Peregrinatio Compostellana anno 1654

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ZWEITER ABSCHNITT: ITALIEN

PORTELLA, 1 l

Wie in seinem österreichischen Pendant Thörl zählt auch hier die Pfarrkirche (St. Peter und Paul, 1445) mit ihren Fresken zu den schönsten Gebäuden des Ortes. Besonders auffällig ist das riesige Abbild des hl. Christophorus (fast acht Meter) an der Außenwand der Kirche. Man sieht ihn sehr oft an alten Kirchen und damit hat es folgende Bewandtnis: Der neben Jakobus zweite große Wegheilige des Christentums soll, wenn man ihn am Tage, an dem man stirbt, erblickt hat, einen auf seinen Schultern schnurstracks durch das Fegefeuer tragen. Also malte man ihn so groß wie möglich an die Außenwand der Pfarrkirche. So sah man ihn jeden Morgen, wenn man zur Arbeit ging – und konnte den Tag getrost in Angriff nehmen.

TREVIGIO, 1 l Klein Tarvis

MALBORGHETTO, 1 l

der Deutsche nennt’s Malvergeht.

Vor der Pfarrkirche Santissima Maria Visitazione (13. Jh.) herrscht festliche Stimmung. Eine Hochzeitsgesellschaft verlässt gerade die Kirche und wird von einem achtköpfigen Männerchor mit alten friulanischen Liedern empfangen. Welch ein glückliches Zusammentreffen! Ich komme mit dem Chorleiter ins Gespräch, und er erzählt mir, dass sie sich auf altes Liedgut in friulanischer (rätoromanischer), italienischer und deutscher Sprache spezialisiert haben. Als ich ihm von meiner Spurensuche erzähle, ist er ganz begeistert. Spontan bietet er sich an, mit dem Oktett bei der Präsentation des Buches den musikalischen Rahmen zu gestalten. Das ist ein Wort ...

PONTEBBA, 1 l

ist ein vornehmer Pass, diesseits der Brücke ist es kaiserliches, jenseits ist es venezianisches Land. Auf der deutschen Seite wurde ich bei Herrn Zoffolini um wenig Geld gut untergebracht. Jedoch der venezianische Custos sanitatis (Anm.: eine Art Gesundheitsinspektor), der wegen der Ansteckungsgefahr aus Österreich mehr als äußerst besorgt war, wollte mich trotz meines Passierscheins nit durchlassen und mich mindestens drei Wochen in Quarantäne behalten. Doch als ich die Heiligen Jakob und Joseph in einem innigen Gebet um Fürbitte anrief, schickte Gott den Pfarrer der welschen Seite, Herrn Lucas Missenius, der mich gleich am nächsten Tag vollkommen unerwartet besuchen kam. Mit seiner Fürsprache bekam ich den gewünschten Passierschein vom Sanitätscustos sogleich und ohne Einwände ausgehändigt.

Bis hierher bin ich acht Tage unterwegs gewesen. Von Neustadt sind es insgesamt 44 deutsche Meilen (Anm.: ca. 7,5 km). In weiterer Folge werde ich nicht mehr in deutschen sondern in welschen Meilen rechnen, von denen fünf eine deutsche Meile ergeben.

Der Stein, der die Grenze zwischen Österreich und der Republik Venedig markierte, hat sich bis heute nicht von der Stelle gerührt. Nur die Grenze hat sich verschoben – vielleicht verschwindet sie eines Tages ganz. Auf „österreichischer Seite“ steht die kleine Kirche San Giovanni, auf „venezianischer Seite“ die um einiges größere Chiesa Santa Maria Maggiore (urspr. 12. Jh., der jetzige Bau Anfang 16. Jh.). Ihr spätgotischer Flügelaltar (1517) gilt als das Meisterwerk des Heinrich von Villach.

CHIUSA, 5 wM

Hier musste ich meinen Passierschein vorweisen, dann in ganz Italien nicht mehr.

