Kapitalmarktrecht

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ee) Versuch

440

Schon der Versuch des Tätigens eines Insidergeschäfts, des Empfehlens oder Verleitens hierzu oder der unrechtmäßigen Offenlegung ist verboten (Art. 14 lit. a–c MAR) und deshalb strafbar (§ 119 Abs. 4 WpHG). Bereits hierdurch wird das Vertrauen der Anleger erschüttert und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gefährdet[170]. Ein Versuch iS des § 119 Abs. 4 WpHG liegt vor, wenn jemand nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB)[171].

Beispiele:

Der Insider hat die Order an die depotführende Bank abgegeben (Versuch des Erwerbs/der Veräußerung)[172] oder nimmt Handlungen vor, die unmittelbar dazu führen sollen, dass ein Dritter die Information erhält bzw ein Papier erwirbt oder veräußert (Versuch der unrechtmäßigen Offenlegung, des Empfehlens, des Verleitens).

Allerdings ist leichtfertiges Handeln nunmehr nicht mehr unter Strafe gestellt, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit.

ff) „Naming and shaming“

441

Die zuständige Behörde ist verpflichtet, jede Entscheidung über Maßnahmen und Sanktionen bzgl eines Verstoßes gegen die Insiderverbote bekanntzumachen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 WpHG; Art. 34 Abs. 1 UAbs. 1 MAR)[173]. Nach fünf Jahren ist diese Bekanntmachung zu löschen (§ 125 Abs. 5 WpHG, Art. 34 Abs. 3 MAR). Bekanntzumachen sind zumindest die Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, sowie die Identität der verantwortlichen Personen (§ 125 Abs. 2 WpHG, siehe auch Art. 34 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 MAR). Dass die Entscheidung rechtskräftig ist, ist keine Voraussetzung für eine Veröffentlichung, es muss aber ein entsprechender Hinweis hinzugefügt werden, und ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung ist unverzüglich zu veröffentlichen (§ 125 Abs. 4 WpHG, Art. 34 Abs. 2 MAR). Die Behörde kann eine Veröffentlichung jedoch aufschieben, sie in anonymisierter Form vornehmen oder von ihr absehen, wenn sie im Einzelfall unverhältnismäßig wäre bzw laufende Ermittlungen oder die Stabilität der Finanzmärkte gefährden würde (§ 125 Abs. 3 WpHG, Art. 34 Abs. 1 UAbs. 3 MAR).

gg) Strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen

442

Art. 8 CRIM-MAD, der grds in nationales Recht umzusetzen war, sieht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen vor. Hat eine natürliche Person gegen ein Insiderverbot verstoßen und ist dies nach Art. 3, 4 oder 6 CRIM-MAD als Straftat zu werten, ist danach die juristische Person dafür verantwortlich, vorausgesetzt die natürliche Person hat allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person dort eine leitende Stellung inne und die Straftat zugunsten der juristischen Person begangen. Eine leitende Stellung hat derjenige, der befugt ist, die juristische Person zu vertreten, Entscheidungen in ihrem Namen zu treffen, oder der eine Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person ausübt (Art. 8 Abs. 1 CRIM-MAD). Die juristische Person ist aber auch verantwortlich, wenn Personen, die in leitender Stellung tätigen Personen unterstellt sind, deshalb Straftaten iS der Art. 3, 4 oder 6 CRIM-MAD begehen, weil die Personen in leitender Stellung die ihnen unterstellten Personen unzureichend überwacht oder kontrolliert haben (Art. 8 Abs. 2 CRIM-MAD).

