Zwischen meinen Inseln

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Zwischen meinen Inseln
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Ole R. Börgdahl

Zwischen meinen Inseln

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Buch

Tagebücher Julie Jasoline: Vorwort

1909

1910

1911

1912

1913

1914

1915

1916

1917

1918

1919

1920

1921

1922

1923

1924

1925

1926

1927

1928

1929

1930

1931

1932

1933

1934

1935

1936

1937

1938

1939

1940

1941

1942

1943

1944

1945

1946

1947

1948

1949

1950

1951

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

Tagebücher Thérèse Pallet: Vorwort

1948

1949

1950

1951

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

1959

1960

1961

Nachwort

Personenverzeichnis

Leseprobe

Impressum neobooks

Das Buch

Julies Liebe zu dem Bauernsohn Onoo wird auf eine harte Probe gestellt. Sie verlässt Französisch-Polynesien und beginnt im australischen Brisbane ein neues Leben. Als Julie wenig später erfährt, dass sie ein Kind erwartet, bereut sie ihre Flucht. Die Hoffnung, dass Onoo ihr noch folgt, erfüllt sich jedoch nicht. Der Erste Weltkrieg und die Emanzipation Australiens bestimmen fortan Julies weiteres Schicksal.

Die Lebensgeschichte der Familie Jasoline spielt eine zentrale Rolle in dem Roman »Fälschung«, dennoch erfährt der Leser nur wenig davon, was sich im Leben der Protagonisten ereignet hat. In diesem Roman begegnen dem Leser alle noch offenen Fragen, die im historischen Umfeld der noch nicht allzu fernen Vergangenheit beantwortet werden. Es wird die Geschichte der Familie Jasoline in den Jahren zwischen 1890 bis 1961 erzählt. »Zwischen meinen Inseln« ist die Fortsetzung des Romans »Ströme meines Ozeans«.

Weitere Romane von Ole R. Börgdahl:

Fälschung (2007) - 978-3-8476-2037-2

Ströme meines Ozeans (2008) - 978-3-8476-2105-8

Faro (2011) - 978-3-8476-2103-4

Tod & Schatten (2016) - 978-3-7380-9059-8

Die Tillman-Halls-Reihe:

Ein neues Hamburger Ermittler-Duo betritt die Bühne. Kriminaloberkommissar Kurt Bruckner hat für seinen aktuellen Fall eigentlich nur einen Berater gesucht. In der Expertendatenbank des BKA stößt er dann auf einen Mann, der sofort sein Interesse weckt und seine Fantasie beflügelt.

Der Amerikaner Tillman Halls lebt mit seiner Familie seit drei Jahren in Hamburg und arbeitet als Immobilienmakler.

Doch was macht ihn für Bruckner interessant? Das ist ganz einfach: Tillman Halls ist ein ehemaliger US-Profiler!

Bruckner muss ihn zur Mitarbeit überreden, denn Tillman Halls ist längst Immobilienprofi und hat Spaß an seinem neuen Beruf. Bruckner schafft es schließlich, die kriminalistische Flamme in Tillman Halls wieder zu entfachen.

