Sky-Navy 09 - Im Nebel

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Sari: Sky-Navy #9
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Sky-Navy 09 - Im Nebel
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Michael Schenk

Sky-Navy 09 - Im Nebel

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Die Nebelwelt

Kapitel 2 Abgestürzt

Kapitel 3 Im Nebel

Kapitel 4 Das Rettungsschiff

Kapitel 5 Das Grauen dringt ein

Kapitel 6 Ein Risiko

Kapitel 7 Kein Entkommen

Kapitel 8 Im Landeanflug

Kapitel 9 Im High-Command

Kapitel 10 Eine harte Landung

Kapitel 11 Überlegungen

Kapitel 12 Die Fremden

Kapitel 13 Der lange Draht

Kapitel 14 Der Kampfanzug

Kapitel 15 Ausrücken

Kapitel 16 Im Nebel verborgen

Kapitel 17 Das Wrack

Kapitel 18 Die Einsame

Kapitel 19 Keine Überlebenden

Kapitel 20Fortschritte

Kapitel 21Zweifel

Kapitel 22Gewissheit

Kapitel 23Angriff der Schemen

Kapitel 24Hinterhalt

Kapitel 25Optionen

Kapitel 26Unter Feuer

Kapitel 27Überrannt

Kapitel 28Die Beute

Kapitel 29 Ankündigung

Kapitel 30 www.sky-navy.de

Impressum neobooks

Kapitel 1 Die Nebelwelt

Sky-Navy 09

Im Nebel

Military Science Fiction

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2018

Exploration Ship E.S. James Cook, im hohen Orbit um die Nebelwelt

Wenn man auf den von Menschen besiedelten Welten von einer Universität sprach, so handelte es sich fraglos um die des Mars. Die „University of Mars“, kurz „UoM“ war stolz darauf, die Traditionen von Harvard und Cambridge fortzuführen. Wer zu ihren Studenten zählte, der würde später fraglos eine bedeutende Rolle in Wissenschaft, Politik oder Wirtschaft des von Menschen beherrschten Direktorats einnehmen. Die Universität verstand sich nicht alleine als Lehrinstitution, sondern führte auch eigene Forschungen durch. Ihr waren bedeutende technische und medizinische Entwicklungen gelungen. Im Zeitalter der interstellaren Expansion richtete man das Augenmerk zunehmend auf jene Phänomene, die der Weltraum für die Menschen bereithielt.

Das Forschungsschiff E.S. James Cook war Eigentum der Universität und dafür ausgestattet, planetare Untersuchungen durchzuführen. Die Menschen suchten nach neuem Lebensraum. Nicht weil Überbevölkerung sie dazu zwang, sondern weil der Nullzeit-Sturzantrieb es ermöglichte, die fernsten Sterne ohne Zeitverlust zu erreichen. Dank des „Hiromata“ war es jeder Gruppe, die sich finanziell eine solche Reise leisten konnte, möglich, auf einer fernen Welt das Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Fernsonden und Schiffe erforschten und kartierten den Weltraum, aber um eine neue Welt besiedeln zu können, benötigte man exakte Informationen darüber, welche Bedingungen auf ihr herrschten und welche möglichen Gefahren drohten. Die Universität des Mars führte daher manche Expedition durch, um fremde Welten zu untersuchen. Sie tat dies nicht aus Uneigennützigkeit, denn der Verkauf der Forschungsergebnisse spülte gutes Geld in ihre Kassen, welches sie wiederum für andere, weniger Gewinnbringende Forschungen verwendete.

Die E.S. James Cook war mit ihrer kleinen Besatzung unterwegs, um einen Planeten zu erforschen, der erst vor Kurzem von einer Langstreckensonde vermessen worden war. Einer unbemannten Sonde, deren Daten auf ein interessantes Phänomen hinwiesen, denn auf der Oberfläche der erdähnlichen Welt existierte ein „blinder Fleck“.

Das diskusförmige Schiff war vor einer halben Stunde aus dem Nullzeit-Sturz gekommen. Seine Scanner arbeiteten mit maximaler Leistung, um ein dreidimensionales Abbild der Sonne, der Planeten und ihrer Monde zu erstellen. Captain Billings hatte nur die überlichtschnellen Taster zur Verfügung und es würde Stunden benötigen, diese Arbeit durchzuführen.

