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Also ist der Beweis streng geführt, daß mit dem Gedächtnis auch die Fähigkeit erlischt, die logischen Funktionen auszuüben. Die Sätze der Logik werden hiedurch nicht tangiert, nur die Kraft, sie anzuwenden, ist dargetan als an jene Bedingung gebunden. Der Satz A = A nun hat psychologisch stets eine Beziehung zur Zeit, insoferne er nur im Gegensatze zur Zeit ausgesprochen werden kann: At_{1} = At_{2}. Logisch wohnt ihm diese Beziehung freilich nicht inne; wir werden aber noch darüber Aufschluß erhalten, warum er rein logisch als besonderes Urteil keinen speziellen Sinn hat und dieser psychologischen Folie so sehr bedarf. Psychologisch ist demnach das Urteil nur in Relation zur Zeit vollziehbar, als deren eigentliche Negation es sich darstellt.

Ich habe aber früher das stetige Gedächtnis als die Überwindung der Zeit, und eben damit als die psychologische Bedingung der Zeitauffassung erwiesen. So präsentiert sich denn die Tatsache des kontinuierlichen Gedächtnisses als der psychologische Ausdruck des logischen Satzes der Identität.26 Dem absoluten Weibe, dem jenes fehlt, kann auch dieser Satz nicht Axiom seines Denkens sein. Für das absolute Weib gibt es kein Principium identitatis (und contradictionis und exclusi tertii).

Aber nicht nur diese drei Prinzipien; auch das vierte der logischen Denkgesetze, der Satz vom Grunde, der von jedem Urteil eine Begründung verlangt, die es für alle Denkenden notwendig mache, hängt mit dem Gedächtnis aufs innigste zusammen.

Der Satz vom zureichenden Grunde ist der Nerv, das Prinzip des Syllogismus. Die Prämissen eines Schlusses sind aber psychologisch immer frühere, der Konklusion zeitlich vorhergehende Urteile, die vom Denkenden ebenso festgehalten werden müssen, wie die Begriffe durch die Sätze von der Identität und vom Widerspruch gleichsam geschützt werden. Die Gründe eines Menschen sind immer in seiner Vergangenheit zu suchen. Darum hängt die Kontinuität, welche das Denken des Menschen als Maxime gänzlich beherrscht, mit der Kausalität so enge zusammen. Jedes psychologische In-Kraft-Treten des Satzes vom Grunde setzt demzufolge kontinuierliches, alle Identitäten wahrendes Gedächtnis voraus. Da W dieses Gedächtnis so wenig als Kontinuität sonst irgend kennt, so gibt es für sie auch kein Principium rationis sufficientis.

Es ist also richtig, daß das Weib keine Logik besitzt.

Georg Simmel hat diese alte Erkenntnis als unhaltbar bezeichnet, weil die Frauen oft mit äußerster, strengster Konsequenz Folgerungen zu ziehen wüßten. Daß die Frau in einem konkreten Falle, wo es ihr zur Erreichung irgend eines Zweckes paßt und dringend notwendig scheint, unerbittlich folgert, ist so wenig ein Beweis dafür, daß sie ein Verhältnis zum Satz vom Grunde hat, wie es ein Beweis für ein Verhältnis zum Satz der Identität ist, daß sie so oft hartnäckig ein und dasselbe behauptet, und immer wieder auf ihr erstes, längst widerlegtes, Wort zurückkommt. Die Frage ist, ob jemand die logischen Axiome als Kriterien der Gültigkeit seines Denkens, als Richter über das, was er sagt, anerkennt oder nicht, ob er sie zur steten Richtschnur und Norm seines Urteils macht. Eine Frau nun sieht nie ein, daß man alles auch begründen müsse; da sie keine Kontinuität hat, empfindet sie auch kein Bedürfnis nach der logischen Stützung alles Gedachten: daher die Leichtgläubigkeit aller Weiber. Also im Einzelfall mögen sie konsequent sein, aber dann ist die Logik nicht Maßstab, sondern Werkzeug, nicht Richter, sondern meistens Henker. Dagegen wird eine Frau durchaus, wenn sie eine Ansicht äußerte, und der Mann so dumm wäre, dies überhaupt ernst zu nehmen und einen Beweis von ihr verlangte, ein solches Ansinnen als unbequem und lästig, als gegen ihre Natur gerichtet empfinden. Der Mann fühlt sich vor sich selbst beschämt, er fühlt sich schuldig, wenn er einen Gedanken, habe er ihn nun geäußert oder nicht, zu begründen unterlassen hat, weil er die Verpflichtung dazu fühlt, die logische Norm einzuhalten, die er ein für allemal über sich gesetzt hat. Die Frau erbittert die Zumutung, ihr Denken von der Logik ausnahmslos abhängig zu machen. Ihr mangelt das intellektuelle Gewissen. Man könnte bei ihr von »logical insanity« sprechen.

