. Dieses Akzeptieren der eigenen Ohnmacht ist eine gute Basis, um die Enttäuschung in weiterer Folge zu überwinden.

Daraus unter anderem erklärt sich auch die positive Wirkung eines Glaubens, egal, ob an eine Religion oder ein anderes spirituelles Konzept. Zu denken, dass etwas so, wie es kam, göttliche Fügung oder Schicksal war, ist eine erprobte Methode des Enttäuschungs-Managements.

Die positive Wirkung eines Glaubens auf unser Glücksempfinden ist durch viele ganz unterschiedliche Studien belegt. Sie ist insbesondere damit erklärbar, dass der Glaube an eine höhere Macht uns dabei hilft, unsere Ohnmacht anzunehmen, ohne den Halt zu verlieren.

Auch wenn wir Menschen uns noch so sehr wünschen, alles unter Kontrolle zu haben und alles erklären und vorhersehen zu können, uns also gewissermaßen zur Gottheit aufzuschwingen, müssen wir doch immer wieder feststellen: Shit happens! Wir sind nicht allmächtig.

Das Hadern mit der eigenen Ohnmacht macht uns unglücklicher. Ein gewisses Maß an Schicksalsergebenheit tut uns daher gut. Wohlgemerkt aber nur ein gewisses Maß. Wer sich vollends dem Schicksal ergibt, wird zwar Enttäuschungen besser wegstecken, aber das allein reicht nicht. Glücklicher werden jene, die ihr Schicksal trotz allem in die Hand nehmen, also stets handlungsfähig bleiben und zum Beispiel versuchen, aus Krisen und Schicksalsschlägen zu lernen.

DIE MACHT DER DANKBARKEIT

Schon einfache kleine Aktivitäten, die wir ohne besonderen Zeitaufwand in unseren Alltag einbauen, können uns glücklicher machen.

Eine davon besteht darin, uns in Dankbarkeit zu üben.

»Sei doch dankbar für das, was du hast«, heißt es oft als Empfehlung gegen schlechte Laune und Unzufriedenheit. Das zu hören, mag in der falschen Situation frustrieren. Doch laut der Psychologin und Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky von der University of California Riverside könnte Dankbarkeit tatsächlich einer der Universalschlüssel für ein glücklicheres Leben sein.

Die Forschung hat bereits belegt, dass dankbare Menschen hilfsbereiter, optimistischer und glücklicher sind und weniger häufig an Depressionen, Nervosität und Einsamkeit leiden. Lyubomrisky beschäftigte sich nun konkret damit, ob Menschen durch Dankbarkeit über lange Zeiträume hinweg glücklicher werden können.

Die Teilnehmer ihrer Studie führten sechs Wochen lang ein Tagebuch, in dem sie einmal pro Woche jeweils fünf Dinge notierten, für die sie dankbar waren. Und tatsächlich: Bei denjenigen Probanden, die diese Übung konsequent durchführten, stieg das Glücksempfinden signifikant an. Dabei reichten die Antworten von schönem Wetter bis zur bestandenen Prüfung oder der eigenen Gesundheit.

Nun könnte es sein, dass glückliche Menschen generell dankbarer sind, dass also Dankbarkeit, wie Erfolg, eine Folge des Glücks ist. Lyubomrisky musste also beweisen, dass Dankbarkeit tatsächlich die Ursache für ein stärkeres Glücksempfinden ist.

Der Versuchsaufbau für diesen Beweis war ähnlich: Die Probanden sollten nun täglich fünf Dinge notieren, für die sie dankbar sind. Die Kontrollgruppe hingegen sollte täglich fünf ärgerliche, beziehungsweise generell wichtige Ereignisse notieren. Auch hier fühlte sich die Gruppe, die sich in Dankbarkeit übte, nach zehn Wochen zufriedener und optimistischer. Zusätzlich nahmen körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Akne, Husten und Schwindel ab. Außerdem trieben diese Probanden mehr Sport.

Dankbarkeit als Grundeinstellung gilt weltweit und unabhängig von Land und Kultur als erstrebenswerte Eigenschaft. Zu Recht, denn die Wissenschaft lässt keinen Zweifel daran: Dankbarkeit macht uns glücklicher und gesünder.

