Rundgang nur mit Korb

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4. Kapitel
GERÄTESCHUPPEN ODER GARTENLAUBE

Am Montagabend kurz vor 18 Uhr betrat Axel die BHG und suchte zwischen den Verkaufsgängen nach der Verkäuferin Frau Müller. Der Geruch nach Linoleum und Holz machte sich wieder in seiner Nase breit und drängte die anderen Empfindungen zurück. Leere Regale. Neonlicht. Der Schall seiner Schritte auf dem Boden.

»Guten Abend Herr Weber.« Frau Müller hatte sich schon umgezogen und winkte ihn ins Lager hinter dem Ladentisch. »Da hinten stehen die Sachen für Sie.« Sie zeigte auf die kleine Ansammlung von Gartenwerkzeugen. Sonst war die Lagerhalle fast leer. Auf dem Boden stapelten sich ein paar Holzbretter und etwa zehn Säcke mit Gips. In den Wandregalen lagen Schraubenzieher und Tapezierbürsten. »Wir haben heute überraschend noch mal eine Lieferung von dicken Holzbrettern bekommen. Die hatten wir zwar gar nicht bestellt, aber umso mehr freut man sich über die unverhofften Sendungen aus dem Hauptlager.«

»Was machen Sie jetzt damit Frau Müller?«

»Ein paar Bretter haben wir schon in den Verkaufsraum gestellt und der Rest ist reserviert für die Bestellungen.«

»Wie lange warten denn die Leute schon darauf?«

»Vielleicht ein halbes Jahr.«

»Kann ich mich denn dann auch für so ein paar Bretter anmelden? Wir brauchen doch einen Schuppen für unser Werkzeug.«

»Also ... » sie überlegte » ... wenn wir die Bestellungen einfach nicht ausführen und auf die nächste Lieferung vertrösten, dann können Sie fünf Bretter sofort mitnehmen. Den Rest brauchen die Kollegen für ihre Verwandtschaft. Sie müssen sich die dann allerdings noch zurechtsägen, denn für einen Schuppen sind sie dann wohl doch ein bisschen zu dick.«

»Wenn das gehen würde, dann würden Sie gleich vier Menschen gleichzeitig glücklich machen.«

»Keine Ursache, unsere Kunden sind Kummer gewöhnt.«

»Ich nehme Sie gleich wieder mit nach Hause, wenn Sie wollen.«

»Gern, an Ihre Chauffeurdienste kann man sich leicht gewöhnen.« *

»In der BHG gab es gestern Holzbretter?« Jürgen Krugmann verzog schmerzvoll das Gesicht und trank den letzten Schluck seines Pausenkaffees. »Warum hast du denn nichts gesagt?«

»Ich war doch selber erst nach Ladenschluss dort.«

»Wollen wir gleich noch mal hinfahren und versuchen, was zu bekommen?«

»Ich befürchte, dass das aussichtslos sein wird. Es lagen nur noch ein paar Bretter da. Und die sollen vor allem dazu dienen, die teueren Beziehungen zu Verwandten und Freunden zu pflegen. Wozu brauchst du denn welche?«

»Eigentlich zurzeit gar nicht. Aber was man hat, das hat man eben.«

»Dann musst du dich nicht kümmern, wenn du welche brauchst.«

»Genau. Ich habe zum Beispiel neulich drei Trabantauspuffe gekauft. Die liegen jetzt bei mir im Keller.«

»Aber du hast doch gar keinen Trabant.«

»Das stimmt. Aber vielleicht bekommen wir in vier Jahren ja den Trabant, den Karin angemeldet hat. Und im Notfall kann man damit schnell klingende Münze machen, denn der eine oder andere benötigt immer mal einen Auspuff.«

»Und der hat dann wieder Sachen, die du benötigst.«

»Du hast es erfasst, Axel. Das Leben funktioniert doch frei nach der Devise: Sei zur Zeit am rechten Ort, sonst sind alle Sachen fort.«

»Ich werde in Zukunft wachsamer sein.« Jürgen Krugmann lächelte und ging wieder an seine Arbeit. Axel musste an Frau Müller und ihre selbstlose Art zu Helfen denken. Dann überlegte er, welche Tätigkeiten im Garten nach Dienstschluss heute anstanden. Er freute sich darauf, seine Erde zu pflügen und mithilfe seiner neuen Werkzeuge nutzbar zu machen.

