Die Macht der Pharaonen

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Die schwarzen Bogenschützen

Die Infanterie gilt allgemeinhin als das Rückgrat der Armee. Bei den Alten Ägyptern war sie die Armee.

Doch in den Anfängen des Reiches scheint es keine Armee gegeben zu haben, zumindest liegen keine entsprechenden Zeugnisse vor, was auf eine fast tausendjährige Periode relativen Friedens deutet, die mit dem Niedergang des Alten Reiches ihr Ende findet.

Vermutlich waren die ersten Truppen bewaffnete Expeditionen unter Führung eines Mitglieds des Königshauses, weit entfernt von dem, was wir heute unter dem umgangssprachlichen Begriff „Armee“ verstehen. Von ersten größeren Kriegszügen und damit indirekt von einer Armee, berichtet der sogenannte Palermostein, der seit 1877 im sizilianischen Regionalmuseum von Palermo aufbewahrt wird, ein Bruchstück des aus der 5. Dynastie stammenden Annalensteins.


Abb. 38: Die hieroglyphische Schreibung des Titels „Herr der beiden Länder“.

Er überliefert, daß erstmals Dewen, einer der frühen Könige der 1. Dynastie, siegreiche Expeditionen gegen den Sinai und Südpalästina durchführte und erfolgreich gegen die „Hundeleute“ stritt, mit denen eventuell nubische Stämme gemeint sind. Und Dewen ist es, der erstmals den Titel „Herr der beiden Länder“, nesubit (Njswt-bjtj), hieroglyphisch dargestellt durch die Binse für Ober- und die Biene (Abb. 38) für Unterägypten, führt, ein Epitheton, das fortan festem Bestand in der Titulatur aller ägyptischer Könige ist.

Weiter schildert der Palermostein, daß der rund 370 Jahre nach Dewen regierende Begründer der 4. Dynastie, König Snofru, eine Festung errichtet und zwei Kriegszüge unternommen habe.

Der erste führte nach Nubien, das „elende Land Kusch“ (K#S), wo 7000 Gefangene gemacht und 200 000 Stück Vieh erbeutet wurden; der zweite war eine Strafexpedition nach Libyen, bei der die Zahl der Gefangenen mit 1100 und des erbeuteten Viehs mit 13 000 beziffert wird.

Daß die numerischen Angaben stimmen, sei unterstellt; zwei Felseninschriften, als Nr. 27 und Nr. 28 bezeichnet, bei Khor el-Aquiba, gegenüber des ehemaligen Tempels von Karanog zwischen dem 1. und 2. Katarakt im Süden Ägyptens, nennen ebenfalls die Zahl von 7000 Nubiern, die von einem Aufgebot von 20 000 Soldaten unter dem Befehl der Hofbeamten Chaibaubata und Sauibi gefangengenommen wurden, gestellt von zwei Gauen, dem 17. oberägyptischen Gau und dem 14. unterägyptischen Gau, „um Unternubien zu zerhacken“15:

jrj-jX.t-nj·swt Jnpw.t %oj-b#w-Bt jw(j).t=f

Hno mSo.w 20 000 (Dbo.wj) [jr] XbÜ W#w#.t

Der königliche Hofangehörige des Schakalsgaues, Chaibaubata:

Er kam mit 20 000 Soldaten, um Wawat zu zerhacken.

jrj-jX.t-nj·swt J#bt·j-pHtH·j c#w[=J]-jb[=j]

nDr(j).t NHÜj 7000 (ÜfXw-X#)

Der königliche Hofangehörige des Hinteren Ostgaues, Sauibi:

Gefangennehmen von 7000 Nubiern.

Doch mit Sicherheit ging es dabei weniger um das Zerhacken von Nubien oder Nubiern, als mehr um die Beschaffung von Arbeitskräften für Snofrus umfangreiche Bauprojekte, zu denen auch drei Pyramiden gehören16.

War diese Armee schon mal verfügbar, konnte sie auch andere Aufgaben wahrnehmen, zum Beispiel die Sicherung der Wege zu den Steinbrüchen im Süden Ägyptens oder zu den Minen im Sinai.

Die Inschriften der Felsenbilder im Wadi Maghara, östlich der etwa 19 Kilometer am Golf von Suez liegenden Ortschaft Abu Suweis im südlichen Sinai, machen die Annahme tragfähig, daß bereits Snofru den Sinai, das „Bergwerkland“ (Bj#w) mit seinen Kupfer- und Türkisminen17, dauerhaft, das heißt militärisch, für Ägypten gesichert hat.