Alles in Blut - Halls erster Fall (2011) - 978-3-8476-3400-3

Morgentod - Halls zweiter Fall (2012) - 978-3-8476-3727-1

Pyjamamord - Halls dritter Fall (2013) - 978-3-8476-3816-2

Die Schlangentrommel - Halls vierter Fall (2014) - 978-3-8476-1371-8

Leiche an Bord - Halls fünfter Fall (2015) – 978-3-7380-4434-8

Tagebücher Julie Jasoline: Vorwort

Das Gesamtmaterial der Tagebücher von Madame Julie Jasoline umfasst fünfzehn gebundene Schreibhefte, dabei haben elf der Hefte eine Stärke von vierundsechzig Seiten und vier Hefte eine Stärke von achtundvierzig Seiten. Die Hefte haben etwa das Format fünfzehn mal zweiundzwanzig Zentimeter. Sie sind gegenüber dem Material, dass sowohl die Mutter, als auch die Schwester verwendet haben, von schlechterer Qualität und ähneln eher Schulheften. Auf die Einheitlichkeit der Umschlagsfarben hat Madame Jasoline weniger Wert gelegt, es erscheint eher so, dass sie ihr Material nach dem gewählt hat, was in ihrer Umgebung gerade zu erhalten war. Die Einträge sind ebenfalls nach Datum und Ort gegliedert. Das verwendete Schreibgerät variiert sehr häufig. Die ersten Einträge wurden mit einem Grafitstift vorgenommen, später hat Madame Jasoline aber auch einen Füllfederhalter verwendet, ist aber immer wieder zu ihrem vermeintlichen Lieblingsschreibgerät, dem Grafitstift, zurückgekehrt. Dann gab es noch eine Besonderheit. Die Mutter und die Schwester haben zeit ihres Lebens auf Französisch geschrieben, dies war auch so, als Madame Yvette Jasoline für einige Jahre in England gelebt hat. Madame Julie Jasoline hat die ersten Jahre ebenfalls auf Französisch geschrieben. In Australien begann sie dann nach kurzer Zeit ihre Einträge auch auf Englisch zu verfassen. Ohne dass wir ein System dahinter erkennen konnten, schrieb Madame Jasoline mal auf Englisch und mal auf Französisch. Wir glauben, dass es ihr irgendwann selbst nicht mehr bewusst war. Die nun folgenden Tagebücher sind Auszüge aus den Jahren 1909 bis 1958. Der Autorin sind laut ihrer Aufzeichnungen zahlreiche Menschen begegnet. Am Ende dieser Dokumentation findet sich daher ein alphabetisches Personenverzeichnis.

 

1909
Taiohae, 17. März 1909

Ich habe heute Geburtstag. Ich bin vierzehn geworden. Dies sind also die ersten beiden Sätze, die ich in dieses Heft schreibe. Es soll mein Tagejournal werden. Ich will es zumindest versuchen, ein Journal oder Tagebuch zu schreiben. Es war Vaters Geburtstagsgeschenk, eines seiner Geschenke. Ich habe eine Kette bekommen und Ohrringe, beides mit diesen schwarzen Perlen besetzt, die es auf Tahiti zu kaufen gibt. Vater hat sie in Papeete besorgt, als er letzten Monat dort war. Das war aber noch nicht alles, was er mir geschenkt hat. Ich darf mir auch zwei Kleider schneidern lassen. So, den ersten Absatz habe ich mit Worten gefüllt. Es war gar nicht so schwer und es hat Spaß gemacht. Ich weiß nicht, ob ich immer die Muße finden werde, alles aufzuschreiben, was passiert. Ich werde es auf jeden Fall versuchen.

Taiohae, 2. April 1909

In den letzten Wochen habe ich viele Muscheln am Strand gesammelt. Ich will unsere Möbel verzieren. Im letzten Jahr auf Tahiti habe ich solche Möbel gesehen. Die Türen von Schränken und die Schubladen von Kommoden waren mit einem glänzenden Material belegt. Es sind Intarsien und das Material ist Perlmutt. Das Perlmutt soll von Muscheln stammen. An unseren Stränden habe ich solche Muscheln bisher noch nicht gefunden, solche, die genauso glänzen wie dieses Perlmutt. Es gibt welche, die ähnlich sind, flach und fast ebenmäßig, aber die sind selten und besitzen nicht den Glanz, den ich auf Tahiti gesehen habe. Meine Muscheln sind doch wenigstens flach, sodass ich sie mit Leim auf den Möbeln anbringen kann. Ich habe mir zunächst nur ein Schränkchen aus meinem Zimmer vorgenommen, denn ich weiß ja nicht, wie geschickt ich mich anstelle und ob es überhaupt eine Verschönerung ist. Es wäre besser, wenn ich diese silberglänzenden Muscheln hätte, aber sie zu kaufen würde eine Menge Geld kosten.

Taiohae, 29. April 1909

Ich habe einen neuen Spruch für Vaters Büchlein gefunden oder besser, ich habe den Spruch von jemandem gehört. Am Anleger haben sich gestern zwei Kapitäne unterhalten. Der eine war wohl vor Kurzem im Krankenhaus in Papeete und schimpfte fürchterlich auf die Ärzte dort. Der andere Kapitän hat daraufhin so etwas Ähnliches gesagt, wie: »Die meisten Menschen sterben an ihren Ärzten und nicht an ihren Krankheiten.« Ich habe nachgesehen, dieses Zitat hatte Vater noch nicht und er fand den Spruch auch ganz lustig und wir waren der Meinung, dass auch ein bisschen Wahrheit daran sei. Leider kenne ich den Namen des Kapitäns nicht, weil Vater doch immer ganz genau notiert, von wem die Zitate stammen. Vater bezweifelt allerdings auch, dass dieser Kapitän der Urheber ist, er wird es sicherlich auch irgendwoher haben. Wir lassen es offen, vielleicht hören wir dieses Zitat ja noch einmal und wir bekommen heraus, von wem es stammt.

