Hand in Hand

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TEIL II

Wirksame Strategien für das Leben mit Kindern

Einführung

Jede der fünf vorgestellten „Hand in Hand“-Zuhörstrategien erfüllt für das Wohlergehen Ihrer Familie eine wichtige Rolle. In ihrem Zusammenwirken bauen sie Verbundenheit zwischen Ihnen und Ihren Kindern auf.

Wunschzeit ist ein einfacher Weg, Ihre Kinder mit Liebe und Aufmerksamkeit zu füllen. Sie reservieren einen begrenzten Zeitraum nur für Sie beide, und Ihr Kind bestimmt, was gemacht wird. Es wird Ihnen in dieser Zeit gerne zeigen, was ihm wichtig ist und womit es innerlich gerade kämpft. In der Wunschzeit erlebt sich Ihr Kind von Ihnen gesehen. Dabei wird sein Vertrauen in Sie gestärkt, während es Ihnen wiederum Einblick in sein Denken gewährt. Es entsteht ein kooperationsförderndes Gefühl der Sicherheit. Wunschzeit hilft Ihnen, sich mit Ihrem sehr kleinen Kind zu verbinden, funktioniert auch bei Teenagern, jungen Erwachsenen und auch noch darüber hinaus. Unter den fünf Strategien ist es immer dann erste Wahl, wenn Sie denken: „Was soll ich mit dem Kind bloß machen?“

Bleib-Ganz-Ohr übermittelt dem Kind gerade dann Ihre liebevolle Zuwendung, wenn es verletzt oder angsterfüllt seine heftigen Gefühle ausdrückt. Es lässt den Schmerz herausströmen, sie hören ihm zu und füllen Ihr Kind mit der stillen Zuversicht, dass es sich wieder erholen wird. Sie beschützen Ihr Kind, während es sich allein und verloren fühlt. Sie hören dem emotionalen Ausbruch Ihres Kindes ohne Bewertung seiner Gefühle zu. So baden Sie Ihr Kind während seiner heftigsten Kämpfe in liebevoller Zuwendung. Durch das Herausströmen der Gefühle, entledigt sich das Kind einer emotionalen Last und spürt anschließend nur noch Ihre Liebe und Unterstützung. Sie beide werden lernen, dass schmerzliche Gefühle dann heilen, wenn jemand teilnahmsvoll zuhört. Weil die meisten von uns diese Art des Zuhörens nicht selbst erfahren haben, kann Bleib-Ganz-Ohr für die Eltern sehr herausfordernd sein. Aber diese Strategie hat die Kraft, die Stimmung Ihres Kindes zu heben und lästiges Verhalten zu verwandeln.

Das Grenzen-Setzen gehört zu den wichtigsten elterlichen Aufgaben. Sobald sein Verhalten entgleist, braucht und verdient Ihr Kind eine sinnvolle Grenze. Diese ermöglicht ihm, die emotionale Spannung abzuladen, die sein Verhalten beeinträchtigt hat. Daraufhin lernt es wieder gerne und freut sich an den Menschen in seinem Umfeld. Wir helfen Ihnen, die ersten Warnzeichen bei Ihrem Kind zu erkennen, und zeigen, wie man liebevoll Grenzen setzt. Man kann dies sogar auf eine spielerische Weise tun, die Ihr Kind zum Lachen bringt.

Das Ganz-Ohr-Spiel ist die Kunst, Ihr Kind beim Spielen zum Lachen zu bringen, und zwar ohne Kitzeln. Mit dieser herzerwärmenden, kreativen Methode wird die Verbundenheit zwischen Ihnen gestärkt, indem Sie Raum für Lachen und vergnügliches Spiel schaffen. Lachen baut Stress sehr wirkungsvoll ab. Während Sie lernen, wie man Machtumkehrspiele und wohlwollend herausfordernde und liebevolle Spielideen anregt, wird in Ihrem Kind Vertrauen wachsen. Lachen wird in Ihrer Familie Herzlichkeit fördern.

Beim Gegenseitigen einfühlsamen Zuhören tanken schließlich Sie neue Energie für das Leben mit Ihren Kindern. Der regelmäßige Austausch und das gegenseitige Zuhören mit einem anderen Elternteil helfen, den Stress aus dem Zusammenleben mit kleinen Kindern abzuschütteln. Dieses gegenseitige einfühlsame Zuhören kann auch zur Lern-Oase werden. Sie bekommen einen sicheren, privaten Raum, an dem Sie Ihre Gedanken und Gefühle offen ausbreiten dürfen: Was wollen Sie bei der Erziehung Ihrer Kinder anders machen als Ihre Eltern? Welche Geschenke Ihrer Eltern wollen Sie weitergeben? Wenn Sie sich mit Ihrem Kind in einer bestimmten Sache abmühen, welche eigenen Kindheitserfahrungen spielen dabei eine Rolle? Auch haben Sie anschließend das Privileg, dem Denken, Fühlen und Lernen eines anderen Elternteils zuzuhören. Sie werden einander keine Ratschläge geben, aber bei jedem Treffen voneinander lernen. Da Sie zuhören und Ihnen einfühlsam zugehört wird, fällt es Ihnen jetzt leichter, sich an Ihren Kindern zu freuen und sich in ihren schwierigen Momenten liebevoll mit ihnen zu verbinden.

