Über uns die Sterne, zwischen uns die Liebe

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Patrick lachte leise. »Tut es. Sie legen keinen Wert auf Ordnung.«

Ein weiterer Seebär kam aus dem brodelnden Meer, watschelte auf seinen Flossen auf eine zufällige Stelle zu und brach dort zusammen.

»Geht es ihm gut?«, fragte ich. Doch bevor Patrick antworten konnte, rollte sich der Seebär herum, wedelte mit den Flossen und bellte. »Oh.«

Patrick lachte.

Dann bellte ein weiterer, dann einer höher oben. Einer musste einem anderen zu nah gekommen sein, denn es gab eine lautstarke Auseinandersetzung und der Verursacher zog sich zurück. Dann setzte ein Tier auf einem nähergelegenen Felsen sich auf und stieß ein lautes, bellendes Heulen aus, ein anderes klatschte mit den Flossen.

Ich atmete tief ein. »Was ist das für ein Geruch?«

Patrick lachte erneut. »Sie stinken, stimmt's?«

Es war ein stark fischiger Meergeruch, der nicht unbedingt angenehm war. Ich nickte. »Und sie sind lauter, als ich gedacht habe.«

Patrick lehnte sich zurück und beobachtete glücklich das Schauspiel vor uns und eine lange Zeit über betrachtete ich ihn.

Es war, als wäre er die Personifikation dieser Küste, dieses Meeres. Er bestand ganz aus Brauntönen, Blau und Grau, genau wie die Szenerie hinter ihm, mit einem Funken Lebendigkeit in den Augen, aber auch Traurigkeit. Ein bisschen heruntergekommen, schroff, wettergegerbt, aber dennoch wunderschön.

Ich musste mich zwingen, die Seebären anzuschauen. Und ich musste mich daran erinnern zu atmen.

»Schau«, sagte er aufgeregt und zeigte auf etwas. »Ein Jungtier.«

Er zog seine Umhängetasche nach vorn und brachte eine Digitalkamera und einen Notizblock zum Vorschein. Er machte ein Dutzend Aufnahmen und verstaute die Kamera wieder, bevor er den Block öffnete. »Ich halte nur ein paar Daten fest«, sagte er. »Und schicke sie an das Seehundschutzzentrum in Kingscote.«

»Wie an die Pinguin-Leute in Penneshaw?«

Er grinste mich an. »Du weißt es noch.«

»Natürlich. Ich finde es toll, dass du das machst.«

Patrick zuckte die Schultern. »Ob die Information hilft oder nicht, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber ich schätze, sie kann nicht schaden.« Dann meinte er: »Wenn ich schon rumsitze und ewig aufs Meer starre, kann ich genauso gut etwas Nützliches tun.«

Ich schwieg, während er Zahlen aufschrieb und was immer ihm sonst noch auffiel, und dachte darüber nach, was er gesagt hatte.

Wenn ich schon rumsitze und ewig aufs Meer starre…

Er hatte bereits zuvor erwähnt, dass er das Meer beobachtete und studierte. Ich hatte ihm bisher nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sicher, ich mochte den Strand ebenso sehr wie jeder andere. Sonne, Sand und Surfen machten immer Spaß und als Kind hatte ich es geliebt, in den Ferien an den Strand zu gehen. Aber ich hatte ihn, den Ozean, nie geliebt. Ich hatte mich nie nach ihm gesehnt und mir gewünscht, seine Geheimnisse zu kennen. Nicht wie die Sterne. Nein, ich schenkte dem Meer nur selten Beachtung, weil ich ständig nach oben schaute.

Ich wusste, dass die meisten Menschen nur den dunklen Himmel sahen, wenn sie nachts aufblickten. Sie bewunderten nicht die Sterne, Galaxien und die unendliche Weite des Alls. Die endlosen Möglichkeiten, den Sinn oder Unsinn des Lebens. Die meisten Menschen sahen nur ein paar Sterne und einen Mond und scherten sich nicht groß darum. Genau wie ich, wenn ich den Ozean betrachtete.

Daher wandte ich meinen Blick eine Weile aufs Meer, statt die Seebären zu beobachten. Ich versuchte zu sehen, was er sah. Entdeckte er Mysterien und Macht? Sah er Kraft oder empfand er es als beängstigend und grenzenlos?

»Langweilen dich die Seebären?« Patricks Stimme erschreckte mich und als ich ihn ansah, bemerkte ich, dass er lächelte.

