Red Dirt Heart: Sengende Erde

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Kapitel 2

Ein Schritt vorwärts. Zwei Schritte zurück

Als ich am nächsten Tag an meinem Schreibtisch saß, starrte ich noch immer die Zeitschrift an. Da war ich, auf dem Cover, zusammen mit Greg und Allan. Landwirtschaft in der Zukunft, lautete die Überschrift. Ich schätzte, es war besser als Landwirtschaft für warme Brüder.

Ich erinnere mich, dass an diesem Abend Fotos gemacht worden waren, aber nachdem ich mich in einem Raum voller Farmer geoutet, den alten Jack Melville mit einer Auswahl an Schimpfwörtern bedacht und dann einem ehemaligen Mitarbeiter zwei Zähne ausgeschlagen hatte, hatte ich nie mehr einen Gedanken an die Fotos verschwendet.

Gestern Abend, als er an meinem Tisch gelehnt hatte, während ich Nugget fütterte, hatte Travis den Artikel vor mir gelesen. Wahrscheinlich wollte er den Schlag etwas abmildern, falls erwähnt wurde, dass ich mich als schwul geoutet habe. Aber das wurde es nicht.

Der Artikel war ziemlich gut und ganz eindeutig Gregs Werk. Anscheinend hat ihm der Interviewer Gehör geschenkt und er hat ihm von seinen Plänen erzählt, wie er das Gesicht der Landwirtschaft im Outback ändern wollte. Er hat ihnen erzählt, dass die Tage der Vergangenheit vorbei waren, dass die jüngere Generation, also vor allem ich und Allen, bereit waren, die australische Rindfleischindustrie ins einundzwanzigste Jahrhundert zu bringen.

Über mich gab es lediglich einen Absatz. Darin stand nur, dass es ein willkommener Anblick war, nach dem Tod meines Vaters vor über zwei Jahren das neue Gesicht der Sutton Station zu sehen.

Trotzdem starrte ich das Magazin auf meinem Schreibtisch an. Es war eine unruhige Nacht gewesen. Es war schön, nach einer Woche wieder in unserem eigenen Bett zu liegen und Travis hatte sein Bestes gegeben, um mich abzulenken. Aber ich hatte zweimal aufstehen müssen, um einen hungrigen Wombat zu füttern und hatte eine Menge Zeit, in der ich eigentlich hätte schlafen sollen, damit verbracht, hellwach an die Decke zu starren.

Die Reaktion auf mein Coming-out in der kleinstädtischen Landwirtschaftsgemeinschaft war nicht allzu schlimm gewesen. Ich gebe zu, dass ich wesentlich Schlimmeres erwartet hätte. Aber es war mir immer noch egal; ich würde es jederzeit wieder tun. Kurz hatte mir Brian vom Co-op Widerstand entgegengebracht, doch ich hatte ihn recht schnell zur Vernunft gebracht, als ich gedroht hatte, meine Einkäufe woanders zu machen. Er kannte meinen Vater gut genug, um zu wissen, dass, wenn ein Sutton ein Versprechen gab, es ein Leben lang galt. Wenn er mein schwules Geld nicht wollte, würde ich es voll und ganz genießen, dafür zu sorgen, dass auch niemand sonst sein Geld bei ihm ausgab. Gehässig, vielleicht. Stur, ja. Ich war ein Sutton. Und sooft ich mir auch gewünscht hätte, es wäre anders, fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.

Trotz der immer noch nachklingenden Probleme, die ich mit meinem toten Vater und damit hatte, was er über meinen Auftritt denken könnte, hatte ich mich nie freier oder mehr wie ich selbst gefühlt.

Aber in den letzten Monaten, seit Travis' Visum bewilligt wurde und ich zugestimmt hatte, mich selbst zu nominieren, um in den Vorstand der Beef Farmers Association gewählt zu werden, war das Leben verschwommen an mir vorbeigezogen.

Ich hatte mit Greg und Allan ein wenig Vorarbeit geleistet, um ein öffentliches Profil zu bekommen und einen langsamen, aber stetigen Vorstoß in der Landwirtschaftsbewegung zu erreichen. Wir hofften, genug Schwung aufzubauen, um die überflüssigen Oldies abwählen zu können, die Angst vor Veränderungen hatten.

Ich hatte studiert – und dabei sehr wahrscheinlich geschmollt und getobt, aber mein kindisches Gejammer störte Travis überhaupt nicht. Er hat einfach gelächelt, noch dickköpfiger als ich, und mir gesagt, dass ich die Klappe halten und es endlich fertig machen soll.

