Geologie der Alpen

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Um eine Gesamtschau dieser lokalen Verhältnisse zu erhalten, wurde eine sogenannte paläogeografische Karte für das ausklingende Paläozoikum konstruiert. Hierzu mussten die verschiedenen Schollen und Blöcke von Grundgebirge zuerst in ihre ursprüngliche gegenseitige Lage vor der alpinen Gebirgsbildung zurückgeschoben werden. Da wir die Richtungen und Transportweiten der alpinen Bewegungen aber nur lückenhaft kennen, ist die Rekonstruktion mit etlichen Unsicherheiten behaftet. Nach den alpinen Deckenbewegungen mussten anschließend auch die Plattenbewegungen beim Zerbrechen von Pangäa rückgängig gemacht werden. Damit wurde der Spielraum der Interpretation noch größer. Die resultierende paläogeografische Karte in Abb. 2-17 ist deshalb zwar im Detail mit einigen Unsicherheiten behaftet, aber was die größeren Zusammenhänge betrifft, sind einigermaßen gesicherte Aussagen möglich. Die Darstellung basiert teilweise auf den Kompilationen von Pfiffner (1993a), de Graciansky (1993) und Ratschbacher & Frisch (1993), wurde aber ergänzt.

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2-16 Die paläozoische Gesteinsabfolge der Innsbruck-Quarzphyllite (Ostalpen), zusammengefasst nach Neubauer & Sassi (1993).

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Auf der paläogeografischen Karte sind die Schollen von prä-triadischem Grundgebirge in ihren Umrissen, wie sie auf einer heutigen geologischen Karte erscheinen, dargestellt. Angegeben ist auch ihre „künftige“ Zugehörigkeit zu den mesozoischen Faziesräumen bzw. den alpinen Deckenkomplexen (Helvetikum, Penninikum, Ostalpin und Südalpin). Man erkennt unzweifelhaft, dass die Vorkommen von paläozoischen Sedimenten (Ordovizium bis Devon) eindeutig auf den Südosten des Ostalpins und das Südalpin beschränkt sind, während die zentralen Teile der künftigen Alpen (nordwestliches Ostalpin, Penninikum und Helvetikum) vorwiegend aus kristallinen Gesteinen bestehen. In diesen kristallinen Teilen ist vielerorts eine devonische bis frühkarbone Metamorphose zu beobachten (vgl. Kompilation von von Raumer & Neubauer 1993b). Offenbar stellen diese Teile den Kern des variszischen Gebirges dar, in dem der exhumierte kristalline Kern des Orogens entblößt war. Einschränkend ist zu sagen, dass der variszische Metamorphosegrad im zentralen Teil, insbesondere im Bereich des künftigen Penninikums, alpinmetamorph derart stark überprägt wurde, dass Aussagen über den variszischen Zustand sehr schwierig sind. Immerhin kann geschlossen werden, dass zwischen diesem kristallinen Kern des Orogens und den auf gleicher Höhe gelegenen paläozoischen Sedimenten im Südosten davon eine größere Überschiebung anzunehmen ist, wie sie in Abb. 2-17 skizziert ist. Analoge Überschiebungen sind zwischen dem Kristallin von Saualpe–Koralpe und dem Paläozoikum der Gurktal-Scholle bzw. Ötztal und Südalpin anzunehmen. Infolge der Unsicherheit, die der Rekonstruktion der paläogeografischen Karte inneliegt, sollten aber keine Schlüsse den genaueren Verlauf dieser Überschiebungen betreffend gezogen werden. Im nordalpinen Vorland (Schwarzwald und Vogesen) sind ebenfalls kleinere Vorkommen spät-devonischer bis früh-karboner Sedimente aufgeschlossen (beispielsweise in der Badenweiler-Lenzkirch-Zone südlich der Todtnau-Überschiebung in Abb. 2-2). Im Falle der Todtnau-Überschiebung ist aufgrund strukturgeologischer Befunde von SE-vergenter Deckenbewegung auszugehen (Eisbacher et al. 1989). Bei den paläozoischen Einheiten im Ost- und Südalpin ist anzunehmen, dass der ordovizisch-devonische Teil des Paläozoikums von Graz und der Gurktal-Decke den passiven Kontinentalrand des Gondwana-Kontinents darstellt, die Grauwacken-Zone und die Quarzphyllite demgegenüber einen mehr externen durch Dehnungstektonik charakterisierten Ablagerungsraum. Vulkanische Aktivität begleitete die Füllung des Beckens zu verschiedenen Zeiten. Ab dem mittleren Devon etablierte sich auch in der Zone der Quarzphyllite eine Karbonatplattform.