1894 wird in der Nekropole nahe des mittelägyptischen Assiut, rund 375 Kilometer südlich von Kairo und am westlichen Nilufer gelegen, das Grab eines Gaufürsten aus der 11. Dynastie namens Meseheti entdeckt.

Im Grab gefunden werden auch zwei Holzmodelle, die Aufschluß über Bewaffnung und Ausstattung der Soldaten geben. Jedes dieser Modelle zeigt ebenso plastisch wie lebensnah eine Gruppe von jeweils 40 Soldaten in Marschaufstellung, beide bislang im Saal 37 des Ägyptischen Museums in Kairo ausgestellt.

Die Zahl 40 ist weder zufällig gewählt noch ein Hinweis auf die Mannstärke einer bestimmten militärischen Formation. Sie verdankt ihr Zustandekommen der babylonischen Zahlenmagie, in welcher die Zahl 40 zum einen das Symbol für Prüfung und Bewährung, zum anderen eine undefinierte Mengenangabe, ähnlich dem heutigen „ziemlich viel“, vorstellt18. In den „40 Jahren“, beispielsweise der Dauer des Exodus, der Flucht der Israeliten aus Ägypten bis zum Erreichen des Gelobten Landes19, taucht die 40 mit gleichem Hintergrund wieder auf. Auch hier sind keine wirklichen 40 Jahre gemeint, sondern einfach nur ein sehr langer, viele Jahre umfassender Zeitraum.

Im Gegensatz zu den auf der Jäger-Palette dargestellten Jäger-Kriegern sind die Soldaten des Meseheti der jeweiligen Marschformation nur mit einer Waffe ausgestattet; es ist also zu einer Spezialisierung gekommen, die bis zum Ende des pharaonischen Ägyptens nahezu unverändert beibehalten werden wird.


Abb. 39: Die mit Schild und Lanze bewaffneten Soldaten des Meseheti.

Die Bewaffnung der einen Gruppe (Abb. 39) besteht aus Schild und Lanze (sk), eine Gattung, die wohl die Mehrheit der ägyptischen Armee ausmacht. Nicht von ungefähr dürfte es kommen, daß die altägyptische Aufstellung „in Reih und Glied“ als „unter Lanzen“ (xr skw) befohlen wurde.

Daß es sich um Lanzen und keine Speere handelt, liegt auf der Hand, denn nach dem Werfen des Speeres wäre der Soldat waffenlos gewesen. Die Lanzenspitzen des Modells sind als feine, blattförmig gezogene Metallklingen ausgeführt.

Waren die archaischen Speere und Lanzen noch mit Feuersteinspitzen bestückt, wurden diese nach und nach erst durch Kupfer, dann durch Bronze und schließlich durch Eisen ersetzt.

Feuersteinspitzen sind zwar noch bis weit in die Zeit des Mittleren Reichs nachgewiesen, doch dürfte dieses Material im militärischen Bereich bereits in der 12. Dynastie keine Rolle mehr gespielt haben.

Bis zum Ende des Mittleren Reiches liefen die Lanzen- und Speerspitzen hinten in einem stumpfen Fortsatz aus, mit denen sie in eine entsprechend tiefe Kerbe am Ende des jeweiligen Schaftes eingesenkt und mit Harz sowie einer die Kerbung einzwingenden Umschnürung gehalten wurden.


Abb. 40: Lanzenspitze mit Mittelrippe und Tülle.

Diese Konzeption wird bis ins Neue Reich beibehalten, doch seit Beginn der 18. Dynastie wird der Fortsatz zunehmend von einer auf den Schaft aufgesetzten und mit einer Niete oder einem Klebematerial gehaltenen Tülle abgelöst, die sich als Mittelrippe des Blattes mit kreisrundem Schnitt fortsetzt (Abb. 40).


Abb. 41: Lanzenspitzen unterschiedlicher Ausführung.

Foto: Walther Wolf (1926)

Nimmt man die Größe der Modellsoldaten als Maßstab, haben die Lanzen eine Länge von bis zu 2 Metern gehabt.

Speere und Lanzen waren mit den gleichen, langen lanzettförmigen Stoßklingen mit waagerecht abgeschnittenen Seitenflügeln ausgestattet und unterschieden sich nur durch das Material der Schäfte. Neben dieser Hauptform gab es unterschiedliche Ausführungen, von denen angenommen wird, daß es sich um Importe oder Beutestücke handelt (Abb. 41).

