Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel

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Kapitel 6










Gähnend schlurfte Gabriel mit Sky, Connor und einem lebensrettenden Kaffee den Branch Hill entlang zum Eingang des Golders Hill Parks. Es war halb elf am Vormittag und nach der Nachtschicht mit dem Erledigen eines Wiedergängers und anschließender Geisterjagd an der Finsbury Park Station hatten sie kaum Schlaf bekommen und es war eigentlich noch viel zu früh für einen neuen Einsatz.



Nein, nicht eigentlich.



Definitiv.



Da half auch Grannys extra starke Kaffee nicht viel.



Aber London war ein teures Pflaster und die Überstunden brachten gutes Geld. Daher hatten er, Connor und Sky sich bereiterklärt, den Beobachtungen einiger besorgter Mitbürger nachzugehen, die gemeldet hatten, dass seit einigen Wochen mehr Geister als üblich in der Dämmerung in und aus dem Park strömten.



Geister hassten Tageslicht und sobald der Morgen graute suchten sie Orte auf, die dunkle Verstecke boten. Da in der Stadt aber viele Gebäude mit Eisen geschützt wurden, blieben den Seelenlosen oft nur die Parks, um sich in Erdlöchern, leeren Tierbauten, hohlen Bäumen und ähnlichem zu verkriechen. Tagsüber waren Parks ungefährlich, außer es wurde im Winter nicht richtig hell oder es herrschten Nebeltage. Dann war es ratsamer, die Grünanlagen zu meiden. Genauso wie abends, wenn es dämmerte und die Geister aus ihren Verstecken in belebtere Gebiete zogen, um sich Lebensenergie zu beschaffen. Oder morgens, wenn sie in ihre sicheren Unterschlupfe zurückkehrten.



Aus diesem Grund waren die Straßenzüge rund um die Londoner Parks keine allzu beliebten Wohngegenden und Häuser standen dort häufig lange leer, bis sich Mieter oder Käufer fanden. Oft waren dies auch die einzigen Häuser, in denen Totenbändiger ohne größere Probleme ein Zuhause fanden. Makler und Vermieter waren froh, wenn sie die Objekte loswurden, und in diesen Nachbarschaften stand man Totenbändigern meist weniger feindlich gesinnt gegenüber als in den sogenannten anständigen Vierteln, in denen gruselige Freaks nicht willkommen waren.



Sky hatte eine Karte der Stadtverwaltung auf ihrem Smartphone aufgerufen und führte ihre Truppe zügig an. Im Gegensatz zu Gabriel und Connor war sie ein Morgenmensch und genoss es, mal eine Tagesschicht zu haben und den Vormittag in wunderschönem Sonnenschein zu verbringen, der in den Blättern der Baumwipfel spielte.



»Okay. Der nächste Lüftungsschacht müsste direkt hinter dem Parkeingang liegen. Dann gibt es noch einen Wartungszugang und zwei weitere Lüftungsschächte bis zum nördlichen Ende von Golders Hill. Aber dass mit denen irgendwas nicht stimmt, glaube ich eigentlich nicht. Dann hätten die Anwohner am Nordrand des Parks über mehr Geister geklagt. Das Problem scheint eher hier im Süden zu liegen.«



Eine mögliche Ursache für das erhöhte Geisteraufkommen konnte mit der U-Bahn zusammenhängen. Ein Teilstück der Northern Line verlief von der Station in Hampstead Richtung Norden unter dem Park entlang nach Golders Green. Weil der Untergrund ein Verlorener Ort war, waren beide Stationen versiegelt worden, ebenso wie alle Luftschächte und Wartungszugänge. Doch da diese an anderen Orten in London in den letzten Monaten immer wieder aufgebrochen worden waren, lag die Vermutung nahe, dass rücksichtslose Adrenalinjunkies auch hier im Park unterwegs gewesen waren.



Es kam hin und wieder allerdings auch vor, dass Versiegelungen schlichtweg marode wurden. Eisen rostete, wurde brüchig und durchlässig, besonders in der feuchten Umgebung eines Parks.



»Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn die Geistersichtungen im Norden passiert wären. Dann wären die Spuks aus Barnet dafür zuständig und wir hätten ausschlafen können«, grummelte Connor in seinen extra großen Kaffeebecher mit düsterem Totenkopfdesign, den Ella ihm zum Geburtstag bemalt hatte. Connor war nur unwesentlich wacher als Gabriel, aber zumindest schon bereit für Kommunikation, die aus mehr als Grunzlauten bestand.



