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Durch Sandy lernte ich viele Afrikaner kennen, vor allem Studenten. Einige waren nett, andere nicht. Ehrlich gesagt: Damals mochten wir Westindians die Afrikaner nicht, wir fanden, sie hätten keine Manieren und seien keine angenehme Gesellschaft. Die Afrikaner ihrerseits fanden, wir seien nicht besonders intelligent. Wir gingen oft an afrikanische Parties, ich mochte ihre Musik und Kultur, sie hatte mehr Roots. Die Frauen akzeptierten mich nicht richtig, ich hatte keinen dicken Arsch wie sie, und meine Haare waren feiner, ihre stachlig. Auch Sandy hatte einen grossen Hintern. Sie sagte mir einmal, es sei nigerianische Tradition, dass Kinder Pferde reiten, um einen solchen Hintern zu kriegen. Ich war nicht sicher, ob sie mich auf den Arm nahm. Der Hintern ist ihre Schönheit, den Männern gefällt es, ins Fleisch zu greifen und ihn auf und ab gehen zu sehen. Für sie war ich nicht gut geformt, zu flach.

Ich fühlte mich ein wenig anders, all diese Mädchen studierten, ich arbeitete. Sie gingen in Schulen wie Eton und Oxford und lebten in den besten Quartieren von London. Ich war aber stolz, unter solchen Leuten zu sein, ich lernte von ihnen, was ich in der Schule verpasst hatte. Sandy war auch eine Aussenseiterin unter diesen Leuten. Sie hatte grossen Respekt vor ihnen und verhielt sich anders als sonst.

Ich verliebte mich in einen Mischling, halb nigerianisch, halb weiss. Das war, als ich arbeitslos war; man hatte mich bei einem angenehmen Job rausgeworfen, weil sie genug hatten von meinen Entschuldigungen und meinem Krankfeiern. Nun, es machte mir nichts aus, hatte ich doch so mehr Zeit fürs Vergnügen. Das Nachtleben nahm mich in Beschlag.

Ich hatte Al durch Sandy kennengelernt. Er war sehr schön, ein ruhiger Typ, und es machte den Anschein, als könne ihn keine Frau von seinen Studien ablenken. Er ging fast nie aus, studierte fürs Handelsdiplom. Ich versuchte nicht zu zeigen, dass ich ihn mochte. Dieses Mal wollte ich begehrt werden, und er liess sich Zeit. Aber ich hatte Vertrauen zu ihm, wollte ihm nur nahe sein.

Ich besuchte ihn oft, aber er nahm mich nicht recht zur Kenntnis. Ich konnte ihn einfach nicht festhalten, ich hatte nur meine Gedanken an ihn, meine Tagträume. Er tat kaum etwas anderes, als in seine Bücher zu starren, bis ich ihm eines Abends sagen musste, dass ich ihn wollte. Es brauchte viel Überreden, um ihn ins Bett zu kriegen. Es wurde ein Desaster. Irgendwie ging es nicht, er dachte an seine Studien, und ich dachte daran, wie ich so etwas nur hatte tun können, und ob er mich noch respektieren würde. Ich dachte, etwas müsse falsch sein mit mir. Ich wollte jetzt einen Mann, um mit ihm zu leben; ich war erst achtzehn und fühlte mich alt.

Mum hatte ich einige Monate nicht gesehen. Ich wünschte mir aber noch immer, wir könnten Freundinnen sein. Einmal besuchte ich sie mit Sandy. Sie liess sich auch durch Sandys Vermittlungsversuche nicht leicht erweichen, erlaubte mir aber immerhin, meine Geschwister zu besuchen, wann immer ich wollte. Sie sagte, sie sei immer noch verletzt. Sie habe mir zwar vergeben, aber sie könne nicht vergessen. Was zum Teufel will diese Frau von mir, dachte ich. Sicher, ich hatte meine Fehler, aber westindische Eltern wollen nie zugeben, dass sie auch Fehler machen.

