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Der Eroberer

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Parodie.4

 
O welche Schande fällt auf meine grauen Haare!
Erlebt’ ich nur mit Ruhm des Alters höchste Jahre,
Damit ein schwarzer Tag mir edle Lorbeern bricht;
Damit mein graues Haupt beschämt zur Erde kriecht;
Die Kehle, die so oft den lauten Beyfall hörte,
Die der Trompetenschall als Siegerinn beehrte,
Die Kehle wird besiegt, verliert die Wunderkraft,
Verschmäht den Göttertrank, den süssen Rebensaft.
Gedächtniß schlummre doch, zeig mir nicht grosse Scenen!
Ich seh’ auf sie zurück mit Quaal und heissen Thränen.
O damals focht ich noch als Sieger jugendlich.
Der Ruhm der Jahre flieht, die Schlappe schändet mich.
Doch laß uns nicht so lang von Niederlagen sprechen:
Laß uns den Frevel kühn an unserm Feinde rächen!
Ich trage nicht den Schimpf bis in das kalte Grab;
Zuerst leg ich mein Amt als erster Mundschenk ab.
Flieg in die Luft Krystall, in dessen klarer Hülle
Der starke Weingott thront! Dies ist mein letzter Wille.
Du bist nicht mehr mein Schmuck; ich bin für dich zu alt.
Ich trinke nicht als Held; ich kämpfe träg und kalt.
Ich will nicht mehr dem Ueberwinder lügen.
Du goldner Kelch leb wohl! Du zeugst von meinen Siegen.
Eil, such dir einen Freund, erneure das Gefecht,
Such einen Ritter auf, der meine Schande rächt! –
Sprich, hast du Herz mein Sohn?
 

Der Sohn.

 
Kein andrer sollte fragen,
Er würde schon den Lohn von seinem Frevel tragen!
 

Der Vater.

 
Wie schön läßt dieser Zorn, wie labt mich deine Glut,
Denn mein gerechter Schmerz erwartet edle Wuth!
Du bist mein ächtes Blut; in diesen Feuerzügen
Lebt meine Jugend auf; du sollst den Feind besiegen!
 

Der Sohn.

 
Sprich Vater, wer entehrt dein lorbeerreiches Haupt;
Wer hat den Ruhm, der dich unsterblich macht, geraubt?
 

Der Vater.

 
Ich fiel, ich fiel, O Sohn, im schändlichsten Gefechte;
Ich bin bereits zu schwach; beschütze meine Rechte!
Nimm diesen theuren Kelch, beginn den ersten Krieg,
Erobere mein Sohn für mich den ersten Sieg!
 

Alle Höflinge. Bravo!

Beliam. Noch nie hat ein Sohn für seinen Vater so willig, so tapfer gefochten! Ich gebe mich überwunden! Du saufst den König arm aus kindlicher Liebe.

Isidor. Lasset izt euren Witz aufsprudeln! – Ihr wackern Brüder, hört mein Trinklied –

Leberreime

 
Wenn mir die vollen Gläser blinken,
Soll ich denn nicht wacker trinken?
Holder Weingott, meinen Gruß!
Izt will ich auf Rosen sinken,
Und dem frohen Amor winken;
Süsses Mädchen, einen Kuß!
 

Alle. Es lebe der König!

(Eduard erscheint, winkt allen zu bleiben, und setzt sich in ihre Mitte.)

Eduard. Aus eurer Munterkeit, meine Freunde, erkenne ich euer Zutrauen. Mindert eure Freude nicht, ich will daran Theil nehmen.

Lusian. Izt kann ein ehrlicher Kerl wieder am Hofe lachen. Die Weiber sind weg. Es lebe der König! Ich will meinen Lieblingsgesang singen.

Rundlied

 
Hütet euch vor Weiberhauben,
Schließt den Mädchen euer Haus;
Anfangs girren sie wie Tauben,
Doch sie brüten Geyer aus.
 