Sky überging jegliches männliche Gejammer. Sie kannte ihre Jungs nicht anders als morgenmuffelig. So topfit, hellwach und allzeit bereit sie bei nächtlichen Einsätzen immer waren – vor zwölf Uhr mittags sollte man besser keine Glanzleistungen von ihnen erwarten.



»Wenn ich recht habe und es daran liegt, dass sie den Regent’s Park abgeriegelt haben, sind die U-Bahnschächte ohnehin nicht das Problem.«



Der Regent’s Park lag in der City of Westminster, grenzte im Norden aber an das Stadtgebiet von Camden. Westminster zählte zu den nobleren Stadtgebieten und hatte vor fünf Jahren den Hyde Park verloren. Eine Terrorgruppe, die sich Death Strikers nannte, hatte dort an einem Wochenende während des Frühlingsfestes gleich acht Sprengsätze explodieren lassen und so mehrere tausend Menschen getötet. Seitdem war der Park ein Verlorener Ort, weil sich dort zu viele Geister tummelten, die eine Säuberung zu gefährlich und zu teuer machten. Gleiches galt für das Scarlet Theatre, das Cloverfield Shopping Centre, den Longbury Tower und drei weitere Orte in der Stadt. Auch hier hatten die Terroristen durch Bombenattentate oder das Einleiten von Giftgas in den letzten Jahren für massenhaft Geister und entsprechend Verlorene Orte gesorgt, weil der Stadtrat nicht auf ihre Forderungen eingegangen war.



Nachdem der Hyde Park als innerstädtisches Erholungsgebiet verloren gegangen war, blieb Westminster nur der Regent’s Park und für ihn hatten die gut betuchten Bewohner nach jahrelangem Ringen – und einigen großzügigen Spenden aus eigenen Kreisen – hohe Eisenzäune und das Pflanzen von Schutzpflanzen durchgesetzt. Diese Maßnahmen waren im Frühjahr durchgeführt worden, was den Park als Unterschlupf für Geister unattraktiv machte. Seitdem suchten sie neue Verstecke in weniger wohlhabenden Vierteln, in denen Parks, Straßen und Häuser nicht so kostspielig gesichert werden konnten.



»Ich hab von Anfang an gesagt, dass dieser verdammte Zaun besonders Camden Probleme machen wird«, grollte Sky. »Seit das Ding steht, gibt es bei uns mehr Geisterangriffe. Und dass wir hier nördlich der Nobelviertel in diesem Jahr schon acht Wiedergänger hatten, kommt auch nicht von ungefähr.«



Sie kickte einen losen Kiesel über den Gehweg hin zum Durchgang in der Hecke, die den Golders Hill Park von der Straße trennte. »Klar reden sich die Politiker damit raus, dass wir uns in einem Unheiligen Jahr befinden und die Aktivität der Seelenlosen in solchen Zeiten immer krasser ist. Aber wen wollen die denn für blöd verkaufen?«



Sie verpasste dem armen Kiesel einen weiteren Tritt woraufhin der mitten in einem Blumenbeet landete.



Sky blieb stehen und sah sich um. »Wow, ist ja echt spießig hier. Kein Wunder, dass die Anwohner wollen, dass der Park wieder sicherer wird.«



Golders Hill war ein kleiner Teil des gut dreihundertzwanzig Hektar großen Hampstead Heath. Doch während der Heath zum größten Teil aus wildem Wald und ebensolchen Wiesen bestand, durch die nur eine Handvoll Wege führten, war Golders Hill deutlich gezähmter. Hier gab es ordentlich angelegte Beete, die Rasenflächen waren penibel gepflegt, die Büsche gestutzt und weiter im Norden fand man einen Kinderspielplatz sowie einen kleinen Teich samt Wasserfontäne.



»Hm.« Skeptisch betrachtete Sky die Beete, in denen die Blumen streng nach Farben und Pflanzenhöhe sortiert waren. »Also Natur geht irgendwie anders, oder? Wenn ich das hier sehe, ist mir die Wildnis in unsere Ecke jedenfalls tausend Mal lieber.«



Der Crescent Drive, wo ihre alte Stadtvilla stand, lag am nordöstlichen Ende des Heath und ihr Garten grenzte direkt an den Rand des wilden Waldes.



