Perry Rhodan - Die Chronik

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Das Autorenteam entsteht

Der Verlag ließ sich mit seiner Entscheidung Zeit. Dennoch arbeiteten Bernhardt, Scheer und Ernsting mit Hochdruck an der Zusammenstellung eines Autorenteams. Kurt Bernhardt hatte den in der Nähe von München lebenden Schriftsteller Paul Alfred Müller vorgeschlagen, der sich – weil es noch eine ganze Anzahl Namensvettern von ihm gab – nach seinem Wohnort gelegentlich auch Paul Müller-Murnau nannte. Die Hinzufügung des Wohnorts bei häufigen Namen war damals durchaus verbreitet.

Ernsting war von Bernhardts Wahl angetan, schließlich hatte er als Jugendlicher Müllers Vorkriegsserie SUN KOH verschlungen. Bei einem unverbindlichen Gespräch zeigte sich Müller zu einer Mitarbeit bereit, beharrte jedoch als Anhänger der Hohlwelt-Theorie darauf, dass die Serie im Inneren der Erde spielen solle. Da sowohl der Verlag als auch die beiden Chefautoren sich einig waren, die Handlung im Weltraum anzusiedeln, kam es deshalb nicht zu einer Zusammenarbeit.

Ein Kuriosum am Rande: Knapp fünf Jahre später gab es in PERRY RHODAN durchaus einen Handlungsfaden, an dem Paul Alfred Müller seine wahre Freude gehabt hätte. Auf dem Weg nach Andromeda verschlägt es Perry Rhodan und seine Getreuen nämlich in das Innere der Hohlwelt Horror …

Scheer wandte sich unterdessen an den in Darmstadt lebenden Physikstudenten Klaus Mahn, der unter den Pseudonymen Cecil O. Mailer und Kurt Mahr bereits etliche technisch orientierte SF-Heftromane vorgelegt hatte. Zwar hatte er erst 1959 zu veröffentlichen begonnen, aber bereits vierzehn Hefte in UTOPIA und TERRA herausgebracht. Das konnte sich sehen lassen. Und Mahn war Feuer und Flamme und hätte am liebsten sofort mit der Arbeit an der Serie begonnen.

Am 5. März, wiederum drei Wochen nach Niederschrift des ersten Exposés, nahm Scheer auch Kontakt zu einem Freund aus der noch jungen Fan-Szene auf, der als Verlagskaufmann in Bielefeld arbeitete und seit 1958 auf dem Leihbuchsektor tätig war. »Winnie« Scholz, der als William Brown und W. W. Shols veröffentlichte, erwies sich schnell als Bereicherung des jungen Teams. Er stellte aus einem Kiotoer Adressbuch, das bei seinem Arbeitgeber Gundlach verlegt wurde, eine Liste mit authentischen japanischen Namen zusammen, die man für die Mitglieder des Mutantenkorps benutzte. Scheer hatte die Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki als Auslöser für übersinnliche Fähigkeiten bei den »Kindern des Atoms« postuliert (wofür er später heftige Schelte von der Kritik bezog), und dieser Beitrag kam ihm gerade recht. Folgerichtig schrieb Scholz Heft 6, das unter dem Titel »Das Mutantenkorps« erschien.

Abermals zwanzig Tage später, am 5. März 1961, lieferte K. H. Scheer das Manuskript des ersten Roman der PERRY RHODAN-Serie ab. Endlich konnten auch die anderen Autoren loslegen, fleißig schrieben sie ihre Texte auf Matrizenpapier. Ständig wurden jetzt Kopien der fertigen Romane an die Teamkollegen geschickt.

Den dritten Beitrag schrieb Scheer ohne Exposé direkt in die Maschine, und am 9. Mai lieferte er das letzte der angeforderten Probe-Exposés ab. Es galt Heft neun, mit dem der erste Erzählabschnitt der Serie endete. Nun begaben sich Kurt Bernhardt und sein Kollege Günter M. Schelwokat damit und mit den ersten vier Romanen in Klausur. Für die Autoren begann das lange Warten. Würde die Serie realisiert werden?

Der unterschätzte Serienautor

Es gibt einen Autor bei PERRY RHODAN, dessen Bedeutung oft zu gering eingeschätzt wird: Kurt Mahr. Zusammen mit Scheer und Darlton gehörte er zu den Profis, die der Serie eine Richtung gaben. Shols, der ein Heft nach ihm an Bord kam, verfasste aus Zeitgründen nur vier Romane, und Kurt Brand und William Voltz traten in eine bereits laufende Serie ein. Aber Mahr schrieb von den ersten hundert Romanen immerhin 28, und bis zu seinem vorübergehenden Ausstieg aus der Serie mit Band 395 sollte diese Zahl sogar auf 75 Romane anwachsen. Er prägte die Serie von Anfang an.