Dietmar Schmidt saß auf der erhöhten Terrasse vor seiner Laube und schaute auf den grünen Wuchs seiner sauber angelegten Beete hinab. Der Hauch eines königlichen Throns wehte um seinen ausgesessenen Campingstuhl. Er produzierte mit seiner Zigarre Schönwetterwolken für die ganze Umgebung. »Grüß dich Axel.«

»Hallo Dietmar, kann ich mir mal mein Werkzeug holen.«

»Willst du unbedingt noch arbeiten? Na wenn das dein Wille ist, dann sollte ich mal nicht im Weg stehen.«

»Ich habe gestern fünf dicke Bretter in der BHG bekommen. So langsam könnten wir über einen eigenen Geräteschuppen nachdenken.«

»Glückwunsch, aber warum baut ihr euch denn nicht gleich eine ganze Gartenlaube? Da kann man doch die Geräte auch abstellen.«

»Woher sollen wir denn die Zutaten bekommen?«

»Ach weißt du …« er zeigte auf seine Laube » … wenn wir uns das nicht zugetraut hätten, dann stände hier auch nichts. Du musst nur immer hellwach sein und mit ein bisschen Glück, bekommst du nach und nach fast alles zusammen.«

»Aber ich habe doch noch niemals eine Maurerkelle in der Hand gehalten. Ich bin weder Tischler noch Fliesenleger oder gar ein Dachdecker.« Dietmar winkte ab und besah sich sein Gartenhaus. »Sieht man diesem Gebäude an, dass es von zwei Bürohänden errichtet wurde?«

»Nein, ehrlich nicht. Hast du das Ding allein gebaut?«

»Fast alleine und diese Hütte steht schon seit zwei Jahren, also können wir wohl nicht alles falsch gemacht haben, oder?« Nun war es Zeit für ein Lob und ein bisschen Bewunderung »Ich denke, ihr habt sogar vieles richtig gemacht.« Dietmar Schmidt räkelte sich auf seinem Thron und er wirkte in diesem Moment als ein noch mächtigeres Oberhaupt über sein Pachtland.

»Wenn ihr für das nächste Frühjahr Saatkartoffeln braucht, dann meldet euch einfach bei mir. Ich kann welche besorgen.«

»Dankeschön. Und was können wir für euch tun? Ihr könnt ja nicht immer nur uns behilflich sein.«

»Macht einfach euren Garten schön. Wir sehen lieber auf Kulturpflanzen als auf einen Dschungel. Außerdem wehen die Samen vom Löwenzahn immer zu uns rüber und gehen dann auf unseren Bohnenbeeten auf. Das sieht zwar schön aus, aber ein Gärtner erfreut sich an so einer Blume lieber, wenn sie auf einer Wildwiese weit weg von seinem Grundstück wächst.«

*

Die höheren Büsche und Sträucher hatte Axel schon besiegt. Jetzt stand er vor einer größeren Herausforderung. Er hatte sich vorgenommen, jeden Quadratzentimeter Gartenerde vom Unkraut zu befreien. Das wuchernde Durcheinander aus Disteln, Giersch, Löwenzahn und Winden systematisch auszutilgen. Er stieß mit der Grabegabel in die Erde am äußersten Gartenende. Als er den ersten Erdbatzen anhob, knackten die Wurzeln. Der Boden war ausgetrocknet und die wilden Gewächse konnten sich problemlos im Boden halten. Axel musste tiefer graben, um an die Wurzelspitzen heranzukommen. Das Tauziehen dauerte länger als gedacht. Mühsam arbeitete er sich Stück für Stück voran. Dann blickte er auf den großen Haufen Wackersteine. Sollte er die lieber mit der Schubkarre fortbringen und auf Regen warten? Eine gute Idee. Im Handumdrehen hatte er die ersten Steine mit einem leisen Knacken in die Schubkarre gelegt. Dann kam es ihm merkwürdig vor. Als er die Steine zur Seite schob, raschelte eine Plastiktüte. Die Tüte war mit einem Faden verschnürt und schützte das Ende eines schwarzen Elektrokabels gegen Witterungen. Was hatte das zu bedeuten? Er wischte mit seinen Händen die Erde rund um das Kabel weg. Es interessierte ihn, wohin es führte. Dann stieß er auf einen rauen Untergrund. Er grub weiter und legte in der Manier eines Archäologen einen festen Gegenstand frei. Eine Betonplatte. Es hatten also schon Bauarbeiten in ihrem Garten stattgefunden. Axel beförderte mit der Schippe Quadratmeter für Quadratmeter des betonierten Untergrunds an die Oberfläche. Und eine halbe Stunde später waren die Ausmaße der Bautätigkeit sichtbar. Ein gegossenes Fundament. Sechs Meter lang. Vier Meter breit. Das Erdgeschoss einer Gartenlaube. Versunken im Mutterboden. Eine neue Überraschung.

