Kreatives Schreiben

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2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland

Mag es auf den ersten Blick scheinen, als seien Kreatives Schreiben, SchreibvermittlungSchreibvermittlung und deren Produktionsdiskurse erst nach Überwindung großer Hemmnisse nach Deutschland gelangt – zu verweisen wäre dazu etwa auf die Darstellungen Mattenklotts236 und LudwigsLudwig, Otto237Ludwig, Otto –, so lässt sich für den Verlauf des 20. Jahrhunderts gleichwohl eine Engführung von ästhetischen Strömungen, literarischer [72]Praxis und pädagogischen Bestrebungen, Schreiben (kultur-)technisch zu lehren, für den deutschsprachigen Sprachraum feststellen: »Vor dem Hintergrund von DadaDada und SurrealismusDadaDada und Surrealismus entstanden experimentelle und z.T. an der Psychotherapie orientierte Schreibtechniken, u.a. Sprachcollagen, écriture automatique und Traumtexte.«238Böttcher, Ingrid

Die Geschichte des Kreatives Schreiben in Deutschland wird, verhindert durch die radikal-diktatorische Kulturpolitik des Dritten Reichs,239DadaSchreibverfahren mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges jäh unterbrochen und erst nach 1945 wieder aufgegriffen – allerdings vornehmlich im Kontext einer Neuorientierung des traditionellen AufsatzunterrichtsAufsatzunterricht in der Schule: Hatte im preußischen Obrigkeitsstaat die schulische Behandlung entsprechend so genannter ›preußischer Tugenden‹ die im 19. Jahrhundert aufkommende Abhandlung bzw. Erörterung abgelöst und war von den Nationalsozialisten der Besinnungsaufsatz als »ausdrückliches Mittel der (faschistischen Charakterbildung instrumentalisiert« worden, konzentriert sich der SchreibunterrichtSchreibunterricht in Deutschland zunächst auf die Aufwertung des so genannten »sprachschaffenden bzw. –gestaltenden Aufsatz[es]«.240Becker-Mrotzek, MichaelBöttcher, IngridSchreibkompetenzIdeeForm Jedoch wird man sich in der schulischen Wirklichkeit schließlich über die Unzulänglichkeiten dieser Konzepte [73]bewusst, in deren Konsequenz Gegenbewegungen entstehen, die unter den Bezeichnungen ›freier Aufsatz‹ (in der Volksschule), ›prozessorientierte SchreibdidaktikSchreibdidaktik‹›Freier Aufsatz‹ und ›prozessorientierte Schreibdidaktik‹ (in der Hochschule) und – letztendlich – Kreatives Schreiben (in Schule, Hochschule und Gesellschaft) bekannt geworden sind.241

2.3.1. Aufsatzlehre und kommunikative Wende

Die Forschung betont in diesem Zusammenhang in der Regel die kommunikative Wende der SprachdidaktikSprachdidaktikDie kommunikative Wende der Sprachdidaktik in den 1970er Jahren, die – parallel zur Entwicklung in Großbritannien – eine erste Etablierung kreativen Schreibens in Deutschland initiiert:242Glindemann, Barbara

In einem zugegebenermaßen kühnen Bogen könnte man ›Praxis‹ dem auf den Erwerb einer ›kommunikativen Kompetenz‹ ausgerichteten Deutschunterricht der 70er und 80er Jahre zuordnen: Ob im ›Umgang mit Texten‹ oder bei der Förderung mündlicher Kommunikation – im Vordergrund stand und steht das Lernziel, Schülern ›Kommunikation im Vollzug‹ erfahrbar zu machen. So wichtig dieses Lernziel ist, so ergänzungsbedürftig ist es durch einen ›herstellungsorientierten‹, einen ›poietischen‹ Ansatz: Ziel dieses Ansatzes ist es, Schüler eigene Texte herstellen und damit schriftliches Formulieren als wichtigste FormForm angewandter Sprachreflexion einüben zu lassen. Nichts kann die Auseinandersetzung mit der eigenen, aktiv betriebenen TextproduktionTextproduktion ersetzen. Denn sie erfordert und fördert zentrale allgemeine Fähigkeiten: Planen einer komplexen HandlungHandlung, Antizipationsfähigkeit bezüglich der Wirkungsintention, selektive Bereitstellung und Strukturierung von Wissen […], Kritikfähigkeit bei der Revision des Geschriebenen und schließlich Identitätsbildung qua »Selbstbetrachtung des Schreibers in seinem Produkt« […]. In der Ausbildung dieser Fähigkeiten liegt der eigentliche Sinn des Schreibens.243