Und lustigerweise schaffte ich es. Bis jetzt habe ich drei Fächer abgeschlossen, nur zwei standen noch aus, dann war das Studium, das ich vor Jahren begonnen hatte, endlich unter Dach und Fach. Es war ein Erfolg, noch einer, für den ich Travis danken konnte.

Ich fing langsam an zu begreifen, dass mich sein ewiges Drängen, meinen Scheiß auf die Reihe zu bekommen , einfach zu einer besseren Version von mir machte.

Und das galt nicht nur für mich. Sein Einfluss war überall auf der Farm zu spüren, nicht nur draußen auf den Weiden, sondern auch auf dem Hof. Seine Herzlichkeit gegenüber Nara, dem ehemals verängstigten Kind, hatte ihr geholfen, wieder auf die Füße zu kommen. Er hatte Bacon und Trudy überzeugt, mir gegenüber ehrlich zu sein, was ihre Beziehung angeht, was mich ehrlich gesagt wahrscheinlich davor bewahrt hatte, einen oder zwei der besten Arbeiter zu verlieren, die ich je hatte. Außerdem hatte er zwei kleinen Kreaturen das Leben gerettet, die ich wahrscheinlich hätte sterben lassen. Zuerst war es Matilda, das Känguru, gewesen und jetzt Nugget, der Wombat. Richtig oder falsch, ich hätte meine ignorante und egoistische Art beibehalten und sie sich selbst überlassen, während er angehalten und sie gerettet hatte.

Er hat mich gerettet.

Im Moment war er draußen und sortierte die Dachplatten mit George und Bacon und ich war im Haus, da ich eigentlich die Post und E-Mails durchgehen müsste. Ich war nach dem Frühstück draußen gewesen und hatte Shelby begrüßt. Anscheinend war eine Woche zu lang, wenn man sie in Pferdetagen zählte, denn sie hatte nach mir geschnappt und mich gegen den Zaun gedrückt. Ich hatte ihren Hals gestreichelt und ihr süße Worte zugeflüstert, um sie zu beruhigen und ihr bald einen Ausritt versprochen.

Als Bacon Travis gegen die Schulter gestoßen und ihn gefragt hatte, ob ich so mit ihm reden würde, habe ich beiden gesagt, dass sie sich verpissen sollen, woraufhin sie nur noch lauter gelacht hatten, und ich bin ins Haus gegangen.

Wo ich den gesamten Tag damit verbringen würde, Papierkram zu erledigen.

Vermutlich hat es sich angestaut, weil ich eine Woche weg war, aber es war frustrierend, dass ich mehr Zeit mit der Buchhaltung verbrachte als draußen und damit, zu tun, was ich wirklich liebte.

Aber ich wollte ein Farmer sein, auf den Travis stolz sein konnte und wenn das bedeutete, dass ich mich durch Rechnungen, Quittungen, Konten, Auszüge und E-Mails arbeiten musste, würde ich es tun.

Außerdem lenkte es mich von dem morgigen Treffen mit dem Supermarkteinkäufer ab.

Am nächsten Morgen juckte es mich in den Fingern, den Hubschrauber zu nehmen und Blake einzusammeln. Ich war nicht nervös, sondern wollte es einfach hinter mich bringen. Ich zweifelte nicht am Potenzial dieser Farm oder meinen eigenen Fähigkeiten, diesem Käufer zu geben, was er brauchte.

Ich musste ihn nur herbringen. Vom Rest konnte er sich selbst ein Bild machen.

George und ich checkten den Hubschrauber durch, der vollgetankt und gewartet war. Ich überprüfte auf der Wetterstation die Windrichtung und -geschwindigkeit, gab Melvilles Koordinaten in mein GPS ein und hob ab.

Ich hatte die Jungs gebeten, heute noch nicht damit anzufangen, das Dach neu einzudecken. Ich wusste nicht, worum Blake uns bitten würde – ob er ein oder zwei der Jungs in einem der Treibgänge brauchen würde – und ich wollte ihn nicht unbedingt hierherbringen, um ihn zu beeindrucken, nur damit er dann sah, dass das Dach des Hofs abgedeckt war. Mit dem Dach war eigentlich alles in Ordnung; es hatte nur ein Jahrzehnt zu oft die Jahreszeiten in der Wüste erlebt.

