Sky-Navy 06 - Der letzte Pirat

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Sari: Sky-Navy #6
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Bernd machte sich selbst auf den Weg. Es waren ja nur ein paar Dutzend Meter. Während seine Frau und sein Sohn zögernd ins Haus traten, beeilte Bernd sich, ebenfalls den Schutz des Gebäudes zu finden. Ein normaler Bär ließ sich durch die Elektro-Kugeln vertreiben, aber ein verletztes Exemplar war etwas völlig anderes. Noch dazu, wenn es sich um einen alten Einzelgänger handelte. Scheck-Bären waren Rudeltiere mit einem Alpha-Männchen. Wurde dieses zu alt, dann wurde es von einem jüngeren Rivalen vertrieben und lebte als Einzelgänger. Er musste dann alleine jagen und manche Beute verstand es durchaus, sich zu wehren. Wurde ein Einzelgänger verletzt, dann wurde er oft bösartig, denn jede Verletzung beeinträchtigte seine Fähigkeiten zur Jagd. Er musste sich dann mit einfacher Beute begnügen. Beute, die nicht so schnell und stark war. Beute, wie den Menschen. Dieser Scheck-Bär hatte schon Menschenblut gekostet und würde sich nicht scheuen, dies erneut zu tun.

Bernd war noch zwanzig Meter von der Veranda entfernt, als der Scheck-Bär um die Ecke des Hauses trottete. Es war ein Prachtexemplar, von der Größe eines Pferdes und sicherlich dem dreifachen Gewicht. Das Tier hielt einen der vier Vorderläufe angewinkelt und scheute sich, die Pfote mit den scharfen Krallen auf den Boden zu setzen. Im hellen Sonnenlicht trat die scharfe Zeichnung des gelb und braun gescheckten Pelzes deutlich hervor.

Der Bär erblickte Bernd und stieß das seltsame Pfeifen aus, welches für seine Art typisch war. Prompt richtete er sich auf die Hinterbeine auf. Das Tier schien unsicher, ob es den Farmer angreifen solle.

Bernd verharrte. Schnelle Bewegungen provozierten die Scheck-Bären zum Angriff. Er leckte sich über die Lippen und sah unschlüssig auf die verlockende Haustür. Sie war halb offen und Jake stand in ihrer Deckung, die Elektro-Pistole bereit, allerdings befand sich das Tier außerhalb seines Blickwinkels.

Jake wusste nicht dass der Bär längst da war und wunderte sich wohl, dass sein Vater nicht ins Haus kam. Mit langsamer Bewegung griff dieser an das Holster an seinem Werkzeuggürtel, öffnete es und zog die eigene Elektro-Pistole. An der Waffe befand sich ein federnd gelagerter Impulsschalter. Ruhte die Waffe im Holster, war dieser Schalter gedrückt. Nun federte er nach Außen und die Waffe begann sofort aufzuladen. Innerhalb von knapp vier Sekunden stand die Kugel in der Kammer unter Spannung.

Bernd war unschlüssig. Die Pistole war bereit, doch wenn die Kugel den Bären nicht erschreckte oder betäubte, dann würde ihn das riesige Tier ohne weiteres Zögern attackieren.

„Was ist los, Bernd?“

Die Frage seines Sohnes gab den Ausschlag.

Der Scheck-Bär ließ sich nach vorne fallen, landete auf seinen Vorderpfoten und griff an.

In diesem Augenblick hätte der Farmer lieber eine moderne Militärwaffe verfügbar gehabt, deren Hochrasanz-Projektile den Angreifer bereits aufgrund der Schockwirkung getötet hätten aber Militärwaffen erhielten nicht einmal die Constables. Das Elektroprojektil verließ die Waffe und Jake reagierte blitzartig, als der Bär so unvermittelt in seinem Gesichtsfeld erschien. Beide Kugeln trafen und gaben ihre Ladung ab.

Das Tier knickte ein, rutschte auf dem Bauch, drehte sich dabei leicht und überschlug sich.

Bernd wartete gar nicht erst ab, ob es auch liegen blieb, sondern rannte zur Veranda, die Stufen hinauf und keuchend durch die Tür, die Jake ihm freigab. Sein Sohn warf sie ins Schloss und klappte den Sperrriegel vor, der von Rahmen zu Rahmen reichte.