*

»Hast du gewusst, dass bei uns im Garten eine erschlossene Bodenplatte vergraben war?« Axel sah in das fragende Gesicht seines Gartenkameraden Dietmar Schmidt. »Nein, wusste ich nicht. Als wir den Garten übernommen hatten, sah er schon so aus wie vor einer Woche.«

»Wozu hatten die denn die Steine dort gelagert?«

»Die wollten bestimmt auch eine Laube bauen und die Steine für den Sockel verwenden.«

»Das klingt logisch.« Dietmar Schmidt zog an seiner Zigarre und pustete nicht nur den kräuselnden Rauch, sondern auch ein paar aufmunternde Worte hinaus:«Also Axel, wenn ihr schon die Grundplatte habt, dann braucht ihr doch bloß noch in die Höhe bauen.«

»Das ist so einfach gesagt.«

»Also, junger Freund …« Dietmar Schmidt hustete erst einmal seine Stimme frei, bevor er ein schelmisches Lächeln auflegte »… wir hatten keine Grundplatte und somit einen schlechteren Start als ihr. Und wenn wir das geschafft haben, dann ist das für euch doch ein Kinderspiel.«

»Ein Kinderspiel ist zwar leicht übertrieben.« entgegnete Axel, aber irgendwie gefiel ihm dieser Gedanke an ein eigenes Gartenhäuschen trotzdem gut.

*

»Ich habe im Garten gerade die Grundplatte für eine Laube freigelegt.« Axel sah in Gerdas fragendes Gesicht. »Willst du etwa eine Laube bauen?«

»Na wenn der Grundstein schon liegt.«

»Kannst du auf einmal mauern, ein Dach decken und Wände verputzen?«

»Natürlich nicht. Aber das kann man doch lernen.«

»Und hast du dir denn überhaupt einmal Gedanken gemacht, wo wir die ganzen Materialien herbekommen sollen?«

»Dietmar Schmidt hat mir eher zugeraten. Irgendwie wird sich das mit der Materialbeschaffung schon ergeben. Bei ihm hat es ja auch geklappt.« Gerda lief rot an. Ihre Bedenken wehten wie ein Herbststurm über ihn hinweg. »Jetzt bleib mal auf dem Teppich. Dein neuer Freund Dietmar Schmidt ist hier wahrscheinlich aufgewachsen, hat hier die Schule besucht und kennt die Leute. Und du? Du kennst mal deine Kollegen aus der Jugendbrigade und zwei, drei Gartennachbarn. Und wenn du in irgendein Geschäft läufst und nett nach diesem oder jenem fragst, werden sie dich am langen Arm verhungern lassen. Selbst wenn sich unter dem Ladentisch ein Jahresvorrat stapelt.«

 

»Aber wir haben doch Frau Müller. Die hilft uns schon, wo sie kann.« Gerda schüttelte den Kopf. »Nein Axel, da mache ich nicht mit. Ich habe keine Lust auf die Rennerei. Denke an deine Kinder. Die wollen was von dir haben.«

»Na gerade weil ich an Heiko und Jana denke bin ich der Überzeugung, dass sie sich in einer Gartenlaube wohlfühlen würden.«

»Also, meine Meinung kennst du. Ein Stückchen Garten zu bewirtschaften ist in Ordnung und ich bin dir dankbar, dass du dich so ins Zeug gelegt hast. Aber lass uns doch erst einmal das Unkraut austilgen. Damit haben wir genug zu tun.« Axel biss sich auf die Zunge, um Gerdas Skepsis nicht noch mehr Futter zu geben. Er musste es diplomatisch angehen. Er brauchte neue Erfolge. Er musste Material besorgen. Dann würde sie sich beruhigen. Denn momentan rollten ihre Vorstellungen über ein kleines Gartenhäuschen noch auseinander wie zwei Fernzüge in einem Durchgangsbahnhof.