Pünktlich landete ich den Hubschrauber in sicherer Entfernung zu den Gebäuden, Ställen und dem Vieh auf Melvilles Grundstück. Der Mann war ein Arsch, aber ich respektierte das Farmleben und würde dem Mann auf keinen Fall einen Anlass geben, mich noch mehr zu hassen, als er es wahrscheinlich schon tat. Zumindest nicht ohne guten Grund.

Einige Männer standen um ein paar Quads herum, also ging ich selbstverständlich zu ihnen. Meine Anwesenheit wurde mit Schweigen und kalten Blicken zur Kenntnis genommen. Ich hingegen lächelte breit und sagte fröhlich: »Hat jemand ein Taxi gerufen?«

Blake lachte. »Ich bin gleich fertig und bei dir.«

»Kein Problem«, sagte ich. Dann sah ich zu Jack Melville und nickte ihm zu. »Mr. Melville.«

Seine Begrüßung war eher ein Brummen als ein Hallo. »Sutton.«

Ich tippte mir an den Hut, um seine Farmhelfer zu begrüßen und wünschte ihnen einen guten Tag. Als ich zu meinem Hubschrauber ging, hörte ich, wie Melville sagte, dass er seinen Buchhalter anweisen würde, Blake die Verkaufsberichte so schnell wie möglich zukommen zu lassen. Ich lächelte, denn ich wusste, dass Blake meine bereits hatte. Es war nur eine einfache E-Mail nötig gewesen und ich fragte mich, ob der alte Melville überhaupt wusste, was eine E-Mail war.

Ich hatte keine Ahnung, ob Blake ihnen erzählt hatte, dass ich ihn abholen würde, aber ganz sicher wussten sie nun, dass er in Betracht zog, Sutton Station auf seine Verkäuferliste zu setzen. Wenn Melville vorher noch nichts gegen mich gehabt haben sollte, wäre das jetzt definitiv der Fall.

Ich lächelte auf dem gesamten Weg zurück zum Hubschrauber.

Blake folgte mir keine fünf Minuten später und erst, als wir wirklich in der Luft waren, fing ich ein Gespräch an. Ich dachte mir, dass ein bisschen Sightseeing nett wäre.

Ich zeigte durch die Windschutzscheibe über die sich weit erstreckende rote, rote Erde und sagte ihm, welche Farmen in welcher Richtung lagen. Seine Augen waren so groß wie sein Lächeln und ich dachte mir, dass er das hier wahrscheinlich nicht so oft machte.

»Also, was ist dein Gebiet?«, fragte ich. »Welche Regionen betreust du?«

»Australien.«

Ich lachte. »Ganz Australien?«

 

Blake nickte. »Ich habe ein Team, aber ja, ich bin überall.«

»Welcher Teil des Landes gefällt dir am besten?«

Blake lächelte und sah durch die Windschutzscheibe. Die Wüste wirkte endlos. »Verschiedene Gebiete aus verschiedenen Gründen«, sagte er. »Ob es grüne Wiesen und viel Niederschlag sind, oder das hier« – er deutete mit der Hand nach vorn – »alle Farmer, mit denen ich spreche, halten ihre Region für die beste.«

Das brachte mich zum Lachen. »Ja, aber bei denen ist das nicht so zutreffend wie bei mir.«

Blake lachte leise und nickte, als hätte er das alles schon einmal gehört. »Ich nehme an, dass du Jack Melville kennst?«

Ich unterdrückte ein Seufzen und fragte mich, was der alte Mistkerl gesagt hatte. »Irgendwie.«

»Na ja, er meinte, dass es hier draußen gerade ziemlich hart ist«, fing Blake an. »Aber wenn ich mir die Wüste so ansehe, weiß ich nicht, wie ihr Jungs gute von schlechten Zeiten unterscheidet, wenn ich ehrlich sein soll. Ich meine, die Wüste ist hübsch anzusehen, aber ich beneide euch nicht darum, rotem Dreck Geld abringen zu wollen.«

Mein Lachen schien ihn zu überraschen. »Ich hab mal gedacht, dass man rote Erde in den Adern haben müsste, um es zu tun, aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher«, sagte ich, während ich daran dachte, wie gut sich Travis eingelebt hatte. »Ich glaube, man muss sie einfach verstehen, zu schätzen wissen und respektieren.«

Blake nickte. »Stimmt.«

»Und der alte Jack Melville denkt, dass alle Tage schlecht sind, die nicht die Achtziger sind.« Als mir klar wurde, dass ich wahrscheinlich gehässig klang, lockerte ich die Unterhaltung auf und fügte hinzu: »Ich erinnere mich, dass mein alter Herr mal gesagt hat, dass die Achtziger gut für die Industrie waren, aber das kann ich nicht wissen. Ich bin das, was er als New Age bezeichnen würde und kann nur von dem ausgehen, was ich weiß.«