Taiohae, 15. Mai 1909

Die Schule bringt mir nicht mehr viel. Es wird langsam anstrengend, immer mit den Kleinen unterrichtet zu werden. Die Hälfte des Schultages verbringen wir Älteren dann auch in einem kleinen Studierzimmer. Die Lehrerin legt uns Bücher vor, aber ich bin die Einzige, die sich ernsthaft dafür zu interessieren scheint. Wir sind ja auch nur Mädchen. Die Jungen wurden schon vor einem Jahr nach Tahiti geschickt, zur Ausbildung. Die Bücher sind wirklich etwas Besonderes. Ich habe mir eines auf Englisch vorgenommen, mein Englisch ist schon sehr gut, weil ich oft mit den fremden Seeleuten und den Händlern spreche. Vater sieht es nicht gerne, wenn ich am Anleger spazieren gehe und die Menschen beobachte, die dort kommen und gehen. Noch weniger mag er es, wenn ich mit Fremden spreche. Wenigstens verbessere ich mein Englisch, sodass es mir nicht schwerfällt, die Bücher zu lesen und zu verstehen. Einmal sprach ich mit einem portugiesischen Kapitän, obwohl wir uns auf Englisch unterhalten haben, brachte er mir einige Worte seiner Sprache bei. Ich habe Vater nichts davon erzählt, aber ich habe zu Hause die Worte geübt und er hat sich gewundert. Bei den Büchern, die wir in der Schule haben, interessiert mich auch der Atlas. Wie weit doch alles von uns entfernt ist. Um nach Chile zu gelangen oder nach Australien, braucht ein Dampfschiff gut zwei oder drei Wochen. Nach Europa sind es viele, viele Wochen. Wir haben in der Schule etwas über Frankreich gelernt und über das alte Rom. Der französische Präsident ist ein Monsieur Armand Fallières, ein alter Mann mit einem weißen Bart. Die Lehrerin hat uns ein Foto von ihm gezeigt. Mit den Büchern lerne ich viel schneller, als im Unterricht, weil nicht immer jemand stört oder etwas nicht versteht oder weil die Lehrerin sich um die Kleinen kümmern muss. Ich könnte mir vorstellen, ebenfalls Lehrerin zu werden, aber keine Nonne. Ich hoffe es gibt auch Lehrerinnen, die nicht ins Kloster gehen müssen.

Taiohae, 31. Mai 1909

Pfingsten. Gestern waren wir in der Kirche. Ich liebe diese Zusammenkünfte, wenn sich alle so fein herausputzen. Ich konnte eines meiner neuen Kleider tragen, nur die Perlenkette nicht. Es gehört sich nicht in der Kirche, sagt Vater. Meine Kleider, das Blaue und das Braune, trage ich nur selten. Ich hätte mir zum Geburtstag doch lieber ein halbes Dutzend Hosen wünschen sollen, die sind praktischer.

Taiohae, 11. Juni 1909

Ich bin nicht sehr zufrieden. Das Schränkchen, auf das ich die Muscheln geklebt habe, ist nicht schön geworden. Es liegt wohl auch daran, dass sie nur auf dem Holz angebracht sind und ich sie natürlich nicht in das Holz einarbeiten konnte. Ich werde meine Bemühungen jetzt unterlassen, auch gefällt es Vater nicht so gut, wie ich es mir erhofft habe. Er sagt es mir aber nicht und hat mich sogar für mein Geschick gelobt. Ich weiß jetzt auch mehr über dieses Perlmutt. Ich werde es wohl kaum an unseren Stränden finden, denn es stammt von Muscheln und Tieren, die tief in der See leben und nach denen gefischt werden muss. Wer hier auf den Inseln einen Vorrat an Perlmutt besitzt, hat einen kleinen Schatz und nutzt ihn, um zu tauschen oder um etwas zu bezahlen. Die Tuamoto-Inseln werden deswegen auch von Händlern angefahren, die das Perlmutt aufkaufen.

Eiao, 17. Juli 1909

Ich bin noch gar nicht auf Eiao, wir sind noch auf dem Schiff und segeln Richtung Norden. Vater will fotografieren und ich begleite ihn diesmal. Wenn mein Tagebuch nass wird, muss ich alles noch einmal abschreiben. Es wird aber nicht nass, denn die See ist ruhig. Ich habe noch eine ganze Zeit lang die Bergspitzen auf Nuku Hiva sehen können, jetzt nicht mehr und Eiao ist auch noch nicht in Sicht.