»Oh nein, ganz und gar nicht. Genau genommen sind sie unglaublich. Es ist kaum vorstellbar, dass sie wilde Tiere sind.«

»Niedliche, liebenswerte Zwergpinguinkiller«, sagte er. Mein Mund klappte auf und Patrick lachte. »Es stimmt.«

Ich sah hinüber zur Gruppe der Seebären, dann wieder zu Patrick. Er nickte und ich runzelte an die Seebären gewandt die Stirn. All diese niedlichen, liebenswerten Zwergpinguinkiller. »Ich werde sie nie wieder mit den gleichen Augen sehen.«

Patrick lachte in sich hinein und stieß meine Schulter mit seiner an. Er war einen Moment still, dann sagte er: »Geht es dir gut? Du warst eine Weile in Gedanken versunken.«

»Ja, es geht mir gut«, antwortete ich instinktiv. »Ich habe nur nachgedacht…«

Er biss sich auf die Unterlippe, als kämpfe er mit sich, nachzuhaken. »Worüber?«

Ich glaube, er erwartete irgendein Geheimnis aus meiner Vergangenheit, denn meine Antwort schien ihn zu überraschen. »Über dich, ehrlich gesagt.«

Sein Blick suchte meinen. »Mich?«

Ich schluckte mühsam, plötzlich nervös. »Was siehst du, wenn du dort hinschaust?«, fragte ich und nickte in Richtung des Meers hinter ihm. »Ich habe versucht zu verstehen, was jemand wahrnimmt, der den Ozean studiert. Ich meine, ich weiß, was ich sehe, wenn ich den Nachthimmel betrachte. Ich habe mich nur gefragt, ob es wohl dasselbe ist.«

Er wandte sich um und sah lange hinaus aufs Wasser. So lange tatsächlich, dass ich mich fragte, ob er mir antworten würde. Er sagte in den Wind: »Ich sehe etwas, das wunderschön und uralt ist. Das unerbittlich und unnachgiebig ist.«

Das waren große Worte. Ich konnte mir vorstellen, dass für die Gefühle dahinter dasselbe galt. »Unnachgiebig? Wie das, wenn es sich doch beugt und bricht?«

Da sah er mich an, lächelte und schüttelte den Kopf. »Es ist nicht das Meer, das sich beugt und bricht. Du glaubst, dass die Felsen unbeweglich und eine feste Größe sind, weil sich die Wellen an ihnen brechen, aber das Gegenteil ist der Fall. Das Meer formt und zerbricht sie. Es bewegt sie, nicht anders herum. Das Meer ist eine dauerhafte Kraftquelle. Es beugt sich nichts und niemandem.«

Er sprach mit solcher Vertrautheit, mit so roher Aufrichtigkeit, dass es mir Angst machte. Es machte mir so viel Angst, dass ich seine behandschuhten Finger ergriff und sie drückte. Er hielt meine ebenso fest und keiner von uns sagte etwas.

Es tat mir leid, dass ich gefragt hatte, und gleichzeitig war ich froh, dass ich es getan hatte.

Es war, als würde ich mit jeder Frage, die ich stellte, mit jeder Antwort, die er gab, neue Fragen ausgraben. Ich wollte mehr erfahren, aber fürchtete mich vor dem, was ans Licht kommen würde, hatte Angst davor, ihm zu nah kommen, überhaupt irgendjemandem. Es war nicht fair, alles über ihn wissen zu wollen, wenn ich ihm nicht die Wahrheit über mich erzählen konnte.

Mir graute davor, dass er mir Fragen stellte, die ich nicht beantworten konnte, und vielleicht wusste er das irgendwie, denn er fragte nicht. Wir saßen nur da, hielten uns an den Händen und beobachteten die Seebären, bis die Sonne unterzugehen begann, die Temperatur fiel und der Wind auffrischte.

Ein heftiger Schauder erfasste mich und Patrick rieb meine Hand zwischen seinen eigenen. »Bereit zu verschwinden?« Ich nickte. »Dann komm, schaffen wir dich nach Hause.«

Und obwohl wir beide Handschuhe trugen, vermisste ich den Kontakt in der Sekunde, in der er losließ. Ich kam auf die Beine und konnte nicht aufhören zu zittern, die Kälte war mir in die Knochen gekrochen. Ich schlang die Arme um mich. »Gott, ist das kalt.«

Patrick sah entsetzt aus. »Es tut mir leid. Ich hätte daran denken müssen.«

»Nicht deine Schuld«, sagte ich mit klappernden Zähnen. »Woran denken müssen?«

»Dass es kälter werden wird, als du es gewohnt bist. Komm, beeilen wir uns.« Er stieg die Felsen hinauf und drehte sich um, um mir die Hand zu reichen.

