Kreatives Schreiben

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[49]2. Geschichte des Kreativen Schreibens

Wenngleich unbestritten ist, wann die Disziplin des Kreativen Schreibens entsteht, wann ihre ›Geburtsstunde‹ anzusetzen ist,146 bleibt festzuhalten, dass mit Blick auf deren über hundertjährige Geschichte eine Fülle von Strömungen existieren, die nebeneinander bestehen und wechselseitigen Einfluss aufeinander ausüben.147Myers, D.G. In Rekurs auf die Positionen D.G. MyersMyers, D.G.148 erklärt Barbara GlindemannGlindemann, Barbara, dass insbesondere zwei ›Bewegungen‹ als Wegbereiter des heutigen Verständnisses von Kreativem SchreibenWegbereiter des Kreativen Schreibens gelten:149Glindemann, Barbara Einerseits befördern jene IdeenIdee dessen Ursprünge, die den so genannten amateur writers’ clubs zugeschrieben werden, d.h. literarischen Salons des späten 19. Jahrhunderts, die in den Vereinigten Staaten nach europäischem Vorbild um 1880 eine Konjunktur erleben. In diesen Clubs gehören Schreibspiele zum festen Repertoire; die Arbeitsweise ihrer Mitglieder lässt sich mit derjenigen heutiger SchreibworkshopsSchreibworkshop vergleichen.150Myers, D.G. Andererseits ist man zur gleichen Zeit an amerikanischen Universitäten darum bemüht, die LiteraturwissenschaftenLiteraturwissenschaft mittels eines (schon damals) verloren geglaubten PraxisbezugsPraxisbezug zu beleben. Denn die neusprachlichen Philologien hatten das konkrete Schreiben sowie die Lehre darüber, wie literarische Texte entstehen, zunächst vehement ausgeklammert und dieses Feld der ›klassischen‹ RhetorikRhetorik überlassen151 – eine Entwicklung, die es zu überwinden und neu disziplinär zu konstituieren galt.

Anstatt jedoch entsprechende curriculare Teilbereiche an die LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft anzugliedern, werden gleich zwei neue Studienfächer entwickelt, um den Ansprüchen an die universitäre InstitutionalisierungUniversitäre Institutionalisierung und KompositionslehreKompositionslehre derart ›praktischer‹ Kursformen gerecht zu [50]werden: Zum einen löst die literarische Kompositionslehre mit dem Ausbau und der Spezialisierung der Hochschulausbildung im 19. Jahrhundert die traditionelle RhetorikRhetorik ab, die bis dahin ein vierjähriges Studium umfasste; an ihre Stelle rücken zweisemestrige Kompositions-Kurse, die Studierende aller Fachbereiche in formaler Regelrhetorik und zunehmend auch im Hinblick auf grammatische bzw. stilistische Fertigkeiten schulen sollen. Zum anderen werden zum ersten Mal explizit unter dem Schlagwort des ›Creative Writing‹ Schreib-Kurse angeboten, die ausschließlich für Studentinnen und Studenten der Literaturwissenschaft bestimmt sind; sie wirken deren Theoretisierung entgegen und befördern den geforderten PraxisbezugPraxisbezugGeforderter Praxisbezug.152Glindemann, Barbara Sowohl die Kompositionslehre als auch das Creative Writing stellen zentrale Bezugsgrößen für die sich anschließende, bahngreifende Ausbreitung einer Schreib-(Aus-)Bildung an US-amerikanischen Universitäten zwischen 1880 und 1940 dar; ihr immenser Erfolg lässt sie zu Grundpfeilern der Hochschullandschaft der Vereinigten Staaten avancieren, was auch in der heutigen Gegenwart nachhaltig festzustellen ist. Aus diesem Grund werden die bedeutendsten akademischen Schreib-Kurs-Modelle im Folgenden akzentuiert, ohne damit eine lineare Entwicklung behaupten oder den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen.