Der häufigste Fehler, den man an der weiblichen Rede entdecken würde, wollte man sie wirklich auf ihre Logizität prüfen (was jeder Mann gewöhnlich unterläßt und schon damit seine Verachtung der weiblichen Logik kundgibt), wäre die quaternio terminorum, jene Verschiebung, die eben aus der Unfähigkeit des Festhaltens bestimmter Vorstellungen, aus dem Mangel eines Verhältnisses zum Satze der Identität, hervorgeht. Die Frau erkennt nicht von selbst, daß sie an diesen Satz sich halten müsse, er ist ihr nicht oberstes Kriterium ihrer Urteile. Der Mann fühlt sich zur Logik verpflichtet, die Frau nicht; nur darauf aber kommt es an, nur jenes Gefühl der Schuldigkeit kann eine Bürgschaft dafür bieten, daß von einem Menschen immer und ewig logisch zu denken gestrebt werde. Es ist vielleicht der tiefste Gedanke, welchen Descartes je geäußert hat, und wohl darum so wenig verstanden und meist als schreckliche Irrlehre hingestellt: daß aller Irrtum eine Schuld ist.

Aber Quell alles Irrtums ist im Leben auch immer ein Mangel an Gedächtnis. So hängen Logik wie Ethik, die sich eben in der Wahrheitsforderung berühren und im höchsten Werte der Wahrheit zusammentreffen, wieder beide auch mit dem Gedächtnis zusammen. Und es dämmert uns auch bereits die Erkenntnis auf, daß Platon so Unrecht nicht hatte, wenn er die Einsicht mit der Erinnerung in Zusammenhang brachte. Das Gedächtnis ist zwar kein logischer und ethischer Akt, aber zumindest ein logisches und ethisches Phänomen. Ein Mensch z. B., der eine wahrhaft tiefe Empfindung gehabt hat, empfindet es als sein Unrecht, wenn er, sei's auch durch äußeren Anlaß genötigt, eine halbe Stunde darauf schon an etwas ganz anderes denkt. Der Mann kommt sich gewissenlos und unmoralisch vor, wenn er bemerkt, daß er an irgend einen Punkt seines Lebens längere Zeit hindurch nicht gedacht hat. Das Gedächtnis ist ferner schon deshalb moralisch, weil es allein die Reue ermöglicht. Alles Vergessen hingegen ist an sich unmoralisch. Darum ist Pietät eben auch sittliche Vorschrift: es ist Pflicht, nichts zu vergessen; und nur insofern hat man der Verstorbenen besonders zu gedenken. Darum auch sucht der Mann, aus logischen und ethischen Motiven in gleichem Maße, in seine Vergangenheit Logik zu bringen, alle Punkte in ihr zur Einheit zu ordnen.

Wie mit einem Schlage ist hier an den tiefen Zusammenhang von Logik und Ethik gerührt, den Sokrates und Plato geahnt haben, Kant und Fichte neu entdecken mußten, auf daß er später wieder vernachlässigt würde und den Lebenden ganz in Verlust geriete.

Ein Wesen, das nicht begreift oder nicht anerkennt, daß A und non-A einander ausschließen, wird durch nichts mehr gehindert zu lügen; vielmehr, es gibt für ein solches Wesen gar keinen Begriff der Lüge, weil ihr Gegenteil, die Wahrheit, als das Maß ihm abgeht; ein solches Wesen kann, wenn ihm dennoch Sprache verliehen ist, lügen, ohne es zu wissen, ja ohne die Möglichkeit, zu erkennen, daß es lügt, da es des Kriteriums der Wahrheit entbehrt. »Veritas norma sui et falsi est.« Es gibt nichts Erschütternderes für einen Mann, als wenn er, einem Weibe auf eine Lüge gekommen, sie fragt: »Was lügst Du?« und dann gewahren muß, wie sie diese Frage gar nicht versteht und, ohne zu begreifen, ihn angafft, oder lächelnd ihn zu beruhigen sucht – oder gar in Tränen ausbricht.