Ich nahm sie und lächelte. »Wie ich sehe, hat sich das Blatt gewendet. Ich habe dir auf dem Aussichtspunkt bei den Pinguinen geholfen, jetzt hilfst du mir.«

»Und ohne einen Kommentar von wegen alter Mann.«

Ich lachte und er zog mich mit Leichtigkeit hoch. Als er meine Hand losließ, waren keine fünf Zentimeter Platz zwischen uns. Ich fand seinen Blick. Er war mir so nah, dass ich ihn hätte küssen können, und ich sah das blaue Feuer der Begierde in seinen Augen. Aber er blinzelte es rasch beiseite und trat einen Schritt zurück. »Ehm, ja. Zum Wagen… da lang«, murmelte er und ging erneut voraus.

Der Rückweg zum Auto schien länger zu dauern. Vielleicht lag es auch am nachlassenden Tageslicht, das uns vorsichtig und langsamer voranschreiten ließ. Und vielleicht fürchtete ich mich davor, allein mit ihm auf engem Raum zu sein. Vielleicht freute ich mich darauf.

Wir stiegen ins Auto und ich bemerkte zuerst die Stille. Dann, wie meine Haut brannte, wo der eisige Wind sie berührt hatte. Dann, dass mein ganzer Körper zitterte. Patrick startete den Motor und drehte die Heizung auf, die Lüftung auf mich gerichtet. »Bitte versteh mich nicht falsch, aber es wäre mir wirklich lieber, wenn du mit zu mir kommst.«

Ich rieb die Hände an meinen Oberschenkeln. »Warum?«

»Weil ich davon ausgehe, dass es dort wärmer ist als bei dir.«

»Meine Unterkunft ist nicht so übel. Ich meine, es ist nicht das Taj Mahal, aber für mich reicht es.«

»Ich habe endlos heißes Wasser und genug Suppe gekocht, um eine Woche damit auszukommen. Du wirst eine Dusche brauchen, um dich aufzuwärmen. Du bist durchgefroren bis auf die Knochen.«

Ich versuchte, etwas zu erwidern, aber meine Zähne klapperten. Offenbar war ihm das Antwort genug. Er setzte den Wagen in Bewegung und fuhr mich zu seinem Haus. Als wir dort ankamen, war mir wärmer. Die Heizung des Wagens war ziemlich zuverlässig, aber die Vorstellung einer heiße Dusche und einer warmen Suppe war zu verlockend, um zu verzichten.

 

Patrick fuhr vor seinem Haus vor, nahm seine Tasche und stieg aus. Er öffnete die Haustür und wartete darauf, dass ich zuerst eintrat. Er hatte recht: Sein Haus war warm. Nicht nur so, dass ein Heizlüfter den ärgsten Frost aus der Luft geholt hatte, sondern richtig durchgewärmt, als wäre die Hitze in die Wände und alles dazwischen gesickert.

Patrick kniete sich vor das Feuer und legte ein Holzscheit nach. Tabby, die sich davor zu einer Kugel zusammengerollt hatte, miaute dankbar. Er streichelte sie kurz, dann stand er auf. »Zur Dusche geht's hier lang.« Er ging einen kleinen Flur entlang und blieb vor einer offenen Tür stehen. »Saubere Handtücher sind drinnen. Lass das Wasser so heiß laufen, wie du es ertragen kannst, und so lange du willst. Es wird mit Erdgas aufgeheizt, also kann es dir nicht ausgehen.«

Er zog die Tür zu und ließ mich im Bad allein. Mir dröhnte das Blut in den Ohren. Vielleicht war mir kälter, als mir bewusst gewesen war. Ich streifte meine Handschuhe und Jacke ab, dann zog ich mich ganz aus und drehte den Wasserhahn auf.

Anfangs fühlte sich das Wasser an, als würden mich tausend Nadeln stechen. Ob brühend heiß oder eiskalt, konnte ich nicht genau sagen. Aber schon bald entspannte ich mich, als ich von innen wie außen warm wurde. Ich hätte für immer unter der Dusche bleiben können. Es war so lange her, dass ich den Luxus von unbegrenztem, heißem Wasser und Zeit genossen hatte, aber dann fiel mir ein, dass ich mich in Patricks Haus befand. Nackt in seiner Dusche. Rasch seifte ich mich ein und spülte mich ab, trocknete mich so schnell ab, wie ich konnte, und zog meine Kleidung wieder an.