Connor stöhnte vernehmlich. »Schatz, ich liebe dich. Wirklich. Aber du redest zu viel. Viel zu viel, dafür, dass ich noch nicht genug Kaffee intus habe. Und wen juckt es, wie die blöde Botanik hier wachsen darf? Sag uns lieber, wo dieser verdammte Lüftungsschacht ist, damit wir die Inspektion schnell hinter uns bringen können.«



Sky bedachte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue, verzichtete aber großmütig darauf, einen entsprechenden Kommentar zurückzuschießen, als sie sah, wie sehr Connor wirklich noch mit dem Wachwerden zu kämpfen hatte.



Gabriel dagegen hätte sich beinahe am letzten Rest aus seinem Kaffeebecher verschluckt und starrte seinen besten Freund ungläubig an. »Hast du sie gerade Schatz genannt?«



Connor runzelte die Stirn. »Ja, warum?«



»Echt jetzt? Was kommt als Nächstes? Willst du sie in den Schicksalsberg werfen? Nicht, dass ich was dagegen hätte. Ich helf dir sogar, wenn wir sie damit zum Schweigen bringen.«



»Du bist unmöglich!« Empört verpasste Sky ihrem Bruder einen Hieb gegen die Schulter. »Und du brauchst echt dringend mal wieder einen Menschen für dein Herz, nicht bloß welche für ein paar Stunden unverbindlichen Spaß.«



»Nee, lass mal. Ich bin nicht gemacht für Herzensmenschen.«



»Ja, klar«, gab Connor ironisch zurück. »Denkst du nicht, du solltest langsam damit aufhören, dir das so vehement einzureden? Ich weiß, wie schlimm es für dich war, und ich will es ganz sicher nicht runterspielen. Aber es ist jetzt fast drei Jahre her …«



Gabriel schnaubte bloß. »Um das mit dir auszudiskutieren, ist jetzt die falsche Uhrzeit und Kaffee definitiv das falsche Getränk.«



Er ließ Connor stehen und stiefelte zu einer Metallplatte, die ein Stück abseits des Parkwegs hinter kaschierenden Sträuchern in den Rasen eingelassen war.



»Wow! Guckt mal!«, rief er übertrieben begeistert. »Was haben wir denn hier? Den Lüftungsschacht. Wie praktisch, dass wir unsere Unterhaltung dann jetzt von privat auf beruflich umschalten können.«

 



»Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!«



»Danke. Ich stehe voll auf subtile Drohungen.«



Gabriel stieß ein paar Mal mit den Fuß gegen die Eisenplatte, die zwar einige rostige Stellen aufwies, aber weder löchrig noch brüchig wirkte. Connor trat zu ihm und beide gingen in die Hocke, um sich die Schweißnähte genauer anzusehen. Doch auch dort gab es nichts zu beanstanden.



»Sieht alles völlig in Ordnung aus. Hier sind mit Sicherheit keine Geister aus dem Untergrund entkommen.« Gabriel richtete sich wieder auf. »Wo ist dieser Wartungsschacht?«



Sky checkte ihre Karte. »Knapp hundertfünfzig Meter den Weg entlang.«



»Na, dann hoffen wir mal, dass wir dort was finden«, meinte Connor. »Wenn die Schächte alle in Ordnung sind und die Geister nicht aus dem Untergrund kommen, können wir den Anwohnern hier nämlich nicht helfen. Gegen die Geistermigration aus den Nobelvierteln sind wir machtlos, solange der Stadtrat die Spuk Squads nicht aufstockt. Und dafür werden die mit Sicherheit so schnell keine Gelder lockermachen.«



»Ich fürchte, selbst wenn an einem der Schächte etwas nicht in Ordnung ist, liegt ein Teil des Problems trotzdem an der Geistermigration.« Gabriel trat zu den anderen beiden zurück auf den Parkweg. »Sky hat schon recht. Es war klar, dass wir hier in Camden die Leidtragenden vom Zaun am Regent’s Park sein werden.«



»Wow, dann hat mir ja doch jemand zugehört und ich hab gerade keine Selbstgespräche geführt.«



»Das heißt nicht, dass ich meinen Kaffee nicht trotzdem lieber ohne Gebrabbel geschlürft hätte.«