Der Speer wurde als nisut (nswt) bezeichnet, als Binse. Das läßt annehmen, daß das leichte Rohr der Binse das Material für den Speerschaft stellte oder in der Frühzeit gestellt hatte.

Für die Lanze als Stoßwaffe wurde ein Holz benötigt, welches vor allem stoß- und druckfest sein mußte. Hier kommt die Birke in Frage, deren Holz sich außerdem noch durch das geringste Schwindmaß aller Holzarten auszeichnet, es also bei Trockenheit kaum schrumpft und bei Feuchtigkeit kaum quillt.

Im Sarg des in der 17. Dynastie herrschenden Pharaos Kamose wurde der Teil eines Lanzenschaftes aus Ebenholz (hbnj) gefunden. Das kostbare Edelholz dürfte für die Truppe kaum zur Verfügung gestanden und nur für die königliche Prunkwaffe Verwendung gefunden haben, ebenso wie seine Lanzenspitze aus vergoldetem Eisen.

Tragen die „Pikeniere“ in der Rechten die Lanze, halten sie in der Linken den Schild (SnT).

Dieser hat eine waagerechte Unterkante, die seitliche Außenkontur steigt gerade an und verjüngt sich in einem in einer Spitze endenden Bogen. Diese Form (Abb. 42) repräsentiert den Schildtypus des Mittleren Reiches und hat den im Alten Reich üblichen, aus archaischer Zeit stammenden, leicht konkaven, rechteckigen Schild abgelöst. Funde belegen eine hölzerne, mit Rindsleder überzogene vordere bemalte Schildfläche, an deren Innenseite im oberen Teil ein als Griff dienender, durchbrochener Querriegel angebracht ist (Abb. 43).

In der Weiterentwicklung findet sich am oberen Ende der Schilde des Mittleren Reiches häufig eine kleine Öse. Wurde zwischen dieser und dem Griff ein weiter Lederriemen angebracht, konnte der Schild bequem auf dem Rücken getragen werden.

 

Die Bemalung deutet ein geschecktes Rinderfell an, das Fell des „starken Stieres“ (k#-nXt), dem tradierten Symbol für Kraft, Mannhaftigkeit und Stärke.

Ein umlaufender schwarzer Strich steht für den Saum der Naht, mit welcher die archaische Fellbespannung in einem umlaufenden Holzrahmen befestigt war.

Im Neuen Reich dürfte der Sinngehalt der Schildbemalung nicht mehr von Bedeutung oder überhaupt gegenwärtig gewesen sein; die Bemalung wird immer öfter auf ein Minimum reduziert, der angedeutete Saum entfällt oft ganz.

Die Schilde des Neuen Reiches haben keine Spitzen mehr. Der Schild ist oben durch einen Bogen abgeschlossen und verjüngt sich nach unten, die Seiten treffen im stumpfen Winkel auf die gerade untere Linie (Abb. 45).


Abb. 42: Die Schilde der Soldaten des Meseheti.


Abb. 43: Die Innenseite des Schildes mit einem durchbrochenen Querriegel als Griff.

Foto: Walther Wolf (1926)

Im oberen Teil ist in den Darstellungen häufig ein runder Kreis zu sehen, der entweder als metallener Schildbuckel oder traditionell angebrachte Restbemalung ausgelegt wird (Abb. 45).

Die Größe der Schilder reichte vom kleinen Schild, welches nur den Torso schütze, bis zum fast mannshohen, hinter welchem der ganze Soldat Deckung finden konnte. Die Mehrzahl der Schilde hatte eine Höhe von etwa 50 cm bis 1 Meter.

Die „kleine Öse“ am oberen Schildrand stellte in der Tat eine Weiterentwicklung dar, eine wichtige sogar, denn durch das Tragen auf dem Rücken wurde eine Hand frei.


Abb. 44: Ein Beil, wie es der Soldat des Amarna-Reliefs trägt.

Foto: Walther Wolf (1926)

In Heliopolis wurden aus dem Abrissgut Amarnas, heute Tell el-Amarna, der einstigen Hauptstadt Echnatons am Ostufer des Nils in Mittelägypten, stammende Steinblöcke ausgegraben, deren Relief in der Rekonstruktion eine Gruppe eilender Soldaten zeigt (Abb. 45).

Der rechte Soldat trägt seinen Schild auf dem Rücken und in der nunmehr freien Hand ein Beil. – Die Beile haben die Kriegskeulen längst abgelöst.