Ich ging raus und hielt meine Socken, Handschuhe, Mantel und Mütze in der Hand. Patrick war in der Küche und hatte mir den Rücken zugewandt. »Danke für die Dusche.«

Er sah mich an, mein ungekämmtes Haar und die nackten Füße, dann schaute er mir in die Augen. »Besser?«

Ich nickte. »Mir war nicht klar, dass ich so ausgekühlt war.«

Er lächelte, wahrscheinlich zufrieden, dass er recht gehabt hatte. »Die Suppe braucht nicht mehr lange. Ich mache nur noch ein bisschen Brot warm. Klingt das gut?«

Mein Gott, es klang wie der Himmel. »Perfekt.«

Ich setzte mich auf die Couch und zog meine Socken an, dankbar, dass ich ein Paar ohne Löcher trug. Und gerade, als ich die zweite übergezogen hatte und aufstehen wollte, sprang Tabby auf meinen Schoß. Sie miaute lauthals und schrie mich aus Gründen an, die nur sie kannte. Ich tätschelte ihren Kopf und kratzte sie hinter den Ohren. Sie kam mir entgegen, rieb sich an meiner Hand und schnurrte, dann drehte sie sich einmal im Kreis und ließ sich fallen, um ein Nickerchen zu machen.

Als ich aufblickte, stand Patrick mit einem Teller in der Hand in der Küche und starrte sie an, als würde er seinen Augen nicht trauen, allerdings nicht auf gute Weise. Als wäre es schlecht, dass seine Katze sich an mich heranmachte. »Sie ist mir einfach auf den Schoß gesprungen«, sagte ich schnell. »Ich habe sie nicht hochgehoben oder so.«

Er schluckte schwer. »Nein, schon gut. Es ist nur untypisch für sie. Sie mag eigentlich keine Menschen.« Dann runzelte er die Stirn. »Tja…«

Ich kraulte sie erneut unter dem Ohr, dann unter dem Kinn. »Na ja, sie scheint mich für in Ordnung zu halten.«

Patrick nickte und stellte den Teller auf den Tisch. »Ja, das tut sie.« Er kehrte zurück zum Tresen und holte zwei Schüsseln, um sie auf den Tisch zu stellen. »Ehm, Essen ist fertig.«

»Tut mir leid, Tabby«, sagte ich und hob die Katze sanft hoch. »Aber ich habe ein besseres Angebot bekommen.« Sie warf mir einen mörderischen Blick zu, als ich sie aufs Sofa setzte und meinen Platz am Tisch einnahm. Patrick hatte zwei Schüsseln mit einer Art Minestrone und – wie es aussah – selbst gebackenem Brot hingestellt. »Backst du dein eigenes Brot?«

Patrick setzte sich leise mir gegenüber hin. »Nur, wenn ich Suppe koche.«

»Nun, das sieht fantastisch aus.« Tat es wirklich. Wenn man fror und hungrig war, gab es nichts Besseres als selbst gemachte Suppe und Brot. Ich kostete einen kleinen Löffel der Suppe. »Okay, wow.«

Endlich lächelte er und entspannte sich. »Danke.«

»Du bist ein wirklich guter Koch.«

»Nur, was den bodenständigen Kram angeht. Wenn es um ausgefallenere Küche geht, bin ich nicht sehr gut.«

»Das hier…« Ich deutete auf das Essen, das er aufgetischt hatte. »… ist besser als alles, was ich je an gehobener Küche hatte.«

Er aß etwas Suppe und einen Bissen Brot und tat so, als wäre es keine große Sache, als er fragte: »Hast du oft gehobene Küche gegessen?«

Oh Scheiße. »Ehm, ja. Vor einer Ewigkeit.«

Er nickte nachdenklich und nahm den kleinen Fetzen Information hin, bevor er das Thema wechselte. »Was den Garten vom alten Frank angeht, brauchst du morgen Hilfe damit? Ich habe eine Hacke, die du dir leihen könntest. Der Boden wird hart wie Beton sein.«

»Nee, der Boden ist in Ordnung, aber ich könnte Hilfe dabei brauchen, eine der alten Waschmaschinen anzuheben. Sie ist vom richtig alten Schlag und wiegt eine Tonne.«

»Na klar. Passt es dir nach dem Mittagessen?«

»Perfekt. Ich weiß nicht, was damit nicht stimmt. Er hat nur gesagt, dass sie schon seit Jahren nicht mehr funktioniert.«