„Grundgütiger“, ächzte Bernd und lehnte sich an das massive Holz. „Das war knapp.“

Kara sah ihn mit großen Augen an. Ihre Stimme zitterte unmerklich. „Bist du verletzt?“

Er schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung, Liebling.“ Er warf einen Blick zu Jake, der ans Fenster getreten war und hinaus spähte. „Und?“

„Er läuft weg“, berichtete der Sohn. „Oh Mann, der hat zwei Ladungen abbekommen und rennt davon. Den hätten wir auch mit drei oder vier Kugeln nicht erledigt. Was für ein Monstrum.“

„Ja, ein zäher alter Bursche.“ Trotz des Schreckens schwang Bewunderung in Bernds Stimme mit. „Eigentlich hätte er es verdient, zu überleben, denn wir sind Eindringlinge in seinem Revier.“

Jake liebte die Natur und verstand ihre Zusammenhänge, doch er sah es weit pragmatischer, als sein Vater. „Jetzt ist es unser Revier. So ist die Natur nun einmal. Der Schwächere muss dem Stärkeren weichen.“

„Das entschuldigt keine Gewalt“, hielt Bernd dagegen.

Jake grinste. „Keine sinnlose Gewalt, ja. Aber hier geht es ums Überleben. Town-Mayor Winkler sagt doch auch, dass das Alte weichen muss, wenn das Neue Raum zum Überleben braucht.“

Bernd wollte etwas erwidern, doch von draußen drang das auf und ab schwellende Heulen der Sirene eines Polizeifahrzeuges herein. Sie beide öffneten die Tür und traten mit Kara auf die Veranda hinaus. Ein schwarz und weiß lackierter Polizeiturbo fegte mit einer Staubschleppe heran, die von den Turbinen des Luftkissenantriebs hervorgerufen wurde. Auf dem Dach blitzten die typischen roten und blauen Warnlichter des Polizeidienstes der Kolonie. Ein Stück hinter dem Turbo waren Schemen im Staub zu erkennen, die dem Fahrzeug folgten.

Mit leisem Brummen der Turbinen kam das Fahrzeug zum Stehen. Vier Männer in Zivil stiegen aus, an deren Hemden die goldenen Abzeichen der Constables blinkten.

„Hallo, Bernd, wir suchen…“, begann Chief-Constable Dieter Wasmann und wurde auch schon von Jake unterbrochen, der mit dem Arm deutete. „Da lang, Chief.“

Wasmann nickte und gab seinen Männern einen Wink, die wieder in den Wagen stiegen. Die Turbinen heulten kurz auf und das Fahrzeug schoss davon. Es war schneller als der Scheck-Bär und seinen Sensoren und Scannern würde das Tier nicht entgehen.

Der Polizei-Turbo gehörte zu den wenigen modernen Fahrzeugen auf Greenland, die den Ordnungshütern und dem Rettungswesen vorbehalten waren.

Aus dem Staub tauchten Frederic Solmes und seine erwachsene Tochter auf, die auf zwei gezähmten Rindern ritten. Beide zügelten ihre Tiere vor den Raus.

„Er war hier, nicht wahr?“ Vater und Tochter schwangen sich aus den Sätteln. „Ihr habt Glück gehabt. Der Bursche hat sich bei uns zwei Kugeln eingefangen und Jenny trotzdem erwischt. Die Ambulanz hat sie in die Klinik gebracht, aber es sieht schlimm aus.“

„Chief Wasmann wird das Biest erwischen“, meinte Jake im Brustton der Überzeugung.

Solmes nickte. „Das wird er. Der ist genau so ein zäher alter Knochen, wie dieser Bär.“

„Hallo, Jake.“ Piedra strahlte Jake an. „Ich könnte was zu trinken vertragen. Wir haben den Staub vom alten Wasmann schlucken müssen.“

„Etwas mehr Respekt, Liebes“, knurrte Frederic. „Du redest hier immerhin von der einzigen Ordnungsmacht auf Greenland. Na ja, vom Town-Mayor vielleicht abgesehen.“

„Ach, hab dich nicht so, Frederic“, warf Piedra ein. „Wir sind nach Greenland gekommen, weil wir hier frei leben und frei reden können.“

„Das kannst du auch, Pie, aber das bedeutet nicht, dass man es an Respekt fehlen lassen darf. Ohne Respekt und Ordnung entsteht Chaos.“

Jake grinste Piedra an. Dass er etwas für sie empfand war schwerlich zu übersehen. „Wenn wir mit der Natur leben wollen, dann müssen wir uns ans Chaos gewöhnen.“

„Unsinn.“ Bernd schob die Elektro-Pistole ins Holster zurück. „In der Natur hat alles seine Ordnung.“

„Ja, die Großen fressen die Kleinen“, wiederholte Jake im Kern jene Aussage, mit welcher er bereits zuvor den Unmut seines Vaters hervorgerufen hatte. „Ist ja auch eine Art von Ordnung.“

Piedra lachte auf. „Wenn die Großen sterben, werden sie dafür von den ganz Kleinen gefressen.“

„Die Grundsätze unserer Gemeinschaft sagen klar aus, dass wir so wenig wie möglich in das Leben dieses Planeten eingreifen“, dozierte Bernd mit wachsendem Ärger.

