Entführung in eine bessere Zukunft

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„Aha, euer berühmtes Pflichtenheft!“

„Genau, wir wurden von Breithaupt darauf eingeschworen, vor jeder Lösungsfindung zunächst alle Forderungen genau und eindeutig festzuschreiben. Alles, was hierbei vergessen wird, geht später auf Kosten des Gewinns, der Kunde würde stets behaupten, das hätten wir wissen müssen. Kennst du die Geschichte von der guten Fee, die einem Ingenieur einen Wunsch freistellte?“

„Nein, erzähl.“

„Der Ingenieur war verheiratet, Mitte vierzig und am Beginn seiner Midlifecrisis. Er wünschte sich eine Frau, die fünfzehn Jahre jünger wäre als die jetzige.“

„Ist doch ein klar präzisierter Wunsch.“

„So scheint es, der Wunsch wurde unmittelbar erfüllt.“

„Und?“

„Jetzt ist er sechzig.“

Nauroth musste laut lachen. „Pech für ihn. Und für seine Frau.“

„Wie du weißt, bin ich Wirtschaftsingenieur, trotzdem habe auch ich manchmal Probleme mit der Mentalität von euch Ingenieuren. Ich fühle mich in meiner Position mehr als Manager, ich kümmere mich gleichzeitig um mehrere Projekte, um die Verfahrensabläufe, und die technischen Details überlasse ich euch.“

„Typisch für deine Spezies.“

„Auch dazu habe ich eine kleine Geschichte parat: Ein Mann fährt einen Heißluftballon und bemerkt, dass er trotz seiner hohen Position die Orientierung verloren hat. Er reduziert seine Höhe und bemerkt am Boden eine Person. Er lässt den Ballon noch weiter absinken und ruft: ‚Entschuldigung, ich brauche Ihre Hilfe. Ich habe meinem Freund versprochen, ihn in einer halben Stunde zu treffen, aber ich weiß nicht, wo ich mich jetzt befinde.‘ Der Mann am Boden blickte kurz auf sein Handy und antwortete: ‚Sie befinden sich in einem Heißluftballon, etwa zwanzig Meter über dem Boden.‘ Nach einem weiteren Blick auf sein Handy ergänzte er: ‚Ihre Position liegt auf exakt vierzig Grad nördlicher Breite und fünfundneunzig Grad westlicher Länge.‘ ‚Sie müssen Ingenieur sein‘, sagte daraufhin der Ballonfahrer. ‚Bin ich‘, antwortete der Mann am Boden, ‚wie kommen Sie darauf?‘ ‚Sehen Sie“, erwiderte der Ballonfahrer, ‚alles, was Sie mir gesagt haben, klingt hochpräzise und ist sicher korrekt, aber ich kann damit überhaupt nichts anfangen und weiß immer noch nicht, wo ich bin.‘ Der Mann am Boden entgegnete: ‚Sie müssen Manager sein.‘ ‚Bin ich, wie kommen Sie darauf?‘ ‚Sehen Sie‘, antwortete der Ingenieur, ‚Sie wissen nicht, wo Sie sind und wo Sie hinfliegen. Sie haben ein Versprechen gegeben, von dem Sie keine Ahnung haben, wie Sie es einhalten können, und erwarten jetzt von mir, dass ich Ihr Problem löse. Tatsache ist, Sie befinden sich noch genau in der gleichen Position, in der Sie waren, als wir uns getroffen haben, aber jetzt ist alles irgendwie meine Schuld.“

Nauroth lachte zustimmend. „Ich glaube, du hast unser Problem treffend beschrieben, ich werde dich gegebenenfalls daran erinnern.“

Schäfer bekam ein Signal, seine Mailbox zu checken. „Was für ein Ereignis, der oberste Häuptling persönlich.“ Die Mitteilung von Dr. Jakobi überraschte ihn, er antwortete mit „Okay“.