So, das war’s im Wesentlichen!

Jede Strategie wirkt eigenständig, ist aber nicht dafür gedacht, isoliert eingesetzt zu werden. Das Grenzen-Setzen – die Anwendung elterlicher Macht – wird mit der Wunschzeit abgestimmt, die Ihr Kind für kurze Phasen zum Bestimmer erklärt. Das Ganz-Ohr-Spiel, die unbeschwerte Seite der Eltern-Kind-Interaktion, unterstützt Sie darin, den Emotionsansturm Ihres Kindes auszubalancieren, den es durchlebt, wenn Sie für seine verletzten Gefühle ganz Ohr bleiben. Das gegenseitige einfühlsame Zuhören dient Ihnen als wichtige Lernwerkstatt und Zufluchtsort. Dort werden Sie respektiert und verstanden. All Ihre Gefühle sind willkommen, jede Erfahrung zählt und jeder Gedanke ist wichtig.

Mit diesen fünf „Hand in Hand“-Strategien des Zuhörens haben Sie perfekte Ausdrucksmittel für die tiefe Liebe zu Ihren Kindern und stärken dadurch Ihr Familienleben. Viel Vergnügen!

KAPITEL 3


Wunschzeit

Ein Gefühl von Verbundenheit gibt Ihrem Kind Rückenwind für sein Leben. Es gewährt ihm die Fähigkeit, zu reflektieren, zu koope- rieren und sich in der eigenen Haut und mit den Menschen in seiner Umgebung wohlzufühlen. Auch eröffnet es ihm den Zugang zum Lernen und hilft ihm bei der Entwicklung seines Urteilsvermögens. Soll Ihr Kind anderen ein guter Freund sein? Dann bauen Sie sein Gefühl der Verbundenheit auf. Soll es tapfer sein? Fördern Sie sein Gefühl der Verbundenheit. Soll es sich ab und zu gut allein beschäftigen können? Füttern Sie sein Verbundenheitsgefühl. Soll es zwischen Gut und Böse unterscheiden können? Erneuern Sie immer wieder sein Gefühl der Verbundenheit. Dann wird Ihr Kind lernen, sich noch rechtzeitig zu fangen, bevor es seinem Freund aus Wut eine knallt oder das Meerschweinchen heimlich mit aufs Zimmer nimmt, wo es ihm entwischt. Wunschzeit, die erste Zuhörstrategie, wird Ihnen helfen, dieses Band der Verbundenheit dauerhaft zu stärken.

Für die Wunschzeit legen Sie einen bestimmten Zeitraum zwischen drei Minuten bis zu einer Stunde fest, und Ihr Kind zeigt Ihnen, wie Sie den Zugang zu ihm finden. Sie geben vor, wann und wo Sie Zeit haben, sich mit ihm zu verbinden. Ihr Kind wird Ihnen das „Wie“ mitteilen. Je nach den familiären Bedingungen kann Wunschzeit gelegentlich stattfinden oder zum täglichen Ritual werden. Auf jeden Fall dient sie dazu, „Die Tasse Ihres Kindes mit dem Gefühl der Verbundenheit zu füllen“, wie Dr. Lawrence J. Cohen schreibt.

Was zeichnet Wunschzeit aus?

Sie denken vielleicht: „Aber meine Kinder bekommen doch schon viel Wunschzeit! An den Wochenenden gehen wir in den Park, in der Badewanne dürfen sie planschen und spielen; ich singe mit ihnen. Sie dürfen viel öfter herumtoben, als ich früher. Wir machen zusammen viel Spaß!“ Sie haben Recht! Diese Zeiten sind wichtig. Sie haben aber nicht dieselben Auswirkungen wie die Wunschzeit. Sie freuen sich am Planschen Ihrer Kinder in der Badewanne, aber wenn das Telefon klingelt, nehmen Sie den Anruf entgegen. Wenn Ihre Lebensgefährtin das Badezimmer betritt, weil sie wegen der lauten Musik des Nachbarn Gesprächsbedarf hat, reden Sie mit ihr. Den ganzen Tag über gibt es potenzielle und tatsächliche Ablenkung. In der Wunschzeit lassen Sie das aber nicht zu. Sie sind nur bei einem einzigen Kind. Die anderen werden vorher versorgt und das Telefon ist tabu.