443

An sich müssen die Sanktionen gegen die juristische Person neben nichtstrafrechtlichen Geldbußen auch Geldstrafen umfassen (Art. 9 CRIM-MAD), wenn der Verstoß als Straftat zu bewerten ist. Da es in Deutschland ein Unternehmensstrafrecht bislang nicht gibt[174], sondern nur eine Verantwortlichkeit für Ordnungswidrigkeiten (vgl § 30 OWiG), wird eine bloße Bußgeldahndung als bzgl der Umsetzung der Richtlinie (CRIM-MAD) ausreichend angesehen[175].

b) Zivilrechtliche Folgen

444

Ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot des Art. 14 MAR führt nicht zur Nichtigkeit des Insidergeschäfts, da Art. 14 MAR kein Verbotsgesetz iS des § 134 BGB darstellt und auch keine Nichtigkeit nach § 138 BGB gegeben ist[176]. Fraglich ist, ob bei einem Verstoß Schadensersatzansprüche in Betracht kommen[177]. Das ist in Bezug auf einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB abhängig von der Frage, ob Art. 14 MAR Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB ist. Schutzgesetze sind nur solche Rechtsnormen, die individualschützenden Charakter haben. Die Regelungen müssen zumindest auch dem Schutz des Einzelnen zu dienen bestimmt sein. Allein der Schutz der Allgemeinheit reicht nicht[178]. Als Schutzgut der Insiderregelungen wurde schon bzgl § 14 WpHG aF kontrovers vorgeschlagen: der Individualschutz der Anleger, der Schutz der von einem Insidergeschäft betroffenen Gesellschaft, der Schutz des Unternehmens vor Treuepflichtverletzungen durch Insider und der Funktionsschutz des organisierten Kapitalmarkts.

445

Die MAR und die CRIM-MAD enthalten keine Vorgaben bzgl der zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen das Insiderverbot. Das Verbot von Insidergeschäften bezweckt unstreitig den Schutz des Anlegervertrauens in die ordnungsmäßige Abwicklung der Wertpapiergeschäfte. Das schutzwürdige Vertrauen der Anlegerschaft bezieht sich v.a. auf die mit dem Verbot von Insidergeschäften einhergehende Zusicherung einer weitgehenden Chancengleichheit der Investoren am Markt.

446

Ob das Insiderrecht neben dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts auch dem Schutz der Individualinteressen der Anleger dient, ist fraglich. Eine Eigenschaft als Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB folgt jedoch nicht allein daraus, dass es sich bei Art. 14 MAR um EU-Recht handelt[179]. Mit Insidergeschäften erhöht sich zwar regelmäßig das Verlustrisiko der nicht informierten Anleger. Die Insidernormen sollen aber nach dem Willen des Gesetzgebers nur dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts dienen, sodass ein Anleger bei einem verbotenen Insidergeschäft (Art. 14 MAR) keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB hat (hM)[180]. Art. 14 MAR soll lediglich das Anlegerpublikum als Gesamtheit aller potenziellen Anleger schützen, sodass Individualschutz nur als Rechtsreflex besteht. Zudem ist ein Verstoß gegen das Insiderverbot bereits verwaltungs- und strafrechtlich sanktioniert, sodass daneben ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch nicht mehr erforderlich erscheint[181].

447

In Betracht kommt zudem ein Anspruch aus § 826 BGB, wenn die Handlung iS des Art. 14 MAR eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Anlegers darstellt. Allein die Tatsache, dass ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot teilweise strafbar ist (§ 119 WpHG), vermag noch keine Sittenwidrigkeit zu begründen. Eine solche könnte aus einer „allgemeinen Missbilligung des Insiderhandels in den beteiligten Verkehrskreisen“ abzuleiten sein[182]. Teilweise wird das für den Insiderhandel bejaht[183]. Ob im Verwenden einer Insiderinformation schon eine sittenwidrige Schädigung des Anlegers gesehen werden kann, ist aber zweifelhaft[184]. Selbst wenn man das bejahen wollte, kommt ein Anspruch aus § 826 BGB regelmäßig nicht in Betracht, da der Anleger den Schädigungsvorsatz des Täters beweisen muss. Das wird häufig nicht gelingen, obwohl sich der Vorsatz nur auf die Nachteilszufügung, nicht auf die Sittenwidrigkeit beziehen muss und bedingter Vorsatz ausreichend ist[185], wobei die Rechtsprechung dieses Erfordernis bis fast zur Fahrlässigkeit hin reduziert[186]. Zudem muss der Anleger die Kausalität zwischen dem verbotenen Insiderhandeln und seinem Schaden beweisen. Das wird nur selten möglich sein.