Blake sah mich lächelnd an. »Ich sehe das ständig. Die alten Farmer machen die Dinge noch immer so, wie sie sie immer getan haben. Und sie kommen klar. Aber sie werden abgehängt. Die Leute sind heutzutage gebildeter und nutzen Wissen und Forschung und passen sich an, damit es funktioniert.«

»Ganz genau!«, stimmte ich zu. Und so unterhielten wir uns weiter über Technologie, Wissenschaft, Arbeitsstunden und selbst die Verwendung von genau der Art Hubschrauber, in der wir gerade saßen, bis der Hof in Sicht kam. Ich erzählte ihm alles über die Solarhalsbänder, die Travis einigen Rindern der Station verpasst hatte und er wollte sehen, wie sie funktionierten.

Ich landete den Hubschrauber und wir wurden von George, Travis, Billy und dem Tierarzt Scott begrüßt. Anscheinend war er nur fünf Minuten vor uns angekommen. Ich stellte alle vor und dann verloren wir keine Zeit.

Wir trieben ein paar Jährlinge und trächtige Kühe in das runde Gatter und Blake machte sich an die Arbeit. Er stellte Scott ein Dutzend Fragen, während sie die Rinder inspizierten. Dann bat er darum, sich die Getreidesilos und Futterbuchten ansehen zu dürfen und wollte auch einen Blick auf die Aufzeichnungen aller Tierarzteinsätze, Impfungen und Verabreichung von Medikamenten werfen.

Scott rief in der Praxis in Alice Springs an und fünfzehn Minuten später hatte er die Dateien in seinem Postfach. Als Letztes wollte Blake einige der Rinder auf den Weiden sehen. Vermutlich wollte er nicht, dass wir die bestaussehenden Tiere zusammentrieben, wenn sie vielleicht nicht ein wirklicher Gradmesser für unsere typische Qualität waren.

Ich zögerte nicht. Ich hatte nichts zu verbergen. »Sicher doch«, sagte ich zu Blake und Scott. »Kommt rein, dann zeige ich euch zuerst, wie die GPS-Halsbänder funktionieren.«

Ich führte sie in mein Büro und zeigte ihnen das Programm auf meinem Laptop. Es war eine Darstellung der Grundstücksgrenzen der Sutton Station und innerhalb befanden sich zehn kleine, leuchtende rote Punkte. Ich deutete auf den Bildschirm. »Zehn Halsbänder. Sie sind solarbetrieben und zeichnen Nahrungsaufnahme, Aufenthaltsort und Bewegungsprofil dieser ausgewählten Rinder auf. Wir haben zehn Halsbänder in der ganzen Herde verteilt, um einen breiten Abriss zu bekommen.«

Ich klickte wahllos auf ein Halsband und ein kurzer, prägnanter Verlauf dieses Tiers samt GPS-Koordinaten wurde angezeigt.

Scott war fasziniert. Blake hingegen lächelte nur.

Ich reichte Scott das Pamphlet, das wir mit den Halsbändern erhalten hatten und er war hin und weg. »Ihr hattet die noch nicht, als ich das letzte Mal hier war?«, fragte er.

»Nein. Die sind neu. Wir haben sie erst seit etwa vier Wochen«, sagte ich. »Ich kann hier in meinem Büro sitzen und habe eine ziemlich gute Vorstellung davon, was meine Rinder tun. Es macht die Sache wesentlich leichter, wenn man bedenkt, dass meine nördlichste Weide fast vierhundert Kilometer weit weg ist.«

»Du kannst also jederzeit überwachen, wo ein ausgewählter Teil der Herde ist?«, fragte Blake nun scheinbar beeindruckt.

»Jap. Und wir können ihre Wanderungen nachverfolgen, wie weit sie über welchen Zeitraum gelaufen sind. Wir haben nur zehn damit ausgestattet, fünf Kühe und fünf Ochsen«, sagte ich.