Ein genau solches Beil wurde bereits 1916 von einem Grabungsteam des Metropolitan Museum of Art im Grab des Wesirs Chay in al-Asasif in Theben-West, östlich von Deir el-Bahari, gefunden und wird heute in New York mit der Inventarnummer 16. 10. 403a-c ausgestellt (Abb. 44).

Die für das Neue Reich typische Beilklinge mit einer Länge von 14,5 cm besteht aus Bronze, der 54,5 cm lange Schaft aus Holz. Die Klinge hat nahe der Basis vorstehende Fortsätze, mit denen sie in eine Kerbung am Schaftende eingesetzt und von einer Lederumschnürung gehalten wird.


Abb. 45: Eine Gruppe eilender Soldaten auf einem Relief aus Amarna.

Ebenfalls im Besitz des Metropolitan Museums ist eine Axtklinge, die einem Entenschnabel ähnlich sieht, was diesem Klingentyp zum Namen verhalf: Entenschnabelklinge (Abb. 46).

Diese gefensterte Tüllenbeilklinge, ebenfalls aus Bronze, hat eine halbovale Form mit zwei elliptischen Durchbrüchen und wird mit einer vertikalen Steckhülse auf den Schaft geschoben.

Die Klinge stammt aus dem syrisch-kanaanitischen Raum und wurde in der 12. Dynastie entweder erbeutet oder importiert.

Über die Herkunft ist nichts Genaues bekannt, als gesichert kann aber angenommen werden, daß der Fund in Ägypten gemacht wurde.


Abb. 46: Gefensterte Tüllenbeilklinge, Höhe 11 cm.

Foto: Walther Wolf (1926)

Die Axt (jqXw) war nie die Waffe der Ägypter, auch wenn nahe des heutigen Tell el-Dab’a bei Quantir, dem ehemaligen Auaris ("wt-wort) im östlichen Nildelta, Streitäxte gefunden wurden.


Abb. 47: Klinge einer Hyksos-Streitaxt.

Sie zeichnen sich durch eine sehr schmale, lange Klinge, ähnlich einem Meißel, und einem Öhr für die Aufnahme des Schaftes aus (Abb. 47).

Es war eine der Nahkampfwaffen der Asiaten, der Hyksos, semitischer Einwanderer, die hier siedelten und den Ort mit Seth als Schutzgott zu ihrer Hauptstadt machten.


Abb. 48: Beilklingen, die in eine Längsrille des Schaftes eingesetzt und mit einer Lederumschnürung gehalten werden.

Foto: Walther Wolf (1926)

Zwischen der Ersten und der Zweiten Zwischenzeit tritt in Ägypten ein ganz besonderes Beil auf, welches sich durch eine langgezogene, symmetrische oder asymmetrische Klinge auszeichnet, die in eine Längsrille des hölzernen Schaftes eingesetzt ist.

Überkreuzt ist eine Lederschnur um den Schaft und durch Löcher in der Klinge geführt, die feucht gewickelt wurde und durch das Zusammenziehen beim Trocknen für die nötige Festigkeit der Verschnürung und damit den sicheren Halt der Klinge sorgte (Abb. 48).

Diese einfache Technik scheint sich so erfolgreich bewährt zu haben, daß auch „normale“ Klingen auf diese Weise angebracht wurden. Parallel zu diesem Beiltyp ist nach wie vor und bis zum Ende des Neuen Reiches das Ärmchenbeil (Abb. 49) mit den stark ausgeprägten Haken an den Enden des Klingenrückens im Gebrauch, wenn auch nicht mehr aus Feuerstein wie in der Naqada I Periode geschlagen, sondern aus Bronze gegossen.

Die Frage nach dem Holz der Schäfte muß vorerst unbeantwortet bleiben, bis heute ist kein einziges der wenigen Originale in dieser Richtung untersucht worden, da entsprechende Analysen nicht zerstörungsfrei möglich sind.

Merkwürdig mutet die Beilkeule an, eine Birnenkeule mit einer langgezogenen Beilklinge über oder unter dem Keulenkopf (Abb. 50), die nur aus Darstellungen des Königs beim „Erschlagen der Feinde“ bekannt ist, beispielsweise aus dem Totentempel Ramses‘ III. im westthebanischen Medinet Habu.

Bislang ist solch eine Waffe noch nicht gefunden worden und so läßt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, daß es sich letztlich um ein Phantasieprodukt handelt; der Künstler könnte die „veraltete“ Keule mit dem „modernen“ Beil vereint haben.