Im Gegensatz zum normalen Alltag übernimmt in der Wunschzeit das Kind die Führung. Sie aber setzen die Rahmenbedingungen fest, zum Beispiel: „Die Wunschzeit dauert fünfzehn Minuten, wir können drinnen oder draußen bleiben, fahren aber heute nicht mit dem Auto und geben kein Geld aus.“ Alles Übrige liegt beim Kind, und Sie werden merken, wie sein Einfallsreichtum im Scheinwerferlicht Ihrer Aufmerksamkeit wächst. Bei jedem Mal gibt es Neues, das seine Fantasie anregt. Wenn Ihnen an manchen Tagen die Geduld fehlt, können Sie eine kürzere Wunschzeit festsetzen und dafür an entspannten Tagen großzügiger sein.

Anfang und Ende der Wunschzeit sind immer festgelegt. Ihr Kind freut sich auf den Anfang. Viele Eltern freuen sich dagegen auf das Ende. Aber während einer begrenzten Zeit werden Sie sogar die besonders interessanten Vorschläge Ihres Kindes leichter ertragen können. Angenommen, Ihr Kind möchte im Garten Kekse zerkauen und dann Krümelschnee in die Luft pusten. Obwohl Sie sehr auf Ordnung pochen, gelingt Ihnen ein Kichern und Sie bestaunen den Einfallsreichtum Ihres Kindes. In weiser Voraussicht haben Sie ihm nur zehn Minuten Wunschzeit versprochen, also können Sie sich für den Kekskrümelschnee auf dem Rasen beinahe begeistern. Sie beglückwünschen sich – ja, Ihr Kind matscht zwar gern, aber jedenfalls ist es kreativ! Und zehn Minuten lang halten das sogar Sie aus.

Stellen Sie sich das Zusammensein im normalen Erziehungsalltag als nährende Milch für Ihr Kind vor. Die Wunschzeit gleicht dann der Sahne obendrauf. Sie bereichert Ihre Beziehung um eine wichtige Qualität, nämlich um emotionale Sicherheit. Aber Sahne allein wäre auf Dauer für Sie beide zu reichhaltig!

Bald werden Sie entdecken, was Sie mit Wunschzeit alles erreichen können. In diesem Buch gibt es viele Beispiele, dennoch werden Sie mit Ihrem Kind einen ganz eigenen Weg gehen. Ich kenne Familien, da genügten fünf Minuten Wunschzeit und ein Kind mit anklammerndem Verhalten konnte anschließend auf einer Kinderparty problemlos mit den anderen Kindern spielen gehen. Fünf Minuten reichten aus, und die Faszination eines Kindes für Streichhölzer war ein für alle Mal befriedigt, was den Familienalltag wesentlich sicherer machte; auch die Gereiztheit eines Kindes auf einer Familienfeier wurde mit kurzer Wunschzeit vertrieben. Kindern wurde bei der Bewältigung ihrer Ängste geholfen; ein Kind kam wieder in Verbindung zu dem Elternteil, von dem es lange getrennt war, und kindliche Traumata wurden geheilt. Einem Kind wurde dabei geholfen, sich auf das Neugeborene einzustellen, ein aggressives Kind bekam über die Wunschzeit ein Ventil für überschüssige Energie und die Angst eines Kindes vor ärztlicher Behandlung wurde aufgelöst. Wunschzeit ist eine absolut flexible Möglichkeit. Sie können damit beinahe jedes verwirrende oder ärgerliche Verhaltensproblem mildern.

 

Hier lesen Sie, wie einer frustrierten Mutter mithilfe der Wunschzeit notwendige Veränderungen gelangen.


Mir graute vor jedem Morgen. Täglich hinterließ er bei mir eine seelische Narbe. Niemand wollte sich beeilen. Null Kooperation. „Bitte geh Zähneputzen“, bat ich. Als Antwort kam dann: „Ich gehe nicht in die Schule.“ - „Ich putze mir nicht die Zähne.“ Dann rutschten mir all die Sätze heraus, die ich unbedingt vermeiden wollte: „Du putzt dir jetzt die Zähne, sonst …“, „du gehst in die Schule – und zwar sofort – und ich will nichts mehr davon hören!“ Worte und Tonfall meiner Mutter. Mir war zum Kotzen. Was machte ich da bloß?!