Als wir weggingen, wurde die stets fröhliche, übermütige Sandy auf einmal ganz ernst. Sie sagte, ich müsse die Initiative ergreifen; es sei wichtig, mit der Mutter auszukommen. «Eines Tages wirst du deiner Mutter dankbar sein. Glaub mir, Paula, sie tat ihr Bestes für dich, sie gab dir Werte mit. Schau dich an, man, du siehst aus wie ein Snob», witzelte sie. «Aber im Ernst, Pau, du bist gut erzogen worden. Sehe ich etwa so aus, wo ich doch sogar einen Vater habe. Die Antwort ist einfach: Nein! Ich sage dir, ich kann die Unterschiede sehen.» Dass Sandy so sprach, überraschte mich, aber ihre Worte liessen mich kalt. Sie sagte: «Vielleicht suchst du die unmögliche Liebe, vielleicht bist du darum zu den Typen so kühl und gibst ihnen und dir keine Chance. Sowas wie perfekte Liebe gibt es nicht, deine Mutter konnte sie nicht geben, und niemand sonst kann es. Du musst durch all die Schmerzen, die Liebe mit sich bringt, hindurch und lernen, dass das, was du willst, nicht immer das ist, was du bekommen kannst.» Sie trat ihre Zigarette aus und sagte: «Wir müssen den Zug noch erreichen.»

Ich fand einen neuen Job als Telefonistin, aber ich hatte nicht genug Geld für ein Zimmer. Sandy schlug vor, dass wir wieder zu einem ihrer Männer ziehen könnten, der viel älter war als wir. Die beiden sprachen Yoruba miteinander, eine der vielen Sprachen ihres Landes, und ich verstand kein Wort. Wir zogen ein, doch ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Sandy und ich wollten einfach nicht das Gleiche, ich hatte genug von ihrem Stehlen, und es gehörte sich nicht, dass zwei Mädchen mit einem Mann lebten, ich wollte da raus. Ich fühlte mich wie eine Nutte. Kein Mann würde mich nach all dem noch wollen, dachte ich. Wie konnte ich jemand Anständigen finden, wenn alle wussten, dass ich mit einem Mädchen wie Sandy herumzog.

Tony

Tony mochte ich zu Beginn nicht sehr, er war unverschämt und schien ziemlich verdorben. Das erste Mal, als ich ihn traf, sprach er nur von Bananen – ist ja klar, was er meinte. Ich mochte seinen Freund Bote besser, aber da ich Tony zuerst kennengelernt hatte, fand ich, ich müsse bei ihm bleiben, sonst würden alle denken, ich sei ein Flittchen. Tony war eigentlich ein sehr weicher und sanfter Typ, er war der erste Mann, der meinetwegen Tränen vergoss. Ich glaube, er liebte mich sehr, aber ich konnte damit nichts anfangen. Ich mag grosse Männer, er war der kleinste, mit dem ich je gegangen bin, eins achtzig. Ich mag sie stark, will sie aber auch um den Finger wickeln können; doch zu lieb sollten sie auch nicht sein. Es gab nichts, was er nicht für mich getan hätte. Seine Freunde sagten: «Wenn du mit seiner Sucht nach Harold-Robbins-Büchern und seiner Liebe für Clint-Eastwood-Filme umgehen kannst, bist du akzeptiert.» Er war Vollzeitstudent, studierte Bankwesen und Computer, sein Vater bezahlte. Doch er ging kaum ins College. Er war drei Jahre älter als ich und nicht modisch, hatte aber einen schönen schlanken Körper. Tony hasste Sandy, und es gefiel ihm nicht, wie ich mit ihr lebte. Er sagte, wenn ich ein wenig Stolz hätte, würde ich da raus. Er wollte, dass ich zwischen ihr und ihm wähle.

Ich wählte ihn und zog mit ihm in ein Haus, das seinen Eltern gehörte, die in Nigeria lebten. Ich war bereit, mit ihm mein Leben zu verbringen, obwohl ich ihn nicht so sehr liebte wie er mich, aber ich fand, ich könne nicht von ihm weg. Er hatte mich in seinen Fängen.

Seine Freunde machten sich immer lustig über ihn, dass er von einer so winzigen Frau verführt worden sei. Er wollte nirgendwohin ohne mich. Er war es, der zu guter Letzt meine Nabelschnur durchtrennte, wie ein sanfter Riese. Er nahm mich, und ich wollte mehr und mehr. Aber er glaubte nie, dass er der erste gewesen war. Er sprach zärtlich in mein Ohr, sagte, ich solle ihn anschauen und alles andere vergessen; es war etwas unbequem, aber nicht unerträglich. Ich war froh, als es vorüber war. In dieser ersten Nacht wurde ich schwanger. Jetzt sass ich mit Tony fest, und er machte es mir schwer, mit ihm zu leben. Entweder würde er mich töten oder sich selber etwas antun, drohte er.