Frederic klopfte gegen das Holster an seinem Gürtel. „Eins kann ich dir jedenfalls sagen, Bernd, diese verdammten Scheck-Bären gehören nicht in mein Bild von Ordnung. Ich werde mir etwas besorgen, mit dem ich diese Biester erledigen kann. Verflucht, du hättest sehen sollen, wie Jenny zugerichtet ist. Das werde ich nicht nochmals zulassen.“

„Du bist wegen Jenny erzürnt, sonst würdest du nicht so reden“, versuchte Bernd zu beschwichtigen. „Zudem kannst du dir auf Greenland keine tödlichen Waffen besorgen. Die wenigen, die wir haben, sind alle in festen Händen.“

„Aber ich kann mir eine bauen“, knurrte Bernds Nachbar. „Notfalls Pfeil und Bogen.“

Jake runzelte die Stirn. „Was ist das?“

„Eine historische Waffe von der Erde“, erklärte Frederic. „Die Leute, die sie benutzt haben, hießen Inder oder so ähnlich.“

„Hört auf zu streiten.“ Kara schob sich mit einem betont freundlichen Lächeln zwischen sie. „Piedra hat recht, ihr solltet euch nach dem Schreck mit dem Bären erst einmal erfrischen. Runold hat gestern Obst gebracht und ich habe frischen Saft gepresst.“

„Das hört sich gut an“, räumte Frederic ein. „Ich denke, gegen eine Erfrischung ist nichts einzuwenden. Ach, ich hätte es fast vergessen, Bernd. Ich war heute Vormittag in der Stadt und Doktor Rickles hat mir etwas für dich mitgegeben. Irgendeine Analyse, sagte er.“

„Oh. Darauf warte ich schon dringend“, erwiderte Bernd erfreut.

„Geht es um deine Ernte?“, erkundigte sich Frederic neugierig.

„Ja, um meine Bertoffeln“, gab Bernd zu.

Frederic nippte an dem Saft, den Kara ihm reichte. „Ein wirklich merkwürdiger Name. Ich hoffe, die Analyse von Doc Rickles klingt da besser. Na komm schon, lass sehen.“

Bernd Rau nahm den winzigen Datenträger entgegen und ging zu einer Kommode, auf der sein Analysegerät lag. Augenblicke später erschienen die Ergebnisse auf dem kleinen Monitor.

 

Frederic blickte ihm über die Schulter. „Verdammt, Bernd, ich glaube, du hast das Ei des Galileo gefunden.“

„Gali… Wer?“, hakte Jake nach.

„Irgendein Seefahrer von der alten Erde“, erläuterte Frederic ein wenig geistesabwesend. „Hat, glaube ich, den Mond erkundet und dabei entdeckt, dass die Erde keine perfekte Kugel ist.“ Er schlug Bernd auf die Schulter. „Geht halt nichts über eine gute Bildung, alter Freund.“

„Frederic interessiert sich sehr für Erdkunde“, meinte Piedra lächelnd. „Also, dieses historische Zeugs von der alten Erde.“

Bernd ignorierte sie und legte stattdessen den freien Arm um Kara. „Liebes, die Analyse von Doktor Rickles ist… Grundgütiger, wenn die Daten stimmen, und Rickles ist ein verdammt fähiger Wissenschaftler und Arzt, dann haben wir es tatsächlich geschafft. Die Bertoffel enthält eine hohe Menge des wichtigen Enzyms und dazu jede Menge Mineralstoffe und Vitamine. Der alte John Winkler wird verrückt vor Freude, wenn er davon hört.“

„Hat ihm der gute Doc bestimmt schon brühwarm erzählt“, lachte Frederic auf. „Jetzt will ich nur hoffen, dass deine Bertoffel auch genießbar ist.“

„Ein paar haben wir schon geerntet“, meinte Kara. „Wisst ihr was? Ich bereite sie zu und dann kosten wir sie alle.“