Abb. 49: Ärmchenbeilklingen

Foto: Walther Wolf (1926)

Ein Sonderfall sind die Prunkbeile, Waffen, die keine Waffen waren und deren ältesten Vertreter uns aus der Ersten Zwischenzeit vorliegen.

Orientiert sind diese Beile (Abb. 51) überwiegend an den Gebrauchstypen des mittleren Alten Reiches.

Die Klingenblätter sind in der Mehrzahl durchbrochen aus Bronze gegossen, die schmuckvollen Schäfte bestehen meist aus Holz, selten auch aus Bronze oder Silber. Daß es keine Kampfbeile waren, beweist sich allein schon durch die Aussparungen in der Klinge, welche diese für den Kampf viel zu instabil machte.

Die Klingen wurden üblicherweise in eine entsprechend gearbeitete Längsrille des Schaftes eingelassen und mit einer aufwändigen Verschnürung aus Lederriemen gehalten.

Prunkbeile waren keine Dekoration oder dienten der Zurschaustellung eines gehobenen Lebensstils, sondern wurden, gleich einem Orden, für herausragende militärische Leistungen verliehen. Doch anders als ein Orden konnte ein Prunkbeil auch den militärischen Rang ausweisen und in dieser Verbindung die Funktion eines Kommandostabes erfüllen.

Nicht auszuschließen ist, daß diesen Beilen in Abhängigkeit vom in der Klinge dargestellten Motiv ein apotropäischen Charakter zugesprochen und sie im Krieg als Amulett mitgeführt wurden.


Abb. 50: Beilkeulen

Ihren Anfang als Amulett könnten auch die seit vordynastischer Zeit nachgewiesenen „Fliegenanhänger“ genommen haben, die seit dem Beginn des Neuen Reiches als Tapferkeitsauszeichnung verliehen wurden.

Diese Anhänger sind stilisierte Nachbildungen von Fliegen aus mit Blattgold belegter Bronze, aus Gold oder aus Elfenbein, die am „Kopf“ als kleine Öse enden, was das Auffädeln und Tragen um den Hals an einer Schnur oder einer dünnen Kette nahelegt; die Flügelspanne bewegt sich zwischen etwa 1 cm und 3 cm, die Länge zwischen rund 1,5 cm und 5 cm (Abb. 52).

Wahrscheinlich ging man in den Anfängen davon aus, Gleiches mit Gleichem vergelten und sich damit die Fliegen vom Leibe halten zu können.


Abb. 51: Prunkbeile

Foto: Walther Wolf (1926)

Spätestens im Neuen Reich dürfte dieser Sinn jedoch längst vergessenen und neu interpretiert worden sein, eventuell in der Bedeutung, daß tapfere Soldaten wie die Fliegen über die Feinde herfallen.

Es wundert ein wenig, daß „nur“ die Fliege als „Orden“ gewählt wurde, denn eine Plage, der die Ägypter nicht Herr werden konnten, waren die Mücken. Die alljährlichen Nilüberschwemmungen sowie die zahlreichen Sümpfe, verbunden mit dem warmen Klima, boten diesen Insekten hervorragende Lebensbedingungen.


Abb. 52: Die Orden des alten Ägyptens: Fliegen.

Das Pathologische Institut der Universität Turin besitzt eine Sammlung ägyptischer Schädel aus pharaonischer Zeit. Bei Messungen an diesen Schädeln wurde festgestellt, daß bei der Mehrzahl die Dicke der Kalotte stärker ausgeprägt ist, als bei vergleichbaren Schädeln anderer Kulturen. Eine Verdickung des Knochenmaterials an dieser Stelle ist ein untrüglicher Nachweis für eine chronische Erkrankung an Malaria, die von den weiblichen Anophelesmücken auf den Menschen übertragen wird.

Das läßt eine Aussage Herodots in seinem Bericht über die Schlacht der siegreichen Perser 525 v. Chr. unter Kambyses gegen die Ägypter in einem neuen Licht erscheinen, war man doch bislang davon ausgegangen, daß hier die Phantasie dem Schriftsteller die Hand geführt hat20:

Von den Bewohnern jener Gegend habe ich etwas höchst Wunderbares erfahren. Denn die Gebeine der in dieser Schlacht Gefallenen sind gesondert aufgeschichtet; auf der einen Seite liegen die Gebeine der Perser, wie sie begraben worden sind, und auf der anderen Seite die der Ägypter. Nun sind aber die Perserschädel so zart, daß man mit einem einzigen Steinchen ein Loch in sie werfen kann, während die der Ägypter so fest sind, daß man sie kaum mit einem großen Stein zerschmettern kann. Als Grund dafür gaben sie an – was mir auch sehr einleuchtet - daß die Ägypter gleich von Kindheit an ihren Kopf scheren, so daß der Kopf in der Sonne hart wird. Das ist auch der Grund, weshalb sie nicht kahlköpfig werden. Nirgends findet man so wenig Kahlköpfe wie in Ägypten. So also erklärt sich die Festigkeit der ägyptischen Schädel und dementsprechend auch die Zerbrechlichkeit der persischen …

Mag seine Begründung für den „harten Schädel“ nicht zutreffen und seine Bezeichnung der „Perserschädel“ als „zart“ übertrieben sein, dokumentiert er doch erstmalig diese häufige Anomalie der ägyptischen Schädel21.

Auch dem Mückenproblem selbst widmet Herodot seine Aufmerksamkeit22:

Gegen die Mücken, die es in ungeheuren Mengen gibt, hat man folgende Schutzvorrichtungen. Im Oberland schützt man sich durch turmartige Schlafräume, zu denen man hinaufsteigt. Der Wind hindert nämlich die Mücken, hoch zu fliegen. Die Bewohner des Sumpflandes haben statt dieser Türme eine andere Einrichtung. Jeder ist da dort im Besitz eines Fischernetzes, das er bei Tage zum Fischen braucht. Das befestigt er bei Nacht rings an dem Lager, auf dem er ruht. Zum Schlafen kriecht er darunter. Schliefe er im Mantel oder unter einem Bettuch, so würden die Mücken hindurchstechen. Durch die Maschen zu dringen, versuchen sie aber gar nicht.

 

Die „turmartigen Schlafräumen“, von denen Herodot schreibt, sind das Ergebnis einer Fehlinterpretation; gemeint ist vielmehr der auch heute noch in warmen Ländern geübte Brauch, auf den flachen Dächern zu schlafen. Dies schützt zwar nicht vor Mücken, welche durchaus hoch fliegen können, sondern in erster Linie vor Schlangen und Skorpionen. Auch die beschriebenen Fischernetze dürften kaum zum Fischen, sondern ausschließlich als Moskitonetze verwendet worden sein.

Unter Sahure, dem zweiten Herrscher der 5. Dynastie, wird die Tradition der Expeditionen fortgesetzt.

Auf dem Palermostein gibt es die Beschreibung einer Strafexpedition gegen die schasut, die Beduinen der Wüste, sowie Hinweise, die auf eine Expedition nach Punt schließen lassen.

Eine Felsstele im Wadi Gudami im Süden der Ostwüste, bezeugt eine Expedition zu den Dioritbrüchen von Abu Simbel, eine weitere wird durch ein Graffito bestätigt.

In seinem Pyramidentempel23 in der Nekropole von Abusir zwischen Gizeh und Saqqara berichten Wandreliefs nicht nur von Siegen über Asiaten und Libyer, sondern erstmalig auch von ägyptischen Hochseeschiffen, die allerdings mit asiatischer Besatzung, vermutlich Syrern, Phöniziern, bemannt sind.

Unter Unas, dem letzten König der 5. Dynastie, gehören die guten Handelsbeziehungen mit Syrien und die syrischen Schiffsbesatzungen bereits zur Tradition.

Zur Tradition gehört auch der als Waffe geführte Stock (Sbd). Er kommt dann zum Einsatz, wenn nicht die Vernichtung des Gegners im Vordergrund steht, sondern schlicht und einfach die Vereinnahmung seiner Arbeitskraft. Und die ist nur gewährleistet, wenn Knochen, Muskeln und Sehnen unversehrt bleiben, Striemen und blaue Flecken sind im Sinne der zukünftigen Verwendung dem Unterfangen sogar zuträglich.

Im Totentempel Ramses‘ III. in Medinet Habu zeigt eine Darstellung Soldaten mit Schild auf einem Schiff, die sich zum Angriff bereit machen, in der rechten Hand halten sie ihre Stöcke; ganz offensichtlich ist das Ziel der Expedition der Fang von Sklaven (Abb. 53).


Abb. 53: Soldaten mit Stock.

Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)

Der Stock war auch die Waffe der Tempeldiener (Hm-pr)7), oft Priester im unteren Rang24, die nicht nur im Tempel, sondern auch in der Funktion einer Polizeitruppe im Auftrag der Tempelverwaltung (pr) und damit des Pharaos innerhalb des Tempelhorizontes für Ordnung sorgten.