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Der Beckencharakter änderte sich im frühen Karbon. Mit der variszischen Gebirgsbildung wurde aus dem passiven Kontinentalrand eine synorogene Vorlandsenke mit lokaler Emersion und Verkarstung (Kalkbrekzien in der Grauwackenzone) und flyschartigen Ablagerungen (Hochwipfel-Formation in den Karnischen Alpen). Die Quarzphyllite wurden vielerorts im frühen Karbon (im Zeitintervall zwischen 350 und 320 Millionen Jahren) metamorph überprägt. Das Becken war offensichtlich geschlossen, die Beckenfüllung in den Deckenstapel des variszischen Gebirges einverleibt.

In der paläogeografischen Karte sind auch die granitoiden Körper innerhalb der Kristallinschollen ausgeschieden, gemäß ihrem karbonen oder permischen Alter getrennt. Die granitoiden Intrusiva im kristallinen Kern des variszischen Orogens sind im Nordwesten tendenziell älter. Es ist ein Granitgürtel mit spätkarbonen Intrusionsaltern im Vorland (Schwarzwald) und den Externmassiven auszumachen. Die meisten dieser Intrusionen sind postvariszisch, da sie eindeutig variszische Strukturen schneiden. Ausnahmen gibt es etwa im Schwarzwald (vgl. Abb. 2-2). Eine jüngere, permische Gruppe von Intrusiva konzentriert sich hauptsächlich in einem südlichen Gürtel (südwestliches und südöstliches Ostalpin sowie Südalpin). Im zentralen Bereich, aber auch im Aar- und Gotthard-Massiv, treten gemischte Intrusionen von spätkarbonem und permischem Alter auf. Wie am Beispiel des östlichen Aar-Massivs ausgeführt (vgl. Abb. 2-6), sind die post-variszischen Intrusionen häufig an die Vorkommen von karbonen Grabenstrukturen gebunden. Das Zusammenspiel von Intrusion und Einsenkung von Gräben mit klastischer und vulkanoklastischer Füllung deutet auf eine tief greifende Reorganisation der tektonischen Vorgänge mit einem Wechsel von Kollision zu Dehnungstektonik. Die Dehnung war mit großräumigen Seitenverschiebungen gekoppelt, hervorgerufen durch die Ostdrift von Eurasien relativ zu Gondwana. In Segmenten mit Transtension war dadurch möglicherweise der Magmaaufstieg erleichtert.

Die Bildung von Grabenstrukturen setzte sich im Perm fort und wird im nächsten Abschnitt näher behandelt. Die bekannten permischen Tröge sind in Abb. 2-17 aber ebenfalls eingezeichnet.

Eine Übersicht über die Bauteile des variszischen Gebirges im gesamten zentraleuropäischen Rahmen gibt die Arbeit von von Raumer et al. (2012). Abb. 2-18 zeigt die Situation im Perm (vor 290 Mio. Jahren). Der alpine Teil befand sich im Kern eines großen Gebirges zwischen Gondwana (Afrika) und Baltica und nördlich der Paläotethys.

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2-17 Paläogeografische Karte des künftigen alpinen Raumes zur Zeit Ende Paläozoikum. Als geografische Orientierung sind die Umrisse der Kristallinschollen mit einer Form, wie sie auf einer heutigen Karte erscheinen, dargestellt. Sie sind aber zurückverschoben in ihre frühere Lage durch Rückgängigmachung der alpinen Überschiebungen und der mesozoischen Bewegungen bei der Öffnung der Meeresbecken. Ebenso angegeben sind die künftigen Grenzen zwischen Vorland, Dauphinois-Helvetikum, Penninikum und Südalpin-Ostalpin.