2.1. Creative Writing in den USA

Im Vordergrund der zum Ausgang des 19. Jahrhunderts entstehenden US-amerikanischen ›Schulen‹ des Kreativen Schreibens stehen die Fragen, auf welche Weise die etablierten LiteraturwissenschaftenLiteraturwissenschaft, obgleich sie sich dem einzelnen ästhetisch-literarischen Text widmen, durch Reflexion und Anwendung des Schreib-Prozesses, d.h. der Bedingungen und der konkreten, selbst gestalteten Realisierung des Schreibens, zu komplettieren sind bzw. auch worin die Verbindung zwischen LiteraturtheorieLiteraturtheorie und literarischer PraxisLiteraturtheorieLiteraturtheorie und literarischer Praxis liegt und ob sich das Kreative Schreiben als eigenständige Disziplin in diesem Zwischenbereich zu behaupten vermag. Deshalb entsteht aus den ersten Creative Writing-Kursen in den USA – [51]»zunächst nur als eine Art Schreib- und Ausdrucks-Training für Studierende gedacht« – bald ein Lehrprogramm, »in dem das literaturwissenschaftliche Studium um einen praxisbezogenen Teil ergänzt wurde«, der »nicht nur formale und handwerkliche Sicherheit in den Techniken des Schreibens« vermittelt: »Auf dem Weg über die eigene, reflektierte Schreiberfahrung« sollen »auch Einsichten in jene Kreativitätsprozesse ermöglicht werden, die bei der Entstehung eines literarischen Werks mitwirken.«153Ortheil, Hanns-Josef

2.1.1. Ursprünge des Creative Writing

Ab 1880 betonen diese Schreib-Programme mithin die Bedeutung der ›kreativen‹ und ›konstruktiven‹ Aspekte literarischer Werke, und zwar in dem Bewusstsein, dass ›schöne‹ Literatur im akademischen Rahmen für mehr genutzt werden kann als für rein philologische Forschung – Barrett WendellWendell, Barret, ein Gründungsvater der KompositionslehreKompositionslehre und einer der ersten SchriftstellerSchriftsteller, der an einer amerikanischen Universität lehrt, initiiert daher ein Bildungs-ExperimentEin Bildungs-Experiment, das in dem Wunsch zum Ausdruck kommt, Studierenden einen geläufigen unprätentiösen, versierten und kreativen Schreibstil zu vermitteln.154Wendell, Barret Zu dieser Vorstellung gehört nicht nur, dass »everyday students«155 eine tägliche Schreib-Etüde von 100 bis 800 Wörtern zu absolvieren haben, die auf einer alltäglichen Beobachtung oder Erfahrung beruht,156Glindemann, Barbara sondern auch, dass die Anleitung zum Schreiben davon abgelöst wird, rein sprachliche Strukturen zu untersuchen; vielmehr soll herausgefunden werden, was einen Text (zumal einen literarischen Text) letztendlich auszeichnet.

Damit geht es bei diesem (frühen) Kreativen Schreiben um Wert- und Qualitätsmaßstäbe von Literatur, die eine »soziale Trägergruppe«157Kanon dazu bringt, ein literarisches Werk durch »(Wertungs-)HandlungenHandlung«158 mittels einer geradezu ›unsichtbaren [52]HandHand‹159MedientheorieHand auszuwählen und zu pflegen. WendellWendell, Barret erklärt wiederum in seinem einflussreichen BuchBuch English CompositionEnglish Composition, dass es sein Anliegen sei, einen jungen Schreibenden darin anzuleiten, das Wesen des Schreibens zu erkennen und zu erfassen.160Wendell, Barret Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seiner Kompositionskurse lernen nicht unbedingt, wie Literatur erschaffen werden kann; sie lernen aber durch und mittels dieser. Wichtig erscheint aus Wendells Sicht also weniger die literarische FormForm als vielmehr die persönliche Erfahrung mit jener; im Zentrum des Studiums steht primär die Begegnung mit Literatur und erst an zweiter Stelle die Analyse formaler Qualitäten. Vor der Folie des vorangegangenen Kapitels gesagt: Wendell schafft für seine Studierenden eine Kreative Schreib-SzeneSchreib-Szene, die zu einer beachtlichen Popularität seiner Kurse und Workshops führt.