Ich zog mein Handy hervor. »Ich hab hier auch eine App. Man kann sie mit auf die Weide nehmen, um einige Rinder zu untersuchen. Sie bringt dich bis auf wenige Meter an einen dieser Punkte heran.« Ich deutete auf das Display. Blake lächelte. »Das gefällt mir.«

»Das ist nicht mein Verdienst«, sagte ich geradeheraus. »Ich bin da nicht draufgekommen. Es war Travis Craigs Idee. Der große Amerikaner. Ich muss zugeben, dass ich es anfangs für eine ziemlich verrückte Idee gehalten habe, aber es ist ein verdammt gutes Konzept. Man kann die Halsbänder vom Landwirtschaftsministerium Queensland kaufen. Jeder kann es tun.«

Ich zeigte ihnen auf der App, wie wir jedes der Tiere von einem Punkt mit Mobilfunkempfang aus orten und sehen konnten, wo sie waren und gewesen waren. Blake und Scott waren ziemlich beeindruckt. »Ich hab schon mal davon gehört, aber es noch nie im Einsatz gesehen«, sagte Blake. »Das ist wirklich bemerkenswert.«

Ich brachte sie wieder nach draußen. »Du könntest ohne mein Handy und GPS ausreiten, aber es würde eine Weile dauern, bis du irgendwelche Rinder findest. Diese Weide hier« – ich nickte zum Zaun – »ist etwa achtzig Kilometer lang.«

Blakes Antwort war genau die, die ich erwartet hatte. »Oh.«

»Mit dem Pick-up ist man schneller«, sagte ich lächelnd und reichte ihm mein Handy. »Travis kann mit dir rausfahren.«

Travis versteckte seine Überraschung gut. »Jap. Sicher doch«, sagte er. Kurz verengte er die Augen und sah mich an, als würde er Was zur Hölle sagen, ehe er Blake zu dem alten Land Rover führte.

Ich lachte leise, als Travis auf der Fahrerseite einstieg, denn ich wusste sehr genau, dass er es hasste, australische Autos zu fahren. Bei mir konnte er sich weigern, aber ich wusste, dass er das nicht bei einem Mann tun würde, den wir beeindrucken wollten.

Ich wollte, dass sich Travis mit ihm unterhielt. Erstens, weil Travis der Klügste von uns war und über die Halsbänder recherchiert hatte, bevor er mich davon überzeugt hat, sie zu kaufen, und ich wollte, dass Blake sah, was für ein junges, gebildetes Team wir waren. Und zweitens, wenn es jemanden gab, der Blake dazu überreden konnte, uns ein garantiertes Einkommen zu verschaffen, dann war es Travis.

Daran hatte ich keinen Zweifel.

»Scott«, sagte ich zu unserem Tierarzt. »Vielen Dank, dass du so kurzfristig rausgekommen bist.«

»Kein Problem«, sagte er. Er sah sich um und schien sich etwas unwohl zu fühlen, weil nur noch wir beide hier waren.

Ich fragte mich, was das Problem war und dann fiel der Groschen. Er hatte davon gehört, dass ich schwul war. Es stimmte, dass in der Wüste nicht viel wuchs, aber Buschfunk funktionierte hervorragend.

Also atmete ich tief ein und hob das Kinn. »Lass mich raten, Scott. Du hast Gerüchte über mich gehört?«

Ich sah zu, wie er schluckte, dann zuckte er mit den Schultern. »Vielleicht.«

»Darf ich dich etwas fragen?«

Er antwortete mir nicht, sah mich aber an, als würde er darauf warten, dass ich fortfuhr, also tat ich es.

»Wie sehen die Rinder aus?«

Meine Frage verwirrte ihn. »Ähm, gut. Sie sehen wirklich gut aus.«

»Wir erwarten bald eine Zwei-zu-eins-Abkalbung«, sagte ich ihm. »Ziemlich gute Zahlen für diese Gegend, stimmt's?«

Er nickte, offensichtlich noch immer unsicher, worauf ich mit diesen Fragen hinauswollte. »Ja, besser als bei den meisten.«

»Und mein Team hier«, sagte ich und sah zurück zum Hof, »jeder von ihnen könnte diese Farm leiten, wenn es sein müsste. Und das haben sie. Ich vertraue ihnen und sie vertrauen mir.«

Er blinzelte. »Und?«

»Ich wollte nur etwas klarstellen«, sagte ich einfach. »Egal, ob diese Gerüchte stimmen oder nicht, es macht keinen verfickten Unterschied, wie ich diese Farm leite.«

Sein Mundwinkel zuckte, als würde er ein Lächeln unterdrücken. Er schwieg einen Moment. »Erinnerst du dich an das letzte Mal, als ich mit meinem Dad hier war? Ich war ungefähr sechzehn. Du warst, ich weiß nicht, wahrscheinlich zehn.«