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2-18 Das variszische Gebirge im Perm (vor 290 Mio Jahren). Die Grenze zur Paläotethys entspricht einer Subduktionszone. Der künftige alpine Teil liegt südlich der zentralböhmischen Scherzone, im Bereich, wo die Überschiebungen südvergent waren. Vereinfacht und ergänzt nach von Raumer et al. (2012).

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2.8 Post-variszische Sedimente und Vulkanite des Perms

Permische Sedimente und damit assoziierte Vulkanite sind aus vielen Stellen in den Alpen und ihrem Vorland bekannt. Flächenmäßig dominieren drei Trogsysteme (Abb. 2-17): eines im nordalpinen Vorland gerade südlich von Schwarzwald und Vogesen, eines im künftigen Penninikum (Zone Houillère) und eines im Südalpin bei Bozen. Daneben ist eine ganze Reihe von kleineren Trögen bekannt.

Einige dieser permischen Tröge bauen auf einem bereits im Karbon angelegten Trog auf. Andere sind erst im Perm entstanden, und umgekehrt haben nicht alle karbonen Tröge ihre Aktivität im Perm fortgesetzt. Während der alpinen Gebirgsbildung wurden manche dieser Tröge partiell oder ganz invertiert, d. h., die Grabenfüllung wurde durch Zusammenschieben der Grabenränder herausgestülpt. Die nachfolgenden Beispiele sollen das Spektrum der Prozesse von der Grabenanlage bis zur Invertierung abdecken.

Der Nordschweizer Permokarbon-Trog

Im Untergrund des östlichen Juras und des nördlichen Molassebeckens der Nordschweiz entdeckte man bei der Suche für Standorte radioaktiver Abfälle einen größeren, EW-streichenden Permokarbon-Trog. Abb. 2-19 zeigt einen Profilschnitt, der auf der Interpretation von reflexionsseismischen Linien und Tiefbohrungen beruht (Diebold et al. 1991, Naef 2007 und Naef & Madritsch 2014). Die Trogfüllung ist durch synsedimentäre Abschiebungen begrenzt. Der ältere Teil des Grabens (Karbon) war im Norden durch eine sehr tief reichende Abschiebung begrenzt. Im Perm verlagerte sich der Trog nach Norden.

Die Grabenfüllung selbst besteht aus fluviatilen, lakustrischen und Playa-Sedimenten (Matter 1987). Der ältere Teil konnte in einer anderen Tiefbohrung (Weiach) als spätes Karbon (Stephanian) datiert werden. Kleinzyklische Sandstein-Ton-Serien darin sind als Schwemmebenen zu interpretieren, feinkonglomeratisch-grobsandige Serien als Flussrinnen. Eingeschaltet darin finden sich dünne Kohle-Serien, die als Sumpfablagerungen in den Schwemmebenen zu deuten sind. Das Ganze stellt ein anastomosierendes fluviatiles System dar. Im Perm setzte sich dieses fluviatile System zunächst fort. Es wurde von Seeablagerungen überdeckt. Durch die Ausbreitung eines alluvialen Fächers verlandete der See. Der Abschluss dieses Fächers in der Tiefbohrung Weiach ist durch polymikte Kristallinbrekzien charakterisiert, die rasch überleiten in feinkörnige Rotschichten, die in einer Playa abgelagert wurden. Die Grenze Karbon-Perm in Abb. 2-19 ist nicht gesichert, da der tiefere Teil des Trogs nur von den seismischen Daten her bekannt ist. In der weiter östlich liegenden Bohrung Weiach, welche die ganze permokarbone Abfolge durchörterte, sind keine Diskordanzen erkennbar (Matter 1987).

 

Die mesozoischen Sedimente über dem Permokarbon-Trog sind anlässlich der Bildung des Juragebirges in der Anhydrit-Gruppe der Trias abgeschert und nordwärts schuppenartig aufgestapelt worden. Offenbar wurde der Permokarbon-Trog von dieser Deformation im Hangenden nicht wesentlich beeinflusst, das Grundgebirge verhielt sich starr.