Zu dieser Auffassung zählt, dass die traditionelle Ausrichtung literaturwissenschaftlicher Lektüren zunehmend in Frage gestellt wird – in dem Bestreben, eine institutionelle AlternativeEine institutionelle Alternative im Literaturstudium anzubieten, in der Überzeugung, dass Literatur auch eine produktive Aktivität bedeutet und somit produktionsästhetische Blickwinkel innerhalb der universitären Ausbildung Beachtung finden müssen.161Myers, D.G. Auf diese Ansichten reagieren die US-amerikanischen Fakultäten um 1900 und verankern das Schreiben zunehmend in ihren Curricula. Ende des 19. Jahrhunderts dominiert WendellsWendell, Barret Schreib-Methodik die Universitätslandschaft Amerikas.162

Barrett WendellWendell, Barret


wurde am 23. August 1855 in Boston als Sohn von Jacob und Mary Bertholdi Wendell geboren, schloss seine universitäre Ausbildung 1877 in Harvard ab, wo er 1880 Dozent im Fach Englische Sprache und Literatur wurde. Von 1888 bis 1898 war er dort als wissenschaftlicher Assistent von Adam Sherman Hill, dem Inhaber der Bylston-Professur für RhetorikRhetorik, von 1898 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1917 als Professor tätig. Als einer der ersten Hochschullehrer der Vereinigten Staaten lehrte Wendell amerikanische Literatur als Gegenstand eines systematisch historischen und literaturkritischen Studiums. Nachdem seine Romane Emilia (1885) und Rankell’s Remains (1887) beim Publikum durchgefallen waren, konzentrierte er sich auf sein akademisches Engagement und konzipierte eine Fülle von disziplinären Neuerungen, die das literarische Schreiben als Bestandteil der KompositionslehreKompositionslehre zu einer Säule des US-amerikanischen Universitätssystem werden ließen. Zu seinen Schülern zählten u.a. George Rice Carpenter und Robert Herrick. Wendell starb am 8. Februar 1921 in Boston.

Werke u.a.: The Duchess Emilia. A romance (1885) – Rankell’s Remains (1887) – English composition. Eight lectures given at the Lowell Institute (1891) – A literar history of America (1901) – The privileged classes (1908) – The mystery of education, and other academic performances (1909).

Es ist also die Praxisfeindlichkeit der LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft, die zur Ausformung, Institutionalisierung und Etablierung des Kreativen Schreibens führt; dessen Entstehung fungiert damit als Reflexionsinstanz der neueren Philologien, als Praxislehre, jedoch auch als Kritik: als Wissenschaftskritik. Die Vertreter curricularer SchreibvermittlungSchreibvermittlungCurriculare Schreibvermittlung versuchen, einen neuen Umgang mit Texten bereitzustellen, um deren ›Gemachtheit‹ zu unterstreichen. In der Nachfolge von WendellsWendell, Barret KompositionslehreKompositionslehre taucht der Begriff des Kreativen Schreibens zum ersten Mal Mitte der 1920er Jahre in den Schriften Hughes Mearns’Mearns, Hughes auf, der vor allem in zwei viel gelesenen [53]Büchern163 seine Schreib-Lehre an der New Yorker Lincoln School exemplifiziert. Mearns entwirft ein Programm für die systematisierende Schulung von Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverwirklichung und eigenem künstlerischen Ausdrucksvermögen mittels Schreiben (und nicht für die Ausbildung von Berufs-Schriftstellern).164 Darin wird noch einmal deutlich, wie sehr sich die Anfänge des Kreativen Schreibens in den USA an die reformpädagogischen Überlegungen John DeweysDewey, John anlehnen,165Dewey, John dem Mearns auch sein BuchBuch Creative Youth widmet. Deweys Pädagogik liefert der Entwicklung des Kreativen Schreibens nicht nur den Ansatz; bis heute verläuft die Formfindung des institutionalisierten Kreativen [54]Schreibens in den Vereinigten Staaten in permanenter und auffälliger Auseinandersetzung mit dessen Konzepten.166Glindemann, Barbara

 

John DeweyDewey, John


war einer der wichtigsten US-amerikanischen Philosophen und Pädagogen des 19. und 20. Jahrhunderts. Geboren am 20. Oktober 1859 in Burlington (Vermont) graduierte er 1879 an der dortigen Universität und arbeitete zwei Jahre als High School-Lehrer, bevor er 1884 an der John Hopkins University promovierte. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten der Begründer der experimentellen Psychologie, Granville Stanley Hall, sowie der Begründer der modernen SemiotikSemiotik, Charles Sanders Peirce. Dewey unterrichtete Philosophie in Michigan und Minnesota und wurde 1894 Vorsitzender der Abteilung für Philosophie, Psychologie und Pädagogik an der University of Chicago. Von 1904 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1930 war er Professor an der Columbia University in New York. Philosophisch vertrat er einen empiristischen Ansatz, der den gesellschaftlich gewordenen Menschen zum Gegenstand hat; pädagogisch wurde er durch seine Theorie der demokratischen Erziehung mit ihrem starken Handlungsbezug bekannt, bei dem das Lernen ganz und gar auf Erfahrung aufgebaut ist. Dewey starb am 1. Juni 1952 in New York.

