Die Heilkraft der Gefühle

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Dem Herzen folgen – Wege zur emotionalen Gesundheit

Studien belegen die Heilkraft der Gefühle

Es wurden bereits zahlreiche Langzeitstudien durchgeführt, die das Thema Psyche, Gefühle und Gesundheit zum Inhalt haben. In den letzten drei Jahrzehnten hat man vor allem die Auswirkung der Gefühle auf Gesundheit und Lebensdauer gemessen und belegt. Obwohl diesen Studien weltweit völlig verschiedene Bedingungen zugrunde lagen, kamen alle zu einem ähnlichen Ergebnis.

Der amerikanische Mediziner Dean Ornish (siehe Quellen im Anhang) konnte in Langzeitstudien nachweisen, dass sozial isolierte Menschen statistisch ein doppelt bis fünfmal höheres Risiko haben, vorzeitig zu erkranken und zu sterben, als Menschen, die über ein starkes Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl verfügen bzw. regelmäßig Gefühle der Geborgenheit, Freude und Liebe erleben.

Gemeinschaft, Nähe und Lebensfreude mindern also besonders das Risiko, zu erkranken. Und gerade diese drei Faktoren kann man als den Nährboden für ein intaktes und offenes Gefühlsleben bezeichnen. Im stabilen Familien- oder familienähnlichen Gruppenverband – und damit auch in familienähnlichen Unternehmensstrukturen – stellt das gegenseitig entgegengebrachte Vertrauen die Basis für ein gesundes Gefühlsleben dar.

Probleme können an- und ausgesprochen werden. Man kennt einander besser und fühlt stärker mit dem anderen. Nähe wird zumeist auch über Berührungen ausgetauscht. Ein Zornesausbruch kommt schon einmal vor, hinterlässt aber keine tiefgreifenden Verletzungen. Auch Tränen dürfen ohne Scham fließen.

Nähe und Gemeinschaft sind einer der Schlüssel für ein positives Gefühlsleben und Gesundheit.

Stellvertretend für viele Studien sei in diesem Zusammenhang auch die besonders vielsagende Roseto-Studie angeführt: Roseto ist eine Stadt mit italo-amerikanischer Bevölkerung im Osten von Pennsylvania. Über fünfzig Jahre lang wurden die Menschen hier intensiv beobachtet. Man stellte fest, dass in den ersten dreißig Jahren im Vergleich zu den Nachbarorten auffallend wenige Menschen an einem Herzinfarkt starben – und das, obwohl die konventionellen Risikofaktoren (Rauchen, fettreiche Ernährung etc.) ebenso vorlagen. Grund dafür war die Tatsache, dass die Gemeinde Roseto 1882 von Einwanderern besiedelt worden war, die allesamt aus einer einzigen Stadt in Süditalien stammten. Zusammengehörigkeit, ethische und soziale Homogenität sowie familiäre Bindungen waren besonders stark ausgeprägt. Als sich dann dieser Zusammenhalt langsam aufzulösen begann, stieg die Sterblichkeitsrate auf das gleiche Niveau wie in den Nachbargemeinden.

Gefühle und ihre Energie sind das Zentrum unseres Lebens

An welches Ereignis Ihrer Vergangenheit erinnern Sie sich spontan als Erstes? Gewiss an eines mit starken Gefühlen. An welchen Lehrer aus Ihrer Schulzeit erinnern Sie sich am besten? Wahrscheinlich an einen, der entweder besonders wohlwollend, motivierend und mit ganzem Herzen bei der Sache war, oder an einen, der vor allem negative Gefühle in die Unterrichtsstunde mitgebracht bzw. in Ihnen ausgelöst hat.

Geburten, Hochzeiten, Todesfälle, der erste Schultag, die erste Verliebtheit oder sexuelle Erfahrung, eine Reise in ein fremdes Land – alles, was uns besonders in Erinnerung bleibt und unser Leben ausmacht, ist voll starker Gefühle.

Woran auch immer wir uns aus jüngster oder ferner Vergangenheit erinnern, es ist mit intensiven Gefühlserlebnissen verbunden – mit einer hohen inneren Ladung an Energie. Denn Gefühle sind reine Lebensenergie. Sie stellen unsere Energie gewissermaßen her und zur Verfügung. Darin liegt ein weiterer Grund, warum wir in kurzer Zeit nach ihnen süchtig werden und uns ganz allgemein nach Gefühlen sehnen.