Eiao, 19. Juli 1909

Wir haben zweimal auf dem Schiff übernachtet. Vater will die Fotografien nach Amerika verkaufen. Er nimmt die Landschaft der Insel auf. Ich kenne die Bilder, die er schon auf anderen Inseln gemacht hat, ich finde sie langweilig. Wir können bis nach Hatutu hinübersehen, es ist ja nur wenige Kilometer entfernt. Ich würde es bestimmt schaffen, dorthin zu schwimmen, aber das erlaubt Vater mir nicht. Auf Eiao haben wir einige Fischer mit ihren Booten getroffen. Ich kenne sie nicht und Vater auch nicht. Sie interessieren sich für Vaters Kamera. Vater fotografiert sie aber nicht, er hat zu wenig Filme dabei und braucht alles für seine Landschaften. Bei Hatutu liegt auch ein Schiff, es kann aber kein Fischerboot sein, wir sehen die Masten, es muss noch größer als unser Schiff sein. Es gibt Amerikaner, die von San Francisco aus nach Tahiti kommen und auch auf den Marquesas haltmachen, darum wollen auch die Amerikaner Vaters Fotografien kaufen. Morgen früh segeln wir wieder zurück.

Taiohae, 1. August 1909

Vater hat mir erst jetzt mehr über das Schiff bei Hatutu erzählt. Einer der Fischer, denen wir auf Eiao begegnet sind, hat von Gewehren gesprochen, von Kisten mit Snidergewehren. Der Fischer war sogar an Bord dieses Schiffes und hat sie mit eigenen Augen gesehen. Vater sagt, dass es wohl illegal sei, dass die Gewehre geschmuggelt werden. Er hat der Gendarmerie hier in Taiohae Bescheid gegeben. Die Gendarmerie muss diesen Schmuggel ernst nehmen, wie Vater sagt, denn die Gewehre könnten in die Hände von Aufständischen fallen oder zu Raubzügen benutzt werden.

Taiohae, 30. August 1909

Es war einfach nur widerlich. Ich habe schon häufiger betrunkene Matrosen gesehen, vor allem in Papeete, aber noch nie so ein Elend. Ich bin schon am Nachmittag einmal an unserer Taverne vorbeigekommen und habe drei von ihnen gesehen, als sie noch nicht so betrunken waren. Sie haben mir noch hinterhergerufen, aber ich habe keine Notiz von ihnen genommen, es war ja auch harmlos. Auf dem Rückweg, gut zwei Stunden später habe ich sie schon von Weitem gehört, sie waren immer noch da. Der eine saß inzwischen auf der Straße im Staub. Ein Karren hätte ihn überfahren können. Er hatte seine Flasche noch in der Hand, leer. Es war natürlich Absinth, was auch sonst. Die anderen beiden sind wenigstens auf der Veranda der Taverne geblieben, an einem Tisch sitzend und die Köpfe auf die Tischplatte gesenkt, bewegungslos. Hier standen auch eine Absinthflasche und etliche Bierflaschen neben ihnen auf dem Tisch. Am Boden lag eine weitere Flasche, zerbrochen. Die Scherben in einer Pfütze Alkohol. Es roch ganz aromatisch. Als ich gerade vorüberging und noch dachte, wer den einen Matrosen wohl von der Straße holen wird, da hob plötzlich einer der anderen beiden seinen Kopf, stand auf, ging zum Geländer der Veranda und erbrach sich, fast genau vor meinen Füßen. Ich habe mich sofort abgewendet und bin schnell weitergegangen, es war widerlich. Zum Glück kamen mir auch schon die Gendarmen entgegen.

Taiohae, 8. September 1909

Seit der Sache mit den Snidergewehren hat Vater nun immer sein altes Gewehr dabei. Die Kugel, die im Schaft steckt, ist jetzt aber herausgefallen. Vater sagt, es sei ein Glücksbringer. Er musste sich sehr bemühen, die Kugel wieder zu befestigen. Er hat sie mit etwas Teer festgeklebt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es halten wird.