Nachdem ich jede mir bekannte Drohung und Strafe ausprobiert hatte, versuchte ich es schließlich mit dem „Hand in Hand“-Ansatz. Von nun an standen wir jeden Tag eine halbe Stunde früher auf, damit wir Zeit zum Spielen hatten! Und ich meine, richtiges Spielen! Wir fingen mit der Wunschzeit an. Mein Mann und ich wechselten uns bei den Mädchen ab, damit jede mit Mama und Papa Wunschzeit verbringen konnte. Wir beschränkten uns auf zwanzig Minuten, gleich nach dem Frühstück und noch vor den gefühlten endlosen Pflichten, die die Mädchen zu erledigen hatten. Es klappte tatsächlich! Sie putzten sich ohne Druck die Zähne und machten sogar selbständig ihr Bett. Ganz erstaunlich. Nur wenige Minuten mit jeder Tochter allein hatten genügt, ihnen den „Tank“ neu mit Liebe und Aufmerksamkeit aufzufüllen. Klar muss man Mühe und Zeit investieren, aber die sind es wert! Diese morgendlichen zwanzig Minuten haben mir viele Stunden voller Frieden und Liebe verschafft.


Dies ist eine sehr einfache Strategie. Durch Ihren Einsatz werden Sie mit Verhaltensänderungen und größerem Vertrauen belohnt. Die Wunschzeit gewöhnt Ihr Kind an ein stabiles Gefühl der Verbundenheit. Zugleich werden auch Sie besser auf Ihr Kind eingestimmt, sodass Sie nach einer Weile schwierige Momente schneller vorhersehen können und sich darauf einzustellen lernen. Sie haben Ihr elterliches Ziel erreicht, sobald Ihr Kind es selbst merkt, wenn es sein Gleichgewicht zu verlieren droht und um Wunschzeit bittet, damit es sich wieder mit Ihnen verbinden kann, anstatt in eine Abwärtsspirale schwierigen Verhaltens zu geraten.

Abgesehen von ihrem praktischen Nutzen, bereichert diese Strategie Ihre gegenseitige Beziehung. Sie werden Ihr Kind damit durch und durch kennenlernen. Es wird Ihnen während der Wunschzeit zeigen, was ihm gefällt, was es nicht leiden kann und was ihm Angst einjagt. Es wird sich seinen persönlichen Fortgeschrittenenkurs für freudvollen Zeitvertreib ausdenken und Sie mit Spielideen versorgen, auf die Sie niemals gekommen wären. In der Wunschzeit mit Ihrem Kind werden Sie gemeinsam neue geliebte Rituale erschaffen, über die Sie noch Jahre später schmunzeln werden.

Im Blick nach vorn werden Ihnen die durch die Wunschzeit gebahnten Verbindungsmöglichkeiten auch noch bei Ihren fast erwachsenen Kindern zugutekommen. Manches wird regelmäßig gefragt bleiben, wie Ihre modischen Frisur-Ideen für die Tochter oder die genau auf seine Wünsche abgestimmte Rückenmassage für den Sohn. Aber selbst die Wunschzeitaktivitäten, auf die Ihre Teenager inzwischen lieber verzichten, werden sie wie ferne Leuchtfeuer an die hoffnungsvollsten Zeiten ihrer Kindheit erinnern und als Orientierung dafür dienen, was eines Tages ihre eigenen Kinder brauchen werden.

Wann ist die Wunschzeit sinnvoll?

Die Wunschzeit hilft bei folgenden Erziehungssituationen:

Das Morgenritual. Einige Kinder wandern von einer Ablenkung zur nächsten, anstatt sich rechtzeitig für die Schule oder Kindertagesstätte fertig zu machen. Andere reagieren einfach bockig. Die Wunschzeit verbindet. Bieten Sie diese an, noch bevor Sie ein Wort über all die zu erledigenden Dinge verlieren, dann kann dadurch die Denkfähigkeit Ihres Kindes angekurbelt werden. Und es kooperiert! Für viele Eltern ist die Wunschzeit die erste Aktion am Morgen.

Vor anderen schwierigen Situationen. Wenn das verhasste Haareschneiden oder -waschen ansteht oder ein Besuch bei der pingeligen Tante Tilly, die Kinder nicht gewohnt ist. Vor dem Essen und Schlafengehen, vor der Ankunft eines neuen Geschwisterchens, vor dem Gottesdienstbesuch, vor dem Eintreffen der Gäste bei einer großen Feier, vor dem Einkauf in einem Lebensmittelladen mit demonstrativem Angebot an Kaugummi und anderen Süßigkeiten. Wunschzeit im Voraus ist natürlich kein Allheilmittel, aber bei regelmäßigem Einsatz werden Schwierigkeiten nach einigen Monaten zumindest oft in Schranken gehalten.