Professor Jen-Do versammelte das Forschungsteam in der kleinen Messe des Schiffes und stellte mittels eines Holoschirms eine permanente Verbindung mit der Brücke her. Obwohl er die eingeschränkten Möglichkeiten der überlichtschnellen Technik kannte, war er in höchstem Maße ungeduldig.

„Wann sind die Scans endlich fertig, Captain?“ Jen-Do hatte die Hände auf dem Rücken ineinandergelegt und wippte auf seinen Fersen. Eine Haltung, die seine Studenten bereits aus seinen Lesungen kannten.

Die ältere Frau, die auf dem Bildschirm zu sehen war, zwang sich zu einem Lächeln. „Es wird noch drei bis vier Stunden dauern, Professor.“

„Eine verdammte Schande, dass man uns für unsere wichtigen Forschungen keinen Hiromata-Scanner zugesteht“, murrte Jen-Do.

„Ja, das ist es sicher“, stimmte Billings zu, obwohl sie die Meinung des Professors nicht teilte. Doch sie wurde von der Universität dafür bezahlt, deren Teams durch das Universum zu kutschieren und so hütete sie sich, dem ungeduldigen Wissenschaftler zu widersprechen. Die Menschheit befand sich im Krieg mit dem geheimnisvollen Volk der Greens und das Militär benötigte die wenigen verfügbaren Hiromata-Kristalle weitaus dringender.

Hiromata… Niemand wusste, warum die Kristalle in der Lage waren, den Fernantrieb eines Raumschiffes, Impulsfunk nach dem Morse-Prinzip oder die radarähnlichen Scanner ohne Zeitverlust arbeiten zu lassen. Die Entdeckung seiner Eigenschaften war ein reiner Zufall gewesen. Einst hatte man geglaubt, mit dem Cherkov-Überlichtantrieb die Spitze der Antriebstechnologie erreicht zu haben, dennoch dauerten die Reisen zu fernen Sternen damit Tage oder sogar viele Jahre. Fernflüge waren im Kryo-Kälteschlaf verbracht worden. Jetzt benötigte man nur acht Stunden, um die Kristalle des Hiromata-Antriebs aufzuladen und in den Nullzeit-Sturz zu gehen, und nochmals acht Stunden, um die Geschwindigkeit des Raumschiffes am Ziel wieder abzubremsen.

Man fand die Kristalle in Asteroiden oder auf Planeten, doch die Funde waren gering und die Menschheit gierte danach, endlich auf größere Vorkommen zu stoßen. Was man fand, wurde vom Hohen Rat des Direktorats verwaltet. In Zeiten des Krieges hatte die Abwehr des Feindes Vorrang vor allem anderen.

Professor Jen-Do ließ ein missbilligendes Schnauben hören. Er wusste, das Captain Billings anderer Meinung war, doch er fand es müßig, mit einem Raumkutscher zu diskutieren. Jen-Do wandte sich vom Bildschirm ab und blickte die siebenköpfige Gruppe an, die an zwei der Messetische saß. Drei Wissenschaftler mit Doktorgrad und vier Studentinnen und Studenten, die sich mit dieser Expedition auf ihre eigenen Abschlüsse vorbereiteten.

„Schön, schön“, seufzte Jen-Do. „Bis Billings die Scans komplett hat, können wir uns ja nochmals das Ziel unserer Expedition vor Augen führen. Larissa, fassen Sie unsere bisherigen Erkenntnisse zusammen. Kurz und knapp, wenn ich bitten darf.“

Larissa war bei ihren Kommilitonen nicht besonders beliebt. Die sehr attraktive Rothaarige spielte immer wieder ihre Reize gegenüber dem Professor aus und es gab Gerüchte, dass sie manche Bewertung durch persönliche Dienste verbesserte. Es war schwer zu beurteilen, ob wirklich etwas daran war, aber fraglos war Larissa der ausgemachte Liebling ihres Mentors.