Frederic schlug Bernd nochmals begeistert auf die Schulter. „Du bist ein Glückspilz. Hast genau den richtigen Zeitpunkt erwischt.“

„Inwiefern?“

„In drei Tagen landet der Ehrenwerte Hopkins auf dem Raumhafen von Sanktum. Du weißt ja, der Freihändler kommt einmal im Jahr vorbei, um zu sehen, ob wir etwas für den Handel zu bieten haben. Deine Bertoffel könnte der erste Exportschlager von Greenland werden.“

Kapitel 3 Das Versteck

Getarntes Piratenschiff „Glennrose“

Captain Skeet Anderson hatte es sich auf der Couch in seiner Kabine bequem gemacht. Die sanften Klänge eines Streich-Quartetts erfüllten den Raum. Anderson hatte den Speicherkristall auf einem der ersten gekaperten Raumschiffe erbeutet und die Musik beim ersten Abspielen als langweilig eingestuft. Dennoch hatte sie ihn auf seltsame Weise fasziniert und inzwischen entspannte er sich bei ihr.

Auf der C.S. Glennrose wurde ein Drei-Schicht-Betrieb gefahren und ein 24-Stunden-Rhythmus beibehalten, der durch das Dimmern der Beleuchtung in Tag und Nacht aufgeteilt war. Man hatte in der Raumfahrt die Erfahrung gemacht, dass der Mensch hierdurch positiv beeinflusst wurde. Im Augenblick konnte Anderson jede positive Beeinflussung gebrauchen.

Die Nacht mit Susan Horn war einerseits sehr befriedigend, doch zugleich auch beunruhigend gewesen. Die junge Frau brachte Neuigkeiten, die dem Captain des Piratenschiffes nicht gefielen. Während seine eigentliche Flugmannschaft hinter ihm stand, gab es Unmut unter den Gardisten an Bord.

Obwohl Fightenant Clegg bei den Gardisten keineswegs beliebt gewesen war, nahm man dem Captain die Erschießung des Garde-Offiziers ausgesprochen übel. Anderson musste sich eingestehen, dass er impulsiv und dumm gehandelt hatte, doch er konnte die Tat nicht ungeschehen machen. Die Disziplin der Kampftruppe ließ nach, daran konnten auch die Bemühungen und Strafandrohungen durch Prime-Sergeant Ondret nichts ändern. Erschwerend kam sicherlich hinzu, dass die Garde keine Aufgabe hatte und die Glennrose eher ziellos durch den Weltraum flog, immer auf der Hut, um nicht von anderen Schiffen oder der Sky-Navy entdeckt zu werden.

Anderson musste eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung, wo man sich verbergen konnte bis die hektische Suche des Feindes nachließ. Der Navigator hatte eine Reihe geeigneter junger Kolonien aus der Datenbank aufgerufen, doch keine sagte Anderson zu. Dieser verließ sich auf sein Bauchgefühl, welches ihn bislang noch nie täuschte. Wie damals, als er die Kaperung eines Beuteschiffes abbrach und beschleunigte, um in den Nullzeit-Sturz gehen zu können. Gerade rechtzeitig, denn als die Glennrose in den Sturz ging, kam eine Patrouille der Sky-Navy aus demselben.

Skeet Anderson seufzte. Diesmal brachten ihm die Streicher keine Entspannung. Er schwang die Beine von der Couch, langte nach seinem Baseballcap, setzte es auf und erhob sich. Nachdem er die Musikanlage abgeschaltet hatte, setzte er sich an seinen Schreibtisch und ging nochmals die kurze Liste der in Frage kommenden Kolonien durch. Sorgfältig las er die Angaben und betrachtete die Bilddateien. Dann wurde ihm auch bewusst, was ihn an diesen Kolonien störte. Sie alle lagen unmittelbar an Handelsrouten der interstellaren Raumfahrt. Viele neue Kolonien hofften darauf, dadurch rasch in das Handelsnetz eingebunden zu werden. Nein, Anderson war es zu heikel, eine Kolonie als Versteck zu nutzen, bei der jederzeit irgendein Händler erscheinen konnte. Man konnte diesen und dessen Schiff zwar sicherlich vernichten, doch selbst wenn dies gelang, bevor ein Notruf abgesetzt werden konnte… Händler folgten Routen und Terminen, und wenn einer von ihnen verschwand oder sich nicht mehr meldete, dann forschte man nach ihm.

