Midnight Dates: Lust & Schmerz

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Midnight Dates: Lust & Schmerz
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Mira Schwarz

Midnight Dates: Lust & Schmerz

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Mira Schwarz

Inhaltsverzeichnis

Prolog – Himmel & Hölle

Kapitel 1 – Einmal ein Loser …

Kapitel 2 – Keine Regeln

Kapitel 3 – Schöne Fehler

Kapitel 4 – Ungeahnte Glut

Kapitel 5 – Ausgeliefert über den Wolken

Kapitel 6 – Alte Gemäuer, gefährliche Freunde

Kapitel 7 – Die Stadt der Lichter

Kapitel 8 – Ein gefährlicher Moment der Ruhe

Kapitel 9 – Dunkle Vorzeichen

Kapitel 10 – Frei und unbeugsam

Kapitel 11 – Blöde Shirts und unendliche Momente

Epilog – Midnight Dates

Inhalt

Falls ihr mir schreiben wollt …

Impressum tolino

Mira Schwarz

Midnight Dates

Lust & Schmerz

November 2016

Copyright © Mira Schwarz

Cover © fotolia.de - halayafax

www.facebook.com/Autorin.MiraSchwarz

autorin.miraschwarz@gmail.com

All rights reserved

Mira Schwarz

Midnight Dates

Lust & Schmerz

Die dünne Linie zwischen Liebe und Hass kann manchmal sehr gefährlich sein … wenn man sie überschreitet.

Auch wenn ich mir selbst nicht mehr traue und die Grenzen zwischen Gut und Böse mit jedem Tag ein wenig mehr verwischen …ich muss wissen, was es mit dem Kerl auf sich hat.

Inhaltsverzeichnis

Prolog – Himmel & Hölle

Der Lauf meiner Pistole zitterte gewaltig.

Noch immer war seine Hand in meine Richtung ausgestreckt.

„Lisa, komm mit mir“, wiederholte er schreiend, um das Dröhnen der Helikopter zu übertönen.

Der Wind auf dem Hochhaus riss an meiner Kleidung und ließ meine Haare wie einen Schweif um mich herumtanzen. Ein durchdringendes Pfeifen machte jedes Wort zu einem Flüstern. Durch die auf uns gerichteten Scheinwerfer, konnte ich in seine Augen sehen. Noch immer ließ mich das Stahlgrau erbeben, wenn ich daran denke, in welchen Situationen er mich gesehen hatte.

„Du bist festgenommen!“, rief ich und bemerkte im selben Moment, dass meine Stimme wie dünnes Eis war – dünn und zerbrechlich.

Als ob meine Kollegen die Aussage bekräftigen wollten, hallten metallische Befehle durch Lautsprecher auf uns herab. Der Regen tanzte um unsere Körper, benetzte mein Gesicht und ließ die blonden Haare auf meinen Wagen kleben.

Meine Lippen bebten, als er noch einen Schritt auf mich zu ging.

„Bleib endlich stehen!“, schrie ich.

Er lächelte, ließ eine Hand sinken, während die andere immer noch in meine Richtung gehoben war. „Du weißt, dass ich das nicht kann.“ Er nickte und biss sich schelmisch auf die Lippe, dabei blitzten seine Zähne und nicht zum ersten Mal überkam mich das Gefühl, dass er kein Mensch, sondern ein Tier war. „Frei und unbeugsam“, flüsterte er.

Ich verstand keinen Laut, konnte aber jede Silbe von seinen Lippen ablesen. Wie von Seilen gezogen nickte ich ihm zu. Endlich hatte ich verstanden, was er meinte.

„Frei und unbeugsam“, wisperte auch ich.

Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie die schweren Jungs von den Special Forces ihre Gewehre durchluden. Noch hielten sie sich im Hintergrund. Noch …

Ruhig und mit der Gelassenheit von Jahrzenten des Erfolgs kam er auf mich zu. Mein Herz wollte explodieren und jeder Atemzug schien mich näher an den Wahnsinn zu treiben, als er zwei Finger auf die Pistole legte.

„Drück ab, wenn du möchtest“, sagte er ruhig. „Aber verdammt, komm mit, Lisa!“

Mein Zeigefinger legte sich auf Abzug. „Es tut mir leid, Andrew.“

Kapitel 1 – Einmal ein Loser …

Sieben Tage zuvor

Die Abendsonne kämpfte sich durch den diesigen New Yorker Himmel, als meinen schrottreifen Pontiac auf das Gelände des NYPD in Lower Manhatten steuerte. Die Tiefgarage war so eng, dass die meisten meiner Kollegen Probleme hatten, hier zu parken. Glücklicherweise war ich nicht gerade ein wandelndes Klischee, sodass ich zumindest damit keine Schwierigkeiten hatte. Dank unseres neuen Gleichberechtigungsbeauftragten, durfte ich im dritten Untergeschoss parken, was mir zumindest noch einmal Zeit gab die letzten Wochen im Kopf durchzugehen.