Die Rothaarige sah Jen-Do mit großen grünen Augen an, klopfte für einen Moment mit dem Zeigefinger gegen ihre Zähne und lächelte dann. „Also, ja, es geht natürlich um 17-42-05, den fünften Planeten dieses Systems. Eine Fernsonde hat das System im vergangenen Jahr angeflogen und erste Vermessungen vorgenommen. Dabei wurde auch Nummer Fünf überflogen. Eine wunderschöne erdähnliche Welt, deren Daten, wenigstens größtenteils, mit denen der Erde identisch sind. Fraglos wird man unserer Universität eine Menge Credits zahlen, wenn wir unsere Forschungsergebnisse veröffentlichen“, fügte die junge Frau mit treuherzigem Augenaufschlag hinzu. Sie bemerkte das Stirnrunzeln des Professors und räusperte sich entschuldigend. „Nun, wir sind aber vor allem hier, weil die Sonde ein merkwürdiges Phänomen festgestellt hat. Aus der…“

 

„Leroy!“, unterbrach Jen-Do sie und deutete mit gestrecktem Zeigefinder auf einen anderen Studenten, der scheinbar gelangweilt zur Decke blickte. „Fahren Sie fort.“

„Oops.“ Leroy grinste breit. „An der Oberfläche von Nummer Fünf zeigt sich ein ungewöhnlicher blinder Fleck. Ein nahezu kreisförmiger Bereich von fast zweitausend Kilometern Durchmesser, der von den Scannern der Sonde zwar angezeigt wurde, aber von den Taststrahlen nicht durchdrungen werden konnte. Wir haben keine Ahnung, warum dieser blinde Fleck die Taststrahlen förmlich zu verschlucken scheint.“

„Genau deswegen sind wir hier, um diese Ursache zu erforschen“, fuhr Jen-Do fort. „Nach den optischen Aufzeichnungen der Fernsonde sieht der Bereich aus, als befände sich an der besagten Stelle eine undurchdringliche Nebelbank. Man kennt ähnliche Erscheinungen von hochorbitalen Aufnahmen über Regenwäldern, zum Beispiel des Amazonasgebietes auf der Erde.“

„Nebel kann man aber mit Scannern durchdringen“, meinte Larissa.

Jen-Do lächelte sie an. „Das ist der Punkt. Dieser Nebel lässt sich scheinbar nicht mit Scannern durchdringen, so dass wir nicht wissen, noch nicht wissen, wie ich betonen möchte, was sich unterhalb des Nebels befindet. Hat jemand eine Vermutung? Ich meine natürlich eine fundierte Vermutung?“

Es gab eine Reihe von Spekulationen und einer der anderen Studenten nahm eine der Wahrscheinlichsten als Ursache an. „Wir kennen von der Erde und anderen Welten, dass es Regionen gibt, die deutlich unterhalb des jeweiligen Meeresspiegels liegen und in denen sich solche Nebelbänke bilden können. Gelegentlich handelt es sich dabei um Krater der Einschläge von Meteoriten, welche tiefe Löcher in die Planetenkrusten schlagen können.“

Jen-Do schnaubte. „Löcher… Wirklich, junger Mann, haben Sie bei mir denn wirklich so wenig gelernt? Befände sich ein Loch in der Planetenkruste, dann würde es einen spektakulären Vulkan geben.“

„Ich meine natürlich eine Vertiefung“, verbesserte sich der Gescholtene rasch.

„Und warum konnte die Sonde keine Scans des Inneren dieser Vertiefung vornehmen? Jemand eine Idee?“

„Wenn es ein Meteoritenkrater ist, Professor“, versuchte der Student seine Scharte auszuwetzen, „dann könnte er Substanzen beinhalten, die einen Scan verhindern. So etwa, wie Silberadern in Gebirgen.“

„Schön, schön, das kann ich als Vermutung gelten lassen“, räumte der Professor ein. „17-42-05 ist übrigens eine schreckliche Bezeichnung für so eine schöne Welt, nicht wahr?“

Man beeilte sich, dem zuzustimmen. Eigentlich hatte der Professor als Wissenschaftler nichts gegen nüchterne Bezeichnungen, doch die Studenten wussten, wie sehr es ihren Mentor wurmte, dass es eine Sonde des Militärs gewesen war, welche das System zuerst erreicht hatte. Damit entfiel für Jen-Do die Möglichkeit, der Entdeckung selbst einen Namen zu geben.

Während sich die Gruppe mit Getränken und einem kurzen Imbiss stärkte, ließ Jen-Do nun den Spekulationen freien Lauf. Die anwesenden Doktoren der verschiedenen Fachgebiete, darunter Botanik, Geologie und Biologie, hielten sich zurück, da sie wussten, dass der Expeditionsleiter nur die Zeit überbrücken wollte, bis die Scans des umgebenden Weltraums abgeschlossen waren. Das Forschungsschiff war klein und unbewaffnet und da man nicht wissen konnte, wo und wann ein Hantelschiff der Greens auftauchen mochte, wollte man nach Möglichkeit ausschließen, dass sich in diesem System ein Feind aufhielt.