Das Permokarbon im Helvetikum

Im Helvetikum sind permokarbone Abfolgen in kleineren Trögen |Seite 73| in den Externmassiven bekannt, und ein größerer Trog ist in den Deckenbau der helvetischen Decken involviert. Im Aiguilles Rouges-Massiv existiert eine Anzahl von älteren Trögen, die mit Sedimenten des Devons und Karbons gefüllt sind. Diese Tröge im südwestlichen Teil des Massivs verlaufen Nord-Süd, also schief zum alpinen Streichen. Der Trog von Dorénaz im nordöstlichen Aiguilles Rouges-Massiv ist mit karbonen Sedimenten gefüllt, verläuft parallel zum alpinen Streichen und wurde, wie Abb. 2-20 zeigt, bei der alpinen Gebirgsbildung partiell invertiert. Letzteres zeigt sich an der Aufwölbung des stratigrafischen Kontakts zwischen den karbonen und mesozoischen Sedimenten sowie der Aufwölbung der basalen Überschiebung der Morcles-Decke darüber. Am Südostrand des Trogs wurden die fluviatilen Sandsteine und Grauwacken des Karbons bei der Ausstülpung vertikal gestellt (Abb. 2-21A).


2-19 Geologischer Profilschnitt durch den Nordschweizerischen Permokarbon-Trog im Untergrund des Molassebeckens und des östlichsten Juragebirges. Umgezeichnet nach der Interpretation seismischer Daten von Diebold et al. (1991) und Naef (2007).

Die Trogfüllung selbst besteht aus alluvialen und fluvio-lakustrinen Sedimenten. Niklaus & Wetzel (1996) konnten zeigen, dass der älteste Teil der Trogfüllung Ablagerungen eines sanddominierten verzweigten Flusssystems sind, das quer über den Graben nach Südosten entwässerte. Mit zunehmender Subsidenz entwickelte sich dann ein beckenaxiales Entwässerungssystem, das vorwiegend pelitische Sedimente hinterließ. Von den Grabenrändern her wurden in alluvialen Fächern Sandsteine geschüttet, die oxidiert wurden und heute eine auffallend weinrote Färbung besitzen. Durch Abnahme des beckenaxialen Gefälles gelangten palustrine Sedimente zum Absatz, die auch Kohlelagen enthalten. Schließlich nahm durch weitere Einsenkung des Grabens das Axialgefälle wieder zu und die Ablagerungen deuten auf ein mäandrierendes, nach Südwesten entwässerndes Flusssystem. Offenbar spiegelt die Sedimentfüllung die tektonische Subsidenzgeschichte des Grabens wider. Die retrodeformierte Geometrie des Karbon-Trogs in Abb. 2-20 beruht auf der Arbeit von Pilloud (1991). Einen Eindruck der Art der Sedimente geben die Fotos in Abb. 2-21 A und B).

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2-20 Geologischer Profilschnitt und retrodeformierter Profilschnitt durch den Karbon-Trog von Dorénaz (Aiguilles Rouges-Massiv). Umgezeichnet und ergänzt nach Pilloud (1991).

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2-21 Die Karbonsedimente von Dorénaz. A) Steil stehende fluviale Abfolge mit kreuzgeschichteten Sandsteinen und Konglomeratschnüren. B) Detailaufnahme eines Konglomerates mit gerundeten und kantengerundeten Geröllen von Quarz, Feldspat und Anthrazit.