VENZONE, 13 wM

Eine positive Überraschung erwartet mich in dem kleinen Ort, der schon seit geraumer Zeit durch eine Umfahrungsstraße vom Verkehr durch das Kanaltal entlastet wird und seit dem Bau der Autobahn einen Dornröschenschlaf hält. Wie bei Dornröschen im Märchen wurde auch die Schönheit von Venzone dadurch konserviert. Innerhalb der Stadtmauer entdecke ich einen bestens erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern. Vor allem aber der prächtige Andreasdom (13. Jh.) mit der St.-Michaels-Krypta (ebenfalls 13. Jh.) zieht mich in seinen Bann. Er wurde zwar durch das große Erdbeben von 1976 stark beschädigt, sein Wiederaufbau kann heute jedoch als abgeschlossen betrachtet werden.


Renaissancehaus in Malborghetto


Die Hospizkirche von San Daniele

SAN DANIELE, 12 wM

In der Hauptstadt des berühmten Schinkens fallen mir gleich die zweisprachigen Straßenschilder auf: friulanisch und italienisch. Gut so. Nicht nur zwei Sprachen, auch zwei Gotteshäuser gibt es im Ort: die große Michaelskirche am Platz und die Kirche San Antonio (14. Jh.), die bis zu dessen Auflösung 1870 zum angrenzenden Hospiz gehörte.


Die mächtige doppelte Ringmauer (13. Jh.) von Venzone

VILLANOVA, 2 wM

DIGNANO, 2 wM

Der Ortspfarrer, Herr Augustinus Pillarius, erwies mir, ohne dass ich darum gebeten hätte, beste Gastfreundschaft.

Der Ort ist nichtssagend, aber hier befinde ich mich zum ersten Mal möglicherweise auch physisch auf Guntzingers Spuren, denn die lange Brücke, die das hier sehr breite Bett des Tagliamento überspannt, gab es schon vor 350 Jahren. Am Westufer geht es nach Süden. Die Straße, heute unbedeutend, damals die Poststraße von Wien nach Venedig, führt mich ins Hinterland von Venetien. Sie lässt mich, abseits der Verkehrs- und Touristenströme, von einem Stadtjuwel ins nächste gelangen!


Die Brücke über den Tagliamento

VALVASONE, 5 wM

Es beginnt mit Valvasone, auf der Karte kaum zu finden. Ein mittelalterliches Städtchen, gepflasterte Gassen, eine Burg, eine gotische Pfarrkirche Peter und Paul (14. Jh.) mit einer Orgel aus dem 16. Jahrhundert, ein Servitenkloster aus dem 14. Jahrhundert, reizende Cafés.

SAN VITO, 6 wM

Eine trefflich feine Stadt, hier traf ich auch den Briefboten von Udine. N Und weil der Ort als unsicher verschrien ist, vor wenigen Tagen waren vier Straßenräuber getötet worden, handelte ich mit dem besagten Boten ein Pferd bis Fossetta aus. Bis dorthin blieb also unsere Gruppe dicht beinander, obwohl ich dem einen oder anderen nicht über den Weg traute. Doch die meisten waren redliche Leute.


Piazza del Popolo mit Dom in San Vito al Tagliamento

Etwa 10 Kilometer weiter südlich von Dignano liegt San Vito mit dem Duomo San Vito (13. Jh.), den Stadttoren (ebenfalls 13. Jh.) und der Hospizkirche Santa Maria dei Batuti („der Geschlagenen“) mit dem anschließenden ehemaligen Hospiz (beide 14. Jh.). Hier war der Marienverehrer Guntzinger ein Jahr zu früh dran, denn am 11. Feber 1655 hatte Maria Giacomuzzi in San Vito eine Marienerscheinung. Seither ist die Madonna di Rosa ein beliebter regionaler Wallfahrtsort.

VILLOTTA, 5 wM

MOTTA, 9 wM

Hier ging es im Wirtshaus hoch her, Soldaten, Cape-Träger (Anm.: fahrendes Volk) und andere Reisige (Anm.: Reisende) verursachten ein gar verdächtiges Getümmel.

Motta ist ein bezauberndes Städtchen mit einem schönen alten Kern. Der Seitenarm des Livenza-Flusses (dieser mündet bei Caorle in die Adria), der durch den Ort fließt, verleiht Motta noch zusätzlich eine ruhige, anheimelnde Atmosphäre.