Und es gab einen, der eben darauf gesetzt hatte: Kurt Bernhardt!

Sicher hatte dem Cheflektor schon am 11. Mai 1959 die Gründung einer neuen Weltraumserie vorgeschwebt, die alle Fehler von JIM PARKER vermeiden sollte, und sicher war er schon vorher auf der Suche nach den richtigen Autoren gewesen.

Wie aus einer Korrespondenz hervorgeht, die die Witwe von Kurt Mahr in einem Begleitbuch zum PERRY RHODAN-Con 2003 kommentiert und fotokopiert vorlegte, bekam Mahr zu eben diesem Datum die Antwort auf ein Schreiben, mit dem er sein erstes Manuskript beim Moewig Verlag eingereicht hatte. Der Roman erschien im folgenden Jahr unter dem Titel »Zeit wie Sand« als TERRA-Heft 99, und sofort muss Bernhardt den Eindruck gehabt haben, dass hier ein hoffnungsvoller neuer Autor bereitsteht.

Als Mahr dem Verlag vier Wochen später zwei weitere Exposés zur Ausarbeitung anbot, antwortete Bernhardt am 19. Juni 1959: »Mit ihrem bereits eingereichten Manuskript sind wir sehr zufrieden und können uns sehr gut vorstellen, dass unsere Zusammenarbeit erfolgreich sein wird, wenn Sie weiterhin das Niveau beibehalten.« Aber er ließ es auch nicht an Kritik fehlen. »Nur muss in Ihrem Manuskript mehr Aktion vorhanden sein, das heißt ganz allgemein in Ihren Manuskripten. Die wissenschaftliche Fundierung ist ausgezeichnet, aber Sie wissen ja und müssen immer bedenken, dass wir die Hefte an ein großes Publikum verkaufen. Also bitte versuchen Sie, in Ihren nächsten Manuskripten mehr Aktion zu bringen und somit auch mehr Spannung.«

Am 29. Juli bestätigte Bernhardt den Empfang des zweiten Manuskripts, »Ringplanet im NGC 3031«, und war begeistert. Er kaufte es aufgrund des größeren Umfangs von 300.000 Zeichen, das es für einen TERRA SONDERBAND geeignet erscheinen ließ, zu einem erhöhten Honorar von 500 DM an. Und am 28. Oktober bestätigte Bernhardt den Eingang des dritten Manuskripts im normalen Heftumfang von 240.000 Zeichen, »Der Nebel frisst sie alle«. Auch diese Manuskripte wurden sehr gelobt.

Und damit stand Bernhardt nicht allein. Am 19. Januar 1960 schrieb er an Mahr: »Sie haben sicherlich schon längst gemerkt, dass unsere Lektoratsabteilung für Sie eine kleine Schwäche hat, und darum wollen wir heute etwas tun, was noch nie – auch besonders zeitlich gesehen – der Fall war: Wir schreiben Ihnen den Text einer Postkarte ab, die wir heute erhielten.« Ein Leser hatte dem Verlag seine Meinung zu »Zeit wie Sand« mitgeteilt, der ihn begeistert hatte: »Den vorliegenden Terra-Roman halte ich für einen der besten Romane, die in dieser Reihe erschienen sind, der glaubhaft, in seiner Handlung flüssig und überaus spannend ist. In seiner Menschlichkeit ist dieser Roman wohl kaum zu übertreffen, es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen das mitzuteilen. Mit Freude darf ich hoffen, dass ähnliche Werke in Zukunft weiter erscheinen werden.«

Diesem letzten Wunsch schloss sich auch der Verlag an, und Mahr wurde das viele Lob schon ein wenig unheimlich. »Ich muß Ihnen gestehen«, schrieb er an Bernhardt, »der Moewig Verlag beginnt, mich durch sein übergroßes Zuvorkommen in der Geschwindigkeit, mit der meine Romane beurteilt werden, zu beschämen.«