Den gestrigen Einsatz hatte ich ein wenig versaut. Nun ja, zumindest, wenn ein wenig

das Synonym für absolut und vernichtend war. Wochenlange hatte ich die Razzia geplant, alle dafür zuständigen Abteilungen ins Boot geholt und so ziemlich jeden Gefallen eingefordert, den ich noch übrig hatte.

„Dieser Arsch!“ Wutentbrannt schlug ich mehrmals auf das Lenkrad ein. Mein ockergelber Pontiac quittierte dies genervt mit einem lauten Hupen. „Sorry, Darling“, flüsterte ich, nachdem ich mich etwas beruhigt hatte und vergrub das Gesicht in meinen Händen

Wieso um alles in der Welt konnte dieses Muttersöhnchen von meiner bestens organisierten Razzia wissen? Mir war mir klar, dass die Ermittlungen um James Earling III., genannt Jimmy, keine leichten sein würden. Der Bengel war gerade einmal 21 Jahre alt, ging hier in New York zur Universität und hatte, außer Drogen, Mädchen und Partys nicht viel in seiner so teuer frisierten Birne. Leider sah er dabei auch noch unverschämt gut aus und niemand zweifelte daran, dass der Stolz der Familie Earling einmal alle Firmengeschäfte und die eigene Bank übernehmen würde. Besonders nicht, da sein Daddy James Earling II. so gut vernetzt war, wie eine Spinne vor einer Glühkampe in der Dunkelheit und seine blondierte Mom so ziemlich auf jeder Spendengala ihre Plastikbrüste präsentierte.

Umso größer war der Aufschrei in der Bevölkerung, als die ersten Berichte über Vergewaltigungen, organisiertes Verbrechen, Erpressung und Drogenhandel über den kleinen Milchbubi Jimmy ans Licht kamen.

Offensichtlich dachte der junge Adelige gar nicht daran zu studieren, sondern füllte die Tage lieber mit Drogen und Mädchengeschichten. Egal, ob diese wollten oder nicht.

Selbstverständlich heuerte die Familie Earling die besten Anwälte der Stadt an und so kam der Fall zu mir.

Monate hatte ich mit der Planung verbracht, Gespräche im Geheimen geführt und wofür das alles?

Weder im Verbindungshaus, noch in einer der unzähligen Villen der Earlings war auch nur der Hauch von Drogen oder Videomaterial zu finden, obwohl alle meine Quellen bestätigten, dass Jimmy eine Art Sammler war, der sich mit seinen Eroberungen auch noch brüstete.

Kurz sah ich in den Spiegel. Meine Augen wirkten matt, die blonden Haare stumpf und auch die Haut war gerötet. Das ich nicht aussehen würde, wie ein Supermodel war mir klar, bei nur drei Stunden Schlaf, aber zumindest hätte ich den dunklen Blazer von gestern nicht noch einmal anziehen sollen.

Hubschrauber, ein Special-Team, unzählige Cops und Ermittler, hunderte Überstunden und eine Polizeistaffel – alles für eine Packung Zigaretten, ein paar Gramm Gras und das dümmliche Grinsen von Jimmy Earling.

Die Presse war so schnell da, dass es mir beinahe unheimlich war. Das NYPD stand da, wie ein Haufen von Idioten, mit mir als begossenen Loser auf dem Cover. Jeder Schreiberling in NY würde sich heute auf den Fall stürzen, wie ein Rudel Wölfe auf ein Stück Fleisch.

Dabei war mir durchaus klar, dass ich in diesem Vergleich das Stück war, an dem sich alle laben würden. Was für ein bescheuerter Gedanke, dachte ich mir, als ich ausstieg und meine hochhackigen Schuhe einen klackenden Ton in die Tiefgerarage warfen.

 

In der Mitte hielt ich inne.

War da ein Geräusch oder wurde ich nun endgültig paranoid?

„Hallo?“

Keine Antwort. Ich sah mich um. Zwar wusste ich, dass die Überwachungskameras liefen, aber das war mir in dem Moment herzlich egal.

Ich setzte meinen Weg fort, bis erneut das Geräusch an meine Ohren drang.