Skeet Anderson schenkte sich einen Wein ein und überlegte. Nach ein paar Minuten stellte er die Verbindung zur Brücke her. „Brücke, hier ist der Captain. Erste, überprüfen Sie den Sternenkatalog nach einer jungen Kolonie, die abseits aller Schifffahrtsrouten liegt. Eine Kolonie mit höchstens zwei- oder dreitausend Siedlern.“

„So klein?“

Anderson konnte förmlich sehen wie sich ihre Augen weiteten. „Kolonien sind auf Wachstum ausgelegt und darauf ausgerichtet, zusätzliche Münder zu stopfen“, fügte er hinzu, „auch wenn sie nicht damit rechnen, dass es die unseren sind. Wenn Sie also die Freundlichkeit hätten…?“

„Wird erledigt, Captain“, versicherte Susan. „Soll ich die Daten dann übermitteln oder…“

„Nein, Erste, kommen Sie in meine Kabine, wenn Sie etwas gefunden haben. Ich will, dass wir die Daten dann gemeinsam durchsehen.“

Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie seine Kabine betrat. „Ich denke, ich habe zwei Kandidaten gefunden. Beide habe ich überprüft. Keine steht im Handelsregister, wird also nicht von den Konzernen und Handelshäusern angeflogen.“

„Was nicht bedeutet, dass sich nicht einer der kleinen Freihändler für sie interessiert. Die suchen nach den Lücken, welche die Großen für sie offen lassen.“

„Beide Kandidaten kommen selbst dafür kaum in Betracht.“

„Wie kommen Sie darauf?“

Sie war nicht irritiert, dass er bei der distanzierten Anrede blieb. Es war nichts persönliches, wenn sie miteinander schliefen. „Sehen Sie sich die Dateien an, Captain. Ich habe sie an Ihren privaten Ordner übermittelt.“

Er warf ihr einen abschätzenden Blick zu und vertiefte sich dann in die Daten. Es waren nur wenige, was Anderson in seiner Annahme bestärkte, dass Susan Horn tatsächlich zwei sehr unbedeutende Neukolonien entdeckt hatte. „Benoa. Vor drei Jahren am Rand von Sektor Sieben gegründet. Dreitausend Kolonisten mit einem kleinen Kolonisationsschiff, welches sie käuflich erworben haben. Interessant, sie wünschen keinen Kontakt mit anderen Welten. Offensichtlich Isolationisten. Nennen sich Benoaniten. Warte…“ Anderson rief die Schiffsbibliothek auf und gab das Stichwort „Benoaniten“ ein. Er fand eine Reihe von Artikeln und die tetronische Fassung einiger Dokumente. „Verdammt. Sie hätten etwas tiefer graben sollen, Erste. Die Burschen sind eine Gruppierung mit einigen Zehntausend Anhängern, die alle in ihr neues gelobtes Land aufbrechen wollten.“ Er blickte über den Holoschirm hinweg in ihre Augen. „Entweder hat diese Völkerwanderung schon eingesetzt oder sie steht kurz bevor. Zu riskant, da hinein zu geraten.“

„Tut mir leid, Cap, das habe ich übersehen.“

„Solche Fehler dürfen in unserem Geschäft nicht passieren“, rügte er sie. Dann sah er sich die andere Datei an. „Greener. Keine religiösen Spinner. Scheinen Typen zu sein, die nach dem Motto „Zurück zur Nature“ leben wollen. Offensichtlich hat der Anführer aber keine große Anhängerschaft. Die Gruppe hat nur sehr begrenzte Mittel. Haben ein FLV gechartert, um sich absetzen zu lassen. Hm, vor fünf Jahren mit knapp tausend Leuten gegründet. Werden jetzt natürlich Nachwuchs haben.“

„Das ist günstig für uns, Cap“, meinte Susan. „Leute mit Kindern geben Druck rasch nach, wenn ihr Nachwuchs bedroht wird. Wertvolle Geiseln.“

„Ja, das erleichtert uns die Arbeit“, räumte er ein.

„Selbst wenn es jetzt ein paar Siedler mehr sind… Sind es nicht zu wenige, um uns ausreichend zu versorgen?“

„Wie ich schon einmal erwähnte, Erste,… Siedler planen für Wachstum und Expansion. Das liegt in der Natur der Sache. Zudem liegt die Kolonie abseits und wird in absehbarer Zeit kaum in den Handel eingebunden werden. Die leben sicher von Ackerbau und Viehzucht und haben, wenn überhaupt, nur sehr wenig Industrie. Wahrscheinlich nur ein paar Handwerksbetriebe. Für den Handel ist da kaum etwas zu holen, aber für uns ist das lohnende Beute.“ Anderson betätigte die Taste des Bordkommunikators. „Achtung, hier spricht der Captain. Konferenz in meiner Kabine in zehn Minuten. Wir haben unsere vorläufige neue Heimat gefunden.“