„Professor? Hier Captain Billings.“ Brustbild und Konterfei des Captains verdeckten den größten Teil der Ansicht der kleinen Brücke, die sich am sogenannten Bug des Diskus befand. Eine winzige vorspringende „Nase“, die das Schiff, als sei es neugierig, seinem jeweiligen Ziel entgegen zu recken schien. „Die Umgebungsscans sind abgeschlossen. Ich übermittle die Daten in die Messe.“

Der Captain verschwand und wurde durch eine dreidimensionale Projektion des umgebenden Weltraums ersetzt. Sie war nicht maßstabsgerecht, da sie eine Karte des Systems darstellte. Alle Planeten und Monde wurden mit ihren berechneten Umlaufbahnen um das Zentralgestirn dargestellt. Es gab keinen einzigen roten Farbtupfer, was bedeutete, dass die Scanner kein Objekt angemessen hatten, welches sich als möglicherweise gefährlich oder sogar feindselig erweisen mochte. Es gab keine Asteroiden in schwer vorhersehbaren Flugbahnen und, vor allem, keine anderen Raumschiffe. Weder eines der Greens, noch eines des Direktorats.

Jen-Do war über beides erleichtert. Er mochte nicht das Recht haben, dem Planeten einen Namen zu geben, aber wenn die Expedition auf wertvolle Ressourcen oder sogar ein Vorkommen von Hiromata-Kristall stieß, dann bedeutete dies zusätzliche Einnahmen für die Universität und, vor allem, einen Bonus für die Entdecker. In diesem System gab es niemanden, der ihm und den anderen einen möglichen Bonus würde streitig machen können.

„Schön, schön, Captain Billings, die Scans dürften Ihr Sicherheitsbedürfnis wohl beruhigt haben“, meinte Jen-Do schließlich. „Wenn Sie nun die Güte hätten, uns endlich zu Planet Fünf zu bringen?“

Billings ignorierte die unverhohlene Kritik. „Selbstverständlich, Professor, dafür bin ich ja schließlich hier, nicht wahr? Und, damit Sie es nicht vergessen, Professor Jen-Do… Sie sind der Leiter dieser Forschungsexpedition, aber ich bin hier der Captain und für Ihre Sicherheit und die meiner Besatzung und die des Schiffes verantwortlich.“

„Schön, schön, verdammt, das brauchen Sie mir nicht immer wieder unter die Nase zu reiben. Wann treten wir in die Umlaufbahn von Fünf ein?“

„Mit Beschleunigung und späterem Anpassungsmanöver… Knappe zwei Tage, Professor, da wir uns in einer erhöhten Position über den Planetenbahnen des Systems befinden.“ Billings unterbrach die Verbindung und man konnte kurz ihr Lächeln sehen, da sie den erbitterten Fluch von Jen-Do vorausahnte.

Doktor Carlssen, der Geologe an Bord, klatschte leise in die Hände. „Ich würde vorschlagen, dass wir nochmals unsere Ausrüstung überprüfen. Nicht nur das wissenschaftliche Gerät, sondern auch die Überlebensanzüge und unsere zwei Jeeps. Wie es unser verehrter Professor gelegentlich so zutreffend formuliert: Alle Theorie verblasst vor jener Erkenntnis, die man gewinnt, wenn man das zu untersuchende Objekt in Händen hält.“

„Richtig, werter Kollege, richtig“, pflichtete Jen-Do bei. „Natürlich werden wir landen und das Phänomen direkt untersuchen, sobald sich die Möglichkeit hierzu ergibt.“

Die E.S. James Cook beschleunigte mit dem Cherkov-Antrieb auf mehrfache Lichtgeschwindigkeit und stieß nun zwischen die Umlaufbahnen der Planeten vor. Zum exakt richtigen Zeitpunkt bremste Billings wieder ab und brachte den Diskus, im hohen Orbit über Planet Fünf, zu relativen Stillstand. Relativ, da sich der Planet und damit das Schiff natürlich weiter bewegten, doch Billings hielt eine geostationäre Position über dem, was man vorläufig weiter als „blinden Fleck“ bezeichnete.