Denn mit dem Gedächtnis allein ist die Sache nicht erledigt. Es ist auch unter den Männern die Lüge genug verbreitet. Und es kann gelogen werden trotz der Erinnerung an den tatsächlichen Sachverhalt, an dessen Stelle zu irgend welchem Zwecke ein anderer gesetzt wird. Ja, nur von einem solchen Menschen, der, trotz seinem besseren Wissen und Bewußtsein, den Tatbestand fälscht, kann eigentlich mit Recht gesagt werden, daß er lüge. Und es muß ein Verhältnis zur Idee der Wahrheit als des höchsten Wertes der Logik wie der Ethik da sein, damit von einer Unterdrückung dieses Wertes zugunsten fremder Motive die Rede sein könne. Wo dieses fehlt, kann man nicht von Irrtum und Lüge, sondern höchstens von Verirrtheit und Verlogenheit sprechen; nicht von antimoralischem, sondern nur von amoralischem Sein. Das Weib also ist amoralisch.

Jenes absolute Unverständnis für den Wert der Wahrheit an sich muß demnach tiefer liegen. Aus dem kontinuierlichen Gedächtnis ist, da der Mann ebenfalls, ja eigentlich nur er lügt, die Wahrheitsforderung, das Wahrheitsbedürfnis, das eigentliche ethisch-logische Grundphänomen, nicht abzuleiten, sondern es steht damit nur in engem Zusammenhange.

Das, was einem Menschen, einem Manne ein aufrichtiges Verhältnis zur Idee der Wahrheit ermöglicht, und was ihn deshalb einzig an der Lüge zu hindern imstande ist, das kann nur etwas von aller Zeit Unabhängiges, durchaus Unveränderliches sein, welches die alte Tat im neuen Augenblick ganz ebenso als wirklich setzt wie im früheren, weil es es selbst geblieben ist, an der Tatsache, daß es die Handlung so vollzogen hat, nichts ändern läßt und nicht rütteln will; es kann nur dasselbe sein, auf das alle diskreten Erlebnisse bezogen werden, und das so ein kontinuierliches Dasein erst schafft; es ist eben dasselbe, das zum Gefühl der Verantwortlichkeit für die eigenen Taten drängt und den Menschen alle Handlungen, die jüngsten wie die ältesten, verantworten zu können trachten läßt, das zum Phänomen der Reue, zum Schuldbewußtsein führt, das heißt zur Zurechnung vergangener Dinge an ein ewig Selbes und darum auch Gegenwärtiges, zu einer Zurechnung, die in viel größerer Feinheit und Weite geschieht, als durch das öffentliche Urteil und die Normen der Gesellschaft je erreicht werden könnte, einer Zurechnung, die von allem Sozialen gänzlich unabhängig das Individuum an sich selbst vollzieht; weshalb alle Moralpsychologie, welche die Moral auf das soziale Zusammenleben der Menschen begründen und ihren Ursprung auf dieses zurückführen will, in Grund und Boden falsch und verlogen ist. Die Gesellschaft kennt den Begriff des Verbrechens, aber nicht den der Sünde, sie zwingt zur Strafe, ohne Reue erreichen zu wollen; die Lüge wird vom Strafgesetz nur in ihrer, öffentlichen Schaden zufügenden, feierlichen Form des Meineides geahndet, und der Irrtum ist noch nie unter die Vergehungen gegen das geschriebene Gesetz gestellt worden. Die Sozialethik, die da fürchtet, der Nebenmensch komme bei jedem ethischen Individualismus zu kurz, und darum von Pflichten des Individuums gegen die Gesellschaft und gegen die 1500 Millionen lebender Menschen faselt, erweitert also nicht, wie sie glaubt, das Gebiet der Moral, sondern beschränkt es in unzulässiger und verwerflicher Weise.

 

Was ist nun jenes über Zeit und Veränderung Erhabene, jenes »Zentrum der Apperzeption«?

»Es kann nichts Mindereres sein, als was den Menschen über sich selbst (als einen Teil der Sinnenwelt) erhebt, was ihn an eine Ordnung der Dinge knüpft, die nur der Verstand denken kann, und die zugleich die ganze Sinnenwelt ..... unter sich hat. Es ist nichts anderes als die Persönlichkeit.«

Auf ein von allem empirischen Bewußtsein verschiedenes »intelligibles« Ich hat das erhabenste Buch der Welt, die »Kritik der praktischen Vernunft«, der diese Worte entnommen sind, die Moral als auf ihren Gesetzgeber zurückgeführt.

Hiemit steht die Untersuchung beim Problem des Subjektes, und dieses bildet ihren nächsten Gegenstand.