FOSSETTA, 15 wM

Wir kamen in einem Wirtshaus an einem Meeresarm unter, wo schon ein Schiff auf den mehrmals erwähnten Boten wartete, mit dem wir dann bald nach Venedig aufbrachen. Unterwegs wurden wir von einem gerüsteten Schiff der Zaffen (Anm.: vermutlich die Küstenwache) gestellt, die alles durchsuchten. Als sie bei einem Fahrenden ein Rohr mit aufgeschraubtem Zündschloss fanden (was nur an Land und auch nit in den Ortschaften erlaubt ist), nahmen sie es ihm weg und schlugen ihn wie auch den Schiffer blutig. Von Fossetta ging es also nach Venedig.

Fast auf halbem Weg nach Venedig, bei Fossetta di Piave, überquert die Poststraße den hier schon breiten und mächtigen Piave-Fluss, der zu Guntzingers Zeit offensichtlich mit Schiffen befahren wurde und den er für einen Meeresarm hält. Der Hauptarm mündet bei Eraclea in die Adria, während ein Nebenarm (oder Schiffskanal) direkt in die Lagune von Venedig führt und so die direkteste und wohl auch sicherste Verbindung in die Lagunenstadt darstellte.

VENEDIG, 15 wM

Von Pontebba bis hierher sind es 90 deutsche Meilen.

Am 13. März um die Vesperzeit fuhren wir glücklich ein. Ich hielt mich zwar nit länger als vier Tage auf, sah aber manch herrliches Gotteshaus. Neben San Marco und vielen anderen halte ich die Magnifizenz, Köstlichkeit und Zierde der Georgskirche der Benediktiner für unbeschreiblich. Der Orden zeigte sich mir und anderen Fremden gegenüber liebenswürdig und großzügig, ich bekam ganz diskret sogar die Erlaubnis, hier Messe zu lesen. Neben anderen unzähligen Objekten gefiel mir ein kleines Kruzifix ganz besonders, das ganz natur- und liniengetreu das Bild des Gekreuzigten, herausgehauen aus einer auf Hochglanz polierten marmornen Altarsäule, zeigte, die ihrerseits in den unterschiedlichsten Farben schillerte. Hiermit war meine Neugierde mehr als befriedigt.

 

Die Besiedelung der Laguneninsel begann im 6. Jahrhundert. Sie war ein Teil des Byzantinischen Reichs und wurde von den gewählten Dogen (von lat. dux) regiert. 828 kamen die Reliquien des hl. Apostels Markus aus Alexandrien nach Venedig. Etwa zu dieser Zeit begann die Republik von San Marco ihre Macht durch die Gründung von Handelsstützpunkten an allen Küsten der Levante auszudehnen und wurde so zur großen Rivalin von Genua. Ihr Sieg über die genuesische Flotte bei Chioggia (1380) festigte ihre Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer, die sie jedoch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts Stück für Stück an das Osmanische Reich verlieren sollte. Seit dem Wiener Kongress (1815) war Venetien Teil des zu Österreich gehörenden Königreichs Lombardei-Venezien, bis es 1866 nach einer Volksabstimmung mit dem Königreich Italien vereinigt wurde.

Es gibt wohl kaum eine Stadt, über deren Schönheit so viele Bücher geschrieben worden sind und die das auch verdient. Da ich dieser Schönheit in wenigen Zeilen nicht gerecht werden kann, begnüge ich mich mit dem Wunsch, Venedig möge noch lange nicht untergehen, und schließe mich einfach Napoleon an, für den „der Markusplatz der schönste Salon Europas“ war, „würdig, nur den Himmel als Dach über sich zu haben“. (1805 musste Österreich das Königreich Italien an Napoleon abtreten.)

PADUA, 25 wM

Spät in der Nacht des 17. März bestieg ich mit anderen redlichen Leuten ein Schiff nach Padua, wo wir am 18. in der Früh einlangten.

Hier befindet sich die Begräbnisstätte des glorwürdigsten Beichtvaters, des hl. Antonius, der hier il santo genannt wird, in einem großen, vortrefflichen Gotteshaus. Bei seinen Reliquien, auf einem mit weißem Marmor überhöhten Seitenaltar, war es mir vergönnt, am Jakobitag eine Messe zu lesen. Tiefer Friede und Trost erfüllten mich danach. Viele Votivtafeln, manche aus Silber gefertigt, lohnen außerdem den Besuch der Kirche.