Natürlich wünschen wir uns vor allem positive Gefühle, da ihr Strom uns ohne innere Widerstände zu tragen vermag, uns beflügeln und erheben kann. Wenn kein gutes Gefühl zur Verfügung steht, ziehen wir aber oft auch negative Gefühle der inneren Leere und Antriebslosigkeit vor. Wir tolerieren manchmal sogar Lebensumstände, die uns Angst, Stress oder sogar Schmerz bereiten: nur um zu fühlen und daraus Energie zu beziehen.

Wie aber stellen Sie sich, wenn Sie die Wahl hätten, ein erfülltes Leben vor? Wahrscheinlich reich an schönen Gefühlen und arm an Misstrauen, Unglück, Verzweiflung und Leid. Sie wählen sehr wahrscheinlich kein Kriegsgebiet für einen Urlaub und sehnen sich nicht nach Streit in der Familie.

Alles, was wir uns täglich wünschen, sind gute Gefühle. Alles, wonach wir uns sehnen, ist, geliebt zu werden, Nähe und Vertrauen zu erfahren und unsere Zeit in Harmonie und Glück zu verbringen. Und Sie werden in Folge noch sehen: Sie haben tatsächlich die Wahl.

Gefühle und ihre Energie sind das Zentrum unseres Lebens. Sie bewegen uns, sind der Antrieb für unsere Leistungen und Fortschritte, sie weisen uns den Weg bei schwierigen Entscheidungen.

Seinem Herzen näherzukommen und den Gefühlen die ganze Beachtung zu schenken, ist der effektivste Weg zu anhaltender Gesundheit und auch zu Erfolg. Denn die Energie unserer Gefühle entscheidet, „welcher Erfolg für uns erfolgt“.

Gefühle stecken an

Ein Beispiel: Sie haben den Bus genommen und sind auf dem Weg nach Hause. Ihnen gegenüber sitzt ein junges Mädchen. Sie verbirgt ihr Gesicht hinter einem Taschentuch und weint. Wie verhalten Sie sich? Schenken Sie ihr Aufmerksamkeit? Versuchen Sie, das Mädchen zu trösten? Wenden Sie sich ab? Bemühen Sie sich, an etwas anderes zu denken? Wechseln Sie vielleicht sogar den Sitzplatz, um den Anblick nicht weiter ertragen zu müssen? Wie auch immer Sie reagieren: Jedes intensive Gefühl eines Gegenübers hat etwas Zwingendes – es steckt an und wir können uns kaum entziehen.

Das bringt Vorteile, wenn es sich um ein gutes Gefühl handelt. Ist das Gefühl jedoch negativ, haben wir oft damit zu kämpfen, nicht „hineingezogen“ zu werden. Gefühle strahlen aus und je intensiver ein Gefühl ist, desto stärker erreicht es andere Menschen.

Dies mag unmittelbar mit der vorhin beschriebenen hohen Energie von Gefühlen zu tun haben. Energie, die ausstrahlt, kann auch wahrgenommen werden. Es handelt sich wohl um eine Art von elektromagnetischer Übertragung, eine Form von Psychoenergetik, die in einem selbst und zwischen Menschen geschieht.

Es kann auch mit jenen Spiegelneuronen zu tun haben, die für die Übertragung von Stimmungen und Gedanken zuständig sind und seit Jahren in der Neurowissenschaft für Furore sorgen. Oder mit der Produktion von Duftstoffen, die je nach Stimmung wechseln. Natürlich spielt auch die Körpersprache eine große Rolle, die jeder Mensch, zumeist unbewusst, sehr genau zu deuten vermag. Was auch immer der exakte Grund sein mag: Gefühle stecken an.

Denken Sie zum Beispiel nur an die unglaublichen Massen-Hochgefühle bei Popkonzerten: Da geschieht eine gegenseitige Aufladung, die zwingend und faszinierend ist. Oder an ein Begräbnis: Man wird von Trauer mitgerissen, selbst wenn man mit dem Verstorbenen weder verwandt noch besonders gut bekannt war.

Das Phänomen der Gefühlsübertragung ist auch der Grund dafür, warum ein im Kino erlebter Film stärker in Erinnerung bleibt als ein Fernsehfilm, den wir zu Hause am Sofa erleben – die Gefühle tauschen sich unter den vielen Zuschauern im Kinosaal aus.

Auch die charismatische Anziehungskraft großer Anführer beruht unter anderem auf der Fähigkeit, viele Menschen bewusst mit Gefühlen anstecken und dadurch manipulieren zu können.