Der erzieherische Wert von Literatur liegt dabei darin, dass diese als adäquates Mittel erscheint, das eigene Leben zu bedenken und zu verstehen. Wenn dem so ist, kann Literatur nur in ihrem ›Innern‹ erkannt und eigenständig praktiziert werden. Derjenige, der Literatur studiert, muss, wie MearnsMearns, Hughes ausführt, eine ›literarische Persönlichkeit‹Literarische Persönlichkeiten sein, jemand, der Literatur ›macht‹.167Mearns, Hughes Grundlage ist die Überzeugung des Learning by doing im Sinne DeweysDewey, John,168Dewey, John dass Lernen nur mittels eigener Anwendung, Ausführung und Erfahrung funktionieren kann. Studierende des Kreativen Schreibens lernen nicht ausschließlich von Lehrenden, nicht durch genaues [55]Studium oder vielfältiges Lesen; sie lernen durch die kontinuierliche Erfahrung, sich zu jenen ›literarischen Persönlichkeiten‹ und ›Machern‹ von Literatur zu entwickeln, von denen Mearns spricht.169Myers, D.G. Kreatives Schreiben erscheint damit als Indikator, zu erkennen, wofür literarische Werke nützlich bzw. geeignet sind, und außerdem warum sie hierfür nützlich bzw. geeignet sind, d.h. als Mittel, ihre ästhetische Qualität – »the text’s greatness«170 – zu verstehen. Kreatives Schreiben ist ein Instrument literarischer Kanonisierung,171 wenngleich man (nach D.G. MyersMyers, D.G.) besser von ›Nützlichkeit‹ und ›Tauglichkeit‹ statt von Kanonizität sprechen sollte.172Myers, D.G.

MearnsMearns, Hughes Absicht ist es daher nicht, Kreatives Schreiben isoliert vom Studium literarischer Texte zu vermitteln;173Mearns, Hughes er ist davon überzeugt, einen geradezu ›alten‹ Weg, Literatur zu lehren, wiederentdeckt und handhabbar gemacht zu haben, eine Methode, die er Creative ReadingCreative ReadingCreative ReadingCreative Reading nennt – »a new term for a very old art.«174 Kreatives Schreiben – und das gilt auch für dessen weitere Ausformung in jüngerer und jüngster Zeit – erfasst deswegen, wie R.V. Cassill sagen würde, reading as a writer.175

Hughes MearnsMearns, Hughes

(1875–1965) wurde 1920 als Leiter der Lincolm School an die Columbia University in New York berufen, die AbrahamAbraham, Ulf Flexner gegründet hatte und sich in erster Linie der Lehrerausbildung widmete. Hier konnte er bis 1925 durchsetzen, dass Creative Writing Bestandteil des Curriculums wurde. Nicht nur als Schreiblehrer, auch als einflussreicher Publizist konnte er – nach einer Reihe erfolgloser literarischer Werke – das Literaturstudium in Amerika maßgeblich reformieren. Seine Vorstellungen sind vornehmlich in zwei Büchern ausformuliert, die zu den meist gelesenen Lehrwerken des eingehenden 20. Jahrhunderts zählen: Creative Youth (1925) und Creative Power (1929). In erstgenanntem taucht zu ersten Mal der Begriff ›Creative Writing‹ auf. Seinen Universitätsabschluss erhielt Mearns an den Universitäten von Harvard und Pennsylvania. Ab 1905 lehrte er als Professor an der Philadelphia School of Pedagogy. Für seine Studentinnen und Studenten konzipierte er einen Studiengang, der nicht auf historische Analyse oder grammatikalische Besonderheiten abhebt, sondern auf Selbstverwirklichung, Persönlichkeitsentwicklung und Ausdrucksvermögen.

Werke u.a.: Vinegar Saint (1919) – I Ride in My Coach (1923) – Lions in the Way (1927) – Creative Youth. How a School Environment Set Free the Creative Spirit (1928) – Creative Power. The Education of Youth in the Creative Arts (1958).