In der Stadt mietete ich aus Gründen der Sicherheit mit anderen fünf Reisenden eine Landkutsche bis Mailand, mein Anteil am Fuhrlohn betrug fünf venezianische Kronen. Noch am gleichen Tag legten wir etwa vier deutsche Meilen zurück. Unterwegs begegneten wir vielen armen Kindern, die unsere Kutsche wie eine Spule Garn immer und immer wieder umkreisten.

Der Legende nach wurde die Stadt nach dem Fall Trojas vom Bruder des Königs Priamos gegründet. Auf jeden Fall gab es schon vor der Herrschaft der Römer, die sie zur bedeutenden Stadt machten, eine Ansiedlung. Die zweitälteste Universitätsstadt Italiens (gegründet 1222) ist heute jedoch vor allem als Begräbnis- und Pilgerstätte des Wanderpredigers Antonius von Padua (geb. 1195 in Portugal) bekannt. Sein Grab befindet sich hinter dem Altar der Antoniuskapelle (16. Jh.) in der Basilika di San Antonio, die im 13. Jahrhundert über seinen Reliquien errichtet wurde. Weitere nennenswerte Gotteshäuser sind der Dom, erbaut nach Plänen von Michelangelo (mit den sehenswerten Fresken von Monabuoi in der Taufkapelle), sowie die Basilika Santa Giustina, wo frühchristliche Märtyrer begraben sind.


Markt vor dem Palazzo della Ragione in Padua

VICENZA, 18 wM

Wieder ein Wirtshaus, in dem es hoch hergeht, Unruhe allerorts. Einer von uns, der dem Kellner als vermeintlichem Landsmann zu sehr vertraute, N bekam die doppelte Zeche aufgebrummt. Trau schau wem.


Renaissancepaläste an der Piazza dei Signori von Vicenza

Der in Padua geborene große Architekt Palladio (1508–1580) hat dieser Stadt mit zahlreichen seiner Werke seinen Stempel aufgedrückt. Die Basilika (1546) gilt als sein erstes wichtiges Werk, der Palazzo Chiericati (1551) als eines seiner Hauptwerke. Teile des Doms Santa Maria Annunziata (Nordportal und Kuppel), durch die Bombardements von 1944 stark in Mitleidenschaft gezogen, aber seither wieder vollkommen restauriert, wurden ebenfalls von Palladio entworfen.

Etwa eine Gehstunde vom Zentrum entfernt erhebt sich auf dem Monte Berico die Basilika Madonna del Monte (17. Jh.), die am Ort von zwei Marienerscheinungen errichtet wurde.

Die sanft-hügelige Umgebung der Stadt mit ihrem milden Klima war lange Zeit bei den reichen Venezianern als Sommerfrische beliebt, wovon die zahlreichen prächtigen Villen Zeugnis ablegen.

Die alte Poststraße von Vicenza nach Verona blieb bis heute die wichtigste und nach wie vor stark frequentierte Verkehrsverbindung zwischen den beiden Städten. So bin ich nicht überrascht, als ich an einer Hausmauer in dem winzigen Straßendorf Montebello eine Gedenktafel entdecke, die an die Durchreise des Papstes Pius VI. am 12. Mai 1792 erinnert. Vielleicht war er sogar auf dem Weg zum wenige Kilometer entfernten, an der Hauptstraße gelegenen Benediktinerkloster San Pietro in Villanova (12. Jh.). Das Kloster wurde 1771 geschlossen, die schöne romanische Kirche dient heute als Pfarrkirche.

MONTEBELLO, 10 wM

TORRI DI CONFINE, 3 wM

VILLANOVA, 4 wM

VERONA, 13 wM

Von Venedig her 73 welsche Meilen. Ist eine einwohnerreiche, herrliche große Stadt. Beim Betreten mussten die anderen Zoll zahlen, ich passierte franco (Anm.: gratis). Wir kamen am Begräbniszug eines vornehmen Mannes vorbei, der mit unbedecktem Gesicht und schön gekleidet, umgeben von 100 Lichtern, zu Grabe geleitet wurde.

Von Padua bis hierher hatten wir einen ausgesucht schönen, ebenen Weg, der durch Getreidefelder und Weingärten führte. Bis Brescia war der Weg aber rau und steinig.