„Was will er?“

„Wenn die Sache in Malaysia erledigt ist, soll ich in Serpong bleiben. Habibi will für seinen Kanal noch eine mechanische Vorrichtung, mit der der Start- und Landevorgang mit einem Flugzeugmodell in der Strömung untersucht werden soll. Eine Konstruktionsaufgabe, wie ich sie liebe, ich soll auch noch die Fertigung und Inbetriebnahme überwachen.“

„Warum lässt er dich das nicht zu Hause machen, wäre doch billiger für euch?“

„Er sagt, er braucht einen Mann vor Ort, der bezüglich des Verschwindens unserer Männer die Augen aufhält, als Erstes soll ich Kontakt mit einem Siemensmitarbeiter aufnehmen.“

„Ich freue mich für dich, du kannst gern bei uns wohnen, wir haben ein sehr schönes Gästezimmer.“

„Das würde ich gerne machen, aber ich habe die strenge Anweisung, im Gästehaus des Geländes zu wohnen.“

„Schade, ich hätte gern mehr über die spezielle Mentalität von Chefkonstrukteuren erfahren. Was machen wir nach dem Besuch beim Kunden?“

„Wir brauchen einen Subunternehmer für den Stahlbau, wir sollten mal das Branchenverzeichnis für die Umgebung checken.“

Sie hatten sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt. Einer blickte stumm auf den anderen, als ob er eine Antwort erwartete. Aber es gab keine Antwort, sie hatten einer Forderung zugestimmt, die sie nie erfüllen durften. Sie brannten darauf, sich auszutauschen, aber noch waren ihre Entführer anwesend. Bin Laden hatte sie aufgefordert, am Tisch Platz zu nehmen.

„So, dann besprechen wir jetzt die weitere Vorgehensweise. Sie werden als Erstes die Daten sichten und die nicht relevanten Blätter aussortieren. Das verbliebene Material werden Sie entsprechend der zeitlichen Abfolge für das Projekt sortieren. Sie werden die einzelnen Schritte in einem Arbeitstagebuch schriftlich begründen. Wenn Sie Informationen vermissen, stellen Sie diese in einer Liste zusammen. Sie haben dafür eine Woche Zeit. Mein Vertreter wird Sie alle zwei Tage besuchen und Ihren Fortschritt kontrollieren.“

Einer der Wächter nickte. Es handelte sich um einen auf den ersten Blick unscheinbar wirkenden Mann mittlerer Statur. Wenn man ihn allerdings genauer ansah, erkannte man sehr wache Augen, die eine hohe Intelligenz vermuten ließen.

„Geben Sie sich nicht der Illusion hin, nur zum Schein zu arbeiten, Dr. Machmud hat in den Staaten Maschinenbau studiert, er ist durchaus in der Lage, Ihre Arbeit fachlich zu verfolgen. Sollte er feststellen, dass Sie unkorrekt arbeiten, beginnen wir mit der Exekution Ihrer Familienmitglieder. Ich komme in einer Woche wieder und werde mir von ihm berichten lassen. Falls Sie irgendetwas benötigen, seien es Informationen oder Gegenstände, lassen Sie es Machmud wissen. Wenn Sie Ihre Arbeit zu unserer Zufriedenheit abgeschlossen haben, lassen wir euch zu euren Familien zurück, darauf gebe ich mein Wort im Namen Allahs.“

Bin Laden war schon im Gehen, als er sich noch einmal kurz umwandte. „Da die Drahtsicherung um das Camp offenbar unzureichend ist, wird ab jetzt einer meiner Männer die Lichtung rund um die Uhr bewachen. Er hat strikte Anweisung, sofort zu schießen, wenn jemand die Lichtung verlässt.“

Er blickte Jörg noch einmal durchdringend an und die vier gingen in den Wald zurück.