Um nach der Schule oder Tagesstätte wieder Verbindung aufzunehmen. Statt der Frage, „Was habt ihr heute gemacht?“ - „Nichts!“, geben Sie Ihrem Kind mit der Wunschzeit Gelegenheit, zu zeigen, wie es ihm geht. Sobald es sich mit Ihnen verbunden fühlt, wird alles, was Sie wissen müssen, aus ihm herausströmen.

Vor den Hausaufgaben. Die Wunschzeit wirkt als starkes Gegenmittel zu schulischen Zwängen. Es bestätigt das Kind darin, dass Sie auf seiner Seite stehen.

Um für Sie unerträgliche Lieblingsaktivitäten Ihres Kindes zu begrenzen. Dafür ist die Wunschzeit ein Segen! Wenn Ihr Kind begeistert Topfdeckel zusammenschlägt, stellen Sie den Timer auf fünf Minuten, verstöpseln sich die Ohren und halten durch! Wunschzeit ist auch eine prima Methode, wenn Ihr Kind gerne Insekten lebendig begräbt, im Barbie-Modenschau-Rausch steckt, seine Judo-Künste an Ihnen ausprobieren will oder Sie bittet, mit ihm die Legokiste nach einem vermissten Mini-Teil zu durchforsten. Wenn Sie gerade auf dem Zahnfleisch daherkommen, müssen Sie sich dem Vorschlag nicht sofort beugen, aber machen Sie mit Ihrem Kind einen späteren, für Sie günstigeren Zeitpunkt aus.

Wenn das Verhalten Ihres Kindes entgleist ist. Wenn sich Ihr Kind nur noch beklagt. Wenn es außer Rand und Band ist, anderen die Sachen wegnimmt oder so nach Aufmerksamkeit hungert, dass es auf Ihnen herumturnt, während sie ein Gespräch führen wollen. In solchen Situationen hat sich die Wunschzeit als besonders hilfreich erwiesen. Ihr Kind fühlt sich dann wahrgenommen. Und Ihnen erleichtert Sie es, Ihr Kind wieder in vorteilhafterem Licht zu sehen.

Wenn sich Ihr Kind ängstigt. Angenommen, in einem Monat geht die Schule los und Ihr Kind ängstigt sich davor, dann können Sie täglich einige Minuten Wunschzeit in der Schule abhalten. Vielleicht müssen noch weitere Strategien folgen, aber die Wunschzeit kann ihnen dabei helfen, an Orten oder in Situationen Sicherheit zu vermitteln, wo sich Ihr Kind schnell unbehaglich fühlt.

Wenn in der Familie der Stresspegel ansteigt. Jede Familie kennt anstrengende Zeiten: Ein Kind wird krank, Ihnen wird gekündigt, die Katze wird vermisst, ein geliebter Opa oder Nachbar zieht weg. In Zeiten größter Anspannung wird die Wunschzeit Ihnen und Ihrem Kind helfen, sich Positivem zuzuwenden, anstatt nur den zermürbenden Stress wahrzunehmen. Diese Verbindung knüpft in schweren Zeiten für Sie beide eine stabile Rettungsleine.

Wie Wunschzeit abläuft

Hier nun die Grundzüge der Wunschzeit. Jeder davon ist bedeutsam. Zusammengenommen verhelfen Sie Ihnen zu positiven Veränderungen in Ihrer Familie.

Die Zeit benennen. Sie braucht auf jeden Fall einen Namen, zum Beispiel: „Wunschzeit“, „Papa-Anna-Zeit“, „Kind-ist-Chef-Zeit“. Der Name unterstreicht, dass diese Zeit den Kindern gehört und Sie ihnen Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmen wollen. Ihnen hilft das, sich zu konzentrieren, und Ihrem Kind wird bewusster, dass ihm nun Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gehört.

Wenn möglich, legen Sie Datum und Uhrzeit fest. Und halten Sie Ihr Wort. Vorfreude macht diese Zeit umso unvergesslicher. Außerdem kann sich Ihr Kind vorher überlegen, was es tun möchte. Doch in hektischen Zeiten oder wenn das Verhalten Ihres Kindes außer Kontrolle gerät, schieben sie die Wunschzeit einfach spontan ein.

Zu Beginn kündigen Sie an: „Jetzt fängt deine Wunschzeit an. Du bestimmst, was wir spielen!“ Diese Worte fallen den meisten Eltern schwer, sind aber wichtig. Sie eröffnen Ihrem Kind einen weiten Handlungsspielraum. Außerdem werden Sie aus Ihrer gewohnten Kontrollmentalität herausgeholt. Das kann eine erfrischende Abwechslung sein.