„Hallo!“, rief ich energischer und zog meine Glock-Pistole. „Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber hier sind überall Überwachungskameras und … auch das solltest du wissen, ich habe eine Knarre, bin Detectiv und das hier ist das Hauptgebäude des NYPD. Über uns sind unzählige Stockwerke voller Cops.“ Ich lud die Waffe durch. „Nur, damit du Bescheid weißt.“

Beim nächsten Geräusch zuckte ich unwillkürlich zusammen, ließ meine Tasche fallen und richtete die Waffe auf einen Stützpfeiler. „NYPD, verdammt! Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!“

Das Licht im Untergeschoss begann zu flackern. In einigen Bereichen blieb es gelöscht, sodass nur wenig Helligkeit die Tiefgarage noch erhellte. Ich hielt den Atem an.

Was zum Teufel war hier los?

In Zeitlupe, als hätte der liebe Gott selbst auf den Knopf gedrückt, schob sich eine Zeitung hinter dem Beton hervor. Dazu machte jemand ein Geräusch, als hätte ein Comedian einen richtig schlechten Witz gemacht. Erst Sekunden später erkannte ich Rick deGries Gesicht.

„Man, Rick, ist das dein ernst? Beinahe hätte ich dich umgenietet!“

Er hielt sich den Bauch vor Lachen, ich konnte sogar feuchte Augen im dämmrigen Licht der Tiefgarage erkennen. „Das würde zumindest gut in deine Akte passen“, sagte er und grinste breit.

Schwer atmend steckte ich meine Pistole weg und nickte wissend. Natürlich wusste ich, worauf Rick anspielte.

Loser-Lisa.

Diesen Spitznamen hatte ich schon auf der Uni und durch irgendwelche dubiosen Umstände hatte er sich auch im NYPD bestätigt. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht spindeldürr war, wie die anderen Cheerleader und trotzdem ins Team wollte. Natürlich klappte das absolut nicht und ich scheiterte mit einer Tanzperformance, die von Fehlern nur so strotzte. Ihre Anführerin, Stella Brighton filmte alles mit ihrem Handy, stellte meinen Auftritt ins Netz und bereits im ersten Jahr auf dem College hatte ich einen Spitznamen weg, der alles andere als rühmlich war.

„Ach komm schon“, sagte Rick, warf mir die Zeitung zu und knuffte mir gegen die Schulter. „war nicht so gemeint, dass weißt du doch, oder?“

Ich strich meine blonden Haare nach hinten und warf einen Blick über die Gazette. Der Fotograph hatte im unvorteilhaftesten Moment abgedrückt, den man sich vorstellen konnte. Toll – ich war gut zu erkennen, mein Mund stand offen, als würde ich gerne husten und drei Mikrophone versperrten mir den Weg. Dazu lagen meine Haare komisch und die Augen waren so tief in den Höhlen, als wollten sie sich verstecken. Über allem prangerte die Überschrift:

Dreht das NYPD jetzt durch? Falsche Anschuldigungen gegen die Familie Earling!

Selbst ich musste zugeben, dass ich wie eine Verrückte aussah. „Sehen alle Zeitungen so aus?“

Rick begleitete mich zum Aufzug, nahm mir meine Tasche ab. „Leider ja. Die Earlings haben echt gute Kontakte.“ Er fuhr sich über seinen Drei-Tage-Bart. „Sie haben dich ziemlich …“

„… gefickt“, vollendete ich seinen Satz und klopfte ihm auf die Schulter, während wir auf den Aufzug warteten. „Aber vielen Dank, für deine Hilfe.“

„Keine Uhrsache“, antwortete er und richtete seinen maßgeschneiderten Anzug. Verdammt, er war nur ein einfacher Detectiv im Betrugsdezernat, wie konnte er sich den SLK und die Anzüge leisten? Ganz zu schweigen von den Urlauben mit Damen fragwürdigen Rufs.

Aber was regte ich mich auf. Immerhin hatte er mir hier geholfen und, wenn man es ganz genau nahm, war er einer der wenigen Leute beim NYPD, die mir nicht komplett auf die Nerven gingen, ja sogar halfen.

Rick räusperte sich. „Du sollst zum Chef.“ Der Ton in seiner Stimme war ruhig, gefasst, ganz so, wie Cops schlechte Nachrichten überbringen.