Im Verlauf der 1970er Jahre entsteht in Deutschland mithin ein neuer AufsatzunterrichtAufsatzunterrichtEin neuer Aufsatzunterricht unter kommunikativen Vorzeichen; das Konzept dieser Aufsatzdidaktik akzentuiert die »soziale Funktion der schriftlichen TextproduktionTextproduktion.«244Glindemann, Barbara Kreatives Schreiben hat hier (noch) nichts mit einer universitär geleiteten Ausbildung professionell [74]Schreibender gemeinsam; vielmehr geht es, wie 100 Jahre zuvor in den Vereinigten Staaten, um die Schulung allgemeiner Schreibfertigkeiten, die jedoch von einer solitären, ein Gegenüber oder eine Gruppe von Lesenden ignorierenden SchreibtätigkeitSchreibtätigkeit streng abgegrenzt wird.

Da es sich bei einem schulischen SchreibseminarSchreibseminar stets um eine geschlossene, überschaubare KommunikationssituationKommunikationssituation, eine »Gruppenkonstellation des literarischen Schreibens«»Gruppenkonstellation des literarischen Schreibens« handelt, lassen sich bei diesem leicht weitere Anschlüsse an seine US-amerikanischen Vorläufer finden. Die Aufsatzlehre, die kreative Schreibaufträge aufgreift und aufgibt, findet im Rahmen jener literarischen Geselligkeit statt, die bereits um 1880 die ›Erfindung‹ des Kreatives Schreibens als akademische Disziplin in den USA hervorgebracht hat. Eine derartige Situation gilt als Basis aller historischen FormenForm der literarischen Geselligkeit, mit der sich auch im Klassenzimmer Arbeitsatmosphären bilden, die die Schreibenden wechselseitig inspirieren und sie zu einer eigenen Schreibsprache führen.245

Absicht und Anliegen der DeutschdidaktikDeutschdidaktik ist es daher nicht, mittels Kreativem Schreiben schriftstellerische Talente zu suchen oder zu finden und auch nicht, Unterstützung bei potentiellen Veröffentlichungen zu leisten. In den einzelnen Unterrichtseinheiten soll regelgeleitet und kreativ-spontan geschrieben werden, um auch die Wahrnehmungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu schulen; literarische Ansprüche an die entstehenden Texte werden bewusst ausgeklammert; Schreibhemmungen und -blockadenSchreibhemmungen und -blockaden sollen erst gar nicht aufkommen: »Die Didaktiker prüfen beide Linien und erklären die Kombination von Bindung und Freiheit zum konzeptionellen Grundstein des Kreativen Schreibens.«246Glindemann, Barbara