448

Zudem kommt eine Haftung auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 404 Abs. 2 Satz 2 AktG (Verletzung der Geheimhaltungspflicht) oder iVm § 17 UWG aF (Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) oder iVm § 204 StGB (Verwertung fremder Geheimnisse) in Betracht[187]. Es wird bei allen in Bezug auf das Unternehmen eine Haftung bejaht, allerdings eine Schutzgesetzeigenschaft zugunsten des individuellen Anlegers verneint[188]. Verschärft hat sich die Haftungsgefahr inzwischen dadurch, dass nunmehr mit § 10 GeschGehG eine Anspruchsgrundlage vorliegt, sodass es nicht auf eine Schutzgesetzeigenschaft ankommt.

449

 

Lösung der Fälle (Rn 343–345) Fall 3:

R könnte sich nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 WpHG iVm Art. 14 lit. a MAR (Verwendungsverbot) strafbar gemacht haben. Dies setzt zunächst voraus, dass R über eine Insiderinformation verfügt hat und unter deren Nutzung für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Insiderinformation bezog, erworben hat (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 MAR). Bei den von R empfohlenen Aktien handelt es sich um Finanzinstrumente, die an der Börse und damit zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind (Art. 2 Abs. 1 lit. a MAR).

Zudem müsste es sich bei der Absicht des R zur Empfehlung der Aktien auch um eine Insiderinformation handeln, dh eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen (Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR). Der Begriff „Information“ bedeutet nach der Rechtsprechung des BGH zum WpHG aF, dass etwas von außen auf eine Person einwirkt, die Person Zustände aus ihrer Umgebung aufnimmt, nicht aber, dass sie selbst Pläne entwickelt oder Absichten fasst[189]. Angesichts des Art. 9 Abs. 5 MAR setzt das Vorliegen einer Insiderinformation iS des Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR nunmehr keinen Drittbezug voraus. Zu beachten ist jedoch die Rückausnahme in Art. 9 Abs. 6 MAR sowie die Frage, ob hier Kursrelevanz vorliegt. Im Ergebnis scheidet daher ein Verstoß des R gegen das Verbot von Insidergeschäften iS des Art. 14 lit. a MAR und damit eine Strafbarkeit nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 WpHG aus.

450

Fall 4:

Eine Strafbarkeit der P nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 WpHG iVm Art. 14 lit. a MAR (Verwendungsverbot) scheidet aus, da P selbst keine Aktien – auch nicht indirekt über ihren Ehemann – gekauft hat (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 MAR). Die P könnte jedoch den Tatbestand der unrechtmäßigen Offenlegung iS des Art. 10 MAR erfüllt und sich daher gemäß § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG iVm Art. 14 lit. c MAR strafbar gemacht oder gemäß § 120 Abs. 14 WpHG ordnungswidrig gehandelt haben.

Die Aktien der A sind Finanzinstrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind (Art. 2 Abs. 1 lit. a MAR). Zudem bezieht sich die Information über den bevorstehenden Geschäftsabschluss auf die Aktien des A. Bei dieser Information müsste es sich außerdem um eine Insiderinformation iS des Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR handeln. Da der Geschäftsabschluss kurz bevorsteht und ein größeres Ausmaß hat, liegt ein Ereignis vor, von dem nicht nur vernünftigerweise erwartet werden kann, dass es in Zukunft eintritt, sondern auch, dass eine Information darüber spezifisch genug ist, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung des Ereignisses auf den Kurs der Aktien der A zuzulassen (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 MAR). Damit ist die Information in Bezug auf den Geschäftsabschluss als präzise Information iS des Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR anzusehen. Diese Information ist überdies nicht öffentlich bekannt und dazu geeignet, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Aktienkurs der A erheblich zu beeinflussen. Folglich handelt es sich dabei um eine Insiderinformation.