Und dann blies das erste Schreiben des Außenlektors Günter M. Schelwokat auch noch in dasselbe Horn. »Eingangs möchte ich betonen, dass das gute Ankommen Ihres ersten Romans bei den TERRA-Lesern mich nicht nur als Lektor und Redakteur TERRAs, sondern auch rein persönlich freut und mich in der Auffassung bestärkt, dass es an der Zeit ist, dem gehobeneren, technisch-wissenschaftlich gut fundierten SF-Roman, wie Sie ihn pflegen, selbst im Rahmen der Kleinbände, die ja bislang mehr auf blutig-abenteuerliche Space Operas abgestimmt waren, mehr und mehr Platz einzuräumen.« Und unter Bezug auf das zweite Manuskript erklärte Schelwokat, er habe es »übrigens zur Aufnahme in die Sonderbandreihe empfohlen. Bei Herausgabe dürften Sie dann wohl noch mit einer zusätzlichen Honorierung von 100 DM rechnen. Bei einem guten Abschneiden dieses Romans können Sie erwarten, dass auch ein Teil Ihrer zukünftigen Produktion für die Sonderbände Verwendung finden wird.«

So war es kein Wunder, dass Kurt Mahr, als die Vorarbeiten für PERRY RHODAN anliefen, von Anfang an dabei war. Am 13. April 1961 schrieb er an Bernhardt: »Über Ihre Wertschätzung meiner Mitarbeit an der Perry-Rhodan-Serie freue ich mich sehr. Ich nehme mir vor, Sie nicht zu enttäuschen. Auf jeden Fall will ich es nicht an der gewünschten Intensität der Arbeit fehlen lassen.«

Sechs Tage später wandte Mahr sich erneut an den Cheflektor. »Inzwischen habe ich von Herrn Scheer das Manuskript des ersten Bandes bekommen und schon durchgelesen. Es hat mir sehr gut gefallen. Leider muß ich – ich soll den Band Nr. 5 schreiben – nun noch auf drei weitere Manuskripte und das Exposé des fünften Bandes, das Herr Scheer allerdings schon angekündigt hat, warten. Sie dürfen versichert sein, daß ich mit der Arbeit an PERRY RHODAN im selben Augenblick beginne, in dem ich die nötigen Unterlagen in der Hand habe.«

Am 17. Mai lieferte Kurt Mahr sein erstes Serienmanuskript ab. Er hatte ihm den Titel »Die Anerkennung« gegeben, worauf Bernhardt ihn am 31. Mai bat, ihm doch weitere Vorschläge mit zugkräftigeren Titeln zu machen. Außerdem erklärte er: »Sie haben von Herrn Scheer bereits einen neuen Auftrag für obige Serie erhalten beziehungsweise das entsprechende Exposé, und wir bitten Sie, sich mit dieser Arbeit so schnell wie möglich zu beschäftigen, damit wir das Manuskript bald bekommen.«

Wie ein Donnerschlag muss Mahr jedoch der abschließende Absatz des Schreibens getroffen haben: »Ich werde mich mit Herrn Scheer auch darüber unterhalten, wie weit die Möglichkeit besteht, dass wir Sie noch stärker für die Mitarbeit an der Rhodan-Serie einsetzen können, das heißt dass Sie mehr Manuskripte für diese Serie schreiben als bisher. Ich hoffe, dass Sie mit diesem Vorschlag einverstanden sind, und erwarte gern Ihre Rückäußerung hierzu, damit ich das Notwendige veranlassen kann.«

 

Weder Bernhardt noch Mahr konnten ahnen, dass der frischgebackene Serienautor einmal sage und schreibe 253 Romane für PERRY RHODAN schreiben würde. Davon entfielen allein 177 auf die Zeit nach seinem Wiedereinstieg, der sich 1971 durch ein erneutes Gespräch mit Kurt Bernhardt anbahnte. In den 22 Jahren, die er noch an der Serie mitwirkte, war beinahe jedes neunte Heft von ihm – ein hoher Anteil, wenn man bedenkt, dass er ab Oktober 1985 gemeinsam mit Ernst Vlcek die Exposés verfasste. In dieser Funktion war er bis Band 1556 tätig, der im August 1991 erschien.

Zwei Jahre später sollte er an einem Blutgerinnsel im Kopf sterben, dass er sich durch einen Sturz auf eine Bordsteinkante zugezogen hatte.