In der Ostschweiz liegt beim Permokarbon-Trog des Glarner Verrucanos der Fall einer völligen Invertierung vor: Bei der Deckenbildung wurde die gesamte Trogfüllung abgeschert und über mehr als 30 Kilometer nach Norden geschoben. Frontale Teile der altkristallinen Unterlage (Paragneise und Schiefer) des Tavetscher Zwischenmassivs wurden von dieser Bewegung ebenfalls erfasst (vgl. Pfiffner 1980) und liegen heute als großräumige Verkehrtserie vor. Die dislozierte Trogfüllung kam auf eine viel jüngere Unterlage aus mesozoisch-känozoischen Sedimenten zu liegen. Das Profil in Abb. 2-22 A zeigt eine Rekonstruktion des Trogs zur Zeit des Mesozoikums. Die synsedimentären Abschiebungen an den Trogrändern sind im Gelände nicht mehr erkennbar, da sie bei der Ausstülpung anlässlich der alpinen Deckenbildung als seitliche Rampen benutzt und dann durch interne Deformation völlig zerschert wurden. Sie sind heute in Teilen der basalen Überschiebung der helvetischen Decken (der Glarner Hauptüberschiebung) zu suchen. Abb. 2-22B veranschaulicht den Prozess der Ausstülpung des Permokarbon-Trogs. Die Trogfüllung liegt auf einer ausgeglätteten Überschiebungsfläche. Die ehemaligen Trogränder liegen als Falten vor, deren Achsen einen Bogen von 180° rund um die ausgestülpte Trogfüllung machen. Die mesozoischen Sedimente im Hangenden der Trogfüllung liegen höher als jene östlich und westlich des Trogs. Als Folge davon zeigen die Faltenachsen im Mesozoikum ein markantes Axialgefälle nach Osten und Westen.

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2-22 Der Permokarbon-Trog des Glarner Verrucanos. A) Der retrodeformierte Profilschnitt zeigt die ursprüngliche Grabenstruktur. B) Schematische Blockdiagramme illustrieren die Ausstülpung des Permokarbon-Troges.

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Die Trogfüllung (vgl. Abb. 2-22A) enthält sehr geringmächtige schwarze Phyllite und Grauwacken an der Basis, die dem datierten Karbon im Aar-Massiv nicht unähnlich sind. Die permische Füllung ist von roten Brekzien (bzw. Fanglomeraten), Sandsteinen und feinkörnigen Rotschichten dominiert. Die Rotfärbung ist durch die alpine, grünschieferfazielle Metamorphose lokal völlig überprägt. Die grobklastischen Sedimente (lokal als Sernifite bezeichnet) sind als proximale Schuttfächer bevorzugt an den Trogrändern vorhanden, während die feinkörnigeren Klastika mehr das Troginnere ausmachen. Die feinkörnigen Rotschichten (lokal als Schönbüel-Schiefer bezeichnet) stellen den jüngeren Teil dar und können wohl mit jenen des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs korreliert werden. Eingelagert in die Sedimente finden sich Lagen von sauren und basischen Vulkaniten (Rhyolite, Dacite bzw. Basalte, heute als Spilite vorliegend).

Der Begriff „Verrucano“ hat sich für die roten Klastika des Glarner Verrucanos eingebürgert, obschon, wie Trümpy (1980) bemerkt, diese Sedimente wenig mit den triadischen Konglomeraten, Sandsteinen und Tonsteinen von Verruca bei Pisa zu tun haben.


2-23 Glarner Verrucano. Grobklastische Varietät mit eckigen Komponenten unterschiedlicher Zusammensetzung. Sernftal (Kt. Glarus, Schweiz).

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2-24 Retrodeformierter Proflischnitt durch die Briançon-Schwelle mit den Permokarbon-Trögen der Zone Houillère und des Mont Fort (mittelpenninische Decken der West- und Zentralalpen). Zu den mit den Sedimenten assoziierten Magmatika zählen subalkaline Granitoide und rhyolitische und basaltische Vulkanite. Umgezeichnet nach Thélin et al. (1993).

Das Permokarbon im Penninikum

Im Penninikum sind an vielen Stellen wenig mächtige permische Sedimente zu beobachten. Ein größerer Komplex ist aber im Briançonnais der Westalpen und Zentralalpen auszumachen (Zone Houillère in Frankreich und Mont Fort-Digitation des Bernhard-Deckenkomplexes in der Schweiz). Nach Thélin et al. (1993) handelt es sich um zwei (eventuell mehrere) parallel verlaufende Tröge, die mit spätkarbonen bis permo-triadischen fluviatilen Sedimenten gefüllt sind. In den älteren Serien kommen graphitführende Metapelite und -grauwacken vor, die ein karbones Alter suggerieren. Quarzite bilden den Abschluss der jüngeren, permischen Trogfüllung und gehen übergangslos in Quarzite über, für die ein triadisches Alter angenommen wird. Wie Abb. 2-24 andeutet, sind die Trogfüllungen auch in diesem Falle von einem bimodalen Vulkanismus begleitet. Permische Gabbros und Granitoide intrudieren das Altkristallin und die Sedimente als Lakkolithe bzw. als Lagergänge. Die Vulkanite sind im Mont-Fort-Becken viel zahlreicher, was Thélin et al. (1993) als Indiz für ein Pull-apart-Becken deuten (transtensives tektonisches Regime). Die Orientierung der Becken würde auf eine großräumig dextrale Scherung hindeuten, ähnlich wie im Falle des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs.