Es war ein Schock zu merken, dass ich schwanger war. Er fand, sein Leben sei zerstört. Er sagte, ich müsse entscheiden, aber er möchte lieber, dass ich es loswerde. Er wisse nicht, wie er das seinem Vater beibringen solle, er müsse studieren, und wir seien viel zu jung. Ich arbeitete weiter als Telefonistin an der Tottenham Court Road und hoffte, es sei falscher Alarm gewesen. Ich wollte nicht sein Leben verderben und war auch nicht sicher, ob es eine gute Idee war, zusammenzuleben, wo ich doch erst achtzehn war.

«Tony», sagte ich einmal im grossen halbdunklen Doppelzimmer zu ihm, «du musst nicht mit mir zusammenbleiben, wenn du nicht willst.» «Du denkst, das sei einfach», sagte er. Er lag auf dem Bett und qualmte drauflos. «Denkst du, es sei einfach für mich, das zu sagen, Tony? Ich habe mir nur überlegt, wie du am besten wegkannst. Lass mich alleine, Tony.» Tony lag immer nur im Bett und las und träumte, er öffnete kaum die Vorhänge, war verschlossen und empfindlich, du konntest kaum an ihn rankommen. Er war mit sich selbst weit weg.

Am Morgen war mir übel. Wir mussten ausziehen, weil das Haus verkauft wurde. Er entschied, wir sollten zu seiner Cousine gehen, die auf der andern Seite von London lebte. Sie war Studentin und die Familiensprecherin. Sie und ich mochten einander nicht, aber sie musste uns aufnehmen, bis wir etwas fanden. Sie machte ihm jeden Tag Vorwürfe, vermutlich wegen seinem Studium. Dann raffte ich mich auf, machte einen Test und brachte ihn zum Apotheker. Ich fühlte mich miserabel, dennoch ging ich zur Arbeit. Dort rief mich meine Mutter an, die ich lange nicht gesehen hatte und auch nicht sehen wollte. Ich war geschockt, dass sie herausgefunden hatte, wo ich arbeitete. Ich zitterte und schwitzte – diesmal würde sie ihre Hände wirklich waschen, dachte ich, und irgendwie war es mir scheissegal.

Sie fragte, wie es mir ginge. Obwohl ich mich jetzt mehr unter Kontrolle hatte, platzte ich gleich heraus damit, dass meine Brüste schmerzten und mir am Morgen schlecht sei. Ich erwartete, dass sie den Hörer aufhängen würde, wartete geduldig auf das Geschrei in der Leitung. Es war eine Weile still, dann sagte sie trocken: «Nun, Paula, du musst wissen, dass du schwanger bist, und wie auch immer, du bist achtzehn, du bist nicht minderjährig.» Später ist mir klar geworden, dass sie sich freute; nun musste ich herausfinden, wie hart es ist, Kinder zu haben. «Da ist nichts dran, weswegen man sich schämen muss.» Sie fragte, von wem, und ich erwartete wieder, dass sie losschreien würde, denn sie mochte die Afrikaner nicht. Ich sagte: «Von einem Nigerianer.» Es gefiel ihr nicht, aber sie sagte, es sei meine Sache, was ich mit dem Baby machen wolle. Es schien das erste Mal, dass wir verständig miteinander reden konnten. Sie sagte, sie sei in ein viel kleineres Haus umgezogen, aber hübsch und ruhig. «Es hat nicht viele Schwarze dort», sagte sie. Sie klang nicht sehr glücklich.

 

Als ich nach Hause kam, sagte mir Tony traurig, der Test sei positiv. Ich begann zu heulen, ich hasste ihn für das, was passiert war. «Ich bin die mit dem grossen Bauch», schrie ich. Mein ganzer Körper würde ruiniert sein, und er wäre fein raus. Es schien klar, dass ich das Baby behalten musste, weil wir kein Geld für eine Abtreibung hatten. Auch hatte ich Angst davor und wusste, dass es gegen die Religion war. Ich war in der achten Woche, da war es für mich schon geformt. Wir überlegten, es auf Hinterzimmerart zu machen, wie viele Nigerianerinnen; für die war das wie Teetrinken. Meine Brüste wurden riesig und schmerzten, ich war in Tränen über diese riesigen Melonen, ich mochte den Geruch von Essen nicht, alles ging mir auf die Nerven. Ich ging nicht zur Arbeit und erzählte denen gar, dass ich schwanger war und bei dieser Hitze nicht kommen mochte. Ich beschloss, die Arbeit aufzugeben. Da ich noch nicht lange dort war, konnte ich keine Mutterschaftsbeihilfe erwarten.