»Wie das meiste dort, schätze ich.« Er lächelte. »Frank ist ein lustiger alter Vogel.«

»Stimmt. Ich glaube, er gibt nur vor, so brummig zu sein, damit die Leute ihn in Frieden lassen, aber eigentlich ist er das gar nicht.« Ich biss in das selbst gebackene Brot und stöhnte auf wie in einem miesen Porno. »Oh mein Gott, das ist so lecker.«

Patrick starrte mich aus dunklen Augen an, bevor er in seine Schüssel schaute und auf seinem Platz umherrutschte. »Es ist lange her, dass ich für jemanden gekocht habe.«

Ich merkte mir diese Einzelheit, quid pro quo. Ich hätte fragen können, warum oder wie lange es her war, aber wir waren zu einer Art Einverständnis gekommen, nicht auf Informationen zu drängen. »Tja, sie wissen nicht, was sie verpassen«, sagte ich stattdessen. Dann, aus Gründen, die ich nie verstehen werde, fügte ich hinzu: »Denn das hier ist besser als Sex.«

Sein Blick fand meinen, hitzig und viel zu kurz. Er schluckte mühsam und seine Zunge strich über seine Unterlippe. »Ich glaube nicht, dass es so gut ist.«

Ich nahm einen weiteren Löffel Suppe, überrascht, dass meine Hand nicht zitterte. »Na ja, was das angeht, ist auch eine Menge Zeit vergangen.«

Seine Stimme war heiser und kaum mehr als ein Flüstern. »Oder vielleicht hast du es nicht richtig angefangen.«

Und wie ein Blitz, der zu nah am eigenen Haus einschlägt, peitschten Erinnerungen an Anton, der Ungewolltes mit mir tat, durch meinen Verstand. Mein Magen verkrampfte sich und ich schluckte den Drang, mich zu übergeben, herunter. In der Hoffnung, dass Patrick mir die Veränderung nicht anmerken würde, nahm ich das Brot. »Na ja, vielleicht ist meine Erinnerung ein bisschen verschwommen, aber das Brot ist köstlich.«

Er legte seinen Löffel hin und runzelte die Stirn. Da wusste ich, dass die Gefühle, die mir über das Gesicht gehuscht waren, nicht unbemerkt geblieben waren. »Du musst mir nichts erzählen, aber ich gehe davon aus, dass was immer mit dir passiert ist, nichts Gutes war.«

Ich legte meinen Löffel so leise weg, wie ich konnte, und die Hände in meinen Schoß. Ich konnte mich nicht dazu bringen, etwas zu sagen, also nickte ich ihm nur knapp zu. Dieses Spiel, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, hatte sich zu seinen Gunsten gedreht. Ich hatte ihn mehr wissen lassen, als ich wollte, und fühlte mich deshalb aus dem Takt gebracht.

Irgendetwas an Patrick weckte in mir den Wunsch, ihm alles zu erzählen. Ich wollte auf seinen Schoß kriechen, wo er mich schützen konnte. Er würde mich vor- und zurückwiegen, während mein Kopf an seiner Brust lag, und ich würde ihm all meine Geheimnisse erzählen.

Dann würde er die magischen Worte sprechen, die das Chaos lichten würden, in das sich mein Leben verwandelt hatte.

»Ich weiß nicht, was dich nach Hadley getrieben hat oder warum du entschieden hast herzukommen«, sagte er. »Aber ich habe das Gefühl, dass du dir den richtigen Ort ausgesucht hast.« Da sah ich ihm in die Augen, nicht sicher, was ich darauf erwidern sollte, und stellte fest, dass sie glasig waren. »Die Netze, in denen wir uns selbst verstricken«, murmelte er, »scheinen sich hier zu entwirren.«

»Hat es für dich funktioniert?«, fragte ich.

Er erwiderte meinen Blick, als wäre er sich nicht sicher, ob er mir die Wahrheit sagen sollte. Ob dieses Spiel den Herzschmerz wert war. »Vor zwei Wochen hätte ich Nein gesagt. Aber gerade bin ich mir nicht so sicher.«

Kapitel Sechs

Patrick

Was zum Teufel trieb ich hier?

Warum legte ich Teile von mir frei, die mir nicht zustanden zu verschenken?

Und was zum Henker hatte dieser Aubrey Hobbs an sich, dass er mein bequem taubes Leben auf den Kopf stellte?

Ich war nicht darauf vorbereitet, wieder etwas zu fühlen. Ich sollte nichts fühlen. Wenn Herzen so nachhaltig zerbrochen worden sind, dass sie sich nicht reparieren ließen, sollten sie nicht wieder schlagen, oder?