Das Permokarbon im Ostalpin

Auch im Ostalpin der Ostalpen finden sich verbreitet permische Sedimente. Sie wurden nach Krainer (1993) in EW- bis NE-SW-verlaufenden Trögen abgelagert, deren Öffnung mit |Seite 79| der großräumigen dextralen Scherung erklärt wird, die mit der Ostdrift von Eurasien relativ zu Gondwana zu dieser Zeit zusammenhängt.

Stellvertretend für die vielen Vorkommen soll das Spätpaläozoikum der Gurktal-Decke kurz diskutiert werden. Die stratigrafische Abfolge ist in Abb. 2-25 zusammengefasst und basiert, wie die nachfolgende Diskussion, im Wesentlichen auf Krainer (1993).

Die Serie beginnt mit einem polymikten Basiskonglomerat, das diskordant den variszisch gefalteten, devonischen bis frühkarbonen Sedimenten aufliegt. Die darüber folgende Stangnock-Formation ist als fluviatile Abfolge in einem intramontanen Becken gedeutet, aufgebaut aus mehreren Megazyklen. Diese Megazyklen enthalten jeweils an der Basis Konglomerate (mit erosiver Auflage) eines gezopften bzw. verwilderten Flusssystems, darüber kreuzgeschichtete Konglomerat-Sandstein-Assoziationen eines mehr mäandrierenden Flusses. Den Abschluss machen dunkle anthrazitische Schiefer mit Pflanzenhäckseln, die als Ablagerung auf der Überschwemmungsebene und in Seen von verlassenen Mäanderschlingen zu deuten sind. Diese Abfolge ähnelt auffallend jener im älteren Teil des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs.

Mit dem Übergang zu den Sedimenten des Perms erfolgt ein Farbwechsel auf Rot, der klimatisch bedingt sein dürfte. Die Werchzirm-Formation des frühen Perms besteht aus roten Konglomeraten/Brekzien, unreifen Sandsteinen und feinkörnigen Rotschichten. Sie wird als Ablagerung eines proximalen bis distalen alluvialen Fächers und eines Playa-Komplexes gedeutet. Rhylolitische Vulkanite (Ignimbrite und Pyroklastika) schließen oft die Formation ab.

Der Übergang zur Gröden-Formation des späten Perms ist durch einen Hiatus gekennzeichnet, der durch Bruchschollen-Tektonik verursacht wurde. Diese sogenannte saalische Phase dürfte auf transpressive und transtensive Bewegungen an den bereits existierenden Gräben zurückzuführen sein. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit der Deformation der älteren Trogfüllung im Nordschweizerischen Permokarbon-Trog (Abb. 2-19). Ansonsten handelt es sich bei der Gröden-Formation wiederum um Ablagerungen eines proximalen bis distalen alluvialen Fächers, der oben in einen Playa-Komplex mündet. Allerdings enthalten die grobklastischen Sedimente sehr viel aufgearbeitetes Material frühpermischer Vulkanite. Die Gröden-Formation ähnelt ebenfalls auffallend dem Perm des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs und dem Sedimentanteil des Glarner Verrucanos.

 

Nach oben setzt sich die Sedimentation ohne Unterbrechung, aber mit einem abrupten Wechsel in den Ablagerungsbedingungen und der Zusammensetzung der Sedimente in den Alpinen Buntsandstein fort (Abb. 2-24). Der Wechsel wird nach Krainer (1993) durch eine rasche Klimaänderung zu mehr humiden Bedingungen erklärt. Im Alpinen Buntsandstein und der darüber folgenden Werfen-Formation können drei Megazyklen unterschieden werden. Jeder Zyklus beginnt mit proximalen Konglomeraten eines gezopften Flusssystems, das zu mehr distalen Sandsteinen überleitet. Den Abschluss bilden jeweilen feinklastische seichtmarine Sedimente. Im Falle der Werfen-Formation liegen anstelle der fluviatilen Sedimente Sturmablagerungen vor, und den Abschluss der Serie bilden Evaporite, die allmählich in den alpinen Muschelkalk übergehen.