Programmieren Sie einen Timer. Wunschzeit muss durch Anfang und Ende klar definiert sein. Durch die Schaltuhrsignale wird Ihre Aufmerksamkeit klar eingegrenzt. Das hilft Ihnen auch dann aus der Not, wenn Ihr Kind eine Wahl trifft, die Ihnen nicht gefällt. Angenommen, Sie begeistern sich nicht für Sport, aber Ihr Kind lässt Sie auf der Straße immer wieder bis zum Telegrafenmast rennen. Da geht nichts über dieses erlösende Timer-Signal!

Bieten Sie anfangs eine kurze Zeitspanne an, etwa fünf oder zehn Minuten. Viele Eltern tun sich erstaunlich schwer damit, dem Kind im Spiel die Führung zu überlassen. Sobald Sie sich daran gewöhnt und regelmäßig kurze Wunschzeiten praktiziert haben, können Sie die Zeitspanne verlängern. Aber bieten Sie nie mehr als eine Stunde an. Denn irgendwann ermüden Sie, verspüren unwiderstehlichen Kaffeedurst oder müssen aufs Klo. Das Ende des „Mensch-ärgere-Dich-nicht!“ kommt Ihnen nicht schnell genug, oder Sie glauben platzen zu müssen, wenn Sie Barbie noch eine Minute länger in ihre Pelze einkleiden sollen. Also bieten Sie lieber eine kürzere Zeitspanne an, die Sie am Ende gegebenenfalls verlängern, als vorzeitig die Konzentration zu verlieren. Ihr Durchhaltevermögen wird mit Übung zunehmen, vor allem dann, wenn Sie selbst mit einem einfühlsamen Zuhörer an den Gefühlen arbeiten, die durch die Spielauswahl Ihres Kindes ausgelöst werden.

Erwarten Sie Positives. Erwarten Sie, über Ihr Kind Neues zu lernen. Wir bilden uns ein, unsere Kinder durch und durch zu kennen: Tatsächlich stecken wir sie oft unbewusst in Schubladen. Eine erwartungsvoll offene Haltung, „Was wird wohl heute geschehen?“, ist für die Wunschzeit unerlässlich. Heute weicht Ihr Kind vielleicht kaum von seinen üblichen Spielgewohnheiten ab, aber bleiben Sie offen für Überraschungen. Ihre Einstellung zählt!

Freuen Sie sich an Ihrem Kind. Bieten Sie ihm besonders viel Herzlichkeit und Augenkontakt an, und interessieren Sie sich für seine Spielauswahl, selbst wenn diese schon seit zwei Wochen immer gleich ausfällt. Bleiben Sie geduldig, wenn es nur langsam Vertrauen entwickelt.

Zeigen Sie am Ende Ihre Zuneigung. Gerade haben Sie mit einem bewundernswert intelligenten jungen Menschen Zeit verbracht. Also umarmen Sie Ihr Kind zum Schluss oder klatschen Sie sich ab und kündigen den Termin der nächsten Wunschzeit an.

Diese achtfache Mutter schildert, wie heilsam es sein kann, selbst in einem höchst ungünstigen Moment Wunschzeit anzubieten:


Gerade war ich nach einer Acht-Stunden-Schicht nach Hause gekommen. Seit Kurzem musste ich abends anstatt vormittags arbeiten und das verkraften meine drei jüngsten Töchter ganz schlecht. Bei meiner Heimkehr sollten sie längst fest schlafen. Jedoch nicht an diesem Abend! Es war zweiundzwanzig Uhr und die Mädchen hatten auf mich gewartet. Shawneece, meine Neunjährige, wollte mir etwas aus der Schule erzählen. Sharille, sieben Jahre alt, fällt es schwer, Verbindung aufzunehmen, und wenn sie sich nicht verbunden fühlt, tickt sie aus und ist besonders zu ihren Schwestern sehr garstig. Meine zweijährige Tochter hätte nun wirklich längst schlafen sollen und wollte getragen und gestreichelt werden. Aber ich war müde und suchte nach einem langen Tag Entspannung. Ich brauchte unbedingt Hilfe. Da verschaffte mir mein Lebensgefährte eine kleine Ruhepause und anschließend widmete ich mich den Mädchen.