Es herrschte ein langes Schweigen, jeder war mit sich selbst beschäftigt. Ben sprach als Erster. „Als du dem Typ die Skizze gegeben hast, dachte ich, das ist dein Ende. Hat er die Markierung des anderen Camps wirklich nicht erkannt?“

„Es gab noch keine. Als ich sie gerade eintragen wollte, wurde ich rausgerufen.“

„Dann hast du die Karte also tatsächlich absichtlich erwähnt?“

„Ja, es war wichtig ihm zu zeigen, dass ich nicht lüge. Und davon schien er mir danach tatsächlich überzeugt zu sein.“

„Du bist wirklich unglaublich kaltblütig.“

„Überhaupt nicht, aber wenn es ums Überleben geht, wird der Geist hellwach und es werden ungeahnte geistige und körperliche Kräfte frei. Wir werden in die Anfänge der Menschheit zurückversetzt und müssen innerhalb von Sekunden entscheiden, ob wir vor dem Sägezahntiger weglaufen oder uns dem Kampf stellen.“

„Wie steht ihr zu der Entscheidung, dem Bau der Bombe zuzustimmen?“ Es war Kes, der genau die Frage stellte, die alle beschäftigte.

Jörg zögerte. „Es war in diesem Moment unsere einzige Möglichkeit.“

Kes war entsetzt. „Aber diese Entscheidung könnte Millionen von Menschen das Leben kosten, was zählt dagegen das Leben einiger Einzelpersonen.“

Eine neue Pause entstand. Diesmal war es Pierre, der das Schweigen brach. „Wir haben auf alle Fälle Zeit gewonnen. Wir könnten einen Fehler in die Pläne einbauen, der eine Zündung der Bombe verhindert.“

Jörg stimmte ihm zu. „Du hast es auf den Punkt getroffen, es ist die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, falls uns nicht vorher die Flucht gelingt. Irgend sowas sollten wir tun, aber wir dürfen dabei Machmud nicht unterschätzen, die ersten Monate können und sollten wir unbedingt noch korrekt arbeiten. Ich gehe davon aus, dass wir auch die Herstellung übernehmen müssen, dafür spricht die Auswahl unserer Personen. Damit haben wir die Gelegenheit, den Fehler erst nach der experimentellen Erprobungsphase einzubauen.“

Sie stimmten zu, das Leben ihrer Familienmitglieder sollte nicht unnötig aufs Spiel gesetzt werden.

Pierre hatte inzwischen den Aktenkoffer gelehrt. „Hier ist ein Laptop, ich werde gleich mal eine E-Mail an meine Freundin schicken und ihr sagen, dass es heute später wird.“

Keiner konnte über seinen Scherz so richtig lachen, dazu war die Situation zu bedrückend. „Ich nehme an, der ist für unseren täglichen Arbeitsbericht.“ Jörg schaltete den Laptop ein und es erschien die erste Seite mit dem Datum von morgen.

„Heute haben wir offenbar noch frei, aber ich bin trotzdem neugierig, was die uns mitgebracht haben.“

Sie fingen an, die Unterlagen durchzublättern, Pierre wurde fündig. „Hier ist doch der richtige Einstieg: Wie baue ich meine eigene Atombombe?“ Im Normalfall hätten sie sich wohl über den Bericht amüsiert, es war eine reine Persiflage. Ein Hobbybastler erklärte darin, wie er die Bombe in seiner Garage bauen würde, und gab dabei so wertvolle Hinweise, unter anderem beim Einbringen der Plutoniummassen unbedingt Schutzhandschuhe zu tragen, um einer Vergiftungsgefahr vorzubeugen. Der Rest der Papiere war aber durchaus seriös, es handelte sich meistens um wissenschaftliche Veröffentlichungen verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen. Sie enthielten zum Beispiel eine Tabelle über die Größe der kritischen Masse von Uran und Plutonium in Abhängigkeit vom Anreicherungsgrad und Berechnungen zur Ermittlung der für die Auslösung erforderlichen Menge von TNT.

 

Was sie allerdings wirklich nicht fanden, waren konkrete Konstruktionszeichnungen, hier hatte bin Laden recht. Das Prinzip der Bombe war erschreckend einfach, der Aufbau hatte eigentlich keinen größeren Schwierigkeitsgrad als der Aufbau einer fortschrittlichen konventionellen Bombe.