Empathie – die Kunst des Mitfühlens

Sie können das natürliche Phänomen der Gefühlsübertragung für sich nutzen: Lassen Sie sich von den positiven Gefühlen anderer anstecken. Wann immer in Ihrer Nähe eine gute Stimmung herrscht, schließen Sie sich an und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit ganz auf den Menschen, von dem die gute Stimmung ausgeht.

Sollten negative Gefühle auf Sie einströmen, die Sie momentan nicht aufnehmen wollen: Wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit bewusst ab, denken Sie an etwas anderes, Glückliches, Schönes oder erinnern Sie sich gezielt an ein Hochgefühl aus Ihrem Leben.

Die Aufmerksamkeit funktioniert bei emotionaler Übertragung wie ein Verstärker: Je intensiver Sie sich dem Gefühl eines Menschen zuwenden, desto stärker wird es Sie mitreißen. Sie können die Fähigkeit, mitzufühlen, auch gezielt trainieren.

Beruhigen Sie Ihre Gedanken und lenken Sie die ganze Aufmerksamkeit auf die Gefühle eines Gegenübers. Versuchen Sie dabei möglichst vorurteilsfrei und ohne Erwartung zu sein. Nehmen Sie vielleicht auch eine ähnliche Körperhaltung und Stimmlage ein. Dann warten Sie darauf, dass Ihre Gefühlssensoren von selbst reagieren. Nach wenigen Augenblicken werden Sie feststellen, dass sich Ihr innerer Zustand ein wenig verändert hat. Vielleicht spüren Sie sogar deutlich, wie Ihr Gegenüber sich fühlt, ob Ihr Gesprächspartner einem Thema positiv oder negativ gegenübersteht. Je öfter Sie das ausprobieren, desto verlässlicher werden die Ergebnisse sein.

Gefühle anderer zu erspüren und sich damit zu beschäftigen, steigert insgesamt Ihre Gefühlsmotorik. Es kann Ihnen dabei helfen, jenen emotionalen Zustand zu erreichen, den man landläufig als „offenes Herz“ bezeichnet. Ein solches offenes Herz kann sich als äußerst gesund und gewinnbringend erweisen.

Gefühle sagen die Wahrheit

Wann immer wir die Zähne zusammenbeißen, etwas hinunterschlucken, verheimlichen oder verschweigen, sind Gefühle im Spiel. Alles, was wir schwer ausdrücken können, was niemand von uns wissen soll, wovor wie Angst haben, was uns peinlich ist oder wofür wir uns schämen, hat mit verborgenen Gefühlen zu tun.

 

Erinnern Sie sich kurz an die letzte Situation, in der Sie es vorziehen mussten, die Unwahrheit zu sagen. Sie wollten nicht verletzt werden und auch niemanden verletzen. Sie wollten niemanden kränken, auch wenn Ihnen vielleicht viel daran gelegen wäre, für eben jene Sache einzustehen. Vielleicht hatten Sie auch einfach Furcht vor den Konsequenzen.

Wenn uns etwas kränkt, verletzt, wütend macht, wenn wir etwas nicht ertragen können oder wenn uns etwas blockiert – wann immer ein negatives Gefühl einem anderen Menschen gegenüber entsteht, finden wir keinen rechten Weg, dieses Gefühl auch auszudrücken.

Doch wenn es darum geht, die Wahrheit zu sagen, bedeutet das immer, seine Gefühle zu beschreiben und sie auszusprechen. Manchmal fällt einem das sehr schwer und man zieht es vor, seinen Mund zu halten.

Gesünder jedoch ist es, sich darin zu üben, so oft wie möglich einen Weg der Äußerung zu finden. Man kann und sollte vorsichtig damit beginnen und erst nach einiger Zeit der Übung größere Schritte wagen.

Es gibt ein einfaches und erprobtes Hilfsmittel, um die Wahrheit zu äußern: Sprechen Sie über sich selbst, über Ihre Gefühle und nicht über Gefühle oder Handlungsweisen anderer.

Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich unabsichtlich im Ton vergriffen und eine kränkende Äußerung gemacht. Ihr Gegenüber reagiert darauf mit einer Erwiderung.

Lesen Sie nun die Variante A seiner Worte und überprüfen Sie Ihre Gefühle dabei: „Sie sind unmöglich. Ihr ganzes Verhalten ist unerträglich! Wie kann man nur so arrogant sein?!“

Wie fühlen Sie sich? Das klingt nicht angenehm und würde Sie wahrscheinlich mehr verletzen, als Sie selbst zuvor Ihr Gegenüber unabsichtlich verletzt haben.