 
Späht den Lebenslauf der Schönen;
Prüfet ihr verstelltes Herz!
Lernt das Spiel von ihren Thränen,
Ihre Launen, ihren Scherz.
 
 
Hütet euch vor Weiberhauben,
Schließt den Mädchen euer Haus;
Anfangs girren sie wie Tauben,
Doch sie brüten Geyer aus.
 
 
Hört die trotzigen Befehle!
Welche Stürme kocht die Brust!
Immer nähret ihre Seele
Neue Wünsche, neue Lust.
 
 
Hütet euch vor Weiberhauben,
Schließt den Mädchen euer Haus;
Anfangs girren sie wie Tauben,
Doch sie brüten Geyer aus.
 

Der König. Lusian, du bist weit gereiset, erzähle doch der Gesellschaft deine Ebentheuer.

Lusian. Ein Theilchen liegt auf der Zunge.

Reisebeschreibung

Ich durchwanderte viele Königreiche, und fand oft wunderbare Geschöpfe. Ein Ungefähr führte mich in eine seltsame Insel, die von Mücken und Grillen wimmelte. Der Handel lag hier meistens danieder, man handelte nur mit Fliegenwedeln, weil die Bewohner so sehr von den Mücken geplagt wurden. Ueberall fand man wunderliche Grillen. Die Universitäten, die Schaubühnen, die Schulen, die Tanzsäle, die Rathhäuser hatten ihre besondere Gattung von Grillen. Der König nährte seine Grillen, und die Unterthanen folgten seinem erhabenen Beyspiele. Der oberste Staatsgrillenküzler versah seine Majestät täglich mit neuen politischen Grillen. Eines Tags träumte der König von einer Originalgrille, die noch in keiner Grillensammlung zu finden war, und die wenigstens tausend Tonnen Goldes und eine halbe Million Menschen kostete. Was schiert das den Monarchen, seine Lieblingsgrille ward ausgeführt. Es war der Grillenfängerey kein Ende. Die Unterthanen murrten heimlich über manche durchlauchtige Grille, und beschwerten sich, daß nicht nur innländische, sondern auch fremde Modegrillen ihnen zur Last fielen. Allein der König liebte nichts, als Grillen. Mit einer neuen Grille konnte man bey Hofe sein Glück machen. Die Grillenprojektanten theilten unter sich die schönsten Würden, und erschöpften die königlichen Kassen. Da man wohl einsah, daß man nur mit Grillen sein Glück beförderte; so blühte lang der Hang zur Grillenfängerey. Die weiblichen Grillen waren die Veränderlichsten und Artigsten. Die Gelehrten wetteiferten mit den Schönen, und heckten so ungeheure Grillen aus, daß sie nur den häßlichen theologischen Grillen an komischer Gestalt wichen. Ich verließ mit Unwillen diese grillensieche Insel. Ich eilte fort, und kam in die Stadt der Klopffechter. Hier war das berühmte und ritterliche Faustrecht noch in der ersten Mode. Alles geschah mit despotischer Gewaltthätigkeit. Der König des Landes bewies seine gerechten Ansprüche auf die Güter seiner Unterthanen und Nachbarn sonnenklar, indem er seine Patente durch viermalhunderttausend wohlbewafnete Blutzeugen unterstützte. Mit der Pistole in der Faust lehrte man auf dem Katheder die Rechte des Landesfürsten. Weh dem, der nur einen unterthänigen Zweifel nährte. Die Gottesgelehrten predigten mit dem blossen Schwerte, und bewiesen die dunkelsten Sätze so gründlich, daß sie täglich Proseliten machten. Auf allen Thüren der Rathssäle stand die Inschrift: Stat pro ratione Voluntas! – Ich zog hastig weiter. Hin und wieder sah ich allerhand Seltenheiten. Die Menschen sind sehr erfindsam. Eine besondere Lustbarkeit ist an grossen Höfen —