*

»Ich habe eine fertig gegossene Bodenplatte im Garten gefunden.« Axel sah in die freudigen Augen seines Arbeitskollegen Jürgen Krugmann. »Welche Maße hat denn das Fundament?«

»Sechs mal vier Meter.«

»Perfekt.«

»Wieso denn perfekt?«

»Da haben eure Vorgänger aber gut mitgedacht. Denn bis einschließlich vierundzwanzig Quadratmetern Grundriss benötigt man in einer Gartensparte keine Baugenehmigung.«

»Es scheint so, als ob die vorherigen Besitzer einen genauen Plan hatten.«

»Sieht danach aus. Es freut mich, dass ihr euch dazu durchgerungen habt, eine Laube zu bauen.«

»Eigentlich habe nur ich mich dazu durchgerungen. Gerda ist alles andere als begeistert von der Idee.«

»Aber wieso? Ihr habt dadurch viel mehr Freude an eurem Garten. Wenn es regnet, könnt ihr trotzdem dableiben. Ihr könnt dort übernachten und richtige Gartenfeste feiern. Eigentlich ist ein Garten erst dann vollständig, wenn er ein kleines Häuschen hat.«

»Das hat unser Gartennachbar auch gesagt. Er hat mir die Steilvorlage gegeben, aber Gerda ist der Meinung, wir übernehmen uns.«

»Euer Gartennachbar? Wen meinst du?«

»Dietmar Schmidt von gegenüber, die anderen kennen wir noch nicht.«

»Ach Zigarren-Schmidt.«

»Nennt ihr den so in der Gartensparte?«

»Ja, aber das weiß er selber auch. Denn bei Schmidt ist das so eine Sache mit der Unterscheidung.«

»Ein bisschen weiter zu mir hinter gibt es nämlich noch einen Schmidt und der ist bei der Feuerwehr und deswegen heißt der Feuerwehr-Schmidt.«

»Also haben wir den Garten nicht einfach nur neben Schmidt, sondern neben Zigarren-Schmidt.«

»Jawohl und wenn über der Gartensparte Rauch aufsteigt, dann brennt entweder eine Laube oder Zigarren-Schmidt ist da.«

»Weißt du, woher wir Mauerziegel, Fenster und ein Dach bekommen? Ich denke, wenn ich Gerda zeige, dass wir alle Materialien bekommen können, dann lässt sie sich bestimmt leichter umstimmen.« Genosse Krugmann war sichtlich überfordert: »Also wir haben die Mauerziegel damals über den Mann von Karins Kollegin bekommen. Aber der ist jetzt in Rente. Die Fenster und Türen haben wir aus der BHG in Wittenberg geholt. Da hatten wir ein bisschen Glück gehabt. So wie es heißt, gibt es dort mehr Auswahl als bei uns.«

»Wieso denn das?«

»Es ist ein anderer Bezirk und außerdem näher an Berlin dran. Da fahren viele lieber nach Berlin und besorgen sich dort ihre Sachen.«

»Also sollten wir mal nach Wittenberg fahren?«

»Da haben wir mehr geholt als in unserer BHG.«

»Und wo habt ihr das Dach her?«

»Wir haben uns ganz normal im Herbst angemeldet und haben im Frühjahr tatsächlich Wellasbest zu kaufen bekommen.«

»Also lohnt es sich, solche Sachen anzumelden?«

»Auf jeden Fall. Dabei fällt mir ein, dass wir sogar noch ein paar Quadratmeter übrig haben. Die sind zwar eigentlich für Reparaturmaßnahmen gedacht, aber Neubau geht vor Reparatur.«