Ben fasste zusammen: „Das meiste wissen wir noch aus dem Physikunterricht, auch wenn der schon eine Weile her ist. Seit Hahn ist bekannt, dass man Atome durch Beschuss mit Neutronen spalten kann. Sie zerplatzen dann in zwei oder mehr Bruchstücke und der Fall ist eigentlich erledigt. Treffen die Neutronen allerdings auf bestimmte Anteile von Uran oder Plutonium, gibt es noch einen weiteren Effekt, neben den Spaltprodukten entstehen zusätzlich zwei bis drei weitere Neutronen, die dann entweder nach außen entweichen und von anderen Atomen absorbiert werden oder aber eine neue Spaltung verursachen. Ab einer bestimmten Menge spaltbaren Materials erzeugt jede Spaltung genau ein neues Spaltneutron. Dies ist die kritische Masse, auf diesen Gleichgewichtszustand werden Kernreaktoren eingestellt, der Prozess ist unter Kontrolle und stabil. Wird die Masse weiter erhöht, erzeugt jedes Spaltneutron mehr als ein neues Spaltneutron und es kommt zu einer Kettenreaktion, die sich selbst verstärkt. Die kritische Masse wird umso kleiner, je größer der spaltbare Anteil im Uran ist, deshalb wird es in Zentrifugen angereichert. Wer eine Bombe bauen will, muss also entweder über die entsprechende Einrichtungen verfügen oder sich das Bombenmaterial auf kriminelle Wege beschaffen.“

Kes ergänzte: „Ich könnte mir vorstellen, dass dieser bin Laden eine möglichst leichte Ausführung haben will, das erfordert allerdings hoch angereichertes Material, was entsprechend teuer und schwer zu beschaffen ist.“

Sue hatte einen Einwand. „Du sprichst immer von bin Laden, aber der ist doch längst tot.“

„Ich weiß, aber die Ähnlichkeit ist so frappierend, dass er entweder entsprechend hergerichtet wurde, um Eindruck zu machen, oder er ist ein naher Verwandter. Ich tippe auf das zweite.“

Jörg stimmte zu. „Ich ebenfalls, vom Alter her könnte er vielleicht sein ältester Sohn sein.“

Kes wandte ein: „Wurde bei dem amerikanischen Angriff die Familie nicht auch getötet?„

Jörg widersprach. „Soweit ich mich erinnere, nicht alle, einige waren in ihrer Heimat Saudi-Arabien.“

Kes resignierte. „Das heißt, der Typ hat genug Geld, das Ganze zu finanzieren. Und er hat wahrscheinlich eine gute Ausbildung genossen, vielleicht war er sogar auf einer westlichen Eliteuniversität. Er scheint gefährlich zu sein.“

Jörg stimmte ihm bei. „Von der gefährlichsten Art. Talleyrand hat mal gesagt, man könne die Menschheit in vier Klassen einteilen, in die, die fleißig und intelligent sind, aber das wäre äußerst selten. Dann gibt es die Faulen und Dummen, das sind die meisten. Die weitere Klasse sind die intelligenten Faulen, dazu zählte er sich selber. Am schlimmsten sind aber die fleißigen Dummen, die richten den meisten Schaden an. Bin Laden gehört eindeutig zur ersten Klasse, und wenn wir fleißig durch fanatisch ersetzen, gehört er zur gefährlichsten Kategorie.“

Ben bedauerte. „Das schließt also einen Besuch unseres Nachbarcamps aus?“

Jörg bekräftigte. „Definitiv, wir sehen zwar keinen Wächter, aber der könnte auch am Rand der Lichtung irgendwo verborgen sein.“

Damit war das Thema erledigt. Jörg zog sich mit Sue zurück. „Wir sollten fest daran glauben, dass das Ganze gut für uns ausgeht, Optimismus ist in unserer Lage lebenswichtig.“

Die Antwort von Sue kam für ihn völlig überraschend. „Ich habe daran nicht den geringsten Zweifel.“

„Woher nimmst du diese Sicherheit?“

„Du bist genau der Ehemann, den mein Vater sich immer für mich gewünscht hat, und er hat immer erreicht, was er wollte.“