Es entsteht, befördert durch schreibtheoretische Arbeiten in England und den USA, in Deutschland letzten Endes eine interdisziplinäre SchreibforschungSchreibforschung, an der sich Fachvertreter der Linguistik wie der Sprach- und LiteraturdidaktikLiteraturdidaktik sowie der Psychologie intensiv beteiligen.247SchreibdidaktikBecker-Mrotzek, MichaelBöttcher, IngridSchreibkompetenz Einzig die Neuere Deutsche LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft [75]verhält sich wie schon ihr britisches Pendant skeptisch und vorsichtig gegenüber einer fachlich vertretbaren Ansicht, eine Produktfixiertheit und Orientierung an ›fertigen‹ literarischen Texten vollständig zu überwinden; man tut sich schwer damit, Literatur grundsätzlich als im Entstehen begriffene ästhetische Erscheinung aufzufassen, wenn auch die Editionsphilologie seit jeher Textvorstufen, HandschriftenHandschrift und EntwurfsprozesseTextvorstufen, HandschriftenHandschrift und Entwurfsprozesse in ihren Forschungen berücksichtigt.248 Insbesondere die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur aus der Perspektive des Literaturproduzenten ist dem Kreativen Schreiben auch in Deutschland inhärent.249 Dort hat dieses also zwar einen didaktisch guten Ruf, sieht sich zugleich aber einer Reihe von Vorurteilen seitens der Literaturwissenschaft ausgesetzt. Dem steht eine zunehmende Popularität gegenüber – auch und besonders außerhalb des Hochschulsektors.

2.3.2. Die SchreibbewegungSchreibbewegung der 1980er Jahre

Die 1980er Jahre sind im Hinblick auf die (Erfolgs-)Geschichte des Kreativen Schreibens in Deutschland die Zeit freier, d.h. (hoch-)schulisch unabhängiger ›Schreibbewegungen‹›Schreibbewegungen‹, die sich beispielsweise 1982 in der Gründung des so genannten Segeberger KreisSegeberger Kreises, einer vereinsmäßig organisierten Gesellschaft für Kreatives Schreiben, konzentrieren und die den Charakter von Gruppenzirkeln annehmen, in der gemeinsam kreativ geschrieben werden soll.250 Es bildet sich eine Art zurückgenommener oder ›reduzierter‹ Öffentlichkeit, die sich ausdrücklich gegen den etablierten (marktgerecht organisierten) literarischen Betrieb wenden will.251Werder, Lutz von [76]Wertung und Beurteilung der entstehenden Texte treten deshalb in den Hintergrund – zugunsten einer ›Gelegenheitsschriftstellerei‹›Gelegenheitsschriftstellerei‹, in der die »traditionellen Gesetze«252 der Literatur umgangen werden sollen und die durch eine antiautoritäre Tradition das literarische Establishment ablehnen.253 Das Bestreben, durch das Kreative Schreiben zu sich selbst zu finden, ist hier besonders deutlich ausgeprägt,254 um eine Gegen- und Alternativkultur zum kommerziellen Literatursystem zu inszenieren. Gleichzeitig rückt die therapeutische Funktion des Kreativen Schreibens in den Vordergrund. Dieser ist darum zu tun, psychische Erkrankungen mit Hilfe angeleiteten, vor allem autobiographischen Schreibens (etwa zur Stabilisierung des Ichs) zu behandeln.255

Nach und nach wird dennoch das Kreative Schreiben in Deutschland in die eigentliche Literaturproduktion überführt.256Glindemann, Barbara Dem gegenüber stehen zwar nach wie vor die Vorbehalte der deutschen Universitätsgermanistik, doch allmählich werden SchreibworkshopsSchreibworkshop im akademischen LehrbetriebSchreibworkshopsSchreibworkshop im akademischen Lehrbetrieb häufiger,257 um das herkömmlich philologische Studium mit einer Produktionsperspektive zu ergänzen. Kreatives Schreiben wird allerdings noch nicht als eigenes Fach unterrichtet und es wird eher ein theoretischer sowie didaktischer Zugang betont. Eine Ausnahme stellt Hermann Kinder dar, der seit 1983 Schreibseminare an der Universität Konstanz anbietet, um sprachliche KreativitätKreativität, Textsensibilität und eine gemeinsame Schulung des literarischen Geschmacks zu vermitteln.258Schreibgruppe

 