Lesen Sie nun Variante B und achten Sie wieder auf Ihre Gefühle: „Ich fühle mich nicht wohl, wenn Sie so mit mir umgehen. Es hat mich, muss ich zugeben, verletzt und gekränkt. Ich fühle mich herabgesetzt. Ich würde gerne in Ruhe mit Ihnen darüber reden.“

Diese Art des Ausdrucks ist Ihnen sicher sympathischer. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Ich-Botschaft. Man beschreibt seine eigenen Gefühle und gibt auch seine eigene Verletzlichkeit preis. Das bringt Sympathiewerte. Man spricht wahrhaftig, aus offenem Herzen und folgt damit dem natürlichen, gesunden Gefühlsfluss.

Beispiele für Ich-Botschaften, die Gefühle ausdrücken (solche Botschaften beginnen zumeist mit dem Wort „ich“; sie drücken nicht aus, was man glaubt oder meint, sondern beschreiben, was man tatsächlich fühlt):

 Ich fühle mich bedrückt.

 Ich bin wütend.

 Ich bin heute empfindlicher als sonst.

 Ich fühle mich verletzt und gekränkt.

 Ich fühle mich ungeliebt.

 Ich empfinde Schuld.

 Ich bin voller Zweifel.

 Ich bin ganz ängstlich und nervös.

 Ich zittere, bin erregt und spüre, wie sich meine Muskeln anspannen.

 Ich bin glücklich.

 Ich fühle mich gut und völlig ausgeglichen.

 Ich habe so viel Freude in mir, ich könnte die ganze Welt umarmen.

Gefühle verlangen eine Handlung

Jedes Gefühl verlangt eine Handlung von uns. Und: Erst, wenn ein Gefühl ins Spiel kommt, sind wir auch bereit, zu handeln.

Gefühle sind immer für den Ausdruck gemacht. Sie wollen aus unserem Inneren hinaus ins Leben. Sie wollen etwas bewirken und ausgetauscht werden.

Wir sehnen uns instinktiv danach, Emotionen mit anderen Menschen zu teilen: Ein wunderbarer Sonnenuntergang ist erst dann richtig schön, wenn man ihn mit jemandem gemeinsam erlebt und darüber sprechen kann.

Wenn wir verliebt sind, bereitet der Körper alles dafür vor, dem Liebespartner näherzukommen, er bereitet Berührungen, Austausch und Sexualität vor. Wenn wir mitten auf der Straße stehen und ein Auto auf uns zurast, ermöglicht die spontane Panik eine schnelle Ausweichbewegung. Wenn wir angegriffen werden und darauf mit Zorn reagieren, wird eine Verteidigungsaktion eingeleitet.

Die Tatsache, dass Gefühle Handlungen erfordern, hat eine wesentliche Bedeutung für unsere Gesundheit. Denn, wenn wir nicht aus den momentanen Gefühlen heraus handeln, verbleiben alle Botenstoffe und auch die geballte frei gewordene Energie in unserem Körper – sie richten sich damit gegen uns selbst. So können unterdrückte Gefühle tatsächlich verletzen und zu Erkrankungen führen. Der nicht ausgedrückte Zorn kann zum tödlichen Giftbecher werden, den wir dann, manchmal über lange Zeit hinweg, Schluck für Schluck austrinken.

Jede Gefühlsaktivität schüttet Botenstoffe aus und stellt den Körper auf Alarm- oder erhöhte Bereitschaft ein. Unsere wunderbare Körpermaschine läuft in gefühlsgeladenen Situationen sehr oft auf Hochtouren, ohne sich in Bewegung setzen zu dürfen.

Was ist der gesunde Weg? Wenn ein Gefühl in Ihrem Inneren auftaucht, mit dem Sie nicht recht umzugehen wissen, stellen Sie sich vielleicht als Erstes die Frage: Welche Handlung verlangt dieses Gefühlt von mir? Dann: Wie kann ich es ausdrücken? Wenn Sie sich auch darüber klar geworden sind, gehen Sie in die Aktion über und handeln Sie – bestenfalls – beherzt.