Kapitel 4 Schwierige Verhandlung

Greenland-Kolonie, Farm außerhalb der Hauptstadt Sanktum

Die Temperatur war in den vergangenen Tagen deutlich angestiegen. Für die Greener kündete sich der Sommer an und Bernd Rau war froh, dass seine Farm zum Rand des Gebirges lag. Die dortigen sanften Winde brachten Linderung. Innerhalb einer knappen Woche waren die Ernten der Farmen eingebracht worden. Eine Mammutaufgabe, die fast ausschließlich durch Muskelkraft bewältigt worden war und bei der ein paar Dutzend Einwohner von Sanktum eingespannt worden waren.

Nun begann eine gewisse Ruhephase, denn die neue Aussaat konnte erst in zwei Monaten erfolgen.

Lediglich die wenigen Rinderzüchter fanden keine Pause. Im Gegenteil, mit dem einsetzenden Sommer begann die traditionelle Wanderungszeit der sechsbeinigen Tiere. Sie waren es gewohnt, dann die saftigen Weidegründe zu wechseln. Es war illusorisch, die Rinder daran hindern zu wollen, durch das gesamte Tal zu wandern. Vor drei Jahren hatte man es mit einer Einzäunung versucht und war gescheitert. Für die Leitkühe war es kein Problem gewesen, die hölzernen Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Seit zwei Jahren begnügten sich die Greener daher damit, die wandernden Herden zu begleiten und so nicht aus den Augen zu verlieren. Rinderhirten ritten dabei auf gezähmten Tieren und erinnerten in gewisser Weise an die Cowboys und Vaqueros vergangener Zeiten auf der Erde.

Das Silo der Familie Rau war gut gefüllt, auch wenn nur ein kleiner Teil der Ernte aus seinen „Bertoffeln“ bestand. Bernd hatte, nach Analyse und Geschmackstests, mit einem Erfolg seiner Kreation gerechnet, war jedoch überrascht über den Enthusiasmus, den sie bei Town-Mayor John Winkler und Doktor Rickles auslöste.

„Sei doch froh, Bernd“, hatte Kara dazu gesagt. „Patriarch Winkler ist der Meinung dass wir mit der Bertoffel das erste Produkt haben, welches Greenland im interstellaren Handel anbieten kann. Das bringt Geld, was unsere Kolonie dringend benötigt.“

„Wozu brauchen wir Geld? Greenland bietet uns alles, was wir zum Leben benötigen.“

„Ich weiß dass du kein Freund der Technik bist, aber wir kommen nicht ganz ohne aus.“

„Ich bin durchaus ein Freund der Technik“, hatte er protestiert. „Aber wir dürfen uns nicht erneut von ihr abhängig machen. So, wie das auf dem Mars der Fall war.“

„Ohne moderne Technik gäbe es aber auch keine Kommunikation, keine Wind-, Solar- oder Wasserkraft und auch keine modernen Rettungsmittel.“

„Wind und Wasser kann man auch ohne moderne Technik nutzen.“

Kara hatte nur geseufzt. Sie hätte sich zum Beispiel über eine kleine Musikanlage gefreut. Sie hörte gerne Musik, doch auf Greenland gab es sie nur, wenn man selber zum Instrument griff. Immerhin fuhren sie einmal in der Woche in die Stadt und suchten das „Brauers Gold“ auf, in dem ein paar talentierte Hobby-Musiker aufspielten. Manchmal empfand Kara eine leise Wehmut, wenn dann die modernen Hits des Mars mit Geige, Gitarre, Flöte, Trommel und ähnlichen einfachen Instrumenten gespielt wurden.

Bernd Rau freute sich über den Erfolg seiner Bemühungen, die Bertoffel zu züchten, empfand allerdings Unbehagen bei dem Gedanken, dass der alte Winkler sie als Kapitalanlage der Greener betrachtete. Winkler hatte angedeutet er wolle die Bertoffel für die nächsten Jahre im großen Stil anbauen, wenn sie zu einem Erfolg wurde. Erfolg bedeutete, dass sich der interstellare Handel dafür interessierte.

 

Dies würde sich nun wohl bald entscheiden.