An den Universitäten formiert sich im Zuge dessen eine vorsichtige Annäherung an das Konzept und die IdeeIdee des Kreativen Schreibens. Literarisches Leben findet nicht nur verstärkt Anschluss an das akademische MilieuAnschluss an das akademische Milieu; es bilden sich schließlich auch Strukturen, die am Ende eigene Creative Writing-Sudiengänge ermöglichen. Sie bleiben zunächst lange Zeit auf die schulische [77]Praxis des Deutschunterrichts über alle Schulformen hinweg bezogen; sie beziehen dennoch ebenfalls literaturwissenschaftliche und rhetorische Ansätze mit ein:

Diese deuten die Entwicklung vom Ergänzungsstudium zum eigenständigen Fachbereich an. Immer mehr aufeinander aufbauende Seminarkomplexe in Kreativem Schreiben werden angeboten. Die Studierenden sehen ihre Texte nicht länger als Repräsentanten einer Alternativkultur; sie schließen die Möglichkeit nicht aus, mit Texten, die in der kleinen Öffentlichkeit der Werkstatt bestehen, an die große literarische Öffentlichkeit zu treten. Literatur wird als phantasievolle symbolische Entsprechung innerer Befindlichkeit, eingebettet in HandlungHandlungsschemata betrachtet, nicht mehr als Verlängerung oder Resultat eines psychologisch subjektiven Prozesses der Betroffenheit. Erzählerische oder literarische Texte schreibt man nicht nur für sich selbst, sie werden komponiert, um von einem (fiktiven oder realen) Publikum gelesen zu werden. Der Erzähler erfindet Konzepte und sendet ImpulseDer Erzähler erfindet Konzepte und sendet Impulse an seine Leser, er gewinnt Kontrolle und wird nicht länger vom Zwang zur Selbstentblößung kontrolliert. Der AutorAutor literarischer Texte nimmt »Anleihen« bei der Wirklichkeit auf und macht diese zu seinem Arbeitsmaterial, die literarisch dargestellte »Wirklichkeit« muß nicht auf die reale Wirklichkeit verweisen. Indem er literarische Mechanismen einsetzt, verwandelt der Verfasser sein MaterialMaterial in literarisch-fiktionale Erzähltexte. Der Schreibende wählt bewußt bestimmte Sprach- und Formmittel aus und kombiniert Wirklichkeit und Phantasie anhand von literarischen Regeln.259Glindemann, Barbara

Die SchreiblehreSchreiblehre der 1990er Jahre in Deutschland findet somit wiederum Anschluss an den literarischen Diskurs; neben therapeutischem und pädagogischem Effekt findet zunehmend eine Betonung des ursprünglich hohen künstlerischen Potentials des Kreativen Schreibens statt.260Glindemann, BarbaraWerder, Lutz von Dessen ›Abstand‹ zur LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft wird geringer, auch wenn es jenen bis heute nicht überwunden hat.

2.3.3. Kreatives Schreiben heute

Mittlerweile werden – als Ergebnis der geschilderten Vorhaben und Voranschreitungen – Konzepte der Literatur- und Schreibförderung in bestehende (und neu entwickelte) Studiengänge ebenso integriert wie Methoden literarischer KreativitätKreativität erprobt [78]und Multiplikatoren des LiteraturbetriebsMultiplikatoren des Literaturbetriebs (in erster Linie Kulturjournalisten und Lektoren) ausgebildet werden.261 Derartige universitäre Aktivitäten dienen auch der Förderung eines Kreativen Schreibens, das sich vom wissenschaftlichen Schreiben distanziert, das dieses aber nachträglich leserlicher machen kann, indem es jenes literarisiert.262 Sie vermitteln ferner eine »andere Art des literarischen Wissens«263 und fundamentieren den Kontakt zwischen Studierenden, Professoren, BuchmarktBuchmarkt und einem allgemeinen LesepublikumKontakt zwischen Studierenden, Professoren, BuchmarktBuchmarkt und einem allgemeinen Lesepublikum.264 Anders formuliert: Sie bringen kulturelles Leben an die Universität bzw. Hochschule. So gibt