Der Maskenball

Der Maskenball ward am hellen Tage bey Hofe gegeben. Die Masken waren sinnreich gewählt. Die Furchtsamen bedeckten sich trotzig mit Löwenhäuten. Die Gleißner trugen den ehrwürdigen Priesterrock. Die schlauen Hoffüchse versteckten sich unter Lammfellen. Die berufensten Metzen borgten das weisse Brautkleid, und spielten ihre künstlichen Rollen im jungfräulichen Grazienschmucke. Die Dummköpfe hüllten sich in Staatsperücken, und Magistratmäntel. Die Müßiggänger machten sich mit Ordenszeichen wichtig. Das Alter bedeckte seinen grauen Bart mit einer jugendlichen Larve. Die Zwergen vergrösserten sich mit Kothurnen zu Riesen. Alle äfften ihre Scheincharaktere so natürlich, daß nur Kenner sie entlarvten.

Marionetenspiel

In den Städten und an den Höfen unterhält man sich mit einem sinnreichen Puppenspiele. Man sucht Figuren von verschiedenen Ständen, Fürsten, Grafen, Baronen, Bürger, Beamte, Künstler, Gelehrte. Sie sind so natürlich gemacht, daß man schwören sollte, sie wären ächte Menschen; aber sie haben keine Seele. Sie sitzen, gehen, stehen, schlafen, essen, trinken, lachen, sprechen, ohne daß man die verborgenen Schnüre sieht, welche diese Maschinen in Bewegung setzen. Die Triebfedern sind verschieden. Oft eine schwache weibliche Hand belebt ungeheure Kolossen.

Taschenspiel

Das Taschenspiel wird am Hofe bis zur Vollkommenheit gebracht. Die Behändigkeit der Zunge, und der Finger zeugt jene Zauberey. Alles verwandelt sich, entflieht auf einen Wink; kömmt wieder durch einen Hauch. Man giebt, ohne zu geben. Man nimmt, ohne daß man den Räuber entdeckt. Alles ist verabredet. Den staunenden Zuschauern wird nicht Zeit gelassen zu überdenken, durch welche Griffe alles geschieht, und wenn sie die Ursache untersuchen wollen, ist alles schon geschehen.

Schattenspiel

Dieses ist das Meisterstück der Grossen. Sie versetzen ihre Zuschauer in eine ewige Nacht; verbergen sich hinter einer Schleyerwand, und gaukeln über ein Licht wunderliche Grimassen. Dadurch erhalten alle ihre Handlungen jene täuschende risenmäßige Grösse, die für scharfsichtige Augen zwar immer Gaukeleyen sind, den blödsinnigen Pöbel aber in Erstaunung setzen, und ihm eine kriechende knechtische Ehrfurcht für die grossen Schattenspieler abnöthigen.

 

Die Zauberlaterne und der Gukkasten

Die optischen Maschinen sind auch ein Blendwerk, das man mit Licht und Schatten am Hofe sehr glücklich anwendet. Das seltsame Gemische von grotesken Figuren, neuen Masken, phantastischen Scenen, Handlungen, Geberden der Zauberlaterne zeiget die wunderbaren und flüchtigen Auftritte der königlichen Burg. Man bedarf eines beredten Einsagers, der mit rascher Zunge seine Zuschauer zubereitet, denn in einer Minute verschwinden die Vorstellungen, und neue Begebenheiten verdrängen die Alten.

Alle. Hahaha! Das war eine feine Satyre!

Mars. Izt etwas von der Liebe, meine Freunde!