Planet Fünf wies tatsächlich eine überraschende Ähnlichkeit mit der Erde des menschlichen Heimatsystems auf. Es gab vier Kontinente und insgesamt etwas weniger Wasseroberfläche. Die Fernsonde hatte bereits Bilder von Wüsten und ausgedehnten Grünzonen gezeigt. Wolken wiesen auf Verdunstung und den typischen Kreislauf des Wassers hin. Luftproben hatten aufgezeigt, dass die Atmosphäre atembar war. Es gab Stickstoff, Sauerstoff und die anderen Bestandteile im richtigen Bereich.

Die Welt schien ideal, um von Menschen besiedelt zu werden und doch konnte sie tödliche Gefahren bergen. Die Erste davon war ein abweichender Luftdruck, denn war dieser zu hoch oder zu niedrig, dann nutzte auch die atembarste Atmosphäre nichts. Dem Biologen würde zudem die Aufgabe zufallen, festzustellen welche biologischen Risiken vorhanden waren.

Doch vor allen anderen Untersuchungen stand die des „blinden Flecks“.

Er befand sich fast in der Mitte eines der Kontinente. Die Ränder waren unregelmäßig, doch insgesamt besaß er tatsächlich eine runde Form. Er durchmaß im Schnitt zweitausend Kilometer, wobei die Abmessungen um einige Dutzend Kilometer schwankten.

Jen-Do stand mit den anderen vor dem Holoschirm und betrachtete das Lifebild. Er neigte nun selbst zu der Annahme, dass es sich um den gewaltigen Einschlagskrater eines Meteoriten handelte, dessen Grund sich so tief unterhalb des Meeresspiegels dieser Welt befand, dass sich dort ein konstanter Nebel gebildet hatte und halten konnte. Umso interessanter würde es sein, festzustellen warum man keine Scans aus seinem Inneren erhielt.

„Captain Billings, gibt es Anzeichen für Leben?“

„Jede Menge“, kam die prompte Antwort, „aber da Sie sicherlich Anzeichen von künstlicher Bebauung und intelligentem Leben meinen, muss ich Ihre Frage verneinen, Professor.“

„Schön, schön, das haben die Aufzeichnungen der Sonde bereits vermuten lassen.“

Sie alle waren erleichtert. Hätte man Anzeichen von intelligentem Leben entdeckt, sei es auch nur in seiner niedersten Form, so waren die Gesetze des Direktorats eindeutig und das Betreten von Planet Fünf wäre zum Tabu geworden.

„Herr Professor, wir alle sehen das Ding“, meldete sich Leroy zu Wort. „Was machen wir jetzt?“

„Was wir bereits besprochen haben“, seufzte Jen-Do. „Wirklich, Leroy, Ihre Aufmerksamkeit lässt in höchstem Maße zu wünschen übrig. Larissa?“

„Wir schicken eine Sonde runter“, antwortete die Rothaarige prompt. „Äh, eine Drohne, Herr Professor.“

Jen-Do wandte sich erneut dem Holoschirm zu. „Captain Billings, wenn Sie die Freundlichkeit hätten, eine unserer Drohnen abzufeuern?“

„Selbstverständlich, Professor. Tetronische Steuerung oder Individualsteuerung?“

„Leroy ist ein fähiger Drohnenpilot. Starten Sie das Ding und lassen Sie es über dem blinden Fleck kreisen. Leroy klinkt sich dann ein.“

Billings bestätigte. Kurz darauf startete eine der Drohnen, die zunächst an einen spitznasigen Zylinder erinnerte Sie steuerte sich selbst mit Hilfe ihres leistungsstarken tetronischen Gehirns in die obere Atmosphäre des Planeten. Als sie in tragfähige Luftschichten vordrang, fuhr sie Tragflächen und ein V-förmiges Leitwerk aus und schaltete auf ihr Staustrahltriebwerk um. Die Rotoren für den Langsamflug blieben noch innerhalb des schützenden Rumpfes. Sensoren und Scanner arbeiteten mit maximaler Leistung und übertrugen eine Fülle von Daten, mit Ausnahme des Zielgebietes, dessen Nebel zwar sichtbar, jedoch immer noch nicht zu durchdringen war.

„Schön, schön, Leroy, jetzt zeigen Sie, dass ich Sie nicht umsonst mitgenommen habe.“ Jen-Do wies auf eine Konsole in der Messe. Die anderen rückten die Stühle näher, während Leroy dort Platz nahm. Er langte zur Seite, öffnete ein Fach und setzte sich einen Pilotenhelm auf, der jenen der Piloten der Streitkräfte ähnelte, allerdings nicht luftdicht versiegelt werden konnte, da er nicht Teil eines Raumanzuges war.