Ich raffte mich auf und ging ins Krankenhaus, um herauszufinden, ob sie das Baby wegmachen würden. Es gab eine lange Warteliste, und meistens versuchen sie, dich zu überzeugen, es zu behalten. Sie stellten mir viele Fragen und sahen keinen Grund, weshalb ich das Kind nicht behalten konnte. Sie sagten, ich könne Zeit gewinnen, wenn ich es privat machen lassen würde, ich sagte, das sei hoffnungslos, weil ich kein Geld hätte. Die Frau zuckte die Achseln und rief nach der nächsten. Ich ging weinend weg mit dem Gefühl, dass mein Leben zu Ende sei.

Nun sass ich also mit einem Mann fest, in den ich nicht verliebt und der zu schwach war, wo ich mir doch so sehr einen starken Mann wünschte. Der Druck wurde zu gross; kein Geld, die Religion, die mein Verhalten verurteilte, und meine Mutter, die nun triumphieren konnte – sie hatte ja schon immer gesagt, dass ich als Nichts enden würde.

Eines Tages entschied ich, Schluss zu machen. Ich schluckte eine Menge Kopfwehtabletten und versuchte mich in der kleinen Küche zu vergasen, wollte nicht nur mich zerstören, sondern auch mein Kind. Niemand war zu Hause, ich dachte lange über mein Leben nach und fand, es habe keinen Sinn mehr. Ich hatte meine Zukunft zerstört, hatte keinen Beruf, hatte nichts gelernt, war nichts – ja, meine Mutter hatte recht. Warum hatte ich nicht verhütet! «Jetzt ist es zu spät, Paula», sagte ich mir, «du hast den Schaden angerichtet, bist wie alle andern schwarzen Mädchen, die mit vielen Babys in einer Sozialwohnung enden! – Nein!» Ich schrie, schlug meinen Kopf an die Wand im Wohnzimmer und heulte. Ich fand die Tabletten schnell, schluckte sie mit Wasser, kniete mich vor den Herd, legte den Kopf hinein und wartete auf den Tod.

Tony und seine dicke Cousine fanden mich auf dem Boden. Ich weiss nicht, was geschah. Ich erwachte im Spital wieder, wo mir der Magen mit einem langen Schlauch ausgepumpt wurde. Ich verbrachte eine Woche dort, weil sie herausfinden mussten, ob das Baby in Ordnung war. Tony war wütend auf mich, weil ich so verrückt tat und ihn beschämt hatte. Er spürte, dass er auch schuld war. Später dachte ich, dass ich nicht wirklich hatte sterben wollen; ich hatte nur um Hilfe geschrien.

Kurz danach besuchte ich Mutter und brachte Tony mit. Die Kinder waren recht angetan von ihm. Mutter begann sogleich über alte Zeiten zu reden, worauf ich nicht gefasst war. Ich schäumte innerlich vor Wut, sagte aber nichts. Obwohl sich Mutter nichts anmerken liess, wusste ich, dass sie ihn nicht mochte, er war kein Westindischer. Wir gingen spät abends weg, zu einer Party. Ich hatte Mutter gesagt, dass ich das Baby wohl behalten würde.

Am nächsten Tag nahmen wir den Zug nach Bristol, um Tonys Bruder zu besuchen, der Arzt war. Wir wollten ihn fragen, ob er das Kind wegmachen könnte. Er hatte drei wunderschöne Kinder mit seiner hellhäutigen jamaikanischen Frau, und da kamen wir also, um ihn zu bitten, unser Baby zu töten. Er konnte es nicht glauben. Wir sagten: «Okay, wenn du es nicht tun willst, brauchen wir Geld und eine Wohnung.» Er war bereit, dem Vater zu schreiben, ihm unsere Situation zu erklären und um Geld zu bitten. Er sorgte sich nicht wirklich um Tony, sondern um mich. Tony mochte seinen Vater nicht, und sein Bruder sagte: «Tony, unser Vater wird das nicht leichtnehmen, sei auf das Schlimmste gefasst.» Die beiden hatten nicht dieselbe Mutter. Tony wusste, dass seine Mutter das akzeptieren würde, sie war die vierte Frau des Vaters, und sie lebten in Nigeria alle zusammen in separaten Häusern auf einem Gehöft.

Es war Tonys Mutter, die den Brief öffnete, und sie sagte, sie wolle Vater noch nichts davon erzählen. Sie schrieb, dass sie mir keine Vorwürfe mache und ich das Baby behalten solle. Sie schrieb mir wie eine Mutter, obwohl wir uns nie treffen sollten. Tony sandte ihr Fotos, weil sie es wünschte, und sie mochte, was sie sah, und sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Sie sandte uns durch Freunde, die nach London kamen, sogar gebratenes Fleisch. Ich glaube, ich mochte sie auch.