Die aus einem römischen castrum hervorgegangene Stadt – die berühmte Arena, die Piazza delle Erbe (vorher das römische forum) und das teatro romano erinnern daran – beherbergt außer Plätzen und Palästen auch sehenswerte Gotteshäuser: die Kathedrale Santa Maria Matricolare romanischen Ursprungs, die gotische Kirche Sant’Anastasia und die für viele schönste Kirche Veronas, die Basilika di San Zeno. Der erste Bischof (4. Jh.) ist der Patron der Stadt und war ein begeisterter Angler. Er soll der Legende nach einen Bauern, der von seinen Ochsen in die Etsch gezogen worden war, mit einem Kreuzzeichen vor dem Ertrinken gerettet haben.

PESCHIERA, 15 wM

Am 21. März kamen wir nach Peschiera. Hier steht eine gewaltige Festung der Venezianer. Die Stadt liegt in einer Niederung am Gardasee, deshalb wird ihr Klima für ungesund gehalten.

Die lebendige Stadt, vom Tourismus geprägte Stadt liegt in der Mündung des Mincio-Flusses. Die Altstadt entstand innerhalb einer venezianischen Festung, die später von den Österreichern ausgebaut wurde, und ist vollständig von Wasser umgeben.

DESENZANO, 8 wM

Ein schlechtes Städtchen, das dem Anschein nach aber schon bessere Zeiten gesehen hat.

Der größte Ort am Gardasee entwickelte sich aus der Villa eines reichen römischen Beamten aus Mailand, deren großer Mosaikfußboden erhalten geblieben ist und besichtigt werden kann. Oberhalb des malerischen alten Hafens erhebt sich das Castello aus dem 15./16. Jahrhundert, von dem nur mehr die äußere Hülle (Mauern und Türme) steht. In der Pfarrkirche Maria Maddalena (1603) können wir ein Bild von Tiepolo („Das Abendmahl“, 1706) bewundern.

LUNADA, 8 wM

Ein sehr lustig gelegener, schöner Marktflecken. Hier blieben wir über Nacht, wir wurden gut behandelt.

BRESCIA, 15 wM

Eine sehr schöne, große, lustbare und reiche Stadt mit vielen ansehnlichen Gebäuden. Ein besonders ansehnliches Gebäude ist die Kirche zur Madonna dei Miracoli, genannt auch delle gratie Santa Maria gratiorum. Im Inneren befindet sich die Kapelle mit dem Gnadenbild und gleich außerhalb der Sakristei ein schöner Springbrunnen. Nicht weit davon entfernt kamen wir in einem vortrefflichen Wirtshaus unter, wo wir abermals auf das Beste behandelt wurden.

Die aus einer keltischen Siedlung hervorgegangene römische Stadt gehörte vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu Venedig und später (genau 44 Jahre lang) sogar zu Österreich. Der „Alte Dom“ Santa Maria Assunta, genannt die Rotonda, ist ein Rundbau aus dem 11. Jahrhundert mit antiken Mosaiken sowie Fresken von Morello im Inneren. Er wurde durch den barocken Duomo_Novo (Baubeginn 1640) ersetzt. Weitere sehenswerte romanische (San Salvatore, San Pietro, Santa Maria Solario) und gotische (Santa Maria del Carmine) Kirchen machen die auf den ersten Blick unattraktive Industrie- und zweitwichtigste Stadt der Lombardei für einen Besuch durchaus interessant.


San Pietro a Villanova

RONCANELLI, 3 wM

TORBOLE, 2 wM

LOGRATO, 3 wM

ORZIVECCHI, 7 wM

ORZINUOVI, 2 wM

Beide Orzi sind venezianische Städte, Orzinuovi wird von einer Festung beherrscht.


Palazzo del Comune am Domplatz von Crema

SONCINO, 2 wM

Noch vor Soncino muss der Fluss Oglio überquert werden. Hier fängt teilweise schon spanisches Gebiet an. Viel Gebüsch und Unterholz zu beiden Seiten des Weges machen das Reisen hier unsicher. So sind auch wir ein paar Banditen zu Pferd begegnet, von denen einer das beste Pferd ritt, das er unserem Kutscher bei einem früheren Überfall – neben seinem Geld – abgenommen hatte. Unser Pietro wurde ganz aufgeregt, erbleichte, blieb aber still. N Auch unsere Pferde gaben durch Wiehern zu verstehen, dass sie das Pferd des Räubers erkannt hatten. Wir konnten Pietro aber davon abhalten, den Räubern nachzusetzen. Hierzulande nimmt die Freibeuterei überhand, der Arm der Gerechtigkeit ist hier nicht so stark wie in Deutschland.