Sonnet

 
O Amor, schönster Gott, hör meine lezte Bitte!
Sey meiner Liebe hold, dies soll die Gnade seyn.
Der Wunsch ist für mich groß, für deine Kräfte klein;
Wie oft empfand mein Herz Beweise deiner Güte!
Du warst mein Busenfreund, du lenktest meine Schritte;
Wer kann so fromm wie ich dir täglich Weihrauch streun?
Wen wird dein Lächeln mehr als meine Brust erfreun?
Sie glüte nur für dich schon in der ersten Blüte.
Von dir beseelt steh ich izt in der Lebensmitte.
Mich reizt die Grösse nicht: ich geize nicht um Aerz;
Du labest mich allein; durch dich entflieht der Schmerz.
Besuche süsses Kind noch einmal meine Hütte!
Dir folget jede Lust, Du bringst den sanften Scherz
Durch deine Gabe mit; schenk mir Sophiens Herz.
 

Rasian. Ich zahle dich mit einem –

Madrigal

 
Du buhlest um mein Herz, Rosine?
Betrachte besser deine Miene;
Schlag heimlich den Kalender auf,
Und überdenk den ganzen Lebenslauf!
Izt sind es volle dreyßig Jahre,
Da warst du mir zur Braut zu jung.
Ich lud dich später zum Altare,
Und hörte mit Demüthigung,
Du seyst bereits, ich weiß nicht, wem versprochen.
So war die Zärtlichkeit bezahlt.
Izt kömmt die lezte der Epochen.
Du scheinest mir, ich sag es frey, zu alt,
Das macht auch meine Liebe kalt.
 

Der König. Wer ist der Verfasser?

Ras. Ein Dichter, der mit den Reifröcken zerfallen ist, und vermuthlich in einem Krankenspitale hungert.

Der König. Der Mann scheint mir Kopf zu haben.

Ras. Er schrieb auf sich selbst dies lezte –

Epigram

 
Die Menschen fliehen ihn wie eine Schlange;
Was mag die Ursach seyn? Ist er Medusens Schild?
Zeigt seine Larve sich mit eingeschrumpfter Wange;
Sind seine Züge häßlich wild?
Macht eine Krankheit ihn so stinkend wie die Leichen?
Ist er beschwert mit bösen Seuchen?
Zernagt ihn innerlicher Harm,
Und macht ihn wild und ungesellig?
Ist er zu ungestüm, zu ungefällig?
O nein! Erstaunt! Er ist – zu arm.
 

Der König. Ich will mich seiner erinnern. Verdienste sollen nie darben! Sucht sie auf, ruft sie aus den Schlupfwinkeln, und es soll mein schönstes Geschäfte seyn, sie zu belohnen!

Ende der ersten Kaprizze

Der Jüngling Eduard
Zweyte Kaprizze

Biographie

Das Leben grosser Könige ist das Vorbild, und die Schule der Herrscher. Sie sehen die Tugenden, die sie erreichen sollen, und die Fehler, die ihre Vollkommenheiten entstalten, und ihr Gedächtniß bey der Nachwelt verächtlich machen. Der Donner der Wohlredenheit und der Pinsel der Wahrheit verewiget entweder ihr Lob, oder ihre Schande. Eduard ist einer von den besondern Fürsten, deren edlere Thaten die Aufmerksamkeit späterer Geschlechter verdienen. Die ersten Jahre seiner glorreichen Regierung sind rühmliche Beweise der erhabensten Eigenschaften, und das Muster grosser Monarchen.