P müsste diese Insiderinformation ihrem Ehemann E zudem unrechtmäßig offengelegt haben (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 MAR). Eine Offenlegung liegt im Weitererzählen vor. Da das nicht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben geschah, erfolgte die Offenlegung der Insiderinformation unrechtmäßig.

Eine Strafbarkeit der P gemäß § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG iVm Art. 14 lit. c MAR scheidet nicht bereits deshalb aus, weil P als Reinigungskraft nicht bestimmungsgemäß Kenntnis von der Insiderinformation im Rahmen ihrer Tätigkeit hatte und daher lediglich Sekundärinsider war. Vom Verbot, Insiderinformationen unrechtmäßig offenzulegen, ist nunmehr jede Person erfasst, die eine Insiderinformation besitzt, sofern sie weiß oder wissen musste, dass es sich dabei um eine Insiderinformation handelt (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 iVm Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 MAR). Damit unterfällt P dem Verbot nach Art. 10 MAR.

Eine Strafbarkeit der P setzt jedoch voraus, dass sie vorsätzlich gehandelt hat. Zwar kann ein Sekundärinsider auch fahrlässig gegen das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung verstoßen („wissen musste“), dennoch setzt eine Strafbarkeit nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG iVm Art. 14 lit. c MAR Vorsatz voraus. Eine Strafbarkeit für fahrlässiges Verhalten ist in § 119 WpHG nicht ausdrücklich erwähnt, was aber nach § 15 StGB erforderlich wäre.

Mangels anderweitiger Angaben im Sachverhalt ist zumindest nicht davon auszugehen, dass sich P bewusst war, dass es sich bei der Information über den Geschäftsabschluss um eine Insiderinformation handelte. So ist etwa nicht anzunehmen, dass die P erkannt hat, dass die Information in Bezug auf den Geschäftsabschluss noch nicht öffentlich bekannt war. Ähnliches gilt für die weiteren Voraussetzungen einer Insiderinformation iS des Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR. Demgemäß handelte P nicht vorsätzlich.

Da das Verhalten der P als leichtfertig einzustufen ist, hat diese durch die unrechtmäßige Offenlegung der Insiderinformation ordnungswidrig gehandelt (§ 120 Abs. 14 WpHG). Sie muss daher mit einer Geldbuße bis zu einer Höhe von fünf Mio. Euro rechnen (§ 120 Abs. 18 Satz 1 WpHG)[190].

451

Fall 5:

V könnte gegen das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung iS des Art. 14 lit. c MAR verstoßen haben, indem er der P eine Insiderinformation zugänglich gemacht hat. Unter den Begriff der Offenlegung fällt nicht nur das aktive Mitteilen einer Insiderinformation, sondern auch das bloße Zugänglichmachen. Hierzu ist erforderlich, dass der Dritte – hier die P – die Insiderinformation nicht unmittelbar auf Veranlassung des Insiders erlangt, sondern zusätzlich eigenes Handeln entfalten muss. Es reicht also, dass V lediglich die Voraussetzungen für eine Kenntniserlangung durch die P geschaffen hat, hier durch das Entsorgen der vertraulichen Geschäftsunterlagen im Papierkorb.

Indem P die entsprechenden Unterlagen aus dem Papierkorb holte, anstatt sie, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, zu entsorgen, hat sie selbst gehandelt. Durch das Herausnehmen und Lesen der Unterlagen erlangte die P die Insiderkenntnisse. Selbst wenn V der P die Information über den Geschäftsabschluss nicht aktiv zugeleitet hat, hat er demgemäß trotzdem der P unrechtmäßig Insiderinformationen zugänglich gemacht (Art. 14 lit. c MAR). Da V auch in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied über die Insiderinformation verfügte (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 iVm Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a MAR), ist er Adressat des Verbots iS des Art. 14 lit. c MAR.