Üben Sie beständig den Ausdruck Ihrer Gefühle. Versuchen Sie, Ihre Gefühle durch Ihre Körpersprache sichtbar werden zu lassen. Suchen Sie auch nach der passenden Stimmlage, denn jede Stimmung hat eine eigene Stimme. Suchen Sie nach den Worten, die Ihr Gefühle am besten beschreiben. Folgen Sie Ihrem Herzen so oft wie möglich. Dieser Weg führt Sie direkt zu Gesundheit und Lebensfreude.

Gefühle sind die Informationsträger Nummer eins

Denken Sie bitte kurz an einen Menschen, den Sie besonders gern haben. Dieser Mensch hat Ihnen gerade ein schönes Geschenk gemacht. Nun stellen Sie sich vor, wie Sie in dieser Situation den Satz „Das ist ja wunderbar!“ aussprechen. Probieren Sie es aus. Wiederholen Sie den Satz innerlich ein paarmal, indem Sie immer wieder an den lieben Menschen und an das Geschenk denken. Beobachten Sie Ihre Betonung genau, die Melodie und auch die Stimme, mit der Sie es sagen. Sie können es natürlich auch laut aussprechen und probieren.

Als nächstes stellen Sie sich bitte vor, jemand, den Sie nicht besonders mögen, hat gerade Ihr Lieblingsobjekt, eine Vase, einen Kunstgegenstand, Ihre Lieblingstasse, fallen gelassen. Am harten Steinboden ist das gute Stück in tausend Scherben zersprungen. Sie sagen spontan, laut und nachdrücklich: „Das ist ja wunderbar!“ Probieren Sie es wieder mehrmals aus und untersuchen Sie erneut die Betonung, die Melodie, die Stimmlage.

Es ist derselbe Satz. Es sind dieselben Worte. Sogar die Reihenfolge der Worte ist gleich geblieben. Doch die Botschaft ist das genaue Gegenteil.

Sie können dieses Spiel auf jeden beliebigen Satz, in jeder Situation Ihres Lebens übertragen. Gefühle sind immer im Spiel und übermitteln die Information, um die es in Wahrheit geht. Natürlich lässt sich alles überspielen, indem man beispielsweise eine sanfte Stimme anschlägt, obwohl man stinksauer ist. Aber auch für die Stimmlage, die Melodie und den Rhythmus unserer Sprache gilt: Folgen Sie der Wahrheit Ihres Gefühls. Sie dürfen ruhig einmal lauter werden oder mit dem Gefühlstext, der unter dem Text mitschwingt, Ihren Missmut ausdrücken. Ihre Biochemie wird es Ihnen danken.

Hören Sie sich einige Tage beim Reden zu und identifizieren Sie die vielen geheimen Botschaften, die Sie durch Ihren Tonfall, durch Betonungen übermitteln oder die Sie dadurch zu verbergen suchen. Der Ton macht die Musik, heißt es, und dieser Ton wird von Ihren Gefühlsinstrumenten erzeugt.

Negative Gefühle wollen uns schützen

Anfangs fällt es schwer, konsequent einen neuen Weg im Umgang mit Gefühlen zu verfolgen. Es fühlt sich ungewohnt an, von einem Tag auf den anderen mit offenen Karten zu spielen, Gefühle zu zeigen und ganze Teile seines Lebens auf neue Gefühle abzustimmen. Da diese Konsequenz aber sehr lohnenswert ist, empfiehlt es sich, gleich damit zu starten – auch wenn alte innere Widerstände Sie bremsen wollen. Ihre Gesundheit wird es Ihnen ebenso danken wie Ihr tägliches Wohlempfinden. Schritt für Schritt wird sich eine neue Erlebenswelt etablieren.

Besonders bei negativen Gefühlen tendieren wir zu Passivität oder zu verspäteten Überreaktionen. Oft warten wie tagelang zu, kochen innerlich, bis uns dann endgültig der Kragen platzt oder wir im Gegenteil ganz resignieren. Das raubt uns enorm viel Energie und Lebensfreude.

Doch gerade negative Gefühle sind eigentlich unsere besten Beschützer, mehr noch, sie sind ausschließlich zu unserem Schutz da. Zorn dient dazu, uns zu verteidigen oder gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Angst hilft, unser oder das Leben unserer Nächsten zu erhalten. Trauer führt uns in die Nähe unserer Liebsten und bindet uns an sie.

Unsere Gefühle kämpfen gegen jede Art der Unterdrückung, Bevormundung, Vereinsamung. Sie wollen unsere Eigeninitiative und unsere Kreativität fördern.