Und wieder eine Überraschung. Nicht eine gesichts- und geschichtslose Ansiedlung erwartet mich nach der Überquerung der Oglio-Brücke (Abfluss des Gardasees), sondern ein kleines, sympathisches Städtchen mit einer so gut erhaltenen Stadtmauer, dass die in sie eingebauten Wohnungen seit dem Mittelalter ohne Unterbrechung bewohnt werden. Im alten Stadtkern entdecke ich die Casa degli Stampatori aus dem Jahr 1480, dem ehemaligen Sitz des jüdischen Verlagshauses der Stadt, heute Pressemuseum. Bewacht und beschützt wurde Soncino von der Festung Rocca Sforzesca (15. Jh.), einer der besterhaltenen Burgen der Lombardei. Soncino gehörte zum Herzogtum Mailand, das sich seit 1525 in spanischem Besitz befand.

ROMINENGO, 5 wM

CREMA, 5 wM

Das Stadtbild von Crema wird eindeutig vom großen Domplatz mit seinen prächtigen Palästen (16. Jh.) und dem Dom Santa Maria Assunta (13./14. Jh., lombardische Gotik) beherrscht. Etwas außerhalb des Zentrums steht die Marienwallfahrtskirche Santa Maria della Croce (1490).

Zu ihrer Blütezeit rivalisierte die Stadt am Fluss Serio mit der nur 45 Kilometer weiter nördlich liegenden Stadt Bergamo um die regionale Vorherrschaft.

MONTPRIANO, 2 wM

nur ein Wirtshaus

LODI, 8 wM

Eine feine und vornehme Stadt unter spanischer Herrschaft. Wir mussten dem Gouverneur eine Liste mit den Namen der Reisenden aushändigen.

Das Lodi von heute ist Resultat einer weiteren Rivalität zwischen zwei Städten. Diesmal aber mit ernsteren Konsequenzen, da diese in einen Krieg zwischen den beiden wichtigsten Städten der Lombardei, Mailand und Lodi vecchio, Laus Pompeia, gipfelte – und mit der Zerstörung des Unterlegenen 1152 endete. Sechs Jahre später wurde mit tatkräftiger Unterstützung von Kaiser Friedrich Barbarossa Lodi nuovo gegründet. Das Zentrum der Stadt bildet die arkadengesäumte Piazza della Vittoria (15.–17. Jh.) und die Piazza del Mercato auf der Rückseite des Doms. Am Dom San Bassiano wurde lange gearbeitet, die Krypta (1158) ist sein ältester Teil, das Portal (1268) sein jüngster. Ein schönes Beispiel der lombardischen Renaissance ist die Kirche Santa Maria Incoronata (1488) gleich westlich des Doms mit den Malereien im achteckigen Innenraum (großteils 16. Jh.).

 

MELEGNANO/MARIGNANO, 10 wM

Hier fand 1515 die berühmte Schlacht von Marignan statt, bei der die Truppen des französischen Königs François I. das Schweizer Söldnerheer des Herzogs Massimiliano Sforza von Mailand besiegten und so Mailand französisch wurde. Das – sehenswerte – Schloss der Visconti wurde von den Medicis umgebaut, seit der Schlacht war einer der ihren Marquis de Marignan. Die Kirche Johannes der Täufer geht auf das 4. Jahrhundert zurück, in ihr entdecken wir ein Fresko des italienischen Renaissance-Malers Bergognone (1506).

MAILAND, 10 wM

Von Verona bis hierher 100 welsche Meilen.

Andere nehmen ihren Weg von Brescia aus über Pontoia (10 wM), Martinenga (5 wM), Cassian (13 wM) nach Milano (18 wM). Wieder andere über Bergamo, was anscheinend der kürzeste Weg ist. Vielleicht aber nit so bequem wie unserer, denn dieser konnte nit besser gewesen sein und die Landschaft nit schöner. Mailand wird seinem Namen wie auch dem Spruch praeclarum, nobile, magnum vollaus gerecht, es liegt im Zentrum der Lombardei. Ich bekundete die Absicht, das Grabmal des Kardinal-Erzbischofs Carl Borromäus zu besuchen und dort ein Gebet zu verrichten. Sein heiliger Leib ruht in einer weiten Gruft unter dem Hochaltar, wo der heilige Mann in einer von ihm selbst verfassten Grabschrift den Besucher bittet, für ihn zu beten. Sein Symbol ist eine Krone, unter der geschrieben steht: humilitas (Anm.: Demut). In der besagten Gruft konnte ich dann sein Antlitz sehen.