VII. Kapitel.
Logik, Ethik und das Ich

Bekanntlich hat David Hume den Ich-Begriff einer Kritik unterzogen, die in ihm nur ein »Bündel« verschiedener, in fortwährendem Flusse und Bewegung befindlicher »Perzeptionen« entdeckte. So sehr auch Hume das Ich hiedurch kompromittiert fand, er trägt seine Anschauung relativ bescheiden vor, und salviert sich dem Wortlaute nach tadellos. Von einigen Metaphysikern nämlich, erklärt er, müsse man absehen, die sich eines anderen Ichs zu erfreuen meinten; er selbst sei ganz gewiß, keines zu haben, und glaube annehmen zu dürfen, daß es auch von den übrigen Menschen (von jenen paar Käuzen natürlich werde er sich wohl hüten, zu reden) gelte, daß sie nichts seien als Bündel. So drückt sich der Weltmann aus. Im nächsten Kapitel wird sich zeigen, wie seine Ironie auf ihn selbst zurückfällt. Daß sie so berühmt wurde, liegt an der allgemeinen Überschätzung Humes, an der Kant die Schuld trägt. Hume war ein ausgezeichneter empirischer Psychologe, aber er ist keineswegs ein Genie zu nennen, wie das meistens geschieht; es gehört zwar nicht eben viel dazu, der größte englische Philosoph zu sein, aber Hume hat auch auf diese Bezeichnung nicht den ersten Anspruch. Und wenn Kant (trotz den »Paralogismen«) den Spinozismus a limine deswegen zurückgewiesen hat, weil nach diesem die Menschen nicht Substanzen, sondern bloße Accidenzen sind, und ihn mit jener seiner »ungereimten« Grundidee schon für erledigt ansah – so möchte ich wenigstens nicht dafür einstehen, ob er sein Lob des Engländers nicht beträchtlich gedämpft hätte, wäre ihm auch der »Treatise« desselben bekannt gewesen und nicht bloß der spätere »Inquiry«, in welchen, wie man weiß, Hume seine Kritik des Ichs nicht aufgenommen hat.

Lichtenberg, der nach Hume gegen das Ich zu Felde zog, war schon kühner als dieser. Er ist der Philosoph der Unpersönlichkeit und korrigiert nüchtern das sprachliche »Ich denke« durch ein sachliches »es denkt«; so ist ihm das Ich eigentlich eine Erfindung der Grammatiker. Hierin war ihm übrigens Hume doch insofern vorangegangen, als auch er am Schlusse seiner Auseinandersetzungen allen Hader um die Identität der Person für einen bloßen Wortstreit erklärt hatte.

In jüngster Zeit hat E. Mach das Weltall als eine zusammenhängende Masse aufgefaßt und die Ichs als Punkte, in denen die zusammenhängende Masse stärkere Konsistenz habe. Das einzig Reale seien die Empfindungen, die im einen Individuum untereinander stark, mit jenen eines anderen aber, welches man darum vom ersten unterscheide, schwächer zusammenhingen. Der Inhalt sei die Hauptsache und bleibe stets auch in anderen erhalten bis auf die wertlosen (!) persönlichen Erinnerungen. Das Ich sei keine reale, nur eine praktische Einheit, unrettbar, darum könne man auf individuelle Unsterblichkeit (gerne) verzichten; doch sei es nichts Tadelnswertes, hie und da, besonders zu Zwecken des Darwinschen Kampfes ums Dasein, sich so zu benehmen, als ob man ein Ich besäße.

Es ist wunderlich, wie ein Forscher, der nicht nur als Historiker seiner Spezialwissenschaft und Kritiker ihrer Begriffe so Ungewöhnliches geleistet hat wie Mach, sondern auch in biologischen Dingen überaus kenntnisreich ist und auf die Lehre von diesen vielfach, direkt und indirekt, anregend gewirkt hat, gar nicht auf die Tatsache Rücksicht nimmt, daß alle organischen Wesen zunächst unteilbar, also doch irgendwie Atome, Monaden sind (vgl. Teil I, Kap. 3, S. 48). Das ist ja doch der erste Unterschied zwischen Belebtem und Unbelebtem, daß jenes immer differenziert ist zu ungleichartigen, aufeinander angewiesenen Teilen, während selbst der geformte Kristall durchaus gleichgeartet ist. Darum sollte man doch, wenigstens als Eventualität, die Möglichkeit in Betracht ziehen, ob nicht allein aus der Individuation, der Tatsache, daß die organischen Wesen im allgemeinen nicht zusammenhängen wie die siamesischen Zwillinge, auch etwas für das Psychische sich ergibt, mehr Psychisches zu erwarten ist als das Machsche Ich, dieser bloße Wartesaal für Empfindungen.