Michelle, meine Tochter

Wir fanden eine hübsche Wohnung mit einem Schlaf- und einem Wohnzimmer. Sie war sehr teuer, hundert Pfund im Monat. Wir hatten nicht viel Geld, aber mit etwas Unterstützung von seiner Familie und mit meinem Sozialhilfegeld kamen wir zurecht. Er fand dann eine Arbeit in einer Computerfirma, was ihm sehr half.

In dem Haus, das einem Juden gehörte, wohnte auch Lain, eine Frau aus Barbados in einer winzigen Wohnung. Sie war neun Jahre älter als ich und wie eine grosse Schwester. Sie hatte einen Sohn in Barbados und ein dreieinhalbjähriges Mädchen. Sie brachte mir Stricken bei, lehrte mich einige ihrer Gerichte kochen. Damals wohnten noch zwei Freunde bei uns, was ziemlich lästig war, weil ich immer ihren Dreck wegräumen musste.

Eines Nachts hatte ich Schmerzen, und es kam Blut. Tony rief Lain herbei, die Krankenschwester gewesen war. Sie hiess uns die Ambulanz rufen, da ich Probleme bekommen könnte. Ich ging, ohne etwas mitzunehmen; so früh hatte ich das Baby nicht erwartet.

Tony kam nicht mit, er sagte, er habe Angst. «Vielen Dank», sagte ich, «soviel machst du dir also aus mir!» und dachte: Junge, du wirst mich verlieren. Die Schmerzen waren schlimm, als wir im Krankenhaus ankamen, ich glaubte zu sterben. Ich hatte Glück, dass ich ein Bett bekam, denn die Ärzte und Schwestern waren im Streik. Eine junge Schwester kümmerte sich um mich und lenkte mich mit Reden ab, eine andere gab mir eine Spritze, damit das Fruchtwasser abging. Sie erklärten mir all das, was ich in der Mütterberatung hätte lernen sollen. Die ganze Nacht hatte ich Wehen. Am Morgen kam Tony, weil er dachte, das Baby sei schon da, ging aber bald wieder, um in Bristol Geld abzuholen, das für uns angekommen war. Die Wehen dauerten lange, und sie brauchten die Zange. Ich erwachte dann von einem dünnen Schrei, der mich störte. Ich hatte ein Babygirl.

Kurz darauf kam Mum. Sie sagte, sie hätte ein eigenartiges Gefühl gehabt und dann von Tony erfahren, dass ich hier war. Ich hatte nicht gewollt, dass Mutter Bescheid wusste. Sie nahm das neugeborene Baby in ihre grossen Hände. Sie sagte, sie habe allerlei bestellt, vom Flaschenwärmer bis zum Kinderbettchen. Ich sagte, wir brauchten nichts, und wir würden ein gebrauchtes Bettchen kaufen. Da wurde sie unter ihrer dunklen Haut ganz rot. «Hör, Paula, kein Kind von meinem Blut wird im Bettchen einer andern Person schlafen, nie, solange ich lebe!» Ich sagte nichts und liess ihr ihren Willen, aber ich mochte die Idee nicht. Ich fiel zurück in den schlimmsten Schlaf, den ich je gehabt habe. Manche Leute sagen, der Schlaf nach der Geburt sei der schönste Schlaf; für mich war er ein Horror.

Der Wunsch von Tonys Mutter war also wahr geworden: Sie hatte vier Söhne, aber keine Tochter. Ich hatte nie ein Mädchen gewollt, ich schaute es mir nicht mal richtig an, es interessierte mich nicht. Das Baby schrie, aber ich nahm es nicht auf. Die Schwester kam, nahm sie und sagte: «Komm zu Mummy.» Ich bekam Hühnerhaut – wie konnte sie es wagen, sowas zu sagen. «Miss Charles, Sie müssen das Baby stillen.» Ich sagte, ich würde ihr lieber die Flasche geben, ich fühle mich wie eine Kuh. Sie sagte: «Miss Charles, wissen Sie, wie viele Mütter froh wären, sie hätten soviel Milch wie Sie. Machen Sie schon, Liebes, Sie schaffen das schon, seien Sie nicht so schüchtern.» Ich war ausser mir vor Scham. Ich hasste die verdammte Sache so sehr und beschwerte mich jedes Mal, wenn ich es tun musste. Die Schwester passte auf, dass ich keine Fütterung ausliess.