Die gütige Natur erschöpfte sich gleichsam, in ihm ausserordentliche Gaben als in einem Mittelpunkte zu vereinigen, und ihn zum Meisterstücke der erstgebornen Genien zu bilden. Seine erhabene Miene verrieth seinen königlichen Stand. Sein Wuchs war schön, seine Züge einnehmend, und seine Suada bezaubernd. In ihm versammelten sich alle schätzbaren Eigenschaften seiner würdigen Ahnen, und vielleicht aller kommenden Enkel. Sein Herz war groß und zärtlich, und sein Geist durchdringend und erlaucht. Sein Auge war scharfsichtig; er spähete die Verdienste, und selten entwischten sie seinem Adlerblicke. Die Rechtschafnen freuten sich, denn sie sahen in ihm einen billigen Richter, der ihre Treue und Geschicklichkeit prüfte, und belohnte; die Verdienstlosen hingegen wurden desto mehr beschämt, weil schon die entehrende Ausschliessung von den Gnaden ihres wohlthätigen Landes-Fürsten ihre Schande bezeichnete. Da er den Charakter der Menschen mit einem Blick übersah; wuste er die unentbehrliche Kunst weiser Regenten jeden an seinen ächten Platz zu stellen, und jede Fähigkeit zu benutzen. Er kannte andere, ohne sich selbst ergründen zu lassen. Doch haßte er die alberne Grimasse feiner Politiker, die aus Kleinigkeiten Geheimnisse machen. Nur Hauptgeschäfte, deren glücklicher Erfolg von einem heiligen Stillschweigen abhieng, wurden von ihm in eine tiefe Nacht gehüllet. Er ließ seine Nachbarn nicht bey jedem Schritte zittern; seine Verheissungen waren unverbrüchliche Schwüre, und seine Bündnisse so ehrwürdig wie Eide. Seine Handlungen blieben allezeit königlich. Er gab seinen Thaten eine majestätische Grösse; seine Gedanken und Worte verriethen, aus welcher vortreflichen Seele sie ihren Ursprung zogen; er nahm nicht Zuflucht zu übertriebnen Gepränge; aber er würdigte nie seinen Stand durch geizige Sparsamkeit ab, damit er den Künstlern die Nahrungswege nicht beschränkte. Er liebte in allen Kunst und Geschmack; seine Gebäude prangten als Denkmäler, welche den Staat verschönerten, und den Fremdling in Erstaunung setzten. Sein Leben war einfach, aber wohlgeordnet.