Unter dem Einfluss von MearnsMearns, Hughes avanciert das Kreative Schreiben zu einem integrativen akademischen Ansatz, angesiedelt zwischen dem stark LektüreLektüre geleiteten Literaturstudium und der Praktizierung von Schreibübungen, die durchaus literarischen Charakter aufweisen, diesen jedoch keineswegs forcieren. Durch das selbständige Schreiben von Literatur, insbesondere in lyrischer FormForm, soll weniger SchreibkompetenzSchreibkompetenz vermittelt werden als ein VerständnisVerstehen, was »gute« Literatur ist dafür, was einen literarischen Text ›gut‹ macht; Ziel war nicht die Ausbildung von professionell Schreibenden, sondern von profunden Lesern.176Myers, D.G. Das enorme Interesse seitens der US-amerikanischen Studierenden gibt diesem Bestreben Recht: [56]Bis 1900 werden an zwölf Universitäten in den USA eigenständige Schreibstudiengänge für die Bereiche Dichtung, Short StoryStory und Drama gegründet; gleichzeitig erscheinen erste Lehrbücher – auch mit schriftstellerischem Erfolg: heute berühmte AutorenAutor wie Thomas WolfeWolfe, Thomas oder Eugene O’Neill zählen in Harvard ebenso zu den frühen Schreibstudenten wie F. Scott FitzgeraldFitzgerald, F. ScottThomas Wolfe und F. Scott Fitzgerald als frühe Schreibstudenten in Princeton.177 Bis 1931 haben schließlich bereits 41 Colleges und Universitäten in den Vereinigten Staaten ›Elemente‹ als formale wie inhaltliche Facetten des Kreativen Schreibens in ihre Curricula aufgenommen, wenn auch damals die entsprechenden Kurse noch zur Hälfte aus Kompostionslehre und zur Hälfte aus Selbstfindungsgründen bestehen[57]; MyersMyers, D.G. sagt dazu, dass die ›Form‹ dieser Kurse von WendellWendell, Barret, ihr Inhalt aber von Mearns geprägt sei.178Myers, D.G.

2.1.2. Norman FoersterFoerster, Norman und die School of LettersSchool of Letters

Einen neuen Impuls in Richtung der Entstehung einer eigenständigen Disziplin erhält das Kreative Schreiben in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts an der staatlichen Universität von Iowa. Dort übernimmt 1930 Norman FoersterFoerster, Norman die Leitung der neu gegründeten School of LettersSchool of LettersSchool of LettersSchool of Letters,179 in der und für die er in den nachfolgenden 14 Jahren eine eigene Schreib-Schule aufbauen kann.180 Durch Foerster wird das Studium des Kreativen Schreibens neben demjenigen des Literary Criticism,181 d.h. der LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft im US-amerikanischen Verständnis als dessen Senior-Partner, erstmalig eigenständig etabliert.182Foerster, Norman Für das Literaturstudium sollen beide komplementär sein; Literatur soll aus einer kreativen und einer kritischen Perspektive studierbar werden, d.h. diese vom ›Innern‹ her erschließen, sie mithin mit den Augen eines ›kreativen Künstlers‹ betrachten.183Foerster, Norman Kreatives Schreiben wird aufgefasst als der Versuch, aus den Bedingungen der literarischen Praxis zu einem tieferen, vor allem auch kritischen Verständnis literarischer Kunstwerke zu gelangen.184 Der Schreibende, so Foersters Überzeugung, benötige deshalb vor allem auch eines: Geist bzw. Seele, den Verstand des Kritikers.185Myers, D.G.

Kreatives Schreiben übernimmt auch hier eine bestimmte Art von Wissen durch bestimmte Verfahren der Praxis, aber es erweist sich nicht als Ausbildung für eine oberflächliche Weise der Lebensführung.186Foerster, Norman Kreatives Schreiben wird in Iowa als selbständiger ›Zweig‹ des Studiums von LiteraturEin »gründliches« Studium des Kreativen Schreibens entwickelt, um Angebote für alle Arten von ›Literatur-Studenten‹ bereit zu halten: für angehende [58]Kritiker wie für zukünftige SchriftstellerSchriftsteller, für zukünftige Wissenschaftler wie für angehende Lehrer.187Myers, D.G. Ein solches gründliches Studium des Kreativen Schreibens bedeutet für FoersterFoerster, Norman, eine ganze Reihe von Kompetenzen zu aktivieren: philologisches wie historisches Vermögen, künstlerische Einfühlungskraft wie ästhetisches Geschmacksurteil, kritisches Gespür wie Sicherheit im schriftlichen Ausdruck und ein ›Gefühl‹ für Sprache, Literatur und literarisches Leben.188 Kreatives Schreiben kann und soll curricular nicht von anderen künstlerischen Fächer losgelöst werden, zumal, wie Foerster feststellen muss, damalige Schriftsteller häufig zu undifferenziert, auch ungebildet und naiv mit der LiteraturgeschichteLiteraturgeschichte umgegangen sind.189Foerster, Norman