In dem Alter war es ein Dutzend Mal vorgekommen. »Ja?«

»Dein Dad hat meinem Dad erzählt, dass ein Farmer Wasser aus seinem Bohrloch verloren hat und du hast gesagt, dass es keinen Sinn ergibt. Du meintest, dass das Wasser wahrscheinlich eher zu salzig ist und die Rinder einfach mehr trinken.«

Ich lachte. Ich hatte vergessen, dass ich das gesagt hatte. »Ja.«

»Das werde ich nie vergessen«, sagte er. »Als wir von hier weg die Straße runtergefahren sind, hat mein Dad gesagt: Dieser junge Charlie ist nicht dumm. Er wird einer der besten Farmer hier draußen werden, wenn man ihm die Chance gibt.«

»Das hat er gesagt?«

Scott nickte. »Jap. So wahr ich hier stehe. Und weißt du was?«

»Was?«

»Du hattest recht. Dad hat den Kerl angerufen und ihm gesagt, dass er die PH-Werte testen soll.«

Ich prustete. »Wenn es um die Landwirtschaft geht, habe ich normalerweise recht.« Dann fügte ich hinzu: »Na ja, das sollte kein Eigenlob sein. Ich wollte nur, dass du siehst, dass nichts anders ist, ob die Gerüchte nun stimmen oder nicht. Das ist alles.«

Scott blickte über die Weide, als würde es die Sache leichter machen, wenn er mich nicht ansah. »Dann stimmten die Gerüchte?«

»Dass ich schwul bin?«, fragte ich. »Oder dass ich dem alten Jack Melville gesagt habe, er soll sich seine veraltete Ansicht über die Landwirtschaft dahin schieben, wo die Sonne nicht scheint? Oder dass ich Jason Fisher wiederholt ins Gesicht geschlagen habe?« Ich zuckte mit den Schultern. »Eigentlich stellt sich die Frage nicht. Alles stimmt.«

Dieses Mal lachte Scott. »Du hast dich nicht verändert.«

Ich lächelte. »Nope.«

Wir unterhielten uns noch eine Weile über die Arbeit und kurze Zeit später hörten wir den Pick-up kommen. Ma hatte für unsere Gäste ein Mittagessen aus unserem eigenen Fleisch vorbereitet, das sie auf verschiedene Arten zubereitet hatte: gepökelt, gebraten, gehackt und in Scheiben, zusammen mit einer großen Auswahl an Würzsoßen und warmem, frisch gebackenem Brot. Sie musste vollkommen fertig sein, weil sie den ganzen Vormittag über gekocht hatte.

Blake und Travis lächelten, als sie ankamen, genau, wie ich es gehofft hatte. Es war lustig, zu sehen, wie sich Neulinge an unseren Tisch setzten und aßen. Ja, wir waren Kollegen, ähnelten aber sehr viel mehr einer Familie. Es fing leise und zögerlich an, aber als die Platten in der Mitte leer waren, gab es die üblichen Gespräche und das Lachen. Ganz zu schweigen davon, dass das Handelsmagazin mit meiner hässlichen Visage auf dem Cover noch immer die Pointe einiger Witze war.

Kurz bevor wir fertig waren, erschien Nara in der Tür. Sie zuckte zusammen und entschuldigte sich. »Tut mir leid, Mr. Sutton. Ich dachte, Sie wären fertig. Ich kann wiederkommen.«

Ich wusste, dass es etwas Wichtiges sein musste, wenn sie uns unterbrach. »Was ist los, Nara?«

Verlegen trat sie ein, einen jammernden Nugget und eine noch immer volle Flasche in der Hand. »Er will nicht trinken. Ich hab es versucht und Ma auch. Er hat seine morgendliche Fütterung nicht bekommen und jetzt diese…«

Alle Blicke richteten sich auf mich und ein paar Leute versuchten, ihr Lächeln zu unterdrücken. Billy grinste einfach halb, wie er es immer tat. Ich seufzte laut und lang gezogen. »Gib ihn her.«

Sobald der kleine Scheißer in meinen Armen war, schmiegte er sich an mich und in dem Moment, in dem ich ihm die Flasche ans Maul hielt, trank er, als würde er verhungern. Ich schüttelte den Kopf. Jemand lachte. »Das ist nicht lustig«, sagte ich, aber alle anderen am Tisch schienen der Meinung zu sein.