Es ist zu glauben, daß solch ein psychisches Korrelat schon bei den Tieren existiert. Alles, was ein Tier fühlt und empfindet, hat wohl bei jedem Individuum eine verschiedene Note oder Färbung, die nicht nur die seiner Klasse, Gattung und Art, seiner Rasse und Familie eigentümliche ist, sondern in jedem einzelnen Wesen sich von der in jedem anderen unterscheidet. Das Idioplasma ist das physiologische Äquivalent zu dieser Spezifität aller Empfindungen und Gefühle jedes besonderen Tieres, und es sind analoge Gründe wie die Gründe der Idioplasmatheorie (vgl. Teil I, Kap. 2, S. 20 und Teil II, Kap. 1, S. 102 f.), welche die Vermutung nahe legen, daß es einen empirischen Charakter auch bei den Tieren gibt. Der Jäger, der mit Hunden, der Züchter, der mit Pferden, der Wärter, der mit Affen zu tun hat, wird die Singularität nicht nur, sondern auch die Konstanz im Verhalten jedes einzelnen Tieres bestätigen. Also jedenfalls ist schon hier ein über das bloße Rendezvous der »Elemente« Hinausgehendes ungemein wahrscheinlich.

Wenn nun auch dieses psychische Korrelat zum Idioplasma existiert, wenn sicherlich selbst die Tiere eine Eigenart haben, so hat diese doch immer noch mit dem intelligiblen Charakter nichts zu tun, den wir bei keinem lebenden Wesen vorauszusetzen einen Grund haben, als beim Menschen. Es verhält sich der intelligible Charakter des Menschen, die Individualität, zum empirischen Charakter, der bloßen Individuation, wie das Gedächtnis zum einfachen unmittelbaren Wiedererkennen. Die Gründe aber, aus denen beim Menschen die Existenz eines solchen noumenalen, transempirischen Subjektes erschlossen werden darf, müssen nun in Kürze dargelegt werden. Sie ergeben sich aus der Logik und der Ethik.

In der Logik handelt es sich um die wahre Bedeutung des Prinzipes der Identität (und des Widerspruches; die vielen Kontroversen über deren Vorrang vor einander und die richtigste Form ihres Ausdruckes kommen hier wenig in Betracht). Der Satz A = A ist unmittelbar gewiß und evident. Er ist zugleich das Urmaß der Wahrheit für alle anderen Sätze; wenn ihm irgendwo einer widerspräche, so oft in einem speziellen Urteil der Prädikatsbegriff von einem Subjekte etwas aussagte, das dem Begriffe desselben widerspräche, würden wir es für falsch halten; und als Gesetz unseres Richtspruches würde sich uns, wenn wir nachsinnen, zuletzt dieser Satz ergeben. Er ist das Prinzip von wahr und falsch; und wer ihn für eine Tautologie erachtet, die nichts besage und unser Denken nicht fördere, wie dies so oft geschehen ist, von Hegel und später von fast allen Empiristen – es ist dies nicht der einzige Berührungspunkt zwischen den scheinbar so unversöhnlichen Gegensätzen – der hat ganz recht, aber die Natur des Satzes schlecht verstanden. A = A, das Prinzip aller Wahrheit, kann nicht selbst eine spezielle Wahrheit sein. Wer den Satz der Identität oder des Widerspruches inhaltsleer findet, hat es sich selbst zuzuschreiben. Er glaubte in ihnen besondere Gedanken zu finden, was er hoffte, war eine Bereicherung seines Fonds an positiven Kenntnissen. Aber jene Sätze sind nicht selbst Erkenntnisse, besondere Denkakte, sondern das Maß, das an alle Denkakte angelegt wird. Dieses kann nicht selbst ein Denkakt sein, der mit den anderen sich irgend vergleichen ließe. Die Norm des Denkens kann nicht im Denken selbst gelegen sein. Der Satz von der Identität fügt unserem Wissen nichts hinzu, er vermehrt nicht einen Reichtum, den er vielmehr gänzlich erst begründet. Der Satz von der Identität ist entweder nichts, oder er ist alles.