Wenn es emotionale Probleme am Arbeitsplatz gibt, mit Ihrem Partner, Ihren Kindern, beim Sport oder Hobby, hören Sie auf diese Gefühle. Nehmen Sie einen emotionalen Widerstand ernst, wenn er sich in Ihrem Inneren formiert. Da gibt es etwas in Ihrem Umfeld, das Ihre Kräfte mindert, das Sie herabwürdigt oder unterdrückt. Wehren Sie sich dagegen.

In unserer Leistungsgesellschaft müssen Vorgesetzte von ihren Mitarbeitern Einsatz und Engagement oft weit über das Maß des Leistbaren hinaus fordern. Da verwundert es nicht, dass das Burnout-Syndrom wie eine Epidemie um sich greift.

Im Familienleben stehen Eltern häufig unter enormem Druck, überfordern sich selbst oder einander und schließlich ihre Kinder.

In der Freizeit erlegen wir uns selbst nicht selten einen ganz ähnlichen Erwartungs- und Erfüllungsdruck auf, betreiben intensiv Sport in Wettkämpfen, besteigen die höchsten Berge, überfüllen den Tagesplan unserer Urlaube mit Sightseeing-Touren oder jetten von einem Reiseziel zum nächsten.

Und bei all dem fühlen wir, bis auf seltene Augenblicke positiver Erfüllung, zumeist den uns allen zur Gewohnheit gewordenen Stress. Dieser alltägliche Lebensstress ist eigentlich ein Cocktail aus Angst und Aggression.

Tatsächlich fordern uns aber genau diese Gefühle auf, gegen ihre Ursache anzukämpfen. Wir sind nicht gemacht für permanente Überforderung, Perfektionswahn oder Bestleistungen.

Kämpfen Sie für Ihr Recht und Ihren Wert als selbstbestimmter Mensch. Ihre Gefühle sind besorgt um Sie, darum formieren sie sich in Ihrem Inneren und stellen Ihnen ihre Kräfte zu Verfügung. Es sind Ihre ureigensten Antriebskräfte, die Ihnen helfen wollen, Ihr Leben nach Ihren Maßstäben zu meistern. Je eher Sie beginnen, Ihren wahren Gefühlen zu folgen, desto schneller werden Sie Ihre ursprüngliche, Ihre ganze Kraft wiederfinden.

An dieser Stelle sei ein gesondertes Wort der Angst gewidmet – sie ist die elementarste Emotion und direkt unserem Selbsterhaltungstrieb zur Seite gestellt: Die Angst ist, wie weiter vorne bereits beschrieben, ein Gefühl, das als Handlung entweder Flucht oder Kampf von Ihnen verlangt. Entweder Sie verlassen den Ort, die Situation, die Ihnen Angst einflößt, oder Sie entscheiden sich dafür, die Angst in Zorn und Mut umzuwandeln, und bauen damit Ihre Kampfkraft auf.

Ihre Angst ist in jedem Fall berechtigt. Sie will ernst genommen werden. Sie ist stärker, als alle anderen Gefühle. Und sie hat ein Recht darauf, ausgedrückt und gewürdigt zu werden.

Oft liegt die Ursache einer Angst weit zurück und tief in den Schichten der Psyche verborgen. Durch einen gegenwärtigen Auslöser kann sie erwachen und an die Oberfläche dringen. Oder sie widerfährt uns in einer existenzbedrohenden Situation ganz neu und erstmalig. Wie auch immer es sich verhält, die Angst darf sein. Sie ist wertvoll. Sie will Ihnen zeigen, dass Sie etwas zu unternehmen oder zu äußern haben.

Stellen Sie sich im Zweifelsfall vor: Was wäre, wenn mir eine ideale Lösung der Situation gelingen würde? Was wäre, wenn ich meine Angst zu Mut machen und die Hindernisse überwinden könnte? Wenn Sie dabei spüren, dass Ihr Herz höher schlägt, dann machen Sie sich auf den Weg und ringen Sie sich zu Ihrer ureigensten Kraft durch.

Manchmal ist es sogar notwendig, aktive Wut gegen sich selbst aufzubauen, um sich aus einer blockierenden Angst herauszuarbeiten. Die Angst kann ein Vertrauter, ein innerer Wächter und sogar ein Krieger werden, der Ihnen hilft, zu Ihrem wahren Selbst zu finden.

 

Die Krankheit ist der Ersatzaufschrei unterdrückter Gefühle

Sie haben nun bereits viele Hintergründe und Aspekte des falschen und auch des richtigen Umgangs mit Gefühlen kennengelernt. Nun nähern wir uns langsam den unmittelbaren Zusammenhängen zwischen Krankheit und Gefühlen und damit auch den Techniken, die uns vor einer künftigen Erkrankung bewahren oder von einer bestehenden erlösen können.