»Vielleicht bekommen wir dann ja jetzt endlich die versprochene Verstärkung in unser Team«, überging Sky seinen Kommentar geflissentlich. »Wenn die Schächte hier alle okay sind, können Thad und Pratt sicher mehr Druck machen, damit wir die Nächsten sind. Wichtigstes Einstellungskriterium für unseren Zuwachs: Es muss ein Morgenmensch sein.« Sie grinste frech zu ihrem Bruder und deutete dann nach links. »Da drüben hinter den Büschen müsste laut Karte der Eingang zum Wartungsschacht liegen.«



Tat er auch – halb verdeckt unter altem Laub. Die Eisenplatte, die man als Siegel über dem eigentlichen Eingang angebracht hatte, ähnelte der Platte am Lüftungsschacht, war allerdings deutlich größer. Auch sie war schon älter und hatte Rost angesetzt, Löcher oder Risse gab es aber auch hier keine.



Trotzdem stimmte etwas mit der Platte nicht.



»Seht euch die Schweißnähte an.« Connor hatte sich wieder hingehockt, um die Platte besser in Augenschein nehmen zu können.



»Die sind schief und viel unregelmäßiger als die am Lüftungsschacht«, stellte Sky fest. »Sieht nicht so aus, als hätte das ein Profi gemacht.«



Gabriel fuhr mit dem Finger über eine der Nähte. »Nein. Und sie sind auch nicht so alt wie die Platte.«



Connor zog sein Handy aus der Hosentasche und machte ein paar Fotos. »Okay. Wie wahrscheinlich ist es, dass das hier das Werk von Adrenalinjunkies ist, die nach ihrem Abenteuer im Untergrund den Schacht zum Wohle der Bevölkerung brav wieder verschlossen haben?«



»Ungefähr so wahrscheinlich wie ein Besuch der Zahnfee«, seufzte Sky Übles ahnend.



»Ich schicke Thad die Fotos und sage ihm, dass wir hier vermutlich einen Ablageort haben.«



Da der Londoner Untergrund nicht betreten werden durfte, nutzten viele Kriminelle ihn zum Entsorgen von Beweismitteln oder um gefahrlos unliebsame Zeugen loszuwerden. Sie töteten ihre Opfer nicht, sondern brachten sie stattdessen schwerverletzt in den Untergrund, um sie dort sterben zu lassen. Auf diese Weise konnten die Verbrecher sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, bevor ihre Opfer zu Geistern wurden. An einem Verlorenen Ort fiel ein weiterer Geist nicht auf und weil niemand diese Orte betrat, blieben Leichen meistens unentdeckt.



Die alten Schächte der U-Bahn wurden außerdem von skrupellosen Firmen auch gerne als Ablageort für Giftmüll benutzt, um sich die Kosten für eine ordnungsgemäße Entsorgung zu sparen.



Doch egal, welches Verbrechen vertuscht werden sollte, um zu verhindern, dass man ihnen auf die Schliche kam, versiegelten die Kriminellen die Zugänge, die sie benutzt hatten, in der Regel wieder. Niemanden sollte durch erhöhtes Geisteraufkommen darauf aufmerksam werden, dass ein Eingang geöffnet worden war.



Alles andere als angetan davon, gleich in den Schacht hinuntersteigen zu müssen, um mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit die Hinterlassenschaften irgendeines Verbrechens zu untersuchen, richtete Sky sich wieder auf. »Klärt ihr die Sache mit Thad. Ich hole unsere Ausrüstung her.«





Keine zehn Minuten später hatte Sky ihren Wagen von der Branch Hill Road in den Park geholt. Sie parkte auf dem Weg nahe des Wartungsschachts und legte den Ausweis, der das Fahrzeug als Dienstwagen der Metropolitan Police auswies, gut sichtbar hinter die Windschutzscheibe. So spießig, wie es hier aussah, kamen mit Sicherheit bald ein paar neugierige Nachbarn vorbei, um nachzusehen, warum hier ein Wagen stand, der zu keinen Gärtnereibetrieben gehörte.



»Und?«, fragte sie, als sie ausstieg und den Kofferraum öffnete.



»Wir sollen den Schacht öffnen und nachsehen«, gab Connor Thads Anweisungen weiter.