»Und wie habt ihr das Dach befestigt?«

»Wir haben sieben Dachbalken auf den Mauersteinen angebracht und darauf das Dach geschraubt.«

»Und wo habt ihr die gekauft?«

»Die hatte mein Vater noch in der Garage. Aber darum braucht ihr euch doch nicht mehr kümmern.«

»Wieso denn das?«

»Na wenn du eine Laube bauen willst, dann brauchst du doch keinen Geräteschuppen und dementsprechend hast du deine Holzbretter doch schon für den Dachstuhl übrig.« Axel traf es wie ein Blitz. »Na klar! Das stimmt auffällig, Herr Kollege. Wir haben ja schon fünf Dachbalken. Die sind zwar vielleicht etwas zu dünn, aber sie könnten erst einmal für den Dachstuhl herhalten.«

»Nur so lange, bis ihr was Stabileres gefunden habt. Und wenn ihr nicht sieben sondern nur sechs habt, hält das Dach auch.« Also hatte er die Bodenplatte und einen fast vollständigen Dachstuhl. Und der Raum dazwischen würde sich auch noch irgendwie füllen lassen.

»Hast du deinen Grill schon gemauert?«

»Ich fange in dieser Woche an.«

»Wenn du Hilfe brauchst, dann sage einfach Bescheid. Ich bin sowieso da und kämpfe mit dem Unkraut.«

*

»Gerda, wir können die Holzbalken als Dachauflage benutzen und woher wir den größten Teil der Materialien bekommen, hat mir Krugmann auch schon verraten.«

»Ich halte davon immer noch nicht sonderlich viel. Aber lass´ uns nicht heute Abend darüber sprechen.« Er sah in ihre müden aber zufriedenen Augen. »Wie war es denn im Kindergarten?«

»Ich sollte gleich dableiben und für drei Stunden aushelfen.«

»Das ist doch super.«

»Und Jana kann ich auch gleich dort anmelden. So kann ich sie früh hinbringen und gleich dort bleiben.«

»Und wann sollst du wieder hinkommen?«

»Morgen früh. Und so wie es aussieht bis zum Ende der Woche immer vormittags.«

»Macht es Spaß?« Sie lächelte stolz: »Ja, aber es ist ungewohnt. Zu Hause habe ich zwei Kinder zu betreuen und im Kindergarten laufen gleich fünfzehn um mich herum und rufen ständig: ›Frau Weber hier und Frau Weber da‹ aber der Mensch ist doch ein Gewohnheitstier.«

»Und wie sind die Kollegen?«

»Nett und sehr hilfsbereit. Die Leiterin ist so Mitte fünfzig und sehr ruhig. Sie sagt kein Wort mehr als nötig. Aber die Kinder mögen sie gern. Sie leitet das Frauenturnen am Donnerstagabend. Das findet immer in der Turnhalle statt, in der Heiko Schulsport hat.«

»Dann gehst du also donnerstags jetzt immer aus und lässt uns drei allein?«

»Aber doch nur für zwei Stunden. Und außerdem hat die moderne Frau von heute auch schon mehr Ansprüche und die Gleichstellung ermöglicht es ihr, diesen Bedürfnissen auch nachzugehen.«

»Das war doch Spaß. Und eigentlich freue ich mich ja darüber, dass du unter Leute kommst.«

»Ich weiß und ich bin dir ja auch nicht böse. Aber um mich sorgenfrei dem Sport hingeben zu können, könntest du mir heute gleich mal beweisen, dass du die Kinder ins Bett bekommst, mit Heiko die Schultasche packst und seine Brote schmierst.«

»Wo sind denn die Kinder?«

»Noch auf dem Spielplatz, aber sie kommen gleich hoch.«

*

»Papa, Papa ich gehe morgen mit Mama in einen anderen Kindergarten. Da ist Mama nämlich Erzieherin.«

»Ich habe schon gehört. Und darfst du dann auch mit ihr nach Hause gehen oder musst du noch Mittagsschlaf machen?«

»Mama hat gesagt, wenn ich mich mit den neuen Kindern vertrage, kann ich auch zu Hause Mittagsschlaf machen.«

»Das ist ja schön, kleines Fräulein, aber trotzdem geht es jetzt erst einmal ab in die Badewanne.«