[d]as angloamerikanische Modell […] viele konkrete Beispiele für den Erfolg einer Ausbildung in Kreativem Schreiben […] und auch in Deutschland verzeichnen universitäre Schreibseminare erste Erfolge. Dennoch diskutiert man hierzulande nach wie vor darüber, ob Schreiben lehr- und lernbar sei, anstatt sich auf die Frage zu konzentrieren, in welchem Rahmen und mit welchen Methoden die Schriftstellerausbildung sinnvoll institutionalisiert und in den Fächerkanon integriert werden kann. […] Vor diesem Hintergrund bilden sich zwei Fronten heraus; auf der einen Seite die »philologiescheuen AutorenAutor«, die separate Institute oder Akademien für SchriftstellerSchriftsteller fordern, auf der anderen Seite die »aufgeschlossenen Wissenschaftler«, die eine Integration von Schreibkursen in die traditionellen Universitäten befürworten.265Glindemann, Barbara

Auf der Suche nach praktikablen Modellen zur Autorenausbildung bietet sich auf der einen Seite wiederum das anglo-amerikanische Modell des poet-in-residence in FormForm von Gastdozenturen für PoetikPoetik an,266 wie es an vielen deutschen Universitäten mittlerweile umgesetzt wird; auf der anderen Seite bleibt das Kreative Schreiben aktuell in Deutschland durch eine Erscheinungsweise definiert, die auf die angeleitete und reflektierende Vermittlung von Formen und Techniken literarischer ExpressionTechniken literarischer Expression zurückgreift.267Ortheil, Hanns-Josef ›Erfunden‹ wurde dieses Phänomen, wie ausgeführt worden ist, um [79]1880 im Zuge einer neuen Praxisorientierung der neueren Philologien bzw. der New HumanitiesNew HumanitiesNew HumanitiesNew Humanities innerhalb der US-amerikanischen Hochschulen und deren Curricula268New Humanities und als neuer akademische Lehr- und Lernbereich beginnt die Etablierung wissenschaftlich praktizierten Kreativen Schreibens in den Praxis-Laboratorien des auslaufenden 19. Jahrhunderts.269

Heute erfolgt die ›deutsche‹ Betrachtung des Kreativen Schreibens in ähnlicher Weise aus der Tendenz, LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft als KulturwissenschaftKulturwissenschaft270LiteraturwissenschaftKulturwissenschaft aufzufassen und sich diesem als »komplexer KulturtechnikKulturtechnik«»Komplexe Kulturtechnik« und »kultureller SchreibraumSchreibraum« einschließlich des entsprechenden »kulturellen Schreibraum[s]« zuzuwenden, in dem das materielle/mediale/performative Wie des Schreibens, sein intentionales Warum, sein formales/inhaltliches Was und sein Wozu (Zielorientierung) in »einem bestimmten historischen Moment aufgenommen und zugleich variiert«271Porombka, Stephan werden.272Spinner, Kaspar H.

Zwar hat die kulturwissenschaftliche Wende der Geisteswissenschaften die LiteraturwissenschaftenLiteraturwissenschaft umorientiert;273 das Kreative Schreiben steckt aber trotz der skizzierten Erfolge noch immer regelrecht in den Kinderschuhen. Dennoch existieren zwei Vollzeit-Studiengänge, die für die universitäre Schriftstellerausbildung vorgesehen sind: an der Universität HildesheimHildesheim, Universität der Bachelorstudiengang KulturjournalismusKulturjournalismus und Kreatives Schreiben274Ortheil, Hanns-JosefKulturjournalismusPorombka, Stephan sowie der Masterstudiengang Literarisches Schreiben und am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig der Bachelor- und [80]Masterstudiengang Literarisches Schreiben.275 In seiner kulturwissenschaftlichen Verortung findet das Hildesheimer enge Verzahnung in einer theoretisch ambitioniert und praktisch berufsorientiert vermittelten sowie auch medienwissenschaftlich geleiteten SchreibwissenschaftSchreibwissenschaftMedienwissenschaftlich geleitete Schreibwissenschaft;276 in Leipzig forciert die institutionelle Lehre starke poetologische und literaturtheoretische Inhalte und erhält nicht zuletzt durch die fortlaufende Integration wechselnder literarischer Gastdozenten sowie durch eine Vielzahl an Werkstattmodulen konzentrierten AnwendungscharakterAnwendungscharakter. Die Installierung des Kreativen Schreibens in den deutschen Studienbetrieb hat also durchaus begonnen. Es bleibt allerdings die Aufgabe, zukünftiger Studiengangsgestalter, aus diesem Beginn eine ausdifferenzierte und vielseitige Curriculumsbildung zu machen, die jedem Schreib-Interesse gerecht wird: denjenigen, die beruflich-professionell schreiben wollen, denjenigen, die ›Schreiben‹ in der Schule richtig thematisieren möchten und denjenigen, deren Anliegen es ist, ihr eigenes Schreiben in welcher Hinsicht auch immer grundlegend zu verbessern.