Eine Strafbarkeit des V gemäß § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG iVm Art. 14 lit. c MAR setzt jedoch voraus, dass V vorsätzlich gehandelt hat. Zwar hätte V die relevanten Unterlagen durch einen Papierschredder unlesbar machen oder vergleichbar entsorgen müssen, doch ist hier ein vorsätzliches Handeln des V – auch in Form von dolus eventualis – zu verneinen. Eine Strafbarkeit scheidet somit aus. Da das Handeln des V als leichtfertig zu bewerten ist, hat er eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 120 Abs. 14, 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG, Art. 14 lit. c MAR begangen. Er hat daher mit einem Bußgeld bis zu einer Höhe von fünf Mio. Euro zu rechnen (§ 120 Abs. 18 Satz 1 WpHG).

III. Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung (Art. 17 MAR)

Ausgewählte Literatur:

Buck-Heeb/Dieckmann, Informationsdeliktshaftung von Vorstandsmitgliedern und Emittenten, AG 2008, 681; Cahn/Götz, Ad-hoc-Publizität und Regelberichterstattung, AG 2007, 221; Casper, Haftung für fehlerhafte Informationen des Kapitalmarktes, Der Konzern 2006, 32; Dinter/David, Das Recht hat man zu kennen – Zum Vorsatz bei bußgeldbewerten Verstößen im Kapitalmarktrecht, ZIP 2017, 893; Findeisen/Backhaus, Umfang und Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität bei der Haftung nach § 826 BGB für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, WM 2007, 100; Florstedt, Fehlerhafte Ad-hoc-Publizität und Anspruchsberechtigung, AG 2017, 557; Follert, Einige entscheidungstheoretische Anmerkungen zu § 37b WpHG, Der Konzern 2017, 274; Graßl, Die neue Marktmissbrauchsverordnung der EU – Neuregelung des gesamten europäischen Marktmissbrauchsrechts, DB 2015, 2066; Hopt, Die Haftung für Kapitalmarktinformationen, WM 2013, 101; Klöhn, Kollateralschaden und Haftung wegen fehlerhafter Ad-hoc-Publizität, ZIP 2015, 53; ders./Schmolke, Der Aufschub der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 4 MAR zum Schutz der Unternehmensreputation, ZGR 2016, 866; Kiefner/Krämer, Ad-hoc-Publizität nach dem Final Report der ESMA, AG 2016, 621; Klöhn, Der Aufschub der Ad-hoc-Publizität zum Schutz der Finanzstabilität (Art. 17 Abs. 5 MAR), ZHR 181 (2017), 746; Koch, Die Ad-hoc-Publizität: Veröffentlichungs- oder Wissensorganisationspflicht?, AG 2019, 273; Krause, Kapitalmarktrechtliche Compliance: neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung, CCZ 2014, 248; Kumpan, Ad-hoc-Publizität nach der Marktmissbrauchsverordnung, DB 2016, 2039; Meschede, Dieselgate: Denkbare Anspruchsgrundlagen für Schadensersatzansprüche von Porsche-Aktionären und Erwerbern von Derivaten auf VW-Aktien gegen die Volkswagen-AG, ZIP 2017, 215; Poelzig, Die Neuregelung der Offenlegungsvorschriften durch die Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2016, 761; Retsch, Die Selbstbefreiung nach der Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2016, 1201; Schmolke, Die Haftung für fehlerhafte Sekundärmarktinformation nach dem „IKB“-Urteil des BGH, ZBB 2012, 165; Scholz, Ad-hoc-Publizität und Freiverkehr, NZG 2016, 1286; Seibt/Danwerth, Ad-hoc-Publizitätspflichten beim Vorstandswechsel zwischen Börsenunternehmen, NZG 2019, 121; Seibt/Wollenschläger, Revision des Marktmissbrauchsrechts durch Marktmissbrauchsverordnung und Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation, AG 2014, 593; Söhner, Praxis-Update Marktmissbrauchsverordnung: Neue Leitlinien und alte Probleme, BB 2017, 259; Thelen, Schlechte Post in eigener Sache: Die Pflicht des Emittenten zur Ad-hoc-Mitteilung potentieller Gesetzesverstöße, ZHR 182 (2018), 62; Thomale, Zum subjektiven Tatbestand der Unterlassungshaftung nach § 97 WpHG, AG 2019, 189; Veil/Gumpp/Templer/Voigt, Personalbezogene Ad-Hoc-Meldungen nach Art. 17 MAR, ZGR 2020, 2; von Buttlar/Hammermaier, Non semper temeritas est felix: Was bedeutet Leichtfertigkeit im Kapitalmarktrecht?, ZBB 2017, 1 ff; Wagner, Schadensberechnung im Kapitalmarktrecht, ZGR 2008, 495.