„Aktiviere Konsole“, berichtete der Student, während sich seine Hände über die Elemente bewegten. „Schalte auf Virtual Reality. Übertrage auf Holoschirm.“

Die Hände bewegten sich jetzt über eine unsichtbare Tastatur. Alle Daten und Bilder, welche die Drohne empfing, erschienen auf dem Display des Helms. Die anderen sahen das Gleiche auf dem großen Holoschirm, der über der Konsole hing.

„Klinke mich in die Steuerung der Drohne ein. Steuerung übernommen.“

Auf der Brücke sahen die fünf Männer und Frauen der Besatzung ebenso gebannt zu, wie die Drohne nun auf die direkten Befehle von Leroy reagierte. Die Blicke des Navigators pendelten hingegen zwischen den Übertragungen des Fluggerätes und den Kontrollen der Raumüberwachung, deren Scanner und Sensoren unentwegt den umgebenden Weltraum kontrollierten.

Leroy studierte Künstliche Intelligenz und Tetronik, und man spürte förmlich seine Verbundenheit mit der Drohne. Eine Hand lag um den Joystick, der das einzige reale Mittel zur Steuerung des Fluggerätes war. Mit winzigen Bewegungen gab der Student seine Befehle. Die Drohne schraubte sich mit elegant wirkenden Kurven immer tiefer.

 

„Soll ich im Zentrum oder am Rand des Nebels einfliegen?“, erkundigte sich Leroy.

Jen-Do schien unschlüssig.

Doktor Carlssen meldete sich zu Wort. „Ich schlage das Zentrum vor, Professor. Wenn es ein Meteoritenkrater ist, dann werden wir dort die tiefste Stelle und vielleicht sogar Überreste des eingeschlagenen Objektes finden.“

„Ja, das ist eine Möglichkeit.“ Jen-Do nickte und klopfte Leroy auf die Schulter. „Also die Mitte.“

Die Drohne erreichte den Rand des Nebels.

„Ich gehe lieber auf langsamen Flugmodus.“ Leroy betätigte ein paar unsichtbare Schaltungen. Die Grafik, welche das Schema und den Status übermittelte, veränderte sich. Aus dem schlanken Rumpf fuhren an den Seiten vier tellerförmige Ausleger aus, deren Irisblenden sich öffneten und die Rotoren freigaben. Die Beobachter glaubten förmlich das leise Brausen zu hören, als diese Ansprangen und den Antrieb übernahmen, während zugleich das Staustrahltriebwerk abschaltete. „Drohne ist jetzt im Langsamflug. Nehme Kurs auf das Zentrum des Nebels.“ Leroy räusperte sich. „Bodenradar zeigt nichts an. Keine Ahnung, wie hoch ich über dem Nebel bin.“

„Es gibt um den Nebel keine Aufwölbung, die auf einen Kraterrand hindeutet. Er scheint sich auf dem Bodenniveau des umgebenden Landes zu befinden. Nehmen Sie dessen Höhe als Anhalt und Bodennull“, empfahl der Geologe.

Leroy nickte wortlos.

Die nach unten gerichtete Optik des Gerätes zeigte nichts als ein sanftes Wallen von milchigem Weißgrau. Eine Orientierung war nahezu unmöglich.

„Leroy, teilen Sie den Holoschirm. Einmal Sicht der Drohne und einmal Sicht vom Schiff. Wir müssen eine Vorstellung davon bekommen, wo sich unser fliegender Freund befindet.“

Die obere Hälfte des Bildschirms zeigte nun die Sicht der Optik des Schiffes. Nun konnte man wieder den in die Landschaft eingebetteten blinden Fleck sehen. Ein blinkender grüner Punkt markierte die Position der Drohne, die sich langsam dem Zentrum näherte.

„Keine Daten von unten“, meldete Leroy, obwohl alle das sehen konnten. „Soll ich runtergehen?“

„Ja, aber schön, schön langsam“, stimmte der Professor zu. „Und alles aufzeichnen.“

Leroy verdrehte kurz die Augen. Seit Aktivierung der Drohne liefen deren Aufzeichnungsgeräte sowie die Direktübertragung ihrer Daten und Bilder an die E.S. James Cook. Dokumentation war ein wesentlicher Bestandteil jeglicher Forschung und der Hinweis des Professor war eher eine Beleidigung, statt hilfreich. Der Student schrieb es der mühsam unterdrückten Aufregung des Expeditionsleiters zu, die sie alle immer stärker packte, je tiefer die Drohne jetzt ging.