Kurzbiografie: Kurt Mahr

Klaus Otto Mahn, so der bürgerliche Name des Autors, wurde am 8. März 1934 in Frankfurt am Main geboren. Im Oktober 1953 begann er ein Bauingenieurstudium in Darmstadt, ab dem Sommersemester 1956 studierte er Physik – finanziert durch einen Job als Schlafwagenschaffner und seine Romane, die seit 1959 entstanden. Zunächst waren es Liebesgeschichten gewesen, die allerdings abgelehnt wurden, dann zwei Western. Mit der Science Fiction fand er schließlich sein Metier und konnte 1960 bereits auf vierzehn Heftromane in UTOPIA und TERRA verweisen. Als das Angebot zur Mitarbeit an PERRY RHODAN an ihn erging, hatte er gerade beschlossen, in die USA zu ziehen, um an der Erforschung und Entwicklung von Raketentrieben mitzuwirken. Wernher von Braun nannte ihm ein von der US-Army unterhaltenes Büro in Frankfurt, und so übersiedelte er 1962 mit seiner zweiten Frau und zwei Kindern nach Amerika. In East Hartfort, Connecticut, wurde er Projektleiter für die Erstellung eines Softwarepakets zur Auswertung elektronischer Raketentests und stieg im September 1969 aus der PERRY RHODAN-Serie aus. Er zog mit seiner Familie nach Florida und leitete dort für die Satellite Communications Agency die Entwicklung von Informations- und Projektüberwachungssystemen. 1971 kehrte er nach Deutschland und in die Serie zurück. Ab 1985 schrieb Mahr, der seit 1977 wieder in den USA lebte, von jenseits des Atlantiks zusammen mit Ernst Vlcek auch die Exposés von PERRY RHODAN. Er sollte es auf insgesamt 253 Romane, 42 Taschenbücher und 44 Folgen von ATLAN bringen, nicht gerechnet siebzig Einzelwerke und rund 950 Sachartikel über die Serie und wissenschaftliche Themen. Mahr starb am 27. Juni 1993 in Florida an den Folgen eines Unfalls.

Interview: Ganz privat mit Kurt Mahr – Ein Interview von Wolfgang J. Fuchs und Hans Gamber

Ab wann schrieben Sie SF-Geschichten?

Mein erstes ernstzunehmendes SF-Manuskript verfasste ich im Frühjahr 1959 – damals an meiner zukünftigen Karriere als Autor fast schon verzweifelnd, nachdem zwei Versuche, beim Darmstädter Marken Verlag ein LORE-Manuskript unterzubringen, kläglich gescheitert waren. Meinen SF-Roman schickte ich an den Moewig Verlag in München. Sowohl Moewig als auch Pabel veröffentlichten damals SF-Serien. Ich hielt mich an Moewig, weil mir die Moewig-Produkte von der Aufmachung her besser gefielen und ich außerdem von der JIM PARKER-Serie die Nase voll hatte.

Welcher Roman war das?

Das war »Zeit wie Sand«. Der Verlag nahm ihn an! Mehr noch: Ich wurde gefragt, ob ich weitere Manuskripte liefern könne. Und ob ich konnte! Meine Eltern hatten mir gerade klargemacht, dass ich nach ihrer Meinung jetzt lange genug studiert hätte und von ihnen keine finanzielle Unterstützung mehr erwarten dürfe. Habe ich damals aufgeatmet, als ich mit Moewig ins Geschäft kam!

Ich war ein fleißiger Autor, und das Schreiben machte Spaß. Das ging zwei Jahre so. In dieser Zeit muss ich an die zwanzig Romane für Moewig und ein paar für Pabel geschrieben haben. Der große Sprung aber kam im Jahr 1961. Da meldete jemand seinen Besuch an, den ich von einer ganzen Anzahl heißhungrig verschlungener SF-Romane bestens kannte, ohne ihn jemals zu Gesicht bekommen zu haben: K. H. Scheer. Eines Nachmittags setzten wir uns in meiner Darmstädter Wohnung zusammen und sprachen über Perry Rhodan, aus dem K. H. Scheer und Clark Darlton einen Serienhelden machen wollten. Ich wurde gefragt, ob ich an der Serie mitarbeiten wolle, und sagte einigermaßen geschmeichelt zu. Wenig später kam die Exposésendung. Mein erster Roman innerhalb der Serie war die Nr. 5: »Atom-Alarm«.

Seitdem bin ich – abgesehen von einer zweijährigen Unterbrechung während der Bände 400 bis 500 – stets dabei. Später stieß ich obendrein zur ATLAN-Serie, und auch die Bühne meiner ersten Aktivitäten habe ich nie ganz vergessen: Ich habe noch eine ganze Reihe von Storys für TERRA, dann TERRA NOVA und schließlich TERRA ASTRA geschrieben.

Welche Einstellung haben Sie eigentlich zu PERRY RHODAN?

Zu dem Mann Rhodan? Ungefähr dieselbe wie zu Old Shatterhand: gut, dass es ihn gibt, aber was wäre er schon ohne Winnetou, Sam Hawkins, Hadschi Halef Omar und all die anderen Gestalten? Zu dem Phänomen RHODAN? Das ist schon eine andere Sache.