Ich vermute, ich hatte Angst vor dem Baby. Als es einen Tag alt war, sah es schon aus wie eine Woche alt, mit strahlenden Augen. Es schien zu wissen, wer ich war, liess nie die Augen von mir. Ich erschrak und legte es schnell zurück in sein Bettchen.

Ihr Vater kam mit seinen Freunden zu Besuch, ein breites Lächeln im Gesicht. Alle schienen stolz zu sein, lachten und hatten ihre Freude an dem Baby. Sie waren wie kleine Jungs, reichten es herum. Auch am ersten Tag, als ich mit dem Baby zu Hause war, stritten sich die Jungs darum, wer es baden und füttern dürfe, sie hatten ein Spielzeug. Mutter sandte uns alles, was wir brauchten, ich musste fast nichts kaufen.

Ich gewöhnte mich nur langsam an das Weinen in der Nacht. Alles machte mich ziemlich fertig, ich wurde depressiv. Auch Tony fühlte sich genervt, weil er in seinem Alter schon durch ein Baby angebunden war. Er war zweiundzwanzig, ich neunzehn. Er fühlte sich nicht mehr so frei wie seine Freunde, fühlte sich alt und fand, enge Jeans seien nichts mehr für ihn. Wir kamen immer weniger zurecht. Fast immer war er weg, und wenn er da war, stritten wir. Ich liess mich auf die Warteliste für Sozialwohnungen setzen, denn unsere Wohnung wurde zu teuer. Wir waren mit der Miete im Rückstand und mussten schnell ausziehen.

Das Sozialamt fand für mich ein Bed and Breakfast, aber um Tony kümmerten sie sich nicht. Das brach mir das Herz, und ich nahm ihn mit in mein Zimmer. Er ging arbeiten, während ich mit Michelle zu Hause blieb. Es war deprimierend. Ich fühlte mich niedergeschlagen und liess es an Tony aus, wenn er nach Hause kam. Monatelang assen wir nicht richtig, und das Baby litt. Zu dieser Zeit begann ich an Al zu denken, aber ich sagte nichts, denn Tony war extrem eifersüchtig. Er hatte mich oft eingeschlossen; ich wollte nicht, dass das wieder passierte.

Das Baby ging mir auf die Nerven, und ich fand, Tony sei ein unbrauchbarer Mann. Alles musste ich selber machen. Ich beschloss meinen Stolz wegzustecken und Mutter zu fragen, ob ich bei ihr bleiben könne, bis ich die städtische Wohnung bekäme. Sie hatte nichts dagegen und war sehr erfreut, dass ich Tony loswerden wollte. Ich hatte schon einige Male versucht, Tony zu verlassen, aber ich fand, ich müsse ihm noch eine Chance geben. Meine Familie machte das Ganze noch schwieriger, weil sie ihn nicht mochte. Ich war hin und her gerissen.

Eines Tages kam Tony von der Arbeit nach Hause und sah mich meine Taschen packen. Ich sagte ihm, dass ich ihn verlasse. Es brach mir das Herz zu sehen, was ich ihm antat. Er sagte: «Geh, ich weiss, dass du sie mir vorziehst.» Er wollte, dass wir zusammenblieben, sagte, er hätte Pläne für unsere Zukunft, und jetzt das. Er war verletzt, kämpfte mit den Tränen. Ich nahm meine Tochter, zwei schwere Koffer und ihren Buggy. Ich wusste nicht, wie ich nach Hause kommen sollte, ich hatte nicht genug Geld für den Bus. Es war warm in dieser Nacht, und mein Baby, das jetzt sechzehn Monate alt war, hatte Hunger. Ich war müde und verzweifelt, sass auf den zwei Koffern, meine Tochter auf den Knien, an der Bushaltestelle, die ich lange gesucht hatte. Da hielt eine behinderte Autofahrerin neben mir und fragte, wohin ich wolle. «Nordlondon», sagte ich und begann zu weinen. Sie sagte, sie würde mich auf halbem Weg absetzen, und ich bedankte mich. Den Rest der Reise legte ich mit dem Bus zurück.