Lassen Sie uns vier Hauptfaktoren zusammenfassen:

1 Gefühle sind auf biochemischer Ebene Botenstoffe, die unseren Zellen sagen, was zu tun ist.

2 Gefühle bauen Energie auf.

3 Gefühle drängen aus dem Inneren nach außen ins Leben.

4 Gefühle verlangen einen authentischen Ausdruck und angemessene Handlungen.

Man kann den Zusammenhang zwischen Gefühlen und Krankheiten in einem Satz zusammenfassen: Wenn Sie nicht schreien, wird Ihr Körper für Sie schreien (wobei schreien als Synonym für jede Form des emotionalen Ausdrucks zu verstehen ist)!

Der Körper vollzieht gewissermaßen einen Ersatzaufschrei. Er versucht, sich Gehör zu verschaffen und auf einen Mangel, eine Fehlhaltung, eine falsche Einstellung hinzuweisen. Hat man diesen Zusammenhang einmal erkannt und begonnen, sich mit ihm auseinanderzusetzen, kann jede Krankheit zu einer Chance für das Leben werden.

Die Krankheit ist eine Hilfe

Sobald wir eine Krankheit als Hinweis verstehen lernen, als sichtbares und deutbares Zeichen unseres Körpers, dass mit unseren Gefühlen, Handlungen und unserem Denken etwas nicht stimmt, zeigt sie uns den Weg zur Gesundheit. Bei genauer Betrachtung liefert sie manchmal sogar das Rezept, das uns am schnellsten heilen kann.

Bei manchen Erkrankungen fällt es schwer, die richtige Deutung und den speziellen Kontext im Leben des Betroffenen zu verstehen. Lösungen sind nur durch persönliche Gespräche und eine tiefe Form der Suche unter professioneller Betreuung zu finden. Deshalb empfehle ich bei jeder Form einer schweren Erkrankung neben der medizinischen auch eine psychotherapeutische Begleitung.

Die Auseinandersetzung mit Gefühlen und ihren Bezügen zur Erkrankung zeigt immer neue Perspektiven und kann helfen, unbekannte Anteile der Persönlichkeit zu entdecken oder vor allem die heilende Kraft der Hoffnung zu schüren.

Nehmen Sie eine Krankheit als Aufforderung wahr. Behandeln Sie Ihren Körper, als wäre er Ihr bester Lehrer. Die Selbstheilungskräfte des GGK-Netzwerks stehen immer bereit, vor allem, wenn sich unterdrückte Gefühle in Form einer Krankheit zeigen. Suchen Sie die Sprache Ihrer Krankheit und beginnen Sie dann ein Gespräch.

Eine praktische Übung, um die Botschaft Ihrer Krankheit zu erkennen:

Ziehen Sie sich zurück und legen Sie sich bequem hin. Achten Sie darauf, dass Ihnen nicht kalt wird und dass Sie nicht gestört werden. Hören Sie, wenn Sie mögen, eine sanfte Instrumentalmusik mit einem langsamen Rhythmus.

Nun atmen Sie zuallererst tief durch und dabei doppelt so lange aus, wie Sie einatmen. Beruhigen Sie so Ihre Gedanken und Ihren inneren Rhythmus.

Nun wenden Sie langsam Ihre ganze Aufmerksamkeit dem erkrankten Körperteil zu. Stellen Sie sich folgende Fragen: Welche Botschaft verbirgt sich im Kern meiner Krankheit? Was will mir meine Krankheit sagen? Auch wenn es eigenartig klingen mag, stellen Sie die Frage nach der Botschaft direkt Ihrem Krankheitsherd: Was willst du mir mitteilen?

Nehmen Sie sich genügend Zeit für diese Übung. Bleiben Sie durchgehend ruhig und drängen Sie nicht auf eine Antwort. Wiederholen Sie die Übung ein paar Tage lang in Ruhe und mit Muße.

Irgendwann werden vor Ihrem inneren Auge Bilder, Situationen und Gedanken auftauchen, die Ihnen zeigen, was Ihre Krankheit begünstigt hat. Dort setzen Sie dann an und beginnen, Schritt für Schritt Ihre Einstellung und Ihr Verhalten zu ändern.

Ihre Krankheit kann Sie führen und lehren.