„Aha“, antwortete ich, während die Tür aufging und uns emsige Betriebsamkeit entgegenschlug. Uniformierte gingen im Gang umher, hielten Akten in den Händen und blickten kaum auf, während wir an der Überwachungszentrale vorbeischritten. „Will er mir jetzt schon den Einlauf verpassen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du es so nennen willst.“

Die Jungs hinter der gesicherten Scheibe lachten immer noch und formten mit den Händen den Buchstaben „L“. Im Hintergrund flackerten die Monitore der Überwachungskameras und ich sah mich selbst in Dauerschleife, wie ich meine Pistole gegen einen Betonfeiler erhob.

Das würde ein richtig großartiger Tag werden!

Ich streckte den mittleren Finger meiner rechten Hand aus und ging grinsend an ihnen vorbei. Hier musste man hart sein und zugegeben, in all den Jahren hatte ich es leider verinnerlicht.

„Sorry, Lisa, lass dich von denen runterziehen.“ Ricks gequälter Ausdruck verriet mir, dass er es ehrlich meinte. Die kurzen, blonden Haare standen in alle Richtungen ab, er blickte kurz zu Boden und zwinkerte mir zu. „Vielleicht kann ich dich als Entschädigung zum Abendessen einladen. Wir betrinken uns und vergessen den ganzen Scheiß.“

Nicht das erste Mal, dass er mich fragte. Er war ein ziemlich attraktiver Kerl, ohne Frage, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es keine gute Idee war, mit einem Kollegen auszugehen, der einfach zu viel redete.

„Sorry, Rick, du weißt, ich hab da ein paar Grundregeln. Eine davon ist nicht mit Cops auszugehen, dass macht nur Schwierigkeiten. Außerdem würde der Gedanke mich ein wenig verstören, wenn ich nur eine deiner ständig wechselnden Geliebten bin.“

„Ach, ich bin vielseitig“, sagte er und formte die Finger über Kreuz. „Vielleicht solltest du deine Regeln mal ändern, immerhin hast auch du Bedürfnisse.“

Ich verkreuzte die Arme. „Nett, dass du mich darauf hinweist.“ Tatsächlich war es nicht einfach, mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal ein wenig Bettsport betrieben hatte.

Er zwinkerte mir zu. „Kein Problem, Baby. Und, falls du es dir anders überlegst, lass es mich wissen.“

Mittlerweile hatten wir das Büro des Chefs erreicht. Er ging weiter, ich stoppte. „Werde ich, keine Angst.“

„Ja, dann … viel Spaß!“

Ich öffnete die Tür. Den würde ich haben … ganz bestimmt sogar.

***

Zehn Minuten später hatte sich der Captain genug aufgeregt, die Ader an seiner Schläfe pochte gewaltig und die schwarze Haut über seinen Muskeln spannte, als würde sie in den nächsten Sekunden reißen.

Ich wusste, dass Captain Jeff Wilkow den Posten nach jahrelanger, harter Arbeit, gerade erst bekommen hatte. Eine Breitseite der New York Times, der Post oder der Tribune konnte er sich gerade am wenigsten erlauben. Vor Allem, da er jetzt schon auf dem Posten des Commissioner schaute. Eigentlich mochte ich ihn und ich war mir sicher, dass auch er meine harte Arbeit im tiefsten inneren seiner Seele auffallend begrüßte, aber er musste jetzt hart sein.

Er wusste es, ich wusste es und verdammt, sogar der Empfangsdame war klar, was jetzt passieren würde.

„… ich mag, sie Detectiv Caulfield“, setzte er erneut an und atmete durch. „Aber so etwas können wir gerade nicht gebrauchen. Auf der einen Seite werden wir wegen Polizeigewalt fertiggemacht, für die anderen gehen wir zu weich gegen die vermeidlich Bessergestellten vor.“ Er tupfte sich die Stirn mit einem Stofftaschentuch. „Lisa, da haben Sie mich richtig dran bekommen. Ein paar jugendliche Studenten mit reichen Eltern dranzukriegen und nichts in der Hand zu haben, ist alles andere, als hilfreich.“

Hilfreich.

Das war sein Lieblingswort.