 

Ich sah Scott an. »Du willst nicht zufällig einen Wombat mit zurücknehmen?«

Scott lachte einfach nur, aber der Tierarzt in ihm war sofort an dem kleinen, glücklichen Tierchen in meinen Armen interessiert. »Wombats sind hier draußen nicht sehr verbreitet«, sagte er. »Wie hast du ihn bekommen?«

Travis antwortete. »Hab eine tote Mutter an der Straße gefunden.« Scott nickte. Leider war das nicht überraschend. Dann sagte Travis: »Er ist völlig in Charlie vernarrt. Seit wir aus Kakadu wieder da sind, scheint er der Einzige zu sein, von dem er sich füttern lässt. Er schläft auch unter seinem Arm.«

»Zerkratzt mir den Brustkorb«, fügte ich hinzu. »Ich bekomme mit Sicherheit Narben.«

Scott lachte. »Er scheint zu glauben, dass du seine neue Mutter bist.« Er musterte den kleinen Kerl eine Weile. »Er sieht aus, als wäre er etwa ein Jahr alt. Bis zum zweiten Lebensjahr wird er von dir abhängig sein. Im Verlauf des nächsten Jahres kannst du ihm Gras, Getreide und Spezialpellets anbieten, um ihn zu entwöhnen.«

»Ein Jahr?«, sagte ich wahrscheinlich lauter, als ich es hätte tun sollen. Es erschreckte Nugget. »Ja, du«, sagte ich und sah hinunter auf das beleidigte Wombatbaby. »Schau mich nicht so an. Du bist nicht derjenige, der alle drei Stunden aufstehen muss, um dich zu füttern.«

Ich sah zurück zu dem etwas verträumten Tierarzt und hielt ihm das Babywombat entgegen. »Du bist Tierarzt. Du nimmst ihn.«

Er hob die Hände, als würde ich auf ihn schießen wollen. »Ich habe drei Kinder, die ihn lieben würden«, sagte er und sein Blick wurde weich, als er sie erwähnte. Dann seufzte er. »Aber meine Frau würde mich umbringen, wenn ich noch ein Tier mit nach Hause bringe.«

Ich sah Travis an und sagte: »Ich weiß ganz genau, was du meinst.« Er lachte und wusste, dass ich wahrscheinlich dasselbe über ihn sagen würde, sollte er noch weiteres Getier anschleppen.

Aber dann seufzte Scott. »Ich kann ihn bei einer Wildtierstation abgeben, oder vielleicht nimmt ihn eine der Tierpflegerinnen«, sagte er. »Wenn du das wirklich willst.«

Ich sah hinunter auf den kleinen Kerl in meinen Armen, der in eine Wollmütze und einen meiner alten Pullover eingewickelt war – denselben Pullover, in dem Travis Matilda gehalten hatte. Nugget trank wieder, seine kleinen Augen waren geschlossen und seine Nase zuckte, während er trank. Er schien zu lächeln. Seufzend verdrehte ich die Augen. »Ne. Es wird ihm schon gut gehen.«

Travis hatte versucht, nicht zu lachen, aber jetzt schnaubte und lachte er unterdrückt.

»Das ist nicht witzig«, sagte ich ihm. »Das ist deine Schuld.«

»Natürlich«, sagte er trocken, ehe er Blake die Hand reichte. »Ich muss wieder an die Arbeit. Denk daran, was ich gesagt habe.«

Blake lächelte, als er Travis' Hand schüttelte. »Kein Problem.«

Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass wir bald losmussten, damit Blake pünktlich am Flughafen war. Ich stand auf, als Ma gerade hereinkam, um die leeren Platten vom Tisch zu nehmen.

Scott erhob sich schnell. »Guten Tag, Mrs. Brown«, begrüßte er sie förmlich. »Das Mittagessen war großartig, vielen Dank.«

Ma winkte ab und lief ein wenig rot an, sodass sie endlich etwas Farbe auf ihren Wangen hatte. »Sehr gern geschehen, Jungs. Scotty, bitte grüß deinen Vater von mir.«

»Mach ich«, sagte er nickend und ging dann nach draußen.

Ich ließ Scott bei Travis und George zurück und brachte Blake zum Hubschrauber, um Richtung Südwesten nach Alice zu fliegen. Wir hatten es mit dem Flughafen abgesprochen und die Erlaubnis, zu landen und aufzutanken. Es gab einen Helikopterlandeplatz, der regelmäßig von den Ansässigen und auch von Touristen genutzt wurde.