Im Frieden, den er liebte, theilte er weislich seine Stunden. Früh begann er die Reichsgeschäfte. Er suchte die Kürze, und haßte die Weitschweifigkeit und Dunkelheit des Vortrags. Seine Minister und Räthe mußten gründlich von den Gegenständen unterrichtet seyn. Den Nachmittag widmete er dem Umgang mit allen Menschen, und hatte jeder Stand seinen ausgezeichneten Tag, in welchem jeder das Antlitz seines Königs sehen konnte. Der erste Tag der Woche ward den Staatsleuten gewidmet; der zweyte den Kriegern; der dritte den Gelehrten, der vierte den Künstlern, der fünfte den Kaufleuten, der sechste den Priestern, der siebente den Ackersleuten, und der achte dem schönen Geschlechte, in dessen Umgang er die Artigkeit zu suchen pflegte. In diesen Stunden sprach er mit Jedermann wie ein Bruder zum andern, und klärte sich so auf, daß jeder ihn für einen Meister in seinem Fache hielt. Die Höflichkeit war jene Zauberey, womit er alle Herzen fässelte; er schien unwiderstehlich im Umgang. Seine Reden schlichen so sanft in alle Ohren, und drangen so rasch zum Herzen, daß er alles hinriß. Nie sprach er von sich selbst. Er lobte verdienstvolle Männer. Nie war er bescheidner, als nach gewonnenen Schlachten, und niemals demüthiger als im Glücke. Selbst seine Feinde preisen an ihm diese seltne Tugend; aber nie schien seine Seele grösser und thätiger als in Gefahren, die sein geliebtes Vaterland bedräuten. Er war wie eine Löwin, die ihre Jungen vertheidiget. Seine Augen glüten, er war Tag und Nacht auf den Flügeln, und er ruhte nicht, bis er die Stürme beschwur, und die Wolken zertheilte. Jemehr Feinde wider ihn aufstunden, destomehr Gelegenheit fand er seinen Ruhm zu vergrössern. Ein Seemann wird in Ungewittern geprüft. Er kannte die Ebbe und Flut des Glückes, und nützte die goldenen Augenblicke, in denen es ihm lächelte. Die Gnaden, die er ertheilte, und versprach, waren so gewiß, daß man sie gleichsam schon empfieng, wenn er sie verhieß. Nie brach er sein Wort, weil er nichts ohne reife Ueberlegung zusagte. Geprüften Gelehrten gab er einen Gehalt zur Aufmunterung, um sie in den Stand der nöthigen Musse zu versetzen, die ihr Studium erfoderte. Würdige Witwen, die Kinder zu erziehen hatten, konnten Anspruch auf seine Güte machen, und er foderte Rechenschaft von der Verwendung seiner Gnaden. Wenn rechtschaffene Männer durch Unglücksfälle darbten: bot er ihnen eilends Hülfe an; warum, pflegte er zu sagen, wendet ihr euch nicht an mich, und vertraut eure Bedürfnisse eurem Freunde? Da er wuste, daß die Armuth die Mutter aller Laster ist; so war er der Vater der Armen. Leute, welche das Alter oder ein gebrechlicher Körper ausser Stand sezte, das Brod zu gewinnen, wurden von seiner Milde erhalten, und er zählte sie unter die Säuglinge, die er als Waisen ernährte. Andern Bedürftigen wies er gute Nahrungswege an, und sie wohnten in einer Vorstadt beysammen, durften auch so lange nicht in Städten sich niederlassen, bis sie durch Fleiß ein kleines Vermögen sich erwarben. Er ehrte alle Stände, wie ein Vater alle seine Kinder gleich liebt. Er gab keinem Stande eine Vorliebe, und keinem eine Ausschliessung. Jeder in seiner Gattung war geschätzt, und von ihm geehrt. Der Vater vieler Kinder genoß besondere Vortheile. Er ließ dem Adel fühlen, daß ohne eigne Verdienste das Ungefähr einer hohen Geburt ein blosser Schatten ist, und der Adel nur eine Aneiferung zu ausserordentlichen Tugenden, nicht aber ein Freybrief des Müßiggangs seyn sollte. Er zog die Talente aus der Dunkelheit hervor, und suchte die schüchterne Bescheidenheit auf, wo sie im Winkel darbt. Die Beamten durften sich durch Wissenschaften aufklären, und er hielt nicht wie viele barbarische Grosse die Unwissenheit für ein Zeichen der Treue und des Fleisses. Jeder konnte Anspruch auf Würden machen, wenn er nur Fähigkeit besaß. Jeder Bürger erfreute sich im Genusse seiner Güter. Ich bin ein Hausvater, sagte Eduard, die erste Pflicht eines liebreichen Hausvaters ist, von seinen Kindern geliebt zu werden, ihnen den Aufenthalt in seinem Hause lächelnd zu machen, damit sie sich nicht um fremde Wohnungen sehnen, und vergnügt sind, in seiner Hütte zu leben. Die Gesetze werden liebreich, wenn er sie überzeugt, daß alle zu ihrem Wohl, und zur allgemeinen Glückseligkeit abzielen. Er liebte zu sagen, alle Fehler der Könige tragen ihre Unterthanen.

War er im Felde; so übersah er nicht nur die Würde des Anführers, sondern er ward ein gemeiner Soldat; und wenn er die Heere in Schlachtordnung stellte, und das Treffen entwarf, theilte er alle Gefahren mit seinen Kriegern. Seine Unterthanen, die ihn wie einen Vater liebten, hatten zum Sprüchwort: Die Tapferkeit ist unsers Königs einziger Feind, die uns für seine kostbaren Tage zittern macht. Wer die Geschwindigkeit seiner Thaten bemerkte, glaubte, daß Eduard fliegen müßte, und wer die Grösse und Wichtigkeit der Handlungen prüfte, erkannte, daß er nicht eilen konnte. Man bedurfte oft mehr Zeit, seine Thaten zu erzählen, als er, sie auszuführen. Die Gelassenheit war ein besonderes Zeichen seines erhabnen Verstandes, und er hatte die gröste Herrschaft über sich selbst. Die sanfte gütige Art, womit er alle Handlungen und Worte würzte, legte ihnen einen doppelten Werth bey; die Gnaden wurden unschätzbar, und selbst eine verweigerte Bitte ward zur Gnade.