»Kommt Heiko auch mit, denn sonst ist es immer so langweilig.«

»Da kommt er schon. Und wie war es bei dir in der Schule?«

»Die Pausenmilch war sauer und wir durften die dann nicht weitertrinken.«

»Aber saure Milch schmeckt doch sowieso nicht. Stefan hat gesagt, die schmeckt, wie wenn man in eine Zitrone beißt.« Heiko und Jana lachten und planschten im Badewasser. »Wenn ihr was braucht, dann ruft einfach.«

»Geht in Ordnung Käpt´n.« rief Heiko im Ton des folgsamen Schiffsjungen, den er neulich in einem Piratenfilm gesehen hatte. Er würgte das Gekicher ab, indem er die Badezimmertür schloss. Gerda wartete auf dem Flur. »Heiko nimmt zwei Stullen mit Käse in die Schule. Die Brotbüchse liegt in seinem Schulranzen.«

Eine halbe Stunde später hatte er die Kinder abgetrocknet, ihnen das Abendbrot zubereitet, abgeräumt, Jana ins Bett gebracht und saß jetzt mit Heiko vor seinem Schulschrank. »Was habt ihr morgen für Fächer?«

»Zwei Stunden Mathematik, eine Stunde Deutsch und in der vierten Stunde Heimatkunde.«

»Wo hast du deine Bücher?«

»Hier liegen sie.«

»Und deine Hefte?«

»Die habe ich schon eingepackt.«

»Hast du für morgen Hausaufgaben auf?«

»Wir mussten zehnmal das ›G‹ schreiben und eine Seite in der Fibel lesen.«

»Hast du alles gemacht?«

»Ja.«

»Na dann ab in die Tasche mit deinen Büchern und husch ins Bett.«

»Mama fragt mich immer noch mal ab, was in der Fibel stand.«

»Das machen wir dann am Donnerstag. Da haben wir viel Zeit zusammen.« Unter der Aufsicht von Gerda verließ er das Kinderzimmer und ging in die Küche. »Jetzt noch abwaschen und dann habe ich meinen Dienst für heute erledigt.«

»Mit Bravour erledigt.« ergänzte Gerda.

»Mama.« Janas Stimme drang durch die geschlossene Kinderzimmertür in die Küche. »Was hast du denn?«

»Kann ich mir noch ein Gute-Nacht-Lied singen?«

»Ja, aber nur eins und dann schläfst du, versprochen?«

»Versprochen. Gute Nacht.«

»Gute Nacht mein Schatz.« Axel spülte die Gläser vom Abendbrot, Gerda trocknete ab. Dabei lauschten sie dem Gute-Nacht-Lied ihrer Tochter:

»Kommt ein kleiner Teddybär aus dem Spielzeuglande her …«

*

»Guten Morgen Axel.«

»Guten Morgen Jürgen.« Sie kamen gleichzeitig auf dem Parkplatz an. Kannst du mir am Donnerstag mal eine Stunde helfen, die Steine für den Grill abzubürsten?«

»Am Donnerstag ist schlecht. Ich muss auf die Kinder aufpassen, weil Gerda am Donnerstagabend jetzt zum Frauenturnen gehen will.«

»Ach das ist ja ein Ding. Karin geht da auch immer hin.«

»Die Leiterin ist ihre Chefin im Kindergarten.«

»Ja, Isolde Richter.«

»Ich weiß nicht, ob sie so heißt, aber Gerda versteht sich gut mit ihr.«

»Arbeitet deine Frau jetzt im Kindergarten?«

»Erst einmal nur stundenweise, aber sie freut sich, mal rauszukommen.«

»Das klingt doch immer besser bei euch. Kannst du denn dann am Wochenende mal eine Stunde für mich opfern?«

»Ich denke, das lässt sich einrichten, wenn wir bei der Einweihung des Grills einen Platz in der ersten Reihe bekommen.«

»Ich bin ziemlich sicher, dass wir euch diesen Wunsch erfüllen können. Ich habe übrigens mit Karin gesprochen. Die kennt noch jemanden, der in dem Betrieb arbeitet, wo die Gasbetonsteine hergestellt werden.«