Norman FoersterFoerster, Norman

wurde am 14. April 1887 in Pittsburgh (Pennsylvania) geboren und starb am 1. August 1972 in Palo Alto (Kalifornien). Mit akademischen Qualifikationen der Harvard University (1910), der University of Wisconsin (1912), der University of the South (1931), des Grinnell College (1946) und der University of North Carolina unterrichtete er Englisch u.a. in Wisconsin, North Carolina und vor allem Iowa. Dort war er lange Jahre Direktor der School of LettersSchool of Letters und reformierte in dieser Funktion grundlegend dessen Curriculum (vor allem im Hinblick auf die Integration des Kreativen Schreibens). Foerster gilt als einer der prominentesten Vertreter des so genannten New Humanism zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Werke u.a.: The Chief American Prose Writer (1916) – American Ideals (1917) – American Poetry and Prose (1925) – American Criticism (1928) – The American Scholar (1929).

Damit unterscheidet sich FoerstersFoerster, Norman KonzeptSchreib-FormenForm und kulturelle Werte des Kreativen Schreibens von demjenigen MearnsMearns, Hughes’. Foerster steht äußerst feindselig solchen Vorstellungen gegenüber, die mittels Schreib-Lehre die Persönlichkeitsentwicklung bzw. das Ausdrucksvermögen des [59]›Selbst‹ fördern wollen; Schreiben zu lernen bedeutet für ihn stattdessen, Schreib-Formen ebenso zu erlernen wie tradierte kulturelle Werte: Jeder Student soll zwar die Chance haben, kreativ tätig werden zu können; er soll sich (nach Foerster) aber insbesondere für eine Ideengeschichte der Kritik und der Literatur engagieren.190Myers, D.G. Lehrende des Kreativen Schreibens können somit nicht ausschließlich etablierte SchriftstellerSchriftsteller sein; Kreatives Schreiben muss, so die Stoßrichtung der School of LettersSchool of Letters, von Wissenschaftlern gelehrt werden, speziell von solchen aus den Geschichtswissenschaften und den Philologien.191Myers, D.G. Am Ende sollten alle genannten Professionen – Kritiker, Historiker, Literaturwissenschaftler und Lehrer – ebenso wie professionelle Schreiber eine solide Grundlage für ihre späteren Berufe erhalten; Lernen von und Lernen durch LiteraturLernen von und Lernen durch Literatur ist Foersters großes Gesamtanliegen, das mit denjenigen WendellsWendell, Barret (im Hinblick auf dessen Konzentration auf persönliche Schreib-Erfahrung) sowie jenen Mearns’ (mit Blick auf dessen Überlegungen zum ›kreativen‹ Ausdruck des Selbst) die Geschichte des Kreativen Schreibens angestoßen hat.192 Die Etablierung »ästhetische[r] Sensibilisierung, des »Umgangs mit IdeenIdee« und der »Förderung der kritischen Fakultäten« in diesem disziplinären ›Werden‹ ist das wichtigste Verdienst Norman Foersters.193Glindemann, BarbaraFoerster, Norman Beflügelt durch die School of Letters befassen sich die Lehr- und Studienpläne des Kreativen Schreibens nun immer stärker mit Faktoren des SchreibprozessesSchreibprozess, der Essayform, der Recherche, dem expressiven Schreiben und dem kritischen Denken.194 Es entsteht ein »akademischer Raum«, um die »verschiedenen Schreibdiskurse« interdisziplinärInterdisziplinäre Integration verschiedener »Schreibdiskurse« zu integrieren: »technisches, wirtschaftsbezogenes und wissenschaftliches Schreiben, FeatureFeature Writing, journalistisches Schreiben, Literatur- und KulturkritikKulturkritik, [60]AutobiographieAutobiographie, BiographieBiographie, expositorisches [–] und literarisches Schreiben«.195Glindemann, Barbara