»Dann hoffen wir mal, dass es nicht allzu eklig wird. Ich hab heute nämlich ausnahmsweise mal vor meiner Schicht gegessen.«



Sie legten ihre Ausrüstungsgürtel um und während Connor und Gabriel die Öffnung zum Untergrund mit einem Ring aus einer dicken Eisenkette absicherten, machte Sky sich mit einem Schneidbrenner daran, die Platte zu lösen. Darunter kam die eigentliche Einstiegsluke zum Vorschein.



»Bereit?«, fragte Connor, als er das Schloss der Luke geknackt hatte.



Gabriel und Sky positionierten sich so, dass sie Geister, die eventuell hinter der Öffnung lauerten, sofort bändigen konnten.



Als die beiden nickten, zog Connor die Luke auf.



Eisenstiegen einer Leiter und nackte graue Betonwände kamen zum Vorschein.



Dann schlug ihnen ein Schwall widerlicher Luft entgegen.



Metallisch. Faulig. Und ekelhaft süß.



Verwesungsgeruch.



»Super«, stöhnte Sky.



Da keine Geister im Schacht lauerten, wandte sie sich ab und reichte Connor und Gabriel Atemmasken. Die waren bei der Erkundung von verlassenen Häusern oder Tunneln, in denen man auf gefährlichen Schimmel oder verwesende Leichen treffen konnte, unerlässlich.



»Wie tief geht es runter?«



»Laut Plan der Stadtwerke ungefähr zwanzig Meter.« Connor zog sich seine Maske über. »Der Schacht führt in einen Tunnel, der oberhalb des U-Bahn-Tunnels parallel nach Norden und Süden verläuft, Zugänge zu den tiefer liegenden Bahngleisen liefert und zu zwei stillgelegten Technikräumen führt.«



Gabriel hatte ein Seil an den Karabinerhaken seiner Taschenlampe geknotet und schaltete das Magnesiumlicht ein, um mögliche Geister zu verscheuchen, die vielleicht in der Dunkelheit am Fuße des Schachts lauerten.



»Hoffentlich müssen wir nicht den kompletten Bereich absuchen.« Er ließ seine Lampe in die Tiefe sinken.



»Glaube ich nicht. Auch wenn der Zugang von der Straße uneinsehbar ist, wird sich der Täter hier trotzdem nicht länger als nötig aufgehalten haben.«



»Und so wie es in dem Schacht riecht, liegt die Leiche mit Sicherheit ganz in der Nähe«, fügte Sky naserümpfend hinzu.



»So wie es riecht, wette ich, dass da unten nicht nur eine Leiche liegt.« Vorsichtig ließ Gabriel seine Taschenlampe noch weiter in den Schacht hinunter und der helle Lichtkegel enthüllte immer mehr Eisenstiegen der Leiter und graue Betonwände.



Dann erreichte der Lichtschein der Lampe das Ende des Schachts.



»Shit.«



»Was zur Hölle …«



Arme. Beine. Verdrehte Körper. Als hätte jemand einfach einen nach dem anderen den Schacht hinuntergeworfen. Die Köpfe schienen zerschmettert, die Leiber aufgeplatzt und alles war dunkel von Blut.



»Wie viele sind das?« Connor hatte sein Handy hervorgezogen, zoomte so nah wie möglich heran und schoss ein paar Bilder.



»Keine Ahnung.« Gabriel knotete das Seil mit der Taschenlampe an die oberste Leitersprosse. »Ich zähle mindestens sechs, obwohl das bei dem Zustand der Leichen schwer zu sagen ist.«



»Wir müssen da runter und uns das genauer ansehen.« Sky trat von der Luke zurück und holte drei Tüten mit weißen Papieroveralls aus einem ihrer Rucksäcke. Sie durften den Fundort nicht verunreinigen.



Während Connor die Fotos mit einem knappen Bericht an Thaddeus schickte, holten Gabriel und Sky zwei weitere Rucksäcke mit zusätzlichen Magnesiumlaternen aus dem Kofferraum.



Sie zogen sich um und Sky reichte Connor den Rucksack mit den Silberboxen. Er hatte zwar unter dem Papieranzug seine Silberweste angelegt und eigentlich sollte das Magnesiumlicht Geister fernhalten, doch zusätzlicher Schutz schadete nie. Sie hatten immerhin noch keine Ahnung, wie groß ihr Tatort war, wie weit der Lichtschein in den Tunnel reichte, wie viele Geister dort unten auf sie lauerten – und wie ausgehungert sie waren.



»Bereit?«, fragte Gabriel.



Sky und Connor nick