Ich traf Tony weiterhin, wegen Michelle. Es war schmerzlich für mich, ihn zu sehen. Er tat mir leid, weil ich wusste, wie sehr er mich liebte, aber ich war zu hilflos. Er folgte mir jeden Tag nach der Arbeit und wollte mit mir reden. Einmal klingelte er an der Tür und sagte meiner Mutter, er habe das Recht, seine Tochter zu sehen. Es war nicht mein Haus, also musste ich zusehen, wie Mutter und er um das Baby kämpften, bis auf die Strasse hinaus. Er ging weg. Ich wusste, dass Mutter nicht um das Baby gekämpft hatte, sondern um mich; sie wollte nicht, dass ich mit Tony zusammen war.

 

Al besuchte mich einmal abends nach der Arbeit. Ich war aufgeregt und wegen Michelle etwas verlegen. Er sah gut aus, und ich fragte mich, was zum Teufel mich denn dazu gebracht hatte, diesen Typ zu verlassen. Er schaffte es spielend, so zu tun, als ob nichts passiert sei. Er hatte Freude an Michelle, und ich küsste ihn auf die Lippen. Mutter hatte etwas zu essen vorbereitet. Sie mochte ihn, sie fand, er sei sehr schön. Wir assen zusammen mit Michelle, die ihre Hände in seinen Teller streckte, eine Handvoll Kohl packte und auf den Boden schmiss. Al sprach nicht viel, wir gaben einander Küsschen, und er sagte, er wolle in Kontakt bleiben.

Ich zog in eine Sozialwohnung mit zwei Zimmern in Camberwell Green. Ich hatte keine Möbel. Die Sozialhilfe gab mir etwas Geld; es reichte für ein Secondhand-Bett und gebrauchte Stühle. Mutter gab mir eine Uhr und ein Stück Teppich, das gerade die Mitte des Wohnzimmers deckte. Ich nähte Vorhänge. Ich kaufte einen Kochherd auf Kredit und mietete, sobald ich eine Arbeit hatte, einen Fernseher.

Sandy hatte mich einmal besucht, um das Baby zu sehen. Irgendwie mochte ich sie nicht mehr; ich wollte sie aus den Augen haben. Durch sie hatte Tony herausgefunden, wo ich wohnte. Er kam vorbei und verlangte die paar Pfund, die ich hatte. Ich war dumm genug, sie ihm zu geben. Er hatte kaum je etwas für Michelle gekauft, und ich nahm ihm das übel.

Ich schrieb seiner Mutter nach Nigeria und fragte sie, ob sie Michelle zu sich nehmen könnte. Sie schrieb, sie würde es gerne tun. Ich versuchte so sehr, Michelle zu behalten, aber arbeitslos sein und von Sozialhilfe leben zehrte an den Kräften. Mehr als zwei Monate war ich arbeitslos und sah mich meine Tochter schlagen und hasste mich dafür. Zwanzig war ich jetzt und gebunden. Ich musste meinen Stolz wegstecken und nahm meinen ersten Zimmermädchen-Job an, in einem piekfeinen Hotel, wo regelmässig Tennisspieler abstiegen; da verdiente ich etwa achtundzwanzig Pfund die Woche, nur wenig mehr als die Sozialhilfe, aber ich fühlte mich besser. Meine Tochter kam in die Kinderkrippe, die im Haus gegenüber war.

Ich begann jeden Penny für die Reise meiner Tochter zu sparen. Ich wusste nicht wirklich, was ich machte, ich wusste nur, dass ich nicht so, wie ich wollte, für meine Tochter sorgen konnte. Und ihr Vater provozierte mich, weil er immer noch in mich verliebt war.

Einmal kam er, als gerade Al zu Besuch war. Er sagte, er hole seine Messer und Gabeln, da sah er den Männermantel in der Garderobe. Er schrie: «Wem gehört dieser Mantel?» Ich sagte: «Al ist hier.» Tony hatte von ihm gehört, ihn aber nie getroffen. Er packte mich am Hals, drückte zu und sagte: «Du dreckiger Bastard!» Er wusste, wie sehr ich dieses Wort hasste. Er liess mich los und ging in mein Schlafzimmer, suchte Spuren. Ich ging ihm nach und forderte ihn auf, das Zimmer zu verlassen. Er stiess mich aufs Bett, versuchte mich zu würgen. Ich konnte mich losreissen, er verletzte mich, mit Tränen in den Augen, indem er sagte: «Du billige Hure, du Dirne, du dreckiger Bastard.» Ich versuchte nicht zu weinen, als seine Fingernägel sich in meine Haut gruben. Al rief nach mir und fragte, ob ich okay sei. Da warf mich Tony auf den rosa Nylonüberwurf, sagte nochmal «Bastard», ging durchs Wohnzimmer, wo er Michelle Adieu sagte, und schlug die Türe zu.