„Allmächtiger“, ächzte Larissa.

Von einem Augenblick zum anderen wurde die optische Übertragung der Drohne grauweiß und zeigte nur noch das unheimliche Wallen des Nebels. Wo soeben noch Daten über den Holoschirm liefen, war plötzlich nichts mehr. Nur das Statusdisplay des Fluggerätes schien weiterhin zu funktionieren.

„Was ist? Ist sie abgestürzt?“, fragte einer der anderen besorgt.

„Unsinn“, knurrte Jen-Do. „Ihr Status wird ja noch übermittelt. Das Gerät ist noch in Ordnung, aber es empfängt keine Daten von Außen.“

„Ist aber seltsam, Professor Jen-Do“, stellte ein weiterer Student fest. „Wieso funktioniert denn die Übermittlung des Status noch, wenn alles andere versagt?“

„Ja, ein wirklich interessantes Phänomen“, gab der Angesprochene zu. „Um das herauszufinden sind wir ja hier, nicht wahr?“

„Ortung!“ Leroy hätte vor Überraschung beinahe die Steuerung verrissen. „Scanner zeichnen! Verflucht, jetzt ist die Verbindung ganz weg!“

Für einen kurzen Moment hatten die Scanner der Sensoren den Nebel durchdrungen. Datenkolonnen liefen über den Holoschirm, nur um dann schlagartig abzureißen. Alle Anzeigen und Übertragungen des Fluggerätes erloschen.

„Habt ihr das gesehen?“ Larissa trat ungläubig näher an den Schirm. „Wir haben einen Scan bekommen! Es ist uns tatsächlich geglückt.“

„Wenigstens zum Teil“, schränkte Jen-Do prompt ein. „Daten, ja, aber es sind rudimentäre Daten, die nicht viele Details vermitteln. Leroy, versuchen Sie wieder Kontakt zur Drohne herzustellen.“

„Unmöglich, Professor. Ich habe es schon versucht. Nichts zu machen.“

Jen-Do seufzte. „Schön, schön, dann müssen wir mit dem auskommen, das wir haben. Sehen wir uns die Daten einmal näher an. Doktor Carlssen, versuchen Sie aus dem Rohmaterial des Scans eine holografische Ansicht zu entwickeln.“

„Ich bekomme bestenfalls eine zweidimensionale Karte hin und die Bezeichnung Karte ist recht optimistisch. Moment bitte.“

Auf dem Holoschirm entstand nun ein Abbild dessen, was die Drohne, wenigstens für einen flüchtigen Moment, unter sich gesehen und aufgezeichnet hatte.

„Es ist nur ein Ausschnitt, aber es scheint wirklich ein enormer Krater zu sein, dessen Grund allerdings erstaunlich eben ist. Zerklüftet und voller Sand und Felsen, aber doch unerwartet eben“, führte Doktor Carlssen aus. „Der Scan erfasst allerdings nur einen winzigen Ausschnitt, die Geräte haben einfach nicht lange genug gearbeitet. Wir haben einen Bereich von vielleicht fünfzig Kilometern Durchmesser abtasten können.“

„Das Ding ist ganz schön tief“, stellte Larissa fest. „Fast zwanzig Kilometer. Kann das überhaupt sein? Ich meine, müsste der Planet da nicht ein Loch haben? Also, durch seine Kruste hindurch?“

„Die Erdkruste ist zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Kilometern dick“, dozierte Carlssen. „Wenigstens im Bereich der Kontinentalplatten. Im Bereich der Ozeane geht ihre Stärke oft auf um die zehn Kilometer zurück. Ich habe noch keine ausreichenden geologischen Daten, um die durchschnittliche Dicke der Kruste von Planet Fünf bestimmen zu können, aber in jedem Fall befindet sich da unten kein „Loch“.“

„Nein, da ist fester Boden, den man betreten kann“, stimmte Jen-Do zu.

Der Biologe räusperte sich. „Wobei ich darauf hinweisen muss, dass dieser Nebel gute zwanzig Kilometer in die Tiefe reicht.“

„Das haben wir schon durchaus verstanden, werter Kollege“, knurrte der Professor.