Die Forschung hat Dankbarkeit nicht nur als individuelle Wahrnehmung des eigenen Lebens untersucht. Dankbarkeit in sozialen Beziehungen untersuchte 2008 ein Forscherteam der University of Virginia. An vielen amerikanischen Universitäten gibt es nicht nur von männlichen Studenten Verbindungen, sondern auch von Studentinnen. In diesen sogenannten Sororities ist der Brauch verbreitet, im Zuge der »Big Sister Week«, Aktivitäten und Geschenke für die neuen Mitglieder zu organisieren.

Die Forscher nahmen diese Form der institutionalisierten Beschenkung der jüngeren durch die älteren Studentinnen zum Anlass, um die Folgen von dankbarem Verhalten auf die Gruppe und deren Individuen zu analysieren. Die neuen und alten Mitglieder sollten ihre Beziehung zueinander nach dem Ende der Big Sister Week sowie einen Monat später bewerten.

Das Ergebnis war, dass Menschen, die dankbar für Freunde und Verwandte sind, eine engere und bessere Beziehung zu ihnen haben.

»Wenn wir dankbar für andere Menschen sind, behandeln wir sie automatisch besser«, sagte der Studienautor und Psychologe Robert Emmons. »Dies führt dazu, dass sich die Beziehung festigt und wir noch dankbarer dafür sind. So kann Dankbarkeit für die Beziehungen zu anderen Menschen unser Glück steigern.«

Das Aussprechen von Dankbarkeit, zum Beispiel abends vor dem Schlafengehen, ist ein erprobtes Ritual. Wenn wir uns täglich daran erinnern, was uns Gutes widerfahren ist, macht uns das nachweislich glücklicher.

Damit wecken wir bewusst gute Gefühle und sorgen dafür, dass unser Nervensystem Glückshormone ausschüttet. Hier ist keine Einbildung oder Autosuggestion am Werk. Wir erinnern uns an tatsächliche Begebenheiten und Umstände, für die wir dankbar sind. Das ist Realität.

Allerdings legen wir dabei den Fokus insbesondere auf die schönen Seiten der Realität. Das tägliche Ritual hilft uns bei dieser Fokussierung und beim Wiedererleben der positiven Gefühle.

GEFÜHLE VERARBEITEN

Im Alltag machen wir laufend gute und schlechte Erfahrungen. Im Laufe unseres Lebens erlernen und entwickeln wir verschiedene Methoden, diese zu verarbeiten. Mit ihnen beschäftigte sich ebenfalls die Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky in einer Studie. Demnach erfordern gute Erfahrungen eine andere Verarbeitung als schlechte.

Bei schlechten Erfahrungen tut uns eine intensive Verarbeitung gut. Wir sollten über sie sprechen, sie analysieren und über sie schreiben. Studienteilnehmer, die schlechte Erfahrungen gemacht hatten, waren mit dieser Art der Verarbeitung nach vier Wochen zufriedener und psychisch und physisch gesünder als die Vergleichsgruppe, die sich nur beiläufig mit ihren schlechten Erfahrungen befasst hatte.

Aus allem Unglück, das uns zustößt, und allen Fehlern, die wir machen, lassen sich Lehren ziehen. Das ist leichter gesagt als getan. Wir können in unserem Leben tiefe emotionale Verletzungen erleiden, deren Heilung sich über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinziehen kann.

In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, sich bei der Analyse professionelle Unterstützung durch eine passende Form der Psychotherapie zu suchen. Doch auch dabei sollten wir möglichst rasch zu einem Punkt kommen, statt uns im Negativen zu vergraben. Wir müssen wissen, was wir nächstes Mal besser machen würden, um weitere schlechte Erfahrungen der gleichen Art zu vermeiden. Damit kommen wir aus dem Gefühl der Ohnmacht heraus und werden wieder handlungsfähig.

Am schnellsten kommen wir zu diesem Punkt mit Personen, denen wir vertrauen und die uns kritisches Feedback geben, möglichst mit Humor, damit wir lernen, das Negative positiv zu verarbeiten. Wenn wir wegen der positiven Verarbeitung des Negativen Dankbarkeit empfinden, sind wir am Ziel. Dann können wir das Negative auch wirklich gut abschließen und sagen: Schwamm drüber.

Reden, Analysieren und darüber Schreiben helfen uns dabei, schlechte Erfahrungen zu verstehen und uns von negativen Gefühlen zu lösen.