Der Dolch (b#gsw) war eine der konsequenten Weiterentwicklungen des Faustkeils; zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jungpaläolithikum hatte der frühe Mensch festgestellt, daß ein besonders schmaler, weniger bauchiger Faustkeil mit der Spitze leichter in einen Körper eindringt als ein herkömmlicher.


Abb. 54: Im frühen Mittleren Reich zeigt sich die heute noch übliche Grundform des Dolches.

War in der rhombischen Dolchform der Periode Naqada II noch die Nähe zum Faustkeil erkennbar, zeigen die Dolche des frühen Mittleren Reiches die langgestreckte Klinge, wie sie heute noch üblich ist; an den Schmalseiten nach unten gezogene Hefthörner umfassen die Klinge und geben ihr den nötigen Halt, der durch den kurzen Fortsatz am Klingenende allein nicht gewährleistet ist (Abb. 54). Die härtere Bronze hat das Kupfer abgelöst.

Aus dem Alten Reich liegen so gut wie keine Dolche vor, zumindest keine, die sich zweifelsfrei in diesen Zeitabschnitt datieren lassen. Erst im Mittleren Reich beginnen die Ägypter, ihre Toten mit deren Waffen zu bestatten. Waren diese aus dem kostbaren Metall, wurden sie in der frühen Phase meist durch Nachbildungen aus Holz oder Ton ersetzt. – Die Magie des Osiris ließ sie auch im Jenseits ihren Zweck erfüllen.

Die Gusstechnik hat erhebliche Fortschritte gemacht, einige Dolchklingen weisen beidseitig kunstvolle Riefen auf, die auf den Guss in einer geschlossenen Form hindeuten.

Zum Ende des Mittleren Reiches endet das Blatt nicht mehr in einem kurzen Fortsatz, sondern setzt sich in gabelartig erweiterten Metallstreben nach oben fort. Auf diesem Skelett wurde der meist aus Elfenbein bestehende Griff mit durchgehenden Stiften befestigt.


Abb. 55: Dolch mit Gerüstgriff.

Dolche mit diesen Gerüstgriffen (Abb. 55) wurden in der Gusstechnik der „verlorenen Form“ hergestellt. Ein vollständiger Dolch wurde zunächst aus Bienenwachs modelliert, der dann mit feuerfestem Gips oder Ton ummantelt wurde. Nach dem Aushärten wurde von oben das glutflüssige Metall hineingegossen, welches das Wachs verdrängte und die Form des Hohlraums annahm. Nach dem Abkühlen wurde die Form zerschlagen, der Guss entnommen und, wenn nötig, nachgearbeitet sowie mit den Griffbeschlägen ausgestattet.

Geschärft werden mußte der Bereich der Spitze, im Gegensatz zum Messer ist der Dolch eine Stichwaffe und kein Schneidwerkzeug.

In der Zweiten Zwischenzeit erhält die ägyptische Technik neue Schübe, in der 17. Dynastie werden aus einem Stück gegossene Dolche (Abb. 56) hergestellt, die weitaus stabiler als die herkömmlichen sind.

In unterschiedlichen Ausführungen waren solche Dolche schon im gesamten östlichen Mittelmeerraum verbreitet und gelangten damit erst relativ spät nach Ägypten (Abb. 57).


Abb. 56: In einem Stück gegossener Dolch

Axial haben die Klingen eine starke Verdickung, der Griff, meist ausgestattet mit einer Ausbuchtung für den besseren Halt in der Hand, besteht aus einer flachen Zunge mit seitlichen Leisten und geht in einen halbrunden Knauf über, weitere Ausstattungen dienen nur als Dekoration und haben keinen Einfluss auf dieStabilität.

Bei den gefundenen Scheiden (mtpnt) fällt auf, daß sie weder über eine Lasche noch einen Bügel verfügen, sie also nicht an einem Gürtel befestigt werden können. Das läßt darauf schließen, daß sie in den Bund des Schurzes eingeschoben geführt wurden.

Hatten die frühen Dolche eine Länge von etwa 20 cm, fallen die Dolche des Mittleren Reiches mit um die 30 cm und die zu Beginn des Neuen Reiches mit mehr als 35 cm deutlich länger aus, die Klingen stellen sich überwiegend geradlinig verjüngend oder weidenblattartig geformt dar.

Sie sind der Übergang von der Stich- zur Hiebwaffe, die nächste Stufe der Entwicklung werden die Kurzschwerter der früheren Ramessidenzeit sein.