Ich erzählte Al, was passiert war. Er fragte, warum ich ihn denn nicht gerufen habe. «Ich weiss, wie Tony ist, ich wollte keinen Streit zwischen euch.» Al fragte: «Ist er eifersüchtig auf mich?» Ich sagte, er sei auf alle in meiner Nähe eifersüchtig. Ich setzte mich auf Als Knie, versuchte ihn daran zu hindern weiterzureden und küsste ihn. Ich wusste, dass er ein klein wenig eifersüchtig wurde. Wir küssten und küssten. Ich wollte Al, und Al wollte mich. Ich legte das Baby schlafen, und wir gingen ins Bett und machten zum ersten Mal richtig leidenschaftlich Liebe, es war toll.

Ich wollte nicht, dass Al wieder ginge, aber ich wusste, dass er nicht über Nacht bleiben würde. Er musste seine Sachen packen, um nach Schottland zu fahren. Er sagte, ich müsste mich daran gewöhnen, er sei kaum je zu Hause, sei viel auf Geschäftsreisen, seine Firma bezahle ihm seine Ausbildung, und er müsse die Chance nützen. Er wollte der beste Buchhalter werden, und dafür musste er einen Preis bezahlen. Ich war nicht sicher, ob ich damit umgehen konnte, aber er war ein freier Mann und machte mir klar, dass seine Arbeit und sein Studium zuerst kämen. «So, Paula, lerne nur gleich zu Beginn, dass du von jetzt an an zweiter Stelle kommst.» Er zog seine Hose an und ging.

Mutter kam einige Male zu Besuch, einmal mit einer nicht richtigen Tante von mir, die nie gearbeitet hat, weil sie krank war. Ich mochte sie sehr. Ich bot ihnen Tee an, wir plauderten und lachten. Mutter kritisierte mich nicht. Sie fragte nach Al, und ich sagte, er sei weg. Sie wollte Michelle übers Wochenende zu sich nehmen, ich war einverstanden. Wir holten sie in der Krippe ab, und sie liessen mich alleine, ganz alleine fürs Wochenende. Ich verbrachte die meiste Zeit am Fenster, hoffend, dass Al mich überraschen würde. Aber da war kein Al, er war weit weg in Schottland, vielleicht hatte er dort eine andere Frau, die ihn in Form hielt. Ich wollte weinen, wechselte in der Nacht vom Wohnzimmerfenster zum Schlafzimmerfenster und hoffte immer noch, er würde kommen und mir Gesellschaft leisten. Erst um drei Uhr morgens legte ich mich schlafen.

Ich wechselte in ein anderes Hotel, das «Strand Palace». Es war ein angenehmes Klima dort, und die meisten Zimmermädchen waren nett. Ich fand dort auch für eine Freundin Arbeit; sie hiess Sally und wohnte im selben Haus wie ich. Sie war sehr mager und war mit einem Rasta zusammen, der nur von Gras lebte und am Samstagabend mit Musikmachen ein paar Pfund verdiente. Sie galt als hartes Mädchen, und es empfahl sich, nett zu ihr zu sein. Sie hatte einen Sohn, der etwas älter war als Michelle. Wir kamen miteinander aus, einfach weil ich jemanden zum Reden brauchte, und ich war neu in der Gegend. Aber sie war nicht so gebildet wie ich, und ich auch nicht sehr, so kann man sich vorstellen, worüber wir sprachen: Kinder, Herbs – das war der Name ihres Mannes – und wie sehr sie sich ein zweites Kind wünschte, obwohl sie kaum genug hatte für ihren Sohn. Sie war ein Jahr älter als ich.

Wir gingen zusammen zur Arbeit, und ich half ihr mit all den komplizierten Formularen, die sie ausfüllen musste. Sie konnte kaum lesen, obwohl sie in England geboren war und ihr ganzes Leben dort verbracht hatte. Wir halfen einander mit den zwölf Zimmern, die wir putzen mussten, und hatten es lustig. Aber ich traute Sally nicht, sie war eine Schlange, und sie mochte mich nicht sehr. Solange ich kein Auge auf ihren Boyfriend warf, kamen wir miteinander aus.

Ich musste mich nun entscheiden, was mit Michelle werden sollte, und ich bekam Angst. Ich wollte meine Tochter nicht wegschicken. Ich ging mit dem Baby zu meiner Mutter, liess es für eine Weile bei Beth und ging mit meiner Mutter spazieren. Ich wollte herausfinden, ob nicht sie das Kind zu sich nehmen könnte.

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