Bei guten Erfahrungen verhält es sich, laut der Studie von Sonja Lyubomirsky, genau umgekehrt. Die Studienteilnehmer, die gute Dinge hinterfragten, intensiv beredeten und analysierten oder sogar darüber schrieben, waren weniger glücklich, als jene, die sich nur oberflächlich mit den guten Erfahrungen auseinandersetzten.

Gute Erfahrungen sollten wir nicht zerreden, sondern einfach annehmen und dankbar dafür sein.

Dieser Unterschied ist so groß und so wesentlich für unser Glücksempfinden, dass wir die Verarbeitung von guten und von schlechten Erfahrungen sorgfältig voneinander trennen sollten. Deshalb empfiehlt es sich, zwischen der Analyse schlechter Erfahrungen und dem Ritual der Dankbarkeit einen zeitlichen Abstand einzuhalten.

FREUNDLICH MACHT GLÜCKLICH

Freundlichkeit kann wie Dankbarkeit eine Übung sein, die uns glücklicher macht. Je nach Typ können wir anderen Menschen im Alltag mit einem Lächeln oder sogar mit Humor begegnen.

Wir können offen statt defensiv reagieren. Wir können anderen und auch uns selbst Fehler verzeihen. Wir können hilfsbereit sein, kleine oder größere Geschenke machen, Gefälligkeiten erweisen, gute Taten vollbringen. Es gibt viele Wege, freundliche Akte zu setzen.

Sonja Lyubomirsky hat dazu ein Experiment gemacht. Sie hat Studienteilnehmer gebeten, bewusst drei zusätzliche freundliche Akte pro Woche gegenüber anderen Personen zu setzen. Das konnten Kleinigkeiten sein, wie jemandem die Tür aufzuhalten. Es konnten aber auch größere Geschenke oder zeitaufwändige Gefälligkeiten sein. Das blieb den Teilnehmern überlassen. Eine andere Gruppe wies die Forscherin an, dreimal pro Woche bewusst gegenüber sich selbst freundlich zu sein. Die Teilnehmer jener Gruppe, die freundlich zu anderen waren, fühlten sich danach deutlich glücklicher und mit der Welt verbundener.

Warum Freundlichkeit gegenüber anderen Menschen glücklicher macht, ist leicht zu erklären. Wir wecken damit positive Emotionen in den Menschen, denen wir begegnen. Daher reagieren diese Menschen tendenziell positiv, was wiederum bei uns positive Emotionen hervorruft. Wir kennen das Sprichwort: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Die Freundlichkeit, die wir ausstrahlen, kommt in der einen oder anderen Form zu uns zurück. Vielleicht nicht immer, aber doch häufig.

Das macht uns glücklich, allerdings dürfen wir dabei nicht Freundlichkeit gegen Freundlichkeit aufrechnen. Nur weil wir durchwegs freundlich sind, sind unsere Mitmenschen noch lange nicht durchwegs freundlich. Wahrscheinlich werden wir weniger Freundlichkeit zurückbekommen, als wir ausstrahlen. Das können wir ruhig in Kauf nehmen. Wichtig ist nur, dass wir durch unsere Freundlichkeit mehr Freundlichkeit als bisher zurückbekommen.

Das zeigt auch die Grenzen von freundlichem Verhalten. Sobald wir uns überwinden oder verstellen müssten, um freundlich zu bleiben, sind diese Grenzen erreicht. Manchmal sind Klarheit, Strenge und Tadel tatsächlich die bessere Wahl. Das ist allerdings seltener der Fall, als wir glauben. Oft sind es irgendwelche Ärgernisse, unsere Ungeduld oder unsere allgemein schlechte Laune, die uns unnötig unfreundlich machen. Diese unnötige Unfreundlichkeit können wir mit etwas Disziplin überwinden. Wenn wir uns über etwas ärgern, können wir uns daran erinnern, dass ein wesentlicher Teil der Freundlichkeit das Verzeihen von Fehlern ist.

Eine verzeihende, fehlerfreundliche Grundeinstellung ist das, was zutiefst freundliche Menschen von allen anderen unterscheidet. Solche Menschen müssen nicht auf Kritik verzichten. Sie praktizieren allerdings eine freundliche Art, Kritik zu üben, indem sie die Berechtigung ihrer Kritik erklären. So können sie auch in kritischen Situationen freundlich bleiben.

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