Ich bin beeindruckt von dem großen Erfolg der Serie – wahrscheinlich auch ein bisschen stolz darauf. Wer hätte damals, als K. H. Scheer und ich in Darmstadt zusammensaßen und solche Dinge sagten wie: »Bis Nummer fuffzig schaffen wir’s auf jeden Fall, vielleicht geht’s sogar bis hundert!«, davon zu träumen gewagt, dass uns die Gunst der Leser so lange erhalten bliebe? Ich fühle mich wohl als Mitglied eines stabilen Teams, das aus einem Cheflektor, einem Lektor und acht Autoren besteht. Ich betrachte meine Kollegen als »professionals« und habe mit ihnen viele anregende Diskussionen geführt – zumeist über unsere gemeinsamen Pläne für die Weiterentwicklung der PERRY RHODAN-Serie, bei Autorenbesprechungen, aber auch im privaten Gespräch.

Ich bedaure es, seit meiner Rückkehr in die USA nicht mehr so regelmäßig wie früher an Autorentreffen teilnehmen zu können. Aber ich mische noch immer mit, so kräftig ich kann, und spreche mich mit William Voltz und Günter M. Schelwokat telefonisch über die wichtigsten Fragen der Weiterentwicklung ab.

(aus: PERRY RHODAN Sonderheft Nr. 1, Januar 1979)

Ihr Auftritt, Winfried Scholz!

Nur vier Romane trug ein Autor zu der Serie bei, der dafür aber an ihrer Entstehung maßgeblichen Anteil hatte: Winfried Scholz, der als William Brown und W. W. Shols publizierte. Seine erste professionelle Veröffentlichung erfolgte 1958 in Form des Romans »Tödlicher Staub« im Leihbuchformat. Er schildert den Kampf einer Raumschiffbesatzung gegen eine unsichtbare Macht, die sie alle zu vernichten droht.

Nach einer Anzahl weiterer Leihbücher, die sich mit Zeitreise, einem Marsianer und Wasserwesen auf der Erde befassten, erschienen von 1959 bis 1963 sechs Bände seines SF-Zyklus »Der Prokaskische Krieg«, der »Perry Barnett’s Abenteuer« schildert. Sie nahmen nicht nur durch den Vornamen der Hauptfigur starken Einfluss auf die Entwicklung von PERRY RHODAN, auch inhaltlich gibt es Anklänge an den Beginn dieser Serie, denn als Kapitän eines Rebellenschiffes begibt sich der Titelheld zu den Prokas und schafft die Voraussetzungen für Friedensverhandlungen, mit denen im Laufe der Buchreihe ein schrecklicher Krieg beendet werden soll, was nach 920 Jahren auch endlich gelingt. Anschließend werden weiße Flecken der Milchstraße für die Zivilisation erschlossen.

Zweifellos hatte Winfried Scholz, der gern und ausführlich mit Kollegen wie K. H. Scheer, Clark Darlton und Kurt Mahr seine Gedanken austauschte, großen Einfluss auf die Entstehung der Serie. Im PERRY RHODAN WERKSTATTBAND, den Horst Hoffmann anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Serie herausgab, schildert Scheer dessen Einstand mit den Worten: »Seine erste Großtat bestand darin, mir eine Liste mit echten japanischen Namen zu schicken. Tako Kakuta, Kitai Ishibashi, Tanaka Seiko und viele andere mehr waren identisch mit existierenden Menschen, die Winnie in einem japanischen Adressbuch ausfindig gemacht hatte. Er hatte dazu Zugang, weil er in der Bielefelder Großdruckerei Gundlach beschäftigt war.« Diese Personen sollten in der Folge im Perryversum Geschichte machen. Sie hatten ihren ersten Auftritt in Heft 6, »Das Mutantenkorps« von W. W. Shols, dessen Exposé am 19. Mai 1961 an Shols abgeschickt wurde.