Am 25. März, dem Tag von Mariä Verkündigung, wurde die Stadt schon frühmorgens in vielen Gassen und Plätzen mit den schönsten Altären geschmückt und von überall her kam viel Volk herbeigeströmt. Aus Gründen der Sicherheit (die Abfahrt der Kutsche musste in aller Früh erfolgen) fuhren wir aber noch vor dem Gottesdienst nach Pavia ab, um dort noch zeitig anzukommen.

Das aus einer keltischen Ansiedlung hervorgegangene römische Mediolanum gehörte zum langobardischen Königreich, bis es Ende des 8. Jahrhunderts von Karl dem Großen ins Fränkische Reich integriert wurde. Zur Zeit Guntzingers stand Mailand unter spanischer Herrschaft, die immerhin fast 200 Jahre lang andauern sollte (bis 1715), bevor es im 18. Jahrhundert unter österreichischer Herrschaft (bis 1796) eine Blütezeit erleben sollte. Das Teatro della Scala (1776) gibt heute noch beredtes Zeugnis davon ab. Die österreichische Herrschaft dauerte nach dem napoleonischen Intermezzo (1796–1815) bis 1859 an und war begleitet von einer harten Repression der immer stärker werdenden Unabhängigkeitsbestrebungen.

Die älteste Kirche der lombardischen Hauptstadt ist die Basilika Sant’Ambrogio. Sie wurde im 4. Jahrhundert vom Bischof von Mailand, dem hl. Ambrosius, gegründet. Die Reliquien dieses großen Kirchenvaters des Frühchristentums (ihm haben wir auch die Bekehrung des hl. Augustinus zu verdanken) und die zweier Märtyrer werden in der Krypta aufbewahrt. Trotz der Erweiterungsbauten des 9. und 10. Jahrhunderts ist der antike Charakter der Kirche des Stadtpatrons erhalten geblieben.

Die Basilica San Lorenzo Maggiore wurde ebenfalls im 4. Jahrhundert errichtet, aber zu Beginn des 12. Jahrhunderts fast komplett umgebaut und im 16. Jahrhundert restauriert. Doch die achteckige Form und die Mosaiken des ursprünglichen Baus blieben.

Der Mailänder Dom gilt als drittgrößte Kathedrale Europas, es wurde auch lange genug an ihm gebaut: Baubeginn war 1386, Ende erst 1813. Der Bau des „Gedichts in Marmor“ (Mark Twain) ist dem mächtigen Fürsten Gian Galeazzo Visconti zu verdanken, der seinem Geschlecht, das im 13. und 14. Jahrhundert die Stadt beherrschte, ein Denkmal setzen wollte. Die Krypta beherbergt außerdem die Reliquien des hl. Karl Borromäus, Erzbischof von Mailand im 16. Jahrhundert, den viele als Heiligen der Gegenreformation bezeichnen. Zwei Kirchen des 15. Jahrhunderts tragen die Handschrift des großen Mailänder Architekten Bramante: Santa Maria delle Grazie (mit einem wunderbaren Kreuzgang) und San Satiro.

PINASCO, 10 wM

Mitreisende wiesen mich in der Nähe dieses Dorfes, links des Weges, ungefähr eine Viertelstunde, auf La Certosa hin, die prächtige und gewaltige Karthause von Pavia.

DIE KLAUSE LA CERTOSA

Das Ensemble des Karthäuserklosters, bestehend aus Kirche, Mausoleum, Klostergebäude und Kreuzgang, wurde Ende des 14. Jahrhunderts gegründet und zählt zu den bedeutendsten Werken der lombardischen Renaissance. Im Inneren der Kirche San Michele vereinen sich gotische, Renaissance- und Barockelemente auf äußerst harmonische Weise.


Brücke über den Ticino bei Pavia

PAVIA, 8 wM

Laut unserem Fuhrmann waren es von Mailand bis hierher 20 Meilen. Pavia ist eine bekannte Stadt am Ufer des Ticino, den eine lange und breite Brücke aus Stein, zur Gänze überdacht, überspannt.