Die Familie Rau hatte das leise Dröhnen gehört und war auf die Veranda des Hauses getreten. Gerade rechtzeitig um das FLV zu beobachten, welches sich auf das kleine Landefeld des Raumhafens von Sanktum senkte. Es war in auffälligen Farben lackiert und trug das Logo des Ehrenwerten Hopkins. Hopkins war ein kleiner freier Händler, unabhängig von den großen Konzernen. Er suchte in den kleinen Kolonien nach Waren, die ihm im Handel einen kleinen Gewinn versprachen. Einmal im Jahr flog er Greenland an, brachte jene Dinge, die Winkler bei ihm bestellt hatte und sah sich um, was die Kolonie ihm bieten konnte.

Winkler hatte Bernd schon angekündigt, dass er mit Hopkins zur Farm kommen werde, um diesem die Bertoffel vorzustellen.

„Hopkins landet“, kommentierte Jake überflüssigerweise. „Ich denke, wir sollten ein paar Bertoffeln zubereiten.“

Das Heulen der Atmosphäretriebwerke schien übermäßig laut, während sich das rund fünfzig Meter lange gedrungene Landungsboot auf die Piste aus Plas-Beton senkte. Das Schiff des Freihändlers verschwand hinter den Bäumen. Staub wallte auf und das Geräusch des Antriebs wurde leiser und verstummte.

„Wir haben noch Zeit“, antwortete Bernd auf Jakes Bemerkung. „Winkler wird Hopkins erst begrüßen und in die Stadthalle einladen. Außerdem hat Doc Rickles mir zugesichert, mich anzufunken, bevor sie zu uns kommen. Zeit genug, die Proben der Bertoffeln vorzubereiten.“

Bernd behielt recht. Wie bei jedem seiner seltenen Aufenthalte auf Greenland besuchte Hopkins zuerst die Stadthalle. Dort überreichte er dem Town-Mayor ein Bündel mit Datenkristallen sowie gedruckten Zeitschriften und Magazinen. Es war die einzige Informationsquelle für Winkler und die Siedler, sich über die Vorgänge im Direktorat zu informieren. Der Nullzeit-Krachfunk war den wichtigsten Informationen vorbehalten und der Überlichtfunk war zu langsam. Die Verbindung zum nächsten besiedelten System hätte eine „Laufzeit“ von mehreren Tagen in Anspruch genommen. Tratsch, Klatsch und Mode fanden daher erst mit den Besuchen von Hopkins nach Greenland.

Eine knappe Stunde später summte das Funkgerät und Rickles kündigte die Besucher an. Kara und Bernd bereiteten die Bertoffeln zu, während Jake den Tisch in der Wohnstube eindeckte und etwas von dem selbstgebrannten Schnaps in einen der wertvollen Steingutkrüge füllte.

Town-Mayor Winkler machte großen Bahnhof für den Händler. Der Polizei-Turbo der Constables fuhr mit blitzenden Warnlichtern voraus und Bernd war froh, das Chief-Constable Wasmann wenigstens auf die infernalischen Schallgeber verzichtete. Hinter dem Turbo fuhr eines der wenigen modernen Radfahrzeuge der Kolonie.

„Man könnte meinen, einer der hohen Räte des Mars käme zu Besuch“, knurrte Bernd, als er die kleinen Standarten von Greenland und Hopkins an dem Wagen bemerkte. „Ich glaube Winkler wird auf seine alten Tage doch ein wenig eitel.“

„Ach, gönne ihm doch die kleine Freude“, meinte Kara und hakte sich bei ihm unter. „Ohne ihn wären wir schließlich niemals in die neue Heimat gelangt.“

„Ja, das ist wohl wahr.“ Er küsste sie flüchtig auf die Wange.

Wahrscheinlich hätte sich der alte Winkler gefreut, wenn seine Constables eine Ehrenformation gebildet hätten, aber Wasmann und seine Leute waren durch und durch Zivilisten. Sie bildeten eine lockere Gruppe und grinsten breit, während der Town-Mayor und der Händler aus ihrem Fahrzeug stiegen. In Sanktum kannte jeder jeden und es gab bislang keine schwerwiegenden Verbrechen. Die Constables hatten ihre Elektroschläger und tödlichen Pistolen bislang nur gegen gefährliche Tiere einsetzen müssen. Die Männer mit dem goldenen Abzeichen mussten bislang nur bei Handgreiflichkeiten aktiv werden, die auszuufern drohten und regelten diese mit schlichtenden Worten und gelegentlich einem derben Faustschlag.