Er liebte zärtlich sein Volk, und unterschied den Bürger weislich vom Fremdling; dadurch pflanzte er die Liebe zum Vaterland in alle Herzen. Ein Land, das seine Kinder geringschäzt, wird von ihnen verachtet, und verlassen. Das Glück seines Volks war sein reichster Segen. Er liebte nicht Leibwachen, und wandelte frey unter seinen Söhnen. Seine Rathschlüsse waren meistens bekannt, er ließ seine Unterthanen alle Plane und guten Absichten wissen, und sagte: Ich liebe keine schädlichen Neuerungen, und habe kein Staatsgeheimniß. Ein wohlgeordnetes Heer von treuen Landeskindern, und der Reichthum meiner Bürger ist meine Politik! Sklaven fechten nur aus Zwang für Ketten und Gefängniß, freye Bürger, die ihr Vaterland lieben, sind die Stützen eines gerechten Thrones.

Er handhabte mit Standhaftigkeit die Gesetze, die alle nur zum Wohl der Länder abzielten, wenig, einfach, und verständlich waren. Oft weinte er, wenn er ein Urtheil unterschrieb, und er milderte gern die Strenge. Er strafte kühne bundbrüchige Nachbarn: er beschränkte den Ehrgeiz habsüchtiger Könige; er kam unterdrückten Freunden zu Hülfe; er schonte, wo er Langmuth zeigen konnte; er wog das Blut auf der Goldwage, und zog nur gezwungen das Schwert. Die Feinde fürchteten seine Gerechtigkeit. Er hungerte nie nach fremden Gütern. Wurden feindliche Schiffe auch in Kriegszeiten durch Stürme an seine Gestade geworfen; so gab er großmüthig Befehl, sie frey zu lassen, und ihnen alle Bedürfnisse zu reichen, weil er sich keines Ungefährs zum Vortheil bedienen wollte. Dies machte ihn zum Mittler und Schiedsrichter aller Nazionen, die seine Gemüthsbilligkeit kannten.

 

In seinem Pallast hatte jeder freyen Zutritt. Lasset das Volk herein, rief er oft den Wachen zu: ich bin nicht König für mich, sondern für sie! Er strafte freche Zungen. Es sind nur Worte, sagte einst dreist ein Höfling, und Worte sind keine Pfeile! Desto ärger, rief Eduard! Pfeile durchdringen nur den Körper; aber Worte verwunden die Seele und das Herz! Die Verschwender waren nie seine Lieblinge. Ein verschuldeter Edelmann lud ihn auf einer Reise zu Gast. So müssen wir eilen, meine Freunde, sprach Eduard zu seinem Gefolge, sonst kommen wir zu spät. Da er in das Haus des Verschwenders trat, fragte er, wem gehört dieser Pallast? Dir mein Wirth? Wenn es wahr ist; so wünsche ich dir Glück!

Eduard war gütig, leutselig, sanft und uneigennützig. Jeder Tag wurde durch edle Handlungen bezeichnet, und wie eine Meile gepflegtes Land mehr ist, als eine Wüsteney von hundert Parasangen; so ist ein Blatt seiner Geschichte wichtiger, als ganze Bände unfruchtbarer Jahrbücher, die der Nachwelt nichts weiter sagen, als daß viele Könige Thoren gewesen sind.

4Sieh von Korneille das Trauerspiel Cid. Der sechste und siebente Auftritt enthält den Stoff der Parodie. Diego wird von seinem Gegner durch eine Maulschelle entehrt, zieht den Degen, wird entwafnet, und beseufzet seine Schande. Sein Sohn Roderich übernimmt die Rache.