Info zur Romanserie: Das alte Mutantenkorps

Das 1972 Handlungszeit von Perry Rhodan als »galaktische Polizeitruppe« gegründete Korps umfasst alle Menschen, die unter der Einwirkung radioaktiver Strahlung mit übersinnlichen Fähigkeiten geboren wurden und die Bemühungen um die Einigung der Menschheit und die Abwehr von Gefahren aus dem Weltraum unterstützen wollen. Gründungsmitglieder waren das Finanzgenie Homer G. Adams, der Lauscher Doitsu Ataka, der Teletemporarier und Parapoler Ernst Ellert, der Suggestor und Telepath Kitai Ishibashi, der Teleporter Tako Kakuta, die Telepathen Fellmer Lloyd und John Marshall, der Teleoptiker Ralf Marten, die Telepathin und Fern-Seherin Ishi Matsu, der Halbtelepath Allan D. Mercant, der Hypno und Orter André Noir, der Frequenzseher Son Okura, der Peiler Tanaka Saiko, der Späher Wuriu Sengu, die Telekinetinnen Anne Sloane und Betty Toufry, die auch Telepathin war, der Teleporter Ras Tschubai, der Telepath Nomo Yatuhin und der Telekinet und Materieumwandler Tama Yokido. Im Handlungsjahr 1975 traten dem alten Korps noch Gucky und weitere sechs Jahre später der Zünder Iwan Iwanowitsch Goratschin, die Telepathin und Antihypnotin Tatjana Michailowna und der Hypno Gregor Tropnow bei, gefolgt vom Energiewesen Harno. In den Dreißigerjahren des zweiten Jahrtausends gesellten sich außerdem der Mikro-Optiker Jost Kulman, die Desintegratorin Laury Marten und der Telepath Samuel Goldstein hinzu. Trotz zahlreicher Ausfälle löste sich das alte Mutantenkorps erst nach 400 Heften und fast 1000 Jahren Handlungszeit auf.

Insgesamt hat der Autor unter seinem Pseudonym Shols vier Beiträge zur Serie verfasst, die Grundlagen für das weitere Geschehen lieferten. Romane wie »Das Mutantenkorps« oder auch »Geheimschaltung X« trugen dazu bei, dass PERRY RHODAN im Jahr 1961 zu einem gigantischen Erfolg auf dem Heftromansektor wurde. Eigentlich hatte Shols auch Band 18, »Die Rebellen von Tuglan«, schreiben sollen, der den ersten größeren Auftritt des Mausbibers Gucky enthält. Aber hier darf man wohl sagen, dass es sich als glückliche Fügung des Schicksals erwies, dass nicht Shols, sondern Clark Darlton diese ebenso skurrile wie verspielte Figur in die Serie einführte. Darlton verliebte sich auf Anhieb in den kleinen Nager – und die Leser taten es ihm nach.

Shols schrieb, nachdem er Gucky abgegeben hatte, noch ein wenig spektakuläres Venus-Abenteuer, bevor er mit Band 31, »Der Kaiser von New York«, bereits ein halbes Jahr nach seinem Einstieg in die Serie berufsbedingt wieder seinen Abschied nahm. Er war später auch für die Heftserie MARK POWERS des Konkurrenzverlags Pabel tätig, die dort 1962 – angeregt durch den großen Erfolg von PERRY RHODAN – unter Federführung von Paul Alfred Müller gestartet worden war. Hier erschienen bis zur Einstellung von MARK POWERS 1965 noch sechs Romane von ihm, bevor er sich 1967 vorerst von der SF zurückzog und auf Krimis verlegte, etwa Pabels KOMMISSAR X.

Kurzbiografie: W. W. Shols

Winfried Scholz, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, wurde am 31. August 1925 in Bielefeld geboren. Er besuchte die Mittel- und Aufbauschule und schrieb schon als Jugendlicher Gedichte im Auftrag von Schulkameraden. Später entstanden Stücke, die im Schultheater aufgeführt wurden. Nach dem Kriegsabitur wurde er 1942 zur Marine eingezogen und betätigte sich nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft als Verlagskaufmann im grafischen Gewerbe. Mitte der Fünfzigerjahre wurde er aktives Mitglied des von Clark Darlton gegründeten Science Fiction Club Deutschland und veröffentlichte 1958 seinen ersten SF-Roman. Im Jahr danach startete seine sechsbändige SF-Leihbuchreihe »Perry Barnett’s Abenteuer«. Nachdem er als Gründungsautor bei PERRY RHODAN tätig gewesen war, schied er 1962 nach nur vier Heften aus und wechselte zu MARK POWERS, einer Konkurrenzserie des Pabel Verlags, für die er sechs Hefte verfasste. Bis 1966 ließ er eine dreizehn Bände umfassende Leihbuchreihe utopischer Spionageromane folgen. Eine Mitarbeit an der in diesem Jahr von Kurt Brand gegründeten SF-Heftserie REN DHARK lehnte er ab. Nach rund dreißig weiteren SF-Romanen, teilweise unter dem Verlagspseudonym William Brown erschienen, entstanden 1972 bis 1977 auch einige KOMMISSAR X-Taschenbücher. Parallel dazu erschienen unter dem Pseudonym Cody Collins, das mindestens einmal auch Kurt Brand verwendete, mehrere Dutzend Western. 1978 tauchte er unter W. W. Shols als Autor von TERRA ASTRA wieder auf, wobei »Calhouns Planet« bereits 1961 als UTOPIA-Heft 289, »Das Raumschiff der Unheimlichen«, erschienen war – als gekürzte Fassung des Leihbuchs »Stern der Verlorenen«. Auch »Asteroid auf Abwegen« von 1979 war zuvor bereits erschienen, nämlich 1962 als »Die fressende Sonne«, erlebte nun jedoch seinen ersten Heftnachdruck. Einzig der Roman »Die sieben Leben des Mr. Yates« (1980) und die 1981 im Fanzine ANDROMEDA 105 erschienene Kurzgeschichte »Edelhölzer von der Venus« waren neu geschriebene SF-Texte. Bevor sein Comeback Früchte tragen konnte, starb er am 8. Mai 1981 im Alter von nur 55 Jahren überraschend während eines Urlaubs in Portugal.