 

Also bat ich Shawneece um halb elf, sich um die Jüngste zu kümmern, und begann die Wunschzeit mit Sharille. Sie brachte ohne dieses laute, verärgerte Lachen kein Wort heraus und zum ersten Mal ermahnte ich sie nicht dafür. Ich hörte zu. Sie erzählte ein wenig von ihrem Schultag, von einem ärgerlichen Vorfall mit einigen Mitschülern. Sie weinte. Danach sagte sie deutlich: „Mama, ich mag es nicht, wenn du fort bist. Ich vermisse dich.“ Und dann flossen weitere Tränen. Ich hielt sie in den Armen und sagte ihr, wie sehr ich sie ebenfalls vermisste und dass ich mich beeilte, so schnell wie möglich zu ihr nach Hause zu kommen. Ich sagte ihr, dass ich sie liebte und mich über unser jetziges Beisammensein so sehr freute. Wir hielten uns gegenseitig in den Armen, und Sharille sagte mir, dass sie sich auch darüber freute.

Dann konnte ich zum ersten Mal ihre Wunschzeit beenden, ohne dass sie deswegen weinte. Als ich zur Wunschzeit mit Shawneece, ihrer älteren Schwester, überging, geschah jedoch das Außergewöhnlichste überhaupt! Sharille ging mit ihrer kleinsten Schwester im Schlafzimmer spielen, während ich mich um Shawneece kümmerte. Unsere Wunschzeit verlief somit ohne Unterbrechung. Das hatte es noch nie gegeben. Sharille würde niemals freiwillig mit ihrer kleinen Schwester spielen! Also bekam Shawneece ihre Zeit, und daraufhin legten sich die beiden mit den älteren Mädchen schlafen, während ich mich Baby Shaleas Wunschzeit widmete. An jenem Abend hatte Sharille ihren größten Erfolg erlebt und das hatte den Verlauf des Abends für uns alle verändert.


Was Sie vermeiden sollten

Weil wir Erwachsene oft Schwierigkeiten haben, der Führung eines Kindes zu folgen, hier einige Hinweise darauf, was nicht in die Wunschzeit gehört. Halten Sie sich genau an diese Richtschnur, selbst wenn Sie sich dabei zuerst unbehaglich fühlen.

Geben Sie Ihrem Kind keine Ratschläge. Belehren Sie nicht; machen Sie aus der Zeit kein Lehrstück über Themen, die Sie wichtig finden. Versuchen Sie zum Beispiel nicht, im Gekritzel Ihres Kindes Buchstaben zu erkennen und es darauf hinzuweisen; bitten Sie es nicht, seine Schneckenhaussammlung zu zählen. Erlauben Sie Ihrem Kind, im Spiel seinen eigenen Zielen nachzugehen.

Bitte kein Multitasking. Sammeln Sie während des Mau-Mau-Spiels nicht die Flusen vom Teppich. Tragen sie auf dem Weg ins Kinderzimmer nicht noch nebenbei die Handtücher ins Bad. Grübeln Sie nicht über schwierige Kollegen nach, während Ihre Tochter mit Ihnen Kaffeeklatsch spielt. In der Gegenwart eines bemerkenswerten Menschen werden Flusen, Wäsche und Probleme in der Arbeit hinten angestellt.

Führen Sie keine sonstigen Gespräche. Schalten Sie das Telefon ab. Sie sollten noch nicht einmal ans Simsen denken! In der Wunschzeit erweisen Sie einem Lieblingsmenschen Ihre Achtung. Tun Sie das mit ungeteiltem Herzen.

Wandeln Sie die Ideen Ihres Kindes höchstens aus Sicherheitsgründen ab, und versuchen Sie dann, das Problem zu umschiffen. Wenn Ihr Kind an einem Wochentag auf der Straße Fußball spielen will wie die Großen am Sonntagnachmittag, sagen Sie einfach: „Heute ist Dienstag. Da fahren zu viele Autos. Willst du stattdessen rüber in den Park gehen?“ Wenn Ihr Kind aus seinem Zimmer im Erdgeschoss ins hohe Unkraut springen will, legen Sie waschbare Decken oder einen Stapel Handtücher unter das Fenster und halten es beim Springen an der Hand. Überlegen Sie, wie sein Traum auf sichere Weise in Erfüllung gehen kann.

Nehmen Sie sich während der Wunschzeit keine „persönliche Auszeit“. Gehen Sie auf die Toilette, bevor Sie den Timer einstellen, trinken sie etwas oder kauen einen halben Apfel, damit Sie loslegen können. Verspüren Sie nach nur wenigen Minuten Wunschzeit noch immer den Drang, es sich gemütlicher zu machen, sind vielleicht Ihre Energiereserven fast erschöpft. Ein Austausch mit Ihrem einfühlsamen Zuhörer wird Ihnen helfen, das Gefühl der eigenen Bedeutsamkeit zu erneuern.