»Kann sie dort mal für uns nachfragen?«

»Ich denke, dass du das selber machen kannst. Es ist nämlich der Mann von Frau Dechsler, der Sekretärin vom Genossen Liedke.«

»Unsere Frau Petersohn?«

»Ja, versuche mal dein Glück.«

»Das werde ich tun.«

*

Das Büro von Frau Petersohn lag gleich neben dem Dienstzimmer des Kombinatsleiters Liedke. Hier war es ruhig und der helle Gang strahlte mehr Gemütlichkeit aus als die verstaubten Werkhallen. Ein schwerer Duft nach Fliederparfüm lag in der Luft. Axel hatte sich extra das Gesicht und die Hände gewaschen, um einen sauberen Eindruck zu machen. Wie sollte er Frau Petersohn fragen? Eher freundlich und diplomatisch? Große Umwege über das Wetter und den gestrigen Fernsehfilm gehen oder direkt auf die Arbeit ihres Mannes ansprechen. Eigentlich war sie bei der Begrüßung nett und hilfsbereit gewesen. Aber da wollte er ja auch nichts Persönliches von ihr.

»Genosse Weber.« Frau Petersohn trat gerade aus dem Büro des Kombinatsleiters und schob ihre Brille gerade. »Wollen Sie zum Chef oder zu mir?« Jetzt blieb keine Zeit mehr, um sich eine Strategie zu überlegen. »Zu Ihnen, wenn es Recht ist.«

 

»Ich komme geflogen.« Sie deutete einen Laufschritt an und schloss die Tür zu ihrem Büro auf. »Wie kann ich Ihnen denn behilflich sein?«

»Frau Petersohn …« er zögerte » … Ihr Mann arbeitet doch im Betonwerk.«

»Ja.« entgegnete Sie immer noch freundlich. »Wir haben einen Garten gepachtet und würden jetzt gern eine Laube bauen. Aber dafür benötigen wir ein paar Gasbetonsteine.« Ihr interessierter Gesichtsausdruck wich einem mitteilungsbedürftigen Blick: »Das mit dem Garten hat sich schon bis hier oben rumgesprochen. Nur die Idee mit der Laube ist neu.«

»Naja, unsere Entscheidung steht noch auf wackligen Füßen. Meine Frau ist noch nicht restlos von meinem Einfall überzeugt.« Frau Petersohn winkte aufmunternd ab. »Ach Herr Weber, das wird schon. Lassen Sie ihr Zeit. Und wenn Sie dann sieht, wie die Laube wächst, dann wird sie sich schon freuen.«

»Wenn ich ihr zeigen kann, dass ich das Zubehör besorgt bekomme, hilft das?« »Natürlich. Und das mit den Steinen dürfte kein Problem sein. Neue Steine sind allerdings schlecht zu bekommen und kosten zu viel. Die Kombinatsangehörigen können Bruchsteine mit kleinen oder größeren Schönheitsfehlern zu einem Zehntel des normalen Preises bekommen.«

»Aha.«

»Besorgen sie einen Anhänger und ich besorge den Rest.«

»Bekommt Ihr Mann keinen Ärger, wenn er die Steine gar nicht für sich benutzt?«

»Ach Genosse Weber. Erstens müssten die wertlosen Steine zur Müllhalde gebracht werden. Zweitens haben die anderen Kollegen auch viele Freunde und Bekannte. Und drittens könnten wir schon ein Hochhaus mit den Abfallsteinen bauen, die wir alleine in diesem Jahr vom Betonwerk bezogen haben.«

»So einfach geht das?« Er wirkte ungläubig. »Ja genau so einfach kommt man manchmal zu ein paar Gasbetonsteinen.« begegnete sie seinen Bedenken. »Danke Frau Petersohn. Wir sind Ihnen etwas schuldig.«

»Keine Ursache, Genosse Weber. Das machen wir gern. Und für nette Kollegen noch viel lieber.« Er schloss die Tür. Sollte er jetzt etwa bis auf ein bis zwei Holzbalken, etwas Wellasbest und diverse Türen und Fenster das Gröbste für ein eigenes Gartenhaus zusammen haben? Damit müsste sich Gerda doch restlos überzeugen lassen. Es würde langsam Zeit werden, genauere Baupläne abzustecken.