[81]3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens

Kreatives Schreiben verlangt immer auch die »intensive Arbeit an Kontexten«Die »intensive Arbeit an Kontexten«: »[E]s geht um das Lesen vor dem Schreiben, um das Lesen während des Schreibens und um das Lesen nach dem Schreiben, das ja eigentlich nichts anderes als das Lesen vor dem Wieder-Weiterschreiben ist.«277Porombka, Stephan Was aber soll für einen letztlich produktionsästhetischen Zweck gelesen werden?278Produktionsästhetik Bei MearnsMearns, Hughes sind es zumindest nicht die so genannten Klassiker, die in seinen Creative Writing Classes die Lektüren bedingen, nicht »the reiterated dead giants of the past«,279Mearns, Hughes sondern zeitgenössische Autorinnen und AutorenAutor,280 die als Vorbilder dienen können und deren Werke vor der Folie ihres Nutzwertes, literarisch Schreiben zu lehren, selektiert werden. Das erfordert naturgemäß, den ›üblichen‹ literarischen KanonKanon permanent zu erweitern.281Myers, D.G. Gerade deswegen steht heute Kanonisierung vor allem in englischsprachigen Creative Writing-Programmen unablässig auf dem Prüfstand. Sandra Lea Meek etwa führt mit Verweis auf Frank KermodesKermode, Frank These, Kanonbildung sei eine strategische Konstruktion gesellschaftlicher GruppierungenEine strategische Konstruktion gesellschaftlicher Gruppierungen, die dadurch ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen,282Kermode, FrankInterpretation folgendes aus:

[…] the »society« of the creative writing program is usually controlled by a small group of professors, who may believe that they can best serve their own interests – self-serving or altruistic – by constructing a canon that fits their own aesthetic preferences. While writers may have an interest in the propagation of their own aesthetics, there is nothing inherently calculated and self-serving in teaching what one sees as good writing. The problem occurs when the poet takes on a too narrowly evangelical role. In the workshop, such zeal raises a complicated issue; how can the proponent of a particular [82]belief system – aesthetic or religious – judge if a student-writer, a potential aesthetic convert, is doing well in his own belief system when that »leader« believes her won to bet he true, the chosen one? This kind of missionary attitude, common enough, can be limiting and even debilitating for the student, the potential artist in whom the writing program is supposed to encourage individual artistic growth.283

Fasst man nun auch ins Auge, dass in Deutschland (wie sich gezeigt hat) Creative Writing nach US-amerikanischem Muster noch regelrecht in den Kinderschuhen steckt und außerdem, dass auf dieses (wie sich ebenfalls bereits erwiesen hat) aufgrund von vor allem genieästhetischer Überzeugungen284Ortheil, Hanns-JosefKulturjournalismusHildesheim, Universität und Vorbehalten gegenüber diesem als selbst-therapeutisches Instrumentarium285PoesieWerder, Lutz von seit jeher äußerst zurück haltend reagiert wird, stellt sich die Frage nach der Bedeutung eines theoretischen Gehalts des Creative Writing?Der theoretische Gehalt des Creative Writing?