N Der Bischofsvikar weigerte sich, mir die Erlaubnis zum Lesen der Messe zu erteilen, außerdem beanstandete er, dass meine Beglaubigungen weder in Venedig, noch in Brescia oder Mailand von den dortigen Ordinarien unterschrieben worden waren. Dies zu tun hatte ich aber einerseits wegen der Eile des Aufbruchs unterlassen, aber auch, weil es bei uns zu Hause nicht üblich ist. Derlei Misstrauen war mir bisher auch nit entgegengebracht worden. Da es schon gegen Mittag ging und mir nit einfiel, wie ich schnell zu dieser Erlaubnis käme, mir außerdem bei Zuwiderhandeln die Exkommunikation drohte, gab ich mich um der Vergebung und des Festtages willen mit dem Besuch der Messe zufrieden und ließ den Rest Gott befohlen sein.

Keine deutsche Meile nach Pavia hieß es den Po überqueren und später noch zwei weitere Gewässer. Den Fährlohn bezahlte der Kutscher.

Pavia, die Hauptstadt des langobardischen Königreichs (6.–8. Jh.), ist heute eine reizende mittelalterliche Stadt mit einer der ältesten Universitäten Italiens (1361), eine Insel inmitten einer Industrielandschaft.

Die Kathedrale stellt eine eigenartige Mischung von Architekturstilen von vier Jahrhunderten dar (die Fassade entstand 1933!), doch am dem Bau zugrunde liegenden Plan haben Renaissancekünstler wie Bramante und Leonardo da Vinci mitgewirkt. Weitaus sehenswerter ist da die romanische Basilica San Michele, die auf das 7. Jahrhundert zurückgeht, doch 1160 neu errichtet wurde. Hier wurden drei Kaiser zum langobardischen König gekrönt: Karl der Große, Heinrich II. und Friedrich Barbarossa.

Vor der berühmten Schlacht von Pavia (1525), bei der der französische König François I. seine italienischen Besitztümer an Spanien verlieren sollte, wurde ihm in Pavia von einer Bäuerin eine Minestrone serviert, die sie dem hohen Gast zu Ehren mit gegrilltem Weißbrot, Käse und Ei „aufbesserte“ – die berühmte Zuppa Pavese war geboren.

Ich verlasse dieses sympathische Kleinod auf dem gleichen Weg wie Guntzinger auf der langen überdachten Holzbrücke über den Fluss Ticino. Südlich von Pavia beginnen erst richtig die „Mühen der Poebene“. Zudem regnet es schon seit dem Morgen, es ist ein trüber Novembertag, trostloser könnte die Landschaft wohl nicht sein. Die Städte sind Kleinode, das Land entweder grässlich verbaut oder verkommen.

VOGHERA, 15 oder 13 wM

Auf dem Weg durchquerten wir mehrere Ortschaften, in Voghera fanden wir ein Nachtlager.

In Voghera ist Markttag und trotz des miserablen Wetters herrscht auf der Piazza ein reges, fröhliches Treiben, von dem sich auch meine Stimmung Gott sei Dank anstecken lässt.


Markt vor dem Dom von Voghera

TORTONA, 10 wM

Die Stadt gehört zu Mailand. Sie wurde aber vor etwa 10 Jahren übergeben und musste mit Gewalt zurückerobert werden. Die dabei angerichteten Schäden und andere Hinweise auf den Verfall der alten Häuser waren nicht zu übersehen. Hier hieß es Abschied nehmen von Herrn Nicolaus Maria Bussetus, seines Zeichens königlicher Mayor, in Spanien Feldoberst, der seit Mailand mein Begleiter und großer Wohltäter gewesen und hier zu Hause war. Ein Hauptmann, sein Diener und ich fuhren noch weiter. Zum Schutz vor Straßenräubern gab uns der Mayor einen Trupp Soldaten mit.

Einer der wenigen Lichtblicke ist Tortona mit dem neoklassischen Dom San Quirico (Ende 16. Jh.), seiner großzügigen Piazza und seiner Kirche San Michele (ursprünglich 13. Jh., umgebaut Anfang des 17. Jh.).

Ein Glas Wein, ein Schinkensandwich und ein Kaffee auf dem Platz erledigen den Rest meiner schlechten Laune.