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2-25 Die spätpaläozoischen Sedimente der Gurktal-Decke (Ostalpin), zusammengefasst nach Krainer (1993).

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2-26 Die vulkano-sedimentäre, spätpaläozoische Abfolge der Südalpen (Lombardei und Dolomiten). Zusammengefasst nach Schaltegger & Brack (2007) und Krainer (1993).

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Das Permokarbon im Südalpin

Im Südalpin folgt das Perm auf teilweise metamorph überprägte Serien, beispielsweise Quarzphylliten. Im frühen Perm bildeten sich zahlreiche Gräben, welche von magmatischer Aktivität begleitet waren. Die Sedimente des späten Perms lagerten sich diskordant darüber ab. Die magmatische Aktivität im frühen Perm scheint in zwei Schüben, von 283–280 und 277–275 Millionen Jahren, stattgefunden zu haben. In Abb. 2-26 werden die Abfolgen in der Lombardei und den Dolomiten verglichen (vgl. Krainer 1993 und Schaltegger & Brack 2007).

Das Ponte-Gardena-Konglomerat an der Basis der Serie zeigt beträchtliche Mächtigkeitsschwankungen, was auf die synsedimentäre Tektonik beim Einbrechen des Sedimentbeckens zurückzuführen ist. Der Bozen-Vulkanitkomplex besteht aus Laven, Ignimbriten und Tuffen, die mit fluviatilen und lakustrischen Sedimenten wechsellagern. Die lakustrischen Sedimente werden als Ablagerungen in Seen innerhalb des aktiven vulkanischen Komplexes, aber innerhalb Pausen in der vulkanische Aktivität, gedeutet. Die Klastika über den Vulkaniten folgen leicht diskordant, was auf die Blockrotationen der „saalischen Phase“ zurückzuführen sein dürfte. Die Gröden-Formation entspricht dem Verrucano Lombardo. Altersmäßig sind beide Formationen dem späten Perm zuzuordnen. Im Osten, den Dolomiten und den Karnischen Alpen, wird die klastische Sedimentation durch seichtmarine Ablagerungen (unter anderem Dolomit und Evaporite) der Bellerophon-Formation abgelöst. Diese marinen Sedimente, wie auch jene der triadischen Werfen-Formation bzw. Servino-Formation, sind Zeugen einer Transgression von Südosten her.

Die permokarbonen Gesteine im gesamten Gebiet der (künftigen) Alpen sind kontinental-klastischer und vulkanoklastischer Art und in intramontanen Trögen abgelagert. Diese Tröge sind Grabenstrukturen, die durch Ausdünnung der warmen verdickten Kruste des variszischen Gebirges und durch rechtssinnige Verschiebung zwischen Eurasien und Gondwana entstanden sind. Die ältesten Tröge wurden schon im späten Karbon angelegt, ihre Füllung wurde bereits als „Molasse“ bezeichnet. Diese Bezeichnung widerspricht aber der heute verwendeten Definition, laut welcher Molassesedimentation sich auf eine Vorlandsenke bezieht und nicht a priori post-orogen ist. Auch beim Begriff „Verrucano“ ist Vorsicht angebracht. Wie Krainer (1993) bemerkt, kann im geodynamischen Umfeld kaum zwischen den frühpermischen und spätpermischen Grabenbildungen unterschieden werden. Der Übergang von der dextralen Scherung zwischen Eurasien (Baltica) und Gondwana (Afrika) einerseits und das Zerbrechen von Pangäa und die damit assoziierte Öffnung der Tethys andererseits, dürften ähnliche lokale Effekte bewirkt haben. Zudem ist nicht klar ob, die Öffnung des Tethysarms von Südosten her im Perm oder erst in der Trias einsetzte.