Worauf bezieht sich der Satz der Identität und der Satz des Widerspruches? Man meint gewöhnlich: auf Urteile. Sigwart z. B., der gar den letzteren nur so formuliert: »Die beiden Urteile, A ist B, und A ist nicht B, können nicht zugleich wahr sein«, behauptet, das Urteil: »Ein ungelehrter Mensch ist gelehrt« involviere deshalb einen Widerspruch, »weil das Prädikat gelehrt einem Subjekte zugesprochen wird, von welchem durch das Urteil, das implicite in seiner Bezeichnung mit dem Subjektsworte ‚ungelehrter Mensch’ liegt, behauptet war, es sei nicht gelehrt; es läßt sich also zurückführen auf die zwei Urteile X ist gelehrt und X ist nicht gelehrt« etc. Der Psychologismus dieser Beweisführung springt ins Auge. Sie rekurriert auf ein zeitlich der Bildung des Begriffes von einem ungelehrten Menschen vorhergehendes Urteil. Der obige Satz aber, A ist nicht non-A, beansprucht Gültigkeit, ganz einerlei, ob es überhaupt andere Urteile gibt, gegeben hat oder geben wird. Er bezieht sich auf den Begriff des ungelehrten Menschen. Diesen Begriff sichert er durch Ausschließung aller ihm widersprechenden Merkmale.

Hierin liegt die wahre Funktion der Sätze vom Widerspruch und von der Identität. Sie sind konstitutiv für die Begrifflichkeit.

Freilich geht diese Funktion bloß auf den logischen Begriff, nicht auf das, was man den »psychologischen Begriff« genannt hat. Zwar ist der Begriff psychologisch stets durch eine anschauliche Allgemeinvorstellung vertreten; dieser Vorstellung immaniert jedoch in einer gewissen Weise das Moment der Begrifflichkeit. Die psychologisch den Begriff repräsentierende Allgemeinvorstellung, an der sich das begriffliche Denken beim Menschen vollzieht, ist nicht dasselbe wie der Begriff. Sie kann z. B. reicher sein (im Falle ich ein Triangel denke); oder sie kann auch ärmer sein (im Begriffe des Löwen ist mehr enthalten, als in meiner Anschauung desselben, während es beim Dreieck umgekehrt ergeht). Der logische Begriff ist die Richtschnur, welcher die Aufmerksamkeit folgt, wenn sie aus der einen Begriff beim Individuum repräsentierenden Vorstellung nur gewisse Momente, eben die durch den Begriff angezeigten, heraushebt er ist das Ziel und der Wunsch des psychologischen Begriffes, der Polarstern, zu dem die Aufmerksamkeit emporblickt, wenn sie sein konkretes Surrogat erzeugt: er ist das Gesetz ihrer Wahl.

Gewiß gibt es kein Denken, das nur rein logisch und nicht psychologisch vor sich ginge: denn das wäre ja das Wunder. Rein logisch denkt ihrem Begriffe nach die Gottheit, der Mensch muß immer zugleich psychologisch denken, da er nicht nur Vernunft, sondern auch Sinnlichkeit besitzt, und sein Denken wohl auf logische, d. h. zeitlose Ergebnisse abzweckt, aber psychologisch in der Zeit vor sich geht. Die Logizität ist aber der erhabene Maßstab, der an die psychologischen Denkakte des Individuums von ihm selbst wie von anderen angelegt wird. Wenn zwei Menschen über etwas diskutieren, so sprechen sie vom Begriffe, nicht von den bei jedem verschiedenen individuellen Vorstellungen, die ihn hier und dort vertreten: der Begriff ist so ein Wert, an dem die Individualvorstellung gemessen wird. Wie psychologisch die Allgemeinvorstellung entsteht, hat darum mit der Natur des Begriffes gar nichts zu tun, und ist für diese von keinerlei Bedeutung. Den Charakter der Logizität, der dem Begriff seine Würde und seine Strenge verleiht, hat er nicht aus der Erfahrung, welche stets nur schwankende Gestalten zeigt, und höchstens vage Gesamtvorstellungen erzeugen könnte. Absolute Konstanz und absolute Eindeutigkeit, die nicht aus der Erfahrung entstammen können, sind das Wesen der Begrifflichkeit, jener »verborgenen Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abraten und sie unverdeckt vor Augen legen werden«, wie die »Kritik der reinen Vernunft« sich ausdrückt. Jene absolute Konstanz und Eindeutigkeit bezieht sich nicht auf metaphysische Entitäten: die Dinge sind nicht so weit real, als sie am Begriffe Anteil haben, sondern ihre Qualitäten sind logisch nur so weit ihre Qualitäten, als sie im Inhalte des Begriffes liegen. Der Begriff ist die Norm der Essenz, nicht der Existenz.