Offensichtlich ordnete er alles einem bestimmten Ziel unter und stellte sich bei jeder Entscheidung die Frage, ob es diesem Ziel diente. „Wir hatten Beweise“, sagte ich zerknirscht und mit dem Wissen, dass alles, was ich nun sagte, nichts bringen würde. Die Macht der vierten Gewalt war hier einfach zu groß. „Alle Informanten stimmten überein. Es gab Videomaterial, Aufnahmen, DVDs, Drogen, dass komplette Programm.“

„Und in der Nacht kam ein kleiner Kobold und versteckte das alles?“ Der Captain zeigte seine strahlend weißen Zähne. Verdammt, dieser Vorzeigebulle würde sich auch auf Wahlplakaten gut machen. Noch einmal atmete er genervt aus. „Sehen Sie es ein, Detectiv Caulfield, das war eine Nummer zu groß für Sie. Sie haben Ihren Namen leider alle Ehre gemacht.“ Er sprach meinen Spitznamen nicht aus, aber er formte die Worte gedankenverloren mit seinen Lippen. „Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als sie vom Fall wegzuziehen. Detectiv Rick DeGries wird die Leitung übernehmen und sie konsultieren, falls er Fragen hat.“

Ich nickte, sah zu Boden. Damit hatte ich gerechnet. Wochenlange Arbeit … für nichts. Gar nichts.

„Und was soll machen? Nach Hause gehen? Stricken?“

„Vielleicht wäre das fürs erste gar nicht so schlecht.“ Er sah an mir herab und versuchte nicht allzu viel Abscheu in seinen Blick zu legen. Zumindest das gelang ihm einigermaßen. „Ich weiß, sie haben sich die letzten Nächte um die Ohren geschlagen, aber fahren Sie nach Hause, nehmen Sie ein langes Bad und versuchen Sie den Fall zu vergessen.“ Er schob mir eine Akte über den Tisch. „Morgen können Sie mit einem neuen, kleineren Betrugsfall weitermachen. Noch ein reicher Schnösel wurde von einer anonymen Quelle beschuldigt. Statten Sie ihm morgen einen Besuch ab, seien Sie freundlich, lächeln Sie und dann legen Sie den verdammten Fall zu den Akten.“ Er nahm ein Kaugummi und bearbeitete es mit den Zähnen, als wäre es ein besonders zähes Stück Fleisch.

„Ich soll also nur einen Höflichkeitsbesuch abstatten und dann nichts unternehmen, auch, wenn an der Sache etwas dran sein sollte?“

„Sehen Sie in die Akte“, forderte Captain Wilkow mich auf.

Ich öffnete die erste Seite. „Andrew Scamander? Der Inmobilienmagnat und Aktienexperte, der liebend gerne mal in Krisengebiete fliegt? Ich dachte, der wäre tot?“

„Dachten viele“, antwortete mein Chef. „Er ist zurück, lebendiger denn je und keiner weiß, was auf der ganzen Welt gemacht hat.“

Auf dem Foto hatte er sich die schwarzen Haare mit Gel zurückgekämmt. Sein Bart lag irgendwo zwischen vier und fünf Tage und war nur ein paar Stunden davor, unordentlich auszusehen. Auf einem Foto trug er eine Uniform, auf dem anderen einen feinen Zwirn, der wahrscheinlich mehr kostete, als mein gesamtes Jahresgehalt. „Was hat er angestellt?“

„Wir hatten einen anonymen Tipp. Betrug, Drohungen, Wirtschaftskriminalität – um ehrlich zu sein, wir wissen es nicht und persönlich denke ich, dass diese ominöse Quelle einfach die Presse ausnutzen wollte, um Geschäftspartner zu diskreditieren.“

Ich blätterte weiter. Bei uns waren mehrere E-Mails eingegangen, mit Anschuldigungen, Gedankengängen und halbseidenen Kontobewegungen. Natürlich konnte nicht herausgefunden werden, wer die Mail übermittelte. In Zeiten von Darknet und Proxy-Servern musste man nicht einmal mehr ein Meister-Hacker sein, um die Polizei zu verschaukeln. „Ich nehme nicht an, dass wir Ressourcen nutzen, um der Sache nachzugehen?“

Seine Stirn zog sich in Falten. „Natürlich nicht, dass sind ein paar Mails von irgendjemanden. Gehen Sie der Sache nach und danach haben wir unseren Dienst getan. Glauben Sie mir, Caulfield, wir haben gerade ganz andere Probleme und ich will, dass Sie aus der Schusslinie sind.“ Er winkte mit zwei Fingern. „Das wäre dann alles.“

Ich erhob mich, ging zur Tür, bis die tiefe Stimme des Mannes noch einmal ertönte. „Und Detectiv Caulfield?“

„Ja, Sir?“

„Danach nehmen Sie sich ein paar Tage Urlaub und kümmern sich einmal nur um sich selbst. In Ordnung?“

Ich erhaschte einen kurzen Blick von meinem Antlitz im Spiegel. Gott, meine Haare sahen aus …

Ich brauchte dringend einen Kaffee … oder gleich eine ganze Kaffeeplantage.

„Ja, Sir.“