Also warum verengte sich meine Brust, wenn ich ihn sah? Warum wollte ich ihn an mich ziehen, um das Gewicht seiner Sorgen zu tragen? Warum wollte ich ihn beschützen, festhalten… küssen? Gott, ich wollte ihn küssen.

Und das jagte mir höllische Angst ein.

Ich setzte ihn zu Hause ab und da war ein Moment, als er die Tür öffnete, dieser Wird er etwas sagen oder tun oder nicht-Moment. Und ich wusste nicht, ob ich eher dankbar oder enttäuscht war, als er weder das eine noch das andere tat. Er hielt einfach lange meinen Blick fest, bevor er sich bei mir bedankte und aus dem Wagen stieg.

Ich glaubte, ich atmete kein einziges Mal, bis ich nach Hause kam.

Ich räumte die Küche fertig auf, kümmerte mich ums Feuer und entdeckte Tabby auf der Couch. »Tja, du hast mich überrascht«, sagte ich zu ihr und streichelte sie. »Was versuchst du, mir zu sagen, hm?«

Natürlich antwortete sie nicht. Sie schnurrte nur ein bisschen lauter und schloss die Augen. Vielleicht war das die Antwort. Aber ich hatte es nicht glauben können, als sie auf seinen Schoß gesprungen war. Tabby war Scotts Katze gewesen. Sie hatte ihn vergöttert, war ihm überallhin gefolgt und hatte – ohne sich im Geringsten zu schämen oder zu scheren – deutlich gezeigt, dass sie ihn mir weit vorzog.

Nachdem Scott… Nun, sie war für sehr lange Zeit nicht einmal in meine Nähe gekommen. Sie hatte mich nur toleriert, weil ich sie fütterte. Sie hatte am anderen Ende des Zimmers, unter dem Tisch oder im Flur gesessen und mich angesehen, als wäre es meine Schuld, dass ihr Scott fort war.

Tja, mein Scott war ebenfalls fort.

Ich ging zu seinem Foto und mein Herz verkrampfte sich erneut. Dieses Mal aus einem Berg ganz anderer Gründe. Verlust, Kummer und jetzt Schuldgefühle.

»Ich weiß nicht, was ich hier tue«, sagte ich zu ihm.

Ich konnte ihn beinahe lachen und sagen hören: »Du steuerst durch unbekannte Gewässer, Patrick.«

Ich unterdrückte meine Tränen. »Ich weiß nicht, wie«, antwortete ich.

Und die Antwort war kristallklar.

Indem du dich an den Sternen orientierst.

Ich keuchte auf. »Oh Gott. Aubrey.«

Scotts ewig lächelndes Gesicht wirkte nun, als hätte ich endlich herausgefunden, was er schon die ganze Zeit gewusst hatte. Ich konnte mir genau vorstellen, wie er lachend den Kopf über mich schüttelte. Vertrau dem Gewässer, Patrick. Das Meer wurde nach den Sternen erkundet.

***

Ich ignorierte Pennys Stochern nach Informationen, als ich meinen morgendlichen Kaffee kaufte. Sie ließ Hinweise fallen wie Hab diesen Aubrey nicht viel zu sehen bekommen oder Ich frage mich, was ihn hergeführt hat. Sie meinte es gut, das tat sie immer. Aber Aubrey war kein Futter für die Gerüchteküche, weder seine Vergangenheit noch die Gründe, die ihn hergeführt hatten. Nicht, dass ich ihr viel hätte erzählen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ich wusste keine Einzelheiten, aber genug.

Was immer ihn nach Hadley gebracht hatte, war nichts Gutes. Wenn ich ihn richtig las, musste ich davon ausgehen, dass es mit einem Verflossenen zu tun haben musste. Ob nun ein Liebhaber, Freund, Lebensgefährte oder Familie wusste ich nicht.

Aber jemand hatte ihn verletzt. Die Erwähnung von schlechtem Sex, die ich als Witz eingestreut hatte, hatte eine wahre Horrorshow an Ängsten in seinen Augen aufblitzen lassen. So reagierten Menschen nur, wenn sie auf grausamste Weise verletzt worden waren. Von jemandem, dem er vertraut hatte. Das würde erklären, warum er sich im hintersten Winkel des Landes wiedergefunden hatte.