Der Mensch will Wahrheit, Freude und Frieden

Wie bereits erwähnt, der uns allen so bekannte Stress ist auf biochemischer Ebene eine Mischung aus Angst und Aggression. Diese beiden Emotionen leiten ein Flucht- oder Kampfverhalten ein. Beides jedoch verwehren wir uns im alltäglichen Berufs- und Familienleben aus guten und für das Bestehen in unserer sozialen Gesellschaft notwendigen Gründen. Dennoch treiben dieser Stress und seine Moleküle in unserem Inneren ihr Unwesen, ob wir sie ausdrücken, ob wir ihren Impulsen folgen oder nicht.

Die hormonellen Botenstoffe überfluten die Rezeptoren der Zellmembranen, verstopfen die Türen für andere Botenstoffe, treiben den Körper in eine permanente Überspannung und drängen ihn zu Höchstleistungen, selbst noch im Schlaf. Das System überlastet mit der Zeit und an natürlichen Schwachstellen im Körper treten Probleme auf.

So verhält es sich grundsätzlich mit allen Gefühlsbotenstoffen, sofern sie nicht rechtzeitig durch Ausdruck und Handlung verbraucht und dadurch verarbeitet werden.

Langzeitstudien mit Messungen der Gehirnwellen, der Herzfrequenz, der Immunabwehr, der Hormonproduktion, des Muskeltonus, der Knochendichte und sogar der Hautalterung bis hin zur Häufigkeit von Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule weisen allesamt in eine Richtung: Sie verlangen einen neuen und gesünderen Umgang mit unseren Gefühlen. Wir sind physiologisch nicht gemacht für diesen verhaltenen, zurückgenommenen, unwahren Umgang mit unserem wahren Menschsein. Denn Menschsein verlangt Wahrheit, Freude und Frieden.

Stellen Sie sich eine Art Gefühlsbarometer vor, die Skala reicht von –10 (erleben wir in Zeiten schwerster Not) bis +10 (erleben wir in den euphorischsten Lebensphasen).

Physiologisch sind wir konzipiert für lang anhaltende Phasen relativen Glücks (+3), mit kurzen, intensiven Gefühlseinsätzen (zwischen –9 und +9, sofern Selbsterhaltung und Fortpflanzung es verlangen), stets jedoch mit unbedingter, wahrhafter Wiedergabe unserer inneren Gefühlswelt nach außen in die Wirklichkeit.

Am besten tut uns eine Stimmungslage von +3 bis +5 auf dem Gefühlsbarometer – mit Spiel, Spaß, Zeiten des Friedens, häufigen Phasen der körperlichen Nähe, Leichtigkeit, Güte und Gefühlen der Hoffnung, des Glaubens und der Harmonie. Dazu gehört, sinnbildlich gesprochen, ein offenes Herz, das wieder gelernt hat, sich seiner natürlichen Anlage gemäß zu bewegen und im Takt unseres selbstbestimmten, ureigensten Seins zu schlagen.

Die zehn Faktoren eines offenen Herzens

Der Begriff „offenes Herz“ ist eine Art Synonym. Es steht für den Idealzustand unseres Gefühlshaushaltes. Es ist ein Zustand, der, angepasst an unseren Alltag, natürlichen Schwankungen unterliegt. Ein Idealzustand lässt sich, ähnlich wie Glück, entweder nur hin und wieder erreichen oder kann zu einer Art lebensbestimmendem Grundton werden. Er sollte jedoch auch nicht als absoluter Maßstab gelten, denn es ist eine wesentliche Eigenschaft des offenen Herzens, Schwankungen, Fehler und Schwächen zu akzeptieren.

Ein Ideal kann uns aber eine Richtung weisen und zu einem anhaltenden Leitmotiv werden (das Herz als Organ nimmt natürlich an sich schon eine zentrale Stellung in unserem Gefühlsleben und für unsere Gesundheit als Ganzes ein – siehe dazu auch das Kapitel „Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, ab Seite 107).

Die Eigenschaften eines offenen Herzens lassen sich direkt mit gesundheitlichen Aspekten in Verbindung bringen: Es kann nicht verstopfen oder blockieren. Es erstarrt nicht und bricht auch nicht. Es ist weder verhärtet, noch verschlossen. Es fällt nicht aus dem Takt, stolpert nicht, „fällt nicht in die Hose“ oder bleibt plötzlich stehen. Das offene Herz ist ein Symbol für den gesunden und natürlichen Urzustand unserer emotionalen Aktivität.

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