 

Daß ich von einem kreisförmigen Dinge aussagen könne, es sei gekrümmt, hiezu liegt meine logische Berechtigung im Begriffe des Kreises, welcher die Krümmung als Merkmal enthält. Den Begriff aber als die Essenz selbst, als das »Wesen« zu definieren, ist schlecht: »Wesen« ist hier entweder ein psychologisches Abgehobensein oder ein metaphysisches Ding. Und den Begriff mit seiner Definition gleichzusetzen, verbietet die Natur der Definition, die stets nur auf den Inhalt, nicht auf den Umfang des Begriffes sich bezieht, d. h. nur den Wortlaut, nicht den Kompetenzkreis jener Norm angibt, welche das Wesen der Begrifflichkeit ausmacht. Der Begriff als Norm, als Norm der Essenz kann auch nicht selbst Essenz sein; die Norm muß etwas anderes sein, und da sie nicht Essenz ist, so kann sie – ein drittes gibt es nicht – nur Existenz sein, und zwar nicht eine Existenz, die das Sein von Objekten, sondern eine Existenz, die das Sein einer Funktion enthüllt.

Nun ist aber bei jeder gedanklichen Streitfrage zwischen Menschen, wenn schließlich in letzter Instanz an die Definition appelliert wird, dann eben nichts anderes die Norm der Essenz als die Sätze A = A oder A ≠ non-A. Die Begrifflichkeit, Konstanz wie Eindeutigkeit, wird dem Begriffe durch den Satz A = A und durch nichts anderes. Und zwar verteilen sich die Rollen der logischen Axiome hier derart, daß durch das principium identitatis die dauernde Unverrückbarkeit und Insichgeschlossenheit des Begriffes selbst verbürgt wird, indes das principium contradictionis ihn eindeutig gegen alle anderen möglichen Begriffe abgrenzt. Hiemit ist, zum ersten Male, erwiesen, daß die begriffliche Funktion ausgedrückt werden kann durch die beiden obersten logischen Axiome, und selbst nichts anderes ist als diese. Der Satz A = A (und A ≠ non-A) ermöglicht also erst jedweden Begriff, er ist der Nerv der begrifflichen Natur oder Begrifflichkeit des Begriffes.

Wenn ich endlich den Satz selbst, A = A, ausspreche, so ist offenbar der Sinn dieses Satzes nicht, daß ein spezielles A, das ist, ja nicht einmal, daß jedes besondere A wirklicher Erfahrung oder wirklichen Denkens sich selbst gleich sei. Das Urteil der Identität ist unabhängig davon, ob überhaupt ein A existiert, d. h. natürlich wieder keineswegs, daß der Satz nicht von jemand Existierendem müsse gedacht werden; aber er ist unabhängig davon gedacht, ob etwas, ob jemand existiert. Er bedeutet: wenn es ein A gibt (es mag eines geben oder nicht, auch wenn es vielleicht gar keines gibt), so gilt jedenfalls A = A. Hiemit ist nun unwiderruflich eine Position gegeben, ein Sein gesetzt, nämlich das Sein A = A, trotzdem es hypothetisch bleibt, ob A selbst überhaupt ist. Der Satz A = A behauptet also, daß etwas existiert, und diese Existenz ist eben jene gesuchte Norm der Essenz. Aus der Empirie, aus wenigen oder noch so vielen Erlebnissen kann er nicht stammen, wie Mill glaubte; denn er ist eben ganz unabhängig von der Erfahrung, er gilt sicher, ob diese ein A ihm zeigen werde oder nicht. Er ist von keinem Menschen noch geleugnet worden und könnte es auch nicht werden, da die Leugnung ihn selbst wieder voraussetzte, wenn sie etwas, ein Bestimmtes leugnen wollte. Da nun der Satz ein Sein behauptet, ohne von der Existenz von Objekten sich abhängig zu machen, oder über solche Existenz etwas auszusagen, so kann er nur ein von allem Sein wirklicher und möglicher Objekte verschiedenes Sein, das ist also das Sein dessen ausdrücken, was seinem Begriffe nach nie Objekt werden kann27; er wird durch seine Evidenz also die Existenz des Subjektes offenbaren; und zwar liegt dieses im Satz der Identität ausgesprochene Sein nicht im ersten und nicht im zweiten A, sondern im identischen Gleichheitszeichen A ≡ A. Dieser Satz also ist identisch mit dem Satze: ich bin.