Unsere Unterhaltung war anders als auf dem Hinflug. Er sagte mir, dass ihm gefiel, was er gesehen hatte und dass unsere Herangehensweise, die mehr Rücksicht auf die Tiere nahm – die Kälber länger als sonst bei den Müttern zu lassen, weniger Stress, kürzere Haltung in den Futterboxen, mehr Zeit auf den offenen Weiden – über den Standards in der Industrie lag. Er sagte: »Travis hat davon gesprochen, die Natur der Erde hier draußen zu nutzen, um beim Umgang oder dem Ausmerzen von Problemen mit der Kontrolle von Krankheitserregern zu helfen. Oder so was.« Blake schüttelte den Kopf. »Verrat's ihm nicht, aber da bin ich nicht mehr mitgekommen. Die Fleischindustrie verstehe ich. Die Wissenschaft hinter der Erde nicht wirklich.«

Ich lachte, wahrscheinlich etwas zu laut und heftig. »So ist Travis nun mal.«

»Er ist weit weg von zu Hause«, fügte Blake hinzu. »Aus Texas, hat er gesagt.«

»Ja. Aber er nennt das hier jetzt sein Zuhause.« Ich zuckte mit den Schultern und wollte nicht mehr über Travis sagen. Ich war nicht dagegen, dass die Leute es wussten, wenn es sein musste, aber ich würde nicht unnötig darüber plappern, dass wir schwul waren und was das für Geschäftsabschlüsse und Angebote bedeutete. Blake schien ein anständiger Kerl zu sein, aber er war hier, um übers Geschäft zu reden. Ich hatte nicht vor, sein Sexleben anzusprechen, warum sollte ich es dann mit meinem tun?

Ich wechselte wieder das Thema, deutete nach rechts und zeigte ihm eine Herde wilder Kamele. Verwundert schüttelte er den Kopf. »So seltsam, sie hier draußen zu sehen.«

Ich nickte. Wahrscheinlich hatte er recht. »Sie sind eine Plage, seit man die Eisenbahntrasse zwischen Adelaide und Darwin gebaut hat. Afghanen haben sie vor hundertfünfzig Jahren hierhergebracht. Sie konnten sie nicht wieder mitnehmen, also haben sie sie vermutlich einfach hiergelassen.«

»Eine Plage, hm?«, sagte er gutmütig lächelnd. »So ähnlich wie dein kleiner Wombat.«

Schnaubend schüttelte ich den Kopf. »Zuerst war es ein Känguru und jetzt ein Wombat. Bald sind wir eine Wildtierauffangstation.«

»Ich bin vielleicht etwas vorschnell«, sagte er und seine Stimme klang durch die Kopfhörer etwas zögerlich. »Ich kann nichts versprechen und das ist keine Garantie.«

Ich wartete darauf, dass er die richtigen Worte fand. Wünschte und hoffte, dass er sagte, was ich dachte.

»Nichts ist sicher, bis unsere Tierärzte selbst eine Inspektion durchgeführt haben«, sagte er. »Ich will nur, dass du das weißt.«

»In Ordnung.«

»Aber ich dachte…«, fuhr er nervös fort, »dass, verdammt, meine Frau würde diesen Ort liebend gern sehen.«

Ich lachte bellend. »Jederzeit.«

***

Als ich den Hubschrauber wieder auf Sutton-Erde landete, war es nicht mehr lang bis zum Abendessen und ich war platt. Es war ein großer Tag gewesen. Nicht körperlich, eher mental und so viel Zeit im Hubschrauber zu verbringen, sich zu konzentrieren und zu navigieren, war anstrengend.

Ich wurde von einem grinsenden Travis begrüßt, der hundert Fragen darüber hatte, wie es gelaufen war. »Ziemlich gut, glaube ich«, war in etwa alles, was ich sagte. »Können wir später darüber reden? Ich bin kaputt.«

Kurz darauf war ich im Haus und schon wurde mir Nugget in die Arme geschoben, damit ich ihn fütterte. Beim Abendessen und einem Tisch überladen mit Resten und frischem Brot, erzählte ich allen von meiner Unterhaltung mit Blake und fütterte dann den verdammten Wombat noch ein letztes Mal vor dem Schlafengehen. Ich gähnte und meine Lider waren schwer, weshalb ich nicht protestierte, als mich Travis in unser Zimmer führte.

Nicht, dass ich das jemals getan hätte.

Er umfasste mein Gesicht und küsste mich, sanft, innig und seufzte, als er seine Lippen von meinen löste.

»Ich habe drei Stunden, bevor ich wieder füttern muss«, murmelte ich.