 

Ein Ostpreuße in München

Auch bei einem K. H. Scheer oder Clark Darlton gilt: Romane werden nicht unbesehen veröffentlicht. Bevor sie in den Druck gelangen, geht ein Lektor den Text gründlich durch, um in Rücksprache mit dem Autor etwaige sprachliche oder inhaltliche Mängel zu beheben. Bei PERRY RHODAN war dafür Günter M. Schelwokat zuständig.

Als begeisterter Sammler amerikanischer Science Fiction im Original, dessen Hobby stark ins Geld ging, hatte der in München lebende junge Ostpreuße sich 1957 nach einer Nebenbeschäftigung umgesehen und sich beim Moewig Verlag beworben. Cheflektor Kurt Bernhardt, ein Mann mit hervorragendem Riecher für neue Mitarbeiter, übertrug dem damals 28-Jährigen flugs die Betreuung der gerade gestarteten SF-Heftreihe TERRA. Rasch machte er sich durch seine Sachkenntnis und seine korrekte Art im Umgang mit den Autoren und bei der Bearbeitung von Manuskripten einen guten Namen.

Kurzbiografie: Günter M. Schelwokat

Der deutsche Lektor und Herausgeber Günter Martin Schelwokat wurde am 7. Februar 1929 in Tilsit bei Königsberg/Ostpreußen geboren und starb am 6. April 1992 im niederbayerischen Straubing, wohin es ihn während der Kriegswirren verschlagen hatte. In Straubing holte er auch seinen Schulabschluss nach; anschließend studierte er Neuphilologie. Durch Kontakte zu Amerikanern kam er mit Science Fiction in Berührung und war für das US-Generalkonsulat als Übersetzer und Deutschlehrer tätig. 1957 wurde er Redakteur beim Arthur Moewig Verlag. Er betreute die von Kurt Bernhardt und Walter Ernsting gegründeten Reihen TERRA und TERRA SONDERBAND, bevor ihm 1960 zusätzlich das SF-Programm des Wilhelm Heyne Taschenbuchverlags und – nach den ersten zehn Bänden, die noch K. H. Scheer redaktionell betreut hatte – auch PERRY RHODAN übertragen wurde. Die Heyne-Edition gab er 1973 schweren Herzens ab, doch das Lektorat der Weltraumserie führte er mehr als dreißig Jahre lang. Außerdem war er noch für ATLAN, DRAGON, ZBV und andere SF-Reihen des Hauses zuständig. Ihm gebührt das Verdienst, alle wichtigen Autoren des angloamerikanischen Sprachraums bei uns bekannt gemacht zu haben, und von Anfang an widmete er sich in besonderem Maß deutschsprachigen Autoren, wobei ihm seine Akribie beim Lektorieren laut Ernst Vlcek den Spitznamen der »Sadist von Straubing« einbrachte. 1970 wurde er für seine langjährigen Verdienste um die Förderung der SF-Literatur mit dem deutschen »Hugo« geehrt. Unter dem Pseudonym Günter Martell war er auch als Romanübersetzer tätig. Seine Arbeit wurde ab Ende 1987 von Dr. Florian F. Marzin und ab 1992 von Klaus N. Frick als Lektor und Redakteur der Serie fortgesetzt.

Interview: Ganz privat mit Günter M. Schelwokat – Ein Interview von Hans Gamber und Wolfgang J. Fuchs

Wie kamen Sie eigentlich zur Science Fiction?