Psychologisch läßt sich diese schwierige Deduktion leichter vermitteln, wenn auch nicht ersparen. Es ist klar, daß, um A = A sagen, um die Unveränderlichkeit des Begriffes normierend festsetzen zu können und sie den stets wechselnden Einzeldingen der Erfahrung gegenüber aufrecht zu erhalten, ein Unveränderliches bestehen muß, und dies kann nur das Subjekt sein; wäre ich eingeschaltet in den Kreis der Veränderung, so könnte ich nicht erkennen, daß ein A sich selbst gleich geblieben ist; würde ich mich fortwährend ändern und nicht ein Identisches bleiben, wäre mein Selbst funktionell an die Veränderung geknüpft, so gäbe es keine Möglichkeit, dieser gegenüberzutreten und sie zu erkennen; es fehlte das absolute geistige Koordinatensystem, in Beziehung auf das allein und einzig ein Identisches bestimmt und als solches festgehalten werden könnte.

Die Existenz des Subjektes läßt sich nicht ableiten, hierin behält Kantens Kritik der rationalen Psychologie vollkommen recht. Aber es läßt sich dartun, wo diese Existenz strenge und unzweideutig auch in der Logik zum Ausdruck gelangt; und man braucht nicht das intelligible Sein als bloße logische Denkmöglichkeit hinzustellen, die uns allein das moralische Gesetz später völlig zur Gewißheit zu machen geeignet sei, wie Kant dies tat. Fichte hatte recht, als er in der reinen Logik ebenfalls die Existenz des Ich verbürgt fand, soweit das Ich mit dem intelligiblen Sein zusammenfällt.

Das Prinzip aller Wahrheit sind die logischen Axiome, diese statuieren ein Sein, und nach diesem richtet sich, nach ihm strebt das Erkennen. Die Logik ist ein Gesetz, dem gehorcht werden soll, und der Mensch ist erst dann ganz er selbst, wenn er ganz logisch ist; ja er ist nicht, ehe denn er überall und durchaus nur Logik ist. In der Erkenntnis findet er sich selbst.

Aller Irrtum wird als Schuld empfunden. Daraus ergibt sich, daß der Mensch nicht irren mußte. Er soll die Wahrheit finden; darum kann er sie finden. Aus der Pflicht zur Erkenntnis folgt ihre Möglichkeit, folgt die Freiheit des Denkens und die Siegeshoffnung des Erkennens. In der Normativität der Logik liegt der Beweis, daß das Denken des Menschen frei ist und sein Ziel erreichen kann.

Kürzer und anders kann ich mich bezüglich der Ethik fassen, da diese Untersuchung durchaus auf den Boden der Kantischen Moralphilosophie sich stellt und auch die letzten logischen Deduktionen und Postulate, wie man gesehen hat, in einer gewissen Analogie zu jener durchgeführt wurden. Das tiefste, das intelligible Wesen des Menschen ist eben das, was der Kausalität nicht untersteht, und wählt in Freiheit das Gute oder das Böse. Dies wird ganz in der gleichen Weise kundgetan, durch das Schuldbewußtsein, durch die Reue. Niemand hat noch vermocht, diese Tatsachen anders zu erklären; und niemand läßt es sich einreden, daß er diese oder jene Tat hat begehen müssen. Im Sollen liegt auch hier der Zeuge für das Können. Der kausalen Bestimmungsgründe, der niederen Motive, die ihn hinabgezogen haben, kann der Mensch sich vollkommen bewußt sein, und er wird doch, ja gerade dann am gewissesten, die Zurechnung an sein intelligibles Ich als ein freies, das anders hätte handeln können, vollziehen.

26Hiemit hoffe ich auch, die Kühnheit dieses gänzlich neuartigen Überganges vom Gedächtnis zur Logik gerechtfertigt zu haben.
27Dieser Beweis beruht jedoch, wie zu bemerken ist, auf der Identifikation eines beliebigen logischen A mit dem erkenntnistheoretischen Objekt überhaupt; diese Identifikation läßt sich in ihrer Berechtigung selbst nicht noch dartun. Vom Sein überhaupt, welches aus der Gültigkeit des Identitätsprinzipes streng genommen allein gefolgert werden könnte, will ich hier jedoch aus methodischen Gründen absehen. – Übrigens würde, um den Positivismus zu widerlegen (worauf es ankam), bereits dieser Beweis eines Seins jenseits der Erfahrung, unabhängig von aller Erfahrung, hingereicht haben. Daß dieses Sein das Sein des Ichs ist, dafür ist keine rein logische, sondern eigentlich nur eine psychologische Begründung aus der Erfahrungstatsache möglich, daß die logische Norm dem Menschen nicht von außen kommt, sondern vom eigenen tiefsten Wesen ihm gegeben wird. Nur darum kann das absolute Sein oder das Sein des Absoluten, wie es im Satze A = A sich manifestiert, mit dem Sein des Ichs gleichgesetzt werden: das absolute Ich ist das Absolute.