„Das ist also die Farmerfamilie Rau“, sagte Hopkins lächelnd und reichte jedem die Hand. „Town-Mayor Winkler hat mir schon viel von Ihnen und Ihrer sagenhaften Bertoffel berichtet. Ich bin wirklich gespannt, ob sie die beschriebenen Erwartungen auch erfüllt.“

Bernd warf einen kritischen Blick auf den Town-Mayor. Der zwinkerte ihm beschwörend zu. Was auch immer Winkler antrieb, er wollte aus den Bertoffeln ein großes Geschäft machen. „Kommen Sie herein, Ehrenwerter Hopkins. Wir haben da etwas für Sie vorbereitet.“

Die Bertoffel war eine Kombination aus Frucht und Kartoffel und konnte auf verschiedene Weise zubereitet werden. Hopkins bekam sie roh, gekocht, gebraten, gedünstet, in Scheiben und gestampft. Bernd wusste, dass sein Produkt eine ungewöhnliche Eigenschaft besaß… Je nach Zubereitungsart veränderte sich der Geschmack ein wenig.

Der Ehrenwerte Hopkins kostete alle Zubereitungen und warf dabei immer wieder abschätzende Blicke auf Bernd und John Winkler. Hopkins war erfahren. Er kostete nur kleine Bissen und trank zwischen ihnen reichlich Wasser, um den Geschmack der vorherigen Probe möglichst zu neutralisieren.

Schließlich ließ der Freihändler das Besteck sinken und lehnte sich im Stuhl zurück. „Schön, sie ist essbar“, eröffnete er die Verhandlungen. „Allerdings wüsste ich nicht, was an ihr so Besonderes sein soll.“

Kara lächelte. „Das haben Sie schon an den verschiedenen Geschmacksrichtungen erkannt, Ehrenwerter. Von Süß über Sauer, von Mild bis Scharf… Ich denke nicht, dass Sie schon etwas auf dem Teller hatten, bei dem so viele Variationen auftreten. Wohlgemerkt, ohne dass die Bertoffeln in irgendeiner Form zusätzlich gewürzt werden mussten.“

„Sie ist extrem vielseitig“, fügte Winkler hinzu. „Nicht nur schmackhaft, sondern auch ausgesprochen gesund. Ich erinnere Sie an die Analyse von Doktor Rickles. Die Bertoffel ist eine regelrechte Bombe, was Vitamine, Mineralien und dergleichen angeht.“

„Schön, mag sein“, gab Hopkins zu, „doch das macht sie keineswegs einzigartig.“

„Ach, kommen Sie…“ Winkler schlug dem Händler auf die Schulter. „Ich kenne mich mit Farmprodukten aus… Sie werden nichts Vergleichbares finden. Im gesamten Direktorat nicht. Und da wir gerade beim Direktorat sind…“ Der Town-Mayor grinste breit. „Ich habe einen Freund, der ist Proviantmeister bei der Navy. Ich habe mich gelegentlich mit ihm getroffen, bevor wir nach Greenland ausgewandert sind. Ein so vielseitiges Produkt wie die Bertoffel kann die Navy gut gebrauchen, Ehrenwerter. Sehen Sie sich die Analysen von Doc Rickles einmal genauer an… Diese Dinger sind nahezu unbegrenzt haltbar.“

„Ihren Doc Rickles in allen Ehren, aber seine Analysen müssten erst durch ein unabhängiges Labor überprüft werden.“ Hopkins zuckte bedauernd mit den Schultern. „Wirklich, Winkler, Sie müssen das verstehen. Inzwischen gibt es etliche besiedelte Welten, die ihre Waren auf den Markt werfen wollen. Es gibt eine regelrechte Schwemme, hauptsächlich landwirtschaftlicher Produkte. Wenn Sie da mit Ihrer Bertoffel landen wollen, wird das nicht einfach.“

Winkler sah den Farmer an. „Bernd, wie viel hat die Ernte eingebracht?“

„Ich habe erst ein kleines Feld bestellt. Man muss ja erst feststellen, ob sich der Anbau überhaupt lohnt.“

„Wie viel?“

„Knappe zwei Tonnen.“

John Winkler sah den Freihändler lächelnd an. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Ehrenwerter Hopkins: Greenland schenkt Ihnen eine Tonne Bertoffeln. Sie erzählten mir, dass Sie des Öfteren in der Freihandelszone von Kelly´s Rest anlegen. Nehmen Sie eine Probe der Bertoffeln für die Analysen und geben Sie den Rest einem der Köche vom alten Kelly. Wenn Sie erneut dort anlegen, dann kann der Mann Ihnen ja berichten, wie unsere Bertoffeln ankommen.“

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