Wunschzeit ist keine Belohnung. Wenn Sie erleben, wie Ihr Kind die Wunschzeit schätzen lernt, dann liegt die Versuchung nahe, einfach zu sagen: „Schatz, du musst erst dein Zimmer aufräumen, dann können wir mit der Wunschzeit anfangen.“ Tun Sie das nicht! Ihr Kind braucht das Gefühl von Verbundenheit, das durch die Wunschzeit aufgebaut wird. Knüpfen Sie keine Bedingungen daran, so wie Sie auch freigiebig Obst und frisches Wasser austeilen. Für die am Fußboden verstreuten Spielsachen gibt es andere Zuhörstrategien und diese wirken nach der Wunschzeit weitaus besser.

Eine in Vollzeit erwerbstätige Mutter schildert, wie nur wenige Minuten Wunschzeit das Verhalten eines Kindes verändern können.


Mein fünfjähriger Sohn und ich haben ein ziemlich geschäftiges Leben. Als alleinerziehende Mutter ertappe ich mich dabei, ihn nach unserer späten Heimkehr durchs Abendprogramm zu hetzen. Während ich sein Bad vorbereite, darf er eigentlich spielen, aber dafür muss er sich dann nach dem Baden beeilen, wenn er vor dem Schlafengehen noch eine Geschichte hören will. Na ja, beim Heimkommen spielt er, dann meckert er, er wolle auch noch Fernsehen. Vor dem Baden verlangt er dann eine Portion Müsli und behauptet beharrlich, er wäre nicht müde. Von Woche zu Woche gab es mehr solches Theater.

Warum hörte er mir einfach nicht zu? Da wurde mir klar, dass er sich vor dem Schlafengehen gar nicht mit mir verbinden konnte, weil ich ihn so herumscheuchte. Also beschloss ich, ihn früher nach Hause zu bringen und dann Wunschzeit anzubieten. Ich kündigte an, dass ich auf dem Timer zehn Minuten einstellen würde und wir bis zum Klingeln tun könnten, was er wollte. Er strahlte mich an. „Mama, du sollst mich aufs Bett werfen, und dann wälzen wir uns auf dem Fußboden!“

Ich stellte also den Timer und raste mit ihm ins Schlafzimmer. Dort warf ich ihn acht Minuten lang immer wieder vergnügt aufs Bett und bewunderte, auf welch verschiedene Arten er dort landen konnte und wie viele unterschiedliche Flughaltungen er sich ausdachte. Er lachte und rief aus: „Noch mal, Mama!“ Als nach den zehn Minuten der Timer klingelte, merkte er, dass wir das Wälzen vergessen hatten. Ich erinnerte ihn ans Ende der Wunschzeit und sagte, dass ich mich gern ein wenig am Boden wälzen würde, dann aber gleich aufstehen und sein Badewasser vorbereiten müsste. Er war damit einverstanden und wir wälzten uns und lachten noch mehr. Nach ein paar Minuten stand ich auf und erlaubte ihm zu spielen, bis ich die Wanne vorbereitet hatte.

Dann rief ich ihn ins Bad und wurde überrascht – der restliche Abend verlief nämlich völlig problemlos. Er badete, stieg auf mein Bitten prompt aus der Wanne, putzte die Zähne und zog den Schlafanzug an. Anschließend lasen wir ein Buch und er schlief bald ein. Er wirkte herzlich, freundlich und mit mir verbunden.


Die Wunschzeit lohnt sich übrigens bis ins Teenageralter. Die Mutter eines vierzehnjährigen Jungen entschloss sich erstmals an einem Sonntag nach der Kirche, ihrem Sohn eine Stunde Wunschzeit anzubieten. Er wollte in der Stadt am Pier angeln. Zwar war das nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung der Mutter, aber sie ließ sich darauf ein.

Sie kauften ein paar Würmer und er sagte: „Mama, du sollst die Würmer auf den Haken spießen.“ Sie protestierte, dass sie das bestimmt nicht schaffen würde. Er wusste um seine Provokation, also lachte er und forderte sie weiter heraus. Ein weiterer Angler lächelte ihnen zu und machte eine kurze Bemerkung auf Spanisch. Der Sohn antwortete ebenfalls auf Spanisch und die beiden erzählten sich ein paar Witze und unterhielten sich eine Weile. Dann kam der Angler zu ihnen herüber und erklärte der Mutter auf Spanisch, wie man einen Wurm am Angelhaken befestigte. Sie zeterte bei ihrem Versuch und alle lachten. Voller Bewunderung beobachtete die Mutter ihren Sohn. Nie zuvor hatte sie ihn Spanisch reden hören, und dass er sich so gelassen mit dem Mann unterhalten konnte, änderte vollständig das Bild von „ihrem kleinen Jungen“. Schließlich warf der Sohn die Angel aus und sie lehnten beide am Geländer: Der Junge angelte und sie passte auf und hörte zu, falls er reden wollte.