 

»Bleibt für sich«, sagte Penny. »Wirkt aber ziemlich freundlich. Er ist höflich und spricht eher leise. Er ist ein paarmal hergekommen, nur um ein bisschen Brot oder Nudelsuppe zu kaufen, Spaghetti in Dosen, solche Sachen.«

Nun, das erklärte, warum er mein selbst gekochtes Essen so sehr liebte.

»Er ist ein netter Kerl.«

Sie hatte mir gerade meinen Kaffee reichen wollen, doch hielt ihn nun fest. »Klingt, als hättest du ihn kennengelernt?«

»Ich bin mit ihm bei den Zwergpinguinen und den Seebären gewesen«, gab ich zu. »Nur, um ihn ein bisschen herumzuführen.«

Penny stellte den Kaffee neben die Zeitung auf den Tresen. »Hm-hmm.«

»So ist das nicht«, antwortete ich. »Was immer du dir gerade vorstellst, du kannst damit aufhören. Er braucht einen Freund und ich weiß, wie es ist, wenn man hier neu ist und angestarrt und über einen getuschelt wird.«

»Oh, das haben wir bei dir nie getan.«

Ich hob eine Augenbraue.

»Okay, na ja, vielleicht ein kleines bisschen. Aber bei dir waren die Umstände andere.«

Ich seufzte. »Ich weiß nicht, Penny. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass er und ich gar nicht so verschieden sind.«

»Hat er dir irgendetwas erzählt?«

Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte bereits mehr gesagt, als ich vorgehabt hatte. »Nein. Kein Wort. Aber manchmal muss man der Stille lauschen. Darauf, was nicht gesagt wird. Dort liegt die Wahrheit.«

Penny runzelte die Stirn und nickte traurig. »Ich schätze, du hast recht.«

»Wie dem auch sei, hab einen schönen Tag«, sagte ich, als ich meine übliche Bestellung aus Kaffee und Zeitung an mich nahm.

»Patrick«, sagte Penny und hielt mich auf, bevor ich die Tür erreicht hatte. »Du hast gesagt, dass es nicht so sei, und das ist in Ordnung. Aber falls doch, wäre das genauso in Ordnung.«

Ich schluckte gegen den Klumpen in meiner Kehle an, konnte aber dennoch nicht sprechen. So oder so hätte ich nicht gewusst, was ich darauf sagen sollte. Ich schenkte ihr ein schiefes Lächeln, nickte und machte mich auf den Weg. Ich hatte Grünflächen zu mähen und mein übliche Instandhaltungsroutine durchzugehen. Meine Arbeit war nie fordernd oder stressig, nur ein paar Stunden am Tag, um sicherzustellen, dass die Lampe funktionierte, alle Batterien und Sicherungssysteme einsatzbereit und sämtliche maschinellen Einrichtungen in bester Ordnung waren.

Ich war mir sicher, dass jeder andere sich gelangweilt hätte, aber ich liebte meinen Job.

Und sobald ich alle meine Aufgaben für den Tag erledigt hatte, machte ich mir Mittagessen und zog los, um Aubrey mit der Waschmaschine zu helfen. Ich war noch nie in dem Waschhaus gewesen und war neugierig, was ich darin vorfinden würde.

Ich kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Aubrey in Jeans und einem T-Shirt schaufelte, stemmte und sich reckte, während er im Garten schuftete. Als ich aus dem Wagen stieg, ließ er die Schaufel auf die Erde fallen und hob den Saum seines T-Shirts, um sich die Stirn abzuwischen, sodass ich einen sehr guten Ausblick auf seinen Bauch hatte. Er war dünn, aber nicht auf ungesunde Weise, eher schlank und sehnig. Eine Spur dunkler Haare begann unterhalb seines Bauchnabels und verschwand unter seinem Hosenbund. Ich fragte mich, ob sein Teint daher stammte, dass er zu viel Zeit im Freien verbrachte, denn er war überall gebräunt.

»Hey«, sagte er zur Begrüßung. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen.

Hatte er bemerkt, dass ich ihn abgecheckt hatte? Oder hatte er seine Haut und seinen Körper absichtlich zur Schau gestellt?

»Hey.« Da ich eine Ablenkung brauchte, zeigte ich auf den Garten. »Sieht gut aus.«

Er stöhnte und dehnte seinen Rücken. »Du lagst nicht falsch mit dem Beton-Vergleich. Ich habe ihn aufgebrochen und komme immer wieder her, um ihn erneut umzugraben. Bin mir nicht sicher, ob er je für etwas anderes als Unkraut zu gebrauchen sein wird.«

»Wir können zu den Whittakers fahren«, schlug ich vor. »Sie geben sackweise Hühnermist ab.«

»Umsonst?«

»Ich glaube, sie sind froh, wenn sie ihn loswerden.«

Er lächelte. »Meinst du, Frank wird der Geruch gefallen?«

»Vermutlich nicht, aber den Preis wird er lieben.«

Aubrey lachte leise, rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn und verteilte dabei Schmutz. Es war süß…

Was zum Teufel, Patrick? Hör auf, ihn anzustarren.