In frühester Jugend las ich so ziemlich alles, was mir in die Finger kam – von Märchen und Sagen bis Karl May, Schiller und Shakespeare. In den Vierzigerjahren entwickelte ich eine Vorliebe für Zukunftsromane, Werke von Dominik, Daumann, Laßwitz, Jules Verne etc. Als ich dann nach Kriegsende Zugang zu amerikanischen Bibliotheken fand und der SF begegnete – obwohl es schon über dreißig Jahre her ist, weiß ich noch ganz genau, dass »Donovan’s Brain« von Siodmak das erste einschlägige Werk war, das ich im Original las –, war es um mich geschehen: Ich wurde unheilbarer SF-Fan und leidenschaftlicher SF-Sammler. Keine Frage, dass ein solches Hobby, mit allem Nachdruck betrieben, ins Geld läuft. Um meine Kasse durch eine Nebenbeschäftigung aufzubessern, ging ich eines Tages, es war Anfang 1957, von meiner damaligen Wohnung in der Münchener Türkenstraße ein paar Häuser weiter zum Moewig Verlag und bot ihm meine Mitarbeit als SF-Spezialist an. Was sich aus diesem Schritt im Laufe der Zeit entwickeln würde, habe ich mir damals allerdings nicht träumen lassen.

Was haben Sie vorher gemacht?

Nach dem Abitur studierte ich Neuphilologie, wobei ich mir das Studium mit verschiedenen Jobs verdiente, unter anderem als Dolmetscher und Übersetzer. Das Anwachsen der Verlagsarbeit ließ sich schließlich nicht mehr mit einer Lehrtätigkeit vereinbaren. Ich musste mich für das eine oder das andere entscheiden – und meine Entscheidung zugunsten der SF fiel mir nicht schwer.

Sie gehören bei PERRY RHODAN zu den Männern der ersten Stunde. Wie war der Anfang, und wie sieht heute Ihr Verhältnis zu der Serie aus?

Das Verhältnis – wie sollte es auch anders sein! – sehe ich nach wie vor als eng und ungebrochen an. Wie es mit PERRY RHODAN begann? Nach bescheidenen Anfängen Mitte der Fünfzigerjahre war 1957 und 1958 besonders durch Publikationen wie UTOPIA GROSSBAND, UTOPIA MAGAZIN, GALAXIS, TERRA und TERRA SONDERBAND bei uns im deutschsprachigen Raum bereits eine stabile Plattform für die SF geschaffen worden. Es gab eine interessierte Leserschaft, auf die man bauen konnte. Und es gab 1959 einen Mann mit einem guten Riecher, der da meinte, die Zeit sei reif, es mit einer großangelegten Fortsetzungsserie über die zukünftige Entwicklung der Menschheit zu versuchen. Der Mann, von dem ich spreche, heißt Kurt Bernhardt und ist heute Cheflektor bei Pabel. Er spannte die beiden Autoren K. H. Scheer und Walter Ernsting zusammen, schickte sie in Klausur und gab damit den Startschuss zu etwas, das längst SF-Geschichte gemacht hat.

Wie arbeiten Sie mit den PERRY RHODAN-Autoren zusammen?

Man hat sich im Laufe der Jahre zusammengerauft. Gelegenheit dazu bieten vor allem die regelmäßig stattfindenden Exposékonferenzen, bei denen es mitunter sehr heiß hergeht, wenn die verschiedensten Ideen und Meinungen über die Fortführung der Serie aufeinanderprallen. Dass ein Autor sich bei einer solchen Auseinandersetzung sogar den Finger brach, ist allerdings ins Reich der Fabel zu verweisen. Der betreffende Unfall passierte nach einer solchen Konferenz beim Abendessen. Außerdem gibt es das Telefon – und die Drähte laufen manchmal heiß, wenn der eine oder andere Autor einen Bock geschossen hat, indem er das, was im Exposé festgelegt wurde, im Manuskript abweichend präsentierte. Glücklicherweise passieren solche Dinge, unter denen der innere Zusammenhalt und die Logik der Serie leiden, heute im Gegensatz zu früheren Tagen nur noch relativ selten – da trägt eben der Lernprozess seine Früchte.

Man kann das PERRY RHODAN-Team vielleicht mit einer Fußballmannschaft vergleichen – in der obersten Klasse natürlich! – und die Aufgabe des Lektors mit der eines Trainers. Der Trainer hat darauf zu achten, dass nicht nur ein paar Stars ihre Dribbelkünste zeigen, sondern dass die ganze Mannschaft erfolgversprechend spielt und ihre Punkte macht, um in der Meisterschaft ganz oben mitzumischen.