Jörg musste laut lachen. „Ich glaube, das ist der originellste Heiratsantrag, der jemals ausgesprochen wurde.“

Am nächsten Tag begannen sie mit der Auswertung der Unterlagen. Zunächst fiel der Hauptanteil der Arbeit auf Jörg und Pierre, da der konstruktive mechanische Aufbau klassifiziert werden musste. Sue führte Protokoll, Kes und Ben schauten zu. Die prinzipielle Arbeitsweise der Bombe war einfach, es gab zwei unterschiedliche Lösungsansätze. Die Aufgabe bestand darin, zwei oder mehr unterkritische Massen zu einer überkritischen Masse zusammenzufügen. Das Zusammenfügen musste äußerst schnell erfolgen. Passierte es zu langsam, verdampfte die Masse auf Grund der einsetzenden Kettenreaktion bereits beim ersten Zusammentreffen und der Prozess stoppte zu früh. Um den Prozess möglichst intensiv verlaufen zu lassen, mussten die Massen mit maximal möglicher Geschwindigkeit aufeinander geschossen werden. Dies erfolgte durch konventionelle Sprengsätze, die hinter den Einzelmassen angebracht waren. Eine weitere Lösung bestand darin, für das Spaltmaterial eine Hohlkugel zu verwenden, die als Ganzes noch unterkritisch war. Auch hier bedurfte es einer konventionellen Explosion zur Zündung, in diesem Fall wurde eine Druckwelle ausgelöst, die die Hohlkugel kollabieren ließ.

„Das klingt doch alles sehr einfach, warum brauchen sie uns dazu?“

Ben hatte einen großen Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet. „Es mag einfach aussehen, aber meine langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet hat mich gelehrt, wie wichtig die Details sind. Die wirkungsvolle Effektivität der Bombe erfordert höchste Präzision sowohl in der Mechanik als auch ganz besonders in der Elektrik. Der Zündzeitpunkt für die verschiedenen Sprengladungen muss praktisch absolut gleichzeitig erfolgen, die zulässige Zeittoleranz liegt in der Größenordnung von tausendstel von Mikrosekunden.“

„Zur Lösung dieser Aufgabe werden sie mich vorgesehen haben“, sagte Sue. „Ich habe vor einigen Monaten im Journal of Applied Physics eine Arbeit veröffentlicht, die sich in einem anderen Zusammenhang mit genau diesem Problem beschäftigt.“

Sie sortierten die Unterlagen entsprechend der unterschiedlichen Themengebiete und Sue dokumentierte ihre Überlegungen im Tablet.

Im großen Sitzungssaal des Pentagons herrschte gespannte Erwartung. Es gab das Gerücht, dass einige wichtige Entscheidungen anstanden, die keinen Aufschub duldeten. Der Regierungsvertreter betrat den Saal und nahm schweigend am Kopfende des langen Tisches Platz. Alle Augen richteten sich auf ihn, er wartete noch einige Augenblicke und kam dann unmittelbar zur Sache.

„Meine Herren, wie Sie sicher wissen, ist der Verteidigungsminister von Saudi-Arabien vor einer Woche gestorben.“

Alle nickten, die Sache hatte auch in der internationalen Presse für einigen Wirbel gesorgt. Die Umstände seines Todes schienen etwas mysteriös, es gab Vermutungen und wilde Spekulationen, vielleicht hatten ihn seine fünf Ehefrauen einfach überfordert. Der Regierungsvertreter fuhr fort: „Der Nachfolger ist schon im Amt und es scheinen sich einige wesentliche Änderungen in der militärischen Strategie des Landes abzuzeichnen. Wir wissen noch nicht, wie weit diese mit dem Königshaus abgesprochen sind, aber wir sollten schnell reagieren, seine Vorstellungen kommen unseren Interessen sehr entgegen. Er zeigt sich überraschend einsichtig. Die Unterstützung des IS war ein großer Fehler seines Landes, jetzt geht es nur noch darum, den Irrsinn zu stoppen. Sunniten ermorden Sunniten, der IS erobert Nachbarstaaten wie Libyen und den Jemen, das ganze ohne jeden Sinn, ihre einzige Strategie ist Zerstörung. Saudi-Arabien ist sich offensichtlich seiner Verantwortung bewusst geworden und hat vorgeschlagen, im Kampf gegen den IS die militärische Führung zu übernehmen. Sie wollen die Luftangriffe verstärken und mehr Bodentruppen schicken. Dazu benötigen sie mehr Waffen und Ausrüstung, vor allem Panzer und Kampfjets.“