„Der Luftdruck, Professor.“ Der Biologe erlaubte sich ein leises Lächeln. „Selbst wenn der Luftdruck für uns an der Oberfläche von Nummer Fünf erträglich ist, da unten, in dieser Grube oder wie auch immer Sie das nennen wollen, werden wir ohne Raumanzüge kaum überleben können.“

„Verdammt, ich fürchte, Sie haben recht“, räumte der Expeditionsleiter missmutig ein. „Nun, wir haben genug geeignete Ausrüstung an Bord.“ Er wandte sich dem Holoschirm zu. „Captain, Sie haben mitgehört?“

Das Bild wechselte und zeigte Billings, die den Blick des Professors ernst erwiderte. „Mitgehört und mitgesehen, Herr Professor. Vermutlich wollen Sie, dass wir runtergehen, aber davor kann ich nur warnen. Das Abreißen des Kontaktes mit der Drohne zeigt, dass wir das Schiff in akute Gefahr bringen würden. Eine Landung ist hiermit abgelehnt, aber ich stelle Ihnen gerne unsere beiden noch vorhandenen Drohnen bereit.“

„Aber die könnten ebenso verloren gehen, wie die Erste“, wandte Jen-Do ein.

Billings lächelte und schob ihr Basecap mit dem Logo der James Cook in den Nacken. „Besser, als das Schiff, nicht wahr?“

„Hören Sie, Captain Billings, Sie sind Angestellte der Universität und…“

„…vor allem für die Sicherheit des Schiffes verantwortlich“, unterbrach die Frau mit harter Stimme. „Und die werde ich nicht riskieren.“

„Wenn ich etwas sagen dürfte?“

„Was?“, zischte der Professor und sah Leroy wütend an.

„Die Drohne war auf Individualsteuerung und durfte daher nicht eigenständig auf ihre tetronische Selbststeuerung umschalten. Als die Verbindung unterbrochen wurde, erhielt sie keine Steuerimpulse mehr und stürzte wahrscheinlich ab.“

„Verdammt, Leroy, das wissen wir bereits.“ Der Professor schien sich kaum beherrschen zu können, da er sein Vorhaben akut gefährdet sah. Plötzlich stutzte er, sah Leroy anerkennend an und klopfte ihm auf die Schulter, bevor er sich erneut dem Bildschirm zuwandte. „Leroy hat recht, Captain. Absolut recht. Die Drohne stürzte ab, weil wir die Verbindung verloren. Aber Sie steuern die Cook von ihrem Inneren aus. Da können Sie die Verbindung nicht verlieren.“

Billings kratzte sich im Nacken. „Es wäre dennoch ein nicht zu kalkulierendes Risiko. Irgendetwas hat ja dafür gesorgt, dass die Verbindung abbrach.“

„Grundgütiger, Captain, nun seien Sie doch nicht so stur“, appellierte der Professor. „Es ist doch ein simples Manöver. Wie bei einem Fahrstuhl. Wir haben die Tiefe des Nebels. Sie fliegen über seine Mitte und gehen senkrecht runter. Droht Gefahr, starten Sie halt einfach durch oder wie man das bei Ihnen nennt. Wie beim Fahrstuhl. Rauf und runter.“

Billings sah zur Seite. „Was meinst du, Jelly?“

Die Stimme der Pilotin war zu hören. „Na ja, im Prinzip hat der Prof wohl recht. Wenn ich das nicht hinbekäme, wäre ich ein echt mieser Pilot. Selbst wenn unsere Scanner im Nebel nichts bringen… Wir kennen jetzt die Tiefe des Kraters und können anhand unserer Geschwindigkeit berechnen, wie hoch wir über dessen Boden sind. Ich halte das Risiko für vertretbar, Captain, denn die Systeme der Drohne haben ja einwandfrei funktioniert, bis die Funkverbindung ausfiel.“

„Wir müssen da hinunter“, beschwor Jen-Do. „Mit einer Drohne können wir keine Bodenproben entnehmen. Dazu müssen wir in den Krater und aussteigen.“

„Damit Sie sich auch noch im Nebel verlaufen?“

„Wir werden uns wohl kaum verlaufen, wenn wir die Schleuse öffnen und die Proben in ihrer unmittelbaren Nähe entnehmen. Captain, es wäre nicht gut, wenn wir unverrichteter Dinge zurückkehren. Selbst Sie und Ihre Crew wären enttäuscht.“