Abb. 57: Mykenischer Prunkdolch.

Sammlung Wolfgang Halbig

Unter Pepi I., dem dritten König der 6. Dynastie, kommt es zu innerpolitischen Spannungen.

Nach dem ersten eigentlich literarischen Werk Ägyptens, dem Bericht des Höflings Uni, unter Merenre I. Vorsteher Oberägyptens, soll Pepis erste Ehefrau eine Verschwörung gegen den König angezettelt haben, die ihren Ausgang im Harem nahm und eventuell zu einer zweiten unter Leitung eines in Ungnade gefallenen Wesirs namens Rewer führte.

Um Oberägypten zur Sicherung der inneren Stabilität stärker einzubinden, heiratet Pepi zwei Töchter des Chui, Gaufürst des Ta-wer-Gaus (T#- wr), des 8. Gaus; dessen Gattin Nebet er, ein unerhörter Vorgang, zur Wesirin ernennt.

Pepi verstärkt das Heer und rekrutiert Soldaten. Da sich nicht genügend Ägypter finden, dehnt er die Rekrutierung erstmalig auf Nubien aus, dessen Bogenschützen (r#-pDtjw) als besonders zielsicher gelten.

Aus Kleinasien dringen immer wieder beduinische Stämme zu Raubzügen in Ägypten ein, in fünf Feldzügen, einen in Verbindung mit der ebenfalls verstärkten Flotte, werden sie von Pepi vernichtend geschlagen.

Die nubischen Bogenschützen bilden schon bald vom Gegner gefürchtete Einheiten. Wie die schwarzen Bogenschützen (Abb. 72) ausgestattet waren, überliefert das zweite Modell (Abb. 37) aus dem Grab des Meseheti.

Sie tragen den Bogen (jwnt) in der linken Hand und ein Bündel Pfeile (XrSt nt oH#) in der rechten.

Funde belegen, daß sich diese einfachen Bogen bis ins Neue Reich hinein nicht sonderlich von den vordynastischen unterscheiden, es sind nach wie vor zugeschnittene „Stecken“ mit leicht gekrümmten, sich nach außen verjüngten Enden, wenn auch mit einer Höhe zwischen 1 Meter und 2 Metern, an deren einer Spitze (Abb. 58) die Sehne (rwD) mit mehr oder weniger aufwändigen Knoten (Tst), an der anderen mit einem geschnittenen oder geschlungenen Auge befestigt wurde.


Abb. 58: Bogen mit festgeknoteter Sehne aus dem Grab eines Bogenschützen des Mentuhotep.

Foto: Museum of Modern Arts, New York (1945)

Untersuchungen eines Bogens aus einem Soldatengrab in der Nekropole des nördlich des heutigen Luxors auf der westlichen Nilseite gelegenen Deir el-Bahari im Labor des Metropolitan Museum of Art in New York haben ergeben, daß das Holz der heimischen Akazie (SnDt) für den Bogen und verdrillter Tierdarm für die Sehne genommen wurden, der durch Zerbrechen „unschädlich gemacht“ mit einem Schützen des Pharaos Mentuhotep I. bestattet war.


Abb. 59: Bogenspannen

Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)

Um Ermüdungserscheinungen vorzubeugen, wurde die Sehne erst kurz vor dem Einsatz aufgezogen. Die Darstellung in einem Grab in Beni Hassan, rund 23 Kilometer südlich von al-Minya in Mittelägypten, belegt, daß das Aufspannen der Sehne mit einer gewissen Kraftanstrengung verbunden war (Abb. 59). Mit Nachbauten dieser Bogen aus Akazienholz wurden unterschiedlich befiederte Pfeile über eine Distanz von 80 Metern geschossen, ein halbwegs zielgenaues Treffen war aber nur bis zu einer Entfernung von etwa 40 Metern möglich.


Abb. 60: Bogenschütze mit Hörnerbogen. Darstellung im Totentempel Ramses‘ II. in Medinet Habu.

Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)

Im Mittleren Reich kommt ein neuer Bogentyp auf, der Hörnerbogen. Er besteht aus zwei geraden, spitz endenden Antilopenhörnern, die auf ein Mittelstück aus Horn oder Holz aufgesetzt werden (Abb. 60). Der Bogen ist ebenso schwer wie unhandlich und anstelle eines Teiles müssen jetzt drei Teile mitgeführt werden; löst sich der Knoten oder reißt die Sehne, fällt der Bogen auseinander.