„Können sie das alles bezahlen, wo der Ölpreis doch am Boden liegt?“

„Das ist kein Problem, sie haben genug Reserven, im Übrigen geht der niedrige Ölpreis sowieso auf ihre eigene Strategie zurück, sie könnten das jederzeit ändern.“

„Warum halten sie den Ölpreis so niedrig?“

„Da gibt es verschiedene Theorien, die wahrscheinlichste ist, dass sie die Investitionen in die neuen Technologien zur Ölgewinnung torpedieren wollen, Fracking zum Beispiel ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie hoffen, dass die Investitionen damit unrentabel werden und sich die Investoren zurückziehen.“

„Und danach wird der Ölpreis wieder erhöht?“

„Sehr wahrscheinlich, aber das ist heute nicht unser Problem. Wir brauchen eine Entscheidung über die Lieferung der angefragten Waffensysteme.“

„Was ist da groß zu entscheiden, wenn wir nicht liefern, liefern andere, und außerdem sind wir das unserer Wirtschaft schuldig!“

„Das sieht die Regierung auch so, von uns werden vor allem Raketenabwehrsysteme, Kampfjets und Hubschrauber gefragt, insbesondere wünschen sie die schnelle Lieferung von drei Tarnkappenbombern.“

„Warum ausgerechnet die?“

„Der IS hat einige Batterien von Flugabwehrraketen erbeutet, die Russen waren da wohl zu nachlässig.“

Nauroth stattete Schäfer einen Besuch ab. „Wie kommst du voran?“

„Bestens, in dieser Umgebung macht arbeiten so richtig Spaß. Ich fühle mich wie im Urlaub.“

Nauroth nahm gegenüber Schäfer Platz. „Wenn du schon mal hier bist, solltest du an den Wochenenden auch was unternehmen. Meine Frau und ich könnten dir da einiges zeigen.“

„Das wäre wirklich toll, bis jetzt war immer Breithaupt derjenige, der dieses Privileg genoss. Was schlägst du vor?“

„Als Erstes beginnen wir mit einem Ausflug nach Yogyakarta, in der Nähe dort befindet sich der größte buddhistische Tempel der Welt. Breithaupt war auch schon einmal da.“

„Klingt großartig! Übrigens, was gibt es Neues von der Front?“

„Habibi ist im Doppelstress, einerseits kümmert er sich um die Vermisstenfälle, andererseits bemüht er sich um einen großen Auftrag für seine Flugzeugfirma in Bandung.“

„Um was geht’s?“

„Eine Anfrage aus Saudi-Arabien. Ein privates Unternehmen will Emirates offenbar Konkurrenz machen.“

„Ein privates Unternehmen, geht das überhaupt?“

„Warum nicht, denk nur an Laudaair, das alles ist eine Frage des Kapitals.“

„Kann er liefern?“

„Im Prinzip ja, das Problem ist die Lieferzeit, sie wollen die ersten drei Maschinen schon in einem halben Jahr, sie würden dann noch weitere zehn optional bestellen, das wäre natürlich ein Riesengeschäft für Indonesien und der Durchbruch in dieser Branche. Die Maschinen könnten prinzipiell fertig sein, da die meisten Teile auf Vorrat hergestellt wurden, aber die Zulassung bei der internationalen Zulassungsbehörde dauert in der Regel mindestens ebenfalls ein halbes Jahr.“

„Dann wird das wohl nichts werden?“

„Sieht so aus, Habibi ist am Boden zerstört. Die Saudis verhandeln auch mit Boeing und Airbus, da sind die Zulassungen schon gelaufen.“