Taiohae, 24. September 1909

Ich bin erst gestern von einer längeren Reise zurück. Ich nenne es meine Reisen. Vater hat geschimpft, dabei habe ich nichts Böses getan. Ich bin mit dem Postschiff nach Oa Pou gefahren und habe eine Woche in der Mission gewohnt, bei den Nonnen und dem Pater. Ich habe in der Schule unterrichtet, ich habe an einigen Tagen aus meinem Lieblingsbuch vorgelesen, aus Robinson Crusoe. Vater hat mir das Buch zu Weihnachten geschenkt. Es hat einmal ihm gehört. Ich habe es schon dreimal gelesen. In der Schule auf Oa Pou habe ich nur aus den besten Kapiteln vorgelesen. Es handelt von einer Insel. Wir leben schließlich auch auf Inseln, zwar nicht allein, wie dieser Robinson, aber doch allein im großen Ozean. Auf dem Rückweg nach Taiohae ist das Postschiff nach Ua Huka gefahren. Dort gibt es überhaupt keine richtige Schule. Einige Nonnen kommen extra aus Oa Pou und geben den Kindern der Bauern und Fischer einmal im Monat Unterricht. Sie bringen ihnen ein wenig Lesen und Schreiben bei und erzählen natürlich von Gott, was wichtiger zu sein scheint, als die Mathematik und Erd- und Völkerkunde. Ich habe mich sehr darüber gewundert, wo es doch mehrere Pfarreien auf Ua Huka gibt, die jeden Sonntag, den Menschen Gott näherbringen. Es ist spannend Lehrerin zu sein. Ich hätte so viele Ideen, die aber den Nonnen wohl nicht gefallen werden. Ich habe mit Vater darüber gesprochen. Er ist auf meiner Seite, meint aber, dass die Vorstellungen einer Vierzehnjährigen nicht zählen. Er wird recht haben. Ich nehme mir vor, bald nach Tahiti zu gehen und dort eine richtige Lehrerin zu werden, auf die die Schüler dann auch hören, die von dem Monsignores und den frommen Schwestern für ernst genommen wird. Ich habe Vater gefragt, wann wir wieder nach Tahiti gehen. Er konnte es mir nicht sagen. Irgendwie bin ich auch froh darüber. Ich will zwar Lehrerin werden, aber ich will meine Inseln nicht verlassen. Meine Inseln, das sind jetzt Oa Pou und Ua Huka und Nuku Hiva sowieso. Überall dort habe ich jetzt meine ersten Schüler.

 

Taiohae, 4. Oktober 1909

Ein großes Kriegsschiff hat heute in der Bucht geankert. Vater war bei den Offizieren, er kennt ja noch so viele von den Offizieren. Es gibt Neuigkeiten über die Snidergewehre. Das Schiff, das wir bei Hatutu gesehen haben, war mit fünfunddreißig Kisten beladen, in jeder Kiste zwölf dieser Gewehre. Viele waren schon alt und unbrauchbar, aber die meisten sollen noch geschossen haben. Die Marine hat die Waffen beschlagnahmt und die Leute auf dem Schiff in Haft gesetzt. Alles geht jetzt nach Tahiti, dort soll es dann eine Gerichtsverhandlung geben. Vater hat eine Zeugenaussage gemacht. Vielleicht muss ich das auch noch machen, denn ich habe das Schiff ja auch gesehen. Ich kann bezeugen, dass es bei Hatutu lag. Vater sagt aber, dass seine Aussage vorerst reicht. Er hat auch angegeben, dass ich gar nicht mit auf Eiao war. Er hat Angst, dass mich die Behörden nachher auch noch bei der Verhandlung haben wollen, damit ich als Zeugin aussage. Vater meint, es wäre besser, wenn keiner wüsste, dass ich auch etwas gesehen habe.

Taiohae, 26. Oktober 1909

Nachdem die Verschönerungen an den Möbeln nicht sehr gut gelungen sind, habe ich heute auf dem Markt nach etwas anderem gesucht, das sich zur Dekoration unseres Heimes eignet. Ich habe früher schon selbst einmal versucht, aus der Steinnuss etwas zu schnitzen. Vater hat es mir aber irgendwann verboten, weil es zu gefährlich ist, mit dem scharfen Messer und überhaupt war ich ja auch noch ein Kind. Ich will natürlich nicht wieder damit anfangen, weil mir auch das Geschick und die Geduld fehlen. Auf dem Markt gibt es immer einige Stände, an denen die Schnitzereien angeboten werden. Es gibt Kämme, kleine Gefäße, Löffel, Schüsseln aber auch Skulpturen, alles aus den Steinnüssen hergestellt. Ich habe mich natürlich für die Kunstwerke interessiert und einiges gekauft und ich habe auch etwas in Auftrag gegeben. Ein Händler, ein Bauer, den ich schon lange kenne, will mir einen richtigen Tiki schnitzen. Die Mission darf natürlich nichts davon wissen. Ich werde den Tiki auch nur in meinem Zimmer aufstellen und ihn geheim halten.