»Wo finde ich die Whittakers, wenn ich an ein bisschen Hühnerkacke kommen will?«

»Sie wohnen etwa fünf Kilometer vor der Stadt. Ich kann dich fahren, wenn du magst?«

»Ich erwarte nicht von dir, dass du mich dauernd durch die Stadt kutschierst.«

»Es stört mich nicht. Und ich hole mir bei der Gelegenheit auch was für meinen Garten, wenn du dich dann besser fühlst.«

Er sah aus, als ob er sich wehren wollte, aber dann entschied er sich für ein Lächeln. »Einverstanden.«

»Okay, was die Waschmaschine angeht«, begann ich. »Sollen wir das zuerst erledigen?«

Er strahlte, als hätte er ganz vergessen, warum ich hergekommen war. »Ja, hier entlang.« Er drehte sich um und ging zum hinteren Ende des Waschhauses und ich folgte ihm. Der Waschraum hatte eine recht passable Größe, wie sich herausstellte. Es gab zwei Waschmaschinen, zwei Trockner und ein fest verbautes Bügelbrett sowie einen Tresen, die beide vor Kurzem überarbeitet worden waren.

Ich legte meine Hand auf den Tresen und prüfte, wie viel Gewicht er trug. Die Arbeitsplatte selbst war das Original, aber die Stützen und Klammern darunter waren neu. »Hast du das repariert?«

Er drehte sich um, um herauszufinden, wovon ich redete. »Oh, ja. Sie drohten zusammenzubrechen. Ich bin überrascht, dass er bisher von keinem der Gäste verklagt worden ist. Ehrlich gesagt ist das hier ein ziemlicher Saustall.«

Ich lachte leise. »Du hast Frank gesehen, oder? Er ist das Sinnbild eines Schweinehirten.«

Er grinste. »Stimmt.« Dann wandte er sich den Waschmaschinen zu und klopfte auf eine. »Die hier geht nicht.«

»Na gut«, antwortete ich. »Schaffen wir sie da runter und sehen zu, ob sich die Rückseite abnehmen lässt.«

Er ging ans andere Ende und ich stellte mich ihm gegenüber. Gemeinsam hievten wir die Waschmaschine von dem Platz, an dem sie die letzten dreißig Jahre gestanden hatte. Gott, war die schwer. Und der Staub und Dreck dahinter waren widerlich.

»Hast du einen Mundschutz?«, fragte ich. »Frank sollte dir einen Mundschutz besorgen.«

Aubrey schnaubte. »Du kennst ihn, oder?«

Ja, natürlich. Doofe Frage. »Na ja, du willst diesen Scheiß sicher nicht einatmen.«

Er winkte ab, nahm einen Schraubenzieher aus der Tasche und schaute hinter die Maschine. Innerhalb weniger Minuten hatte er die Rückverkleidung gelöst und einen gerissenen Gummiriemen hervorgezogen. »Nun, ich bin kein Experte für Waschmaschinen, aber ich schätze, der sollte anders aussehen.«

Ich lachte. »Vermutlich. Frank hat wahrscheinlich keinen Ersatz herumliegen, oder?«

»Sein Geräteschuppen ist voller Kram. Aber ich würde sagen: Selbst wenn, dann wird er genauso alt und kaputt sein wie dieser hier.«

»Du kannst eine Strumpfhose nehmen«, schlug ich vor. »Nur für den Moment, um herauszufinden, ob der Motor noch funktioniert.«

Aubrey stand lächelnd auf. »Kann mir nicht vorstellen, dass Frank eine hat.«

Das brachte mich zum Lachen. »Stimmt. Ich glaube auch nicht, dass Penny welche im Laden verkauft, aber ich weiß, wer welche haben könnte.«

»Wer?«

»Mrs. Whittaker. Dieselbe Dame, die den Hühnermist hat. Sie bittet darum, welche zu spenden, weil sie sie in ihren Hühnerhäusern und in ihrem Gemüsegarten braucht. Oder ich kann dir ein paar billige besorgen, wenn ich nächste Woche nach Stokes Bay fahre.«

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