452

Wesentliche Rechtsgrundlagen:


Art. 17 MAR
DurchfVO 2016/1055 vom 29. Juni 2016 (ABl. EU Nr. L 173, S. 47)
DelVO 2016/522 vom 17. Dezember 2015 (ABl. EU Nr. L 88, S. 1)
ESMA, MAR-Leitlinien, Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen, 20. Oktober 2016, ESMA/2016/1478 DE
ESMA, MAR-Leitlinien, Informationen über Warenderivatmärkte oder verbundene Spotmärkte im Hinblick auf die Definition von Insiderinformationen über Warenderivate, 17. Januar 2017, ESMA/2016/1480 DE
ESMA, Questions and Answers, On the Market Abuse Regulation (MAR), Version 14, Last updated on 29 March 2019, ESMA70-145-111
§ 26 WpHG
Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) mWv 3. Januar 2018
BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, Stand: 25. März 2020

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Fall 6[191]:

Die Aktien der X-AG sind zum Handel im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen. Die X-AG veröffentlicht am 15. Januar 2018 eine vom Vorstandsvorsitzenden V der X-AG gebilligte Ad-hoc-Mitteilung, in der sie für das erste Quartal eine erhebliche Erhöhung von Umsatz und Gewinn gegenüber dem vorangegangenen Quartal bekannt gibt. Tatsächlich ist es jedoch zu einem Umsatz- und Gewinneinbruch gekommen, was V auch positiv weiß. Die Meldung der angeblichen Umsatz- und Gewinnsteigerung führt innerhalb weniger Tage zu einem Kursanstieg der Aktie von 20 Euro auf 30 Euro. Anleger A, der den Aktienkurs der X-AG bereits seit einigen Monaten beobachtet, kauft in Kenntnis der Ad-hoc-Mitteilung wenige Tage später 300 Aktien zu einem Stückpreis von 30 Euro. Erst durch eine erneute Ad-hoc-Mitteilung vom 30. Juli 2018 korrigiert die X-AG die fehlerhafte Ad-hoc-Meldung, sodass der Aktienkurs von 15 Euro auf 5 Euro fällt. A verlangt daraufhin die Erstattung seines Bruttoaufwands für den Erwerb der Aktien Zug um Zug gegen deren Übertragung. Hilfsweise macht A den Betrag als Schadensersatz geltend, um den er die Aktien zu teuer erworben hat. Hat A einen Anspruch gegen die X-AG gemäß § 98 Abs. 1 WpHG? Rn 537

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Fall 7:

Wie oben Fall 6. A möchte jedoch gegen die X-AG einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB geltend machen. Besteht ein solcher? Rn 543

455

Fall 8:

Wie oben Fall 6. A möchte jedoch gegen die X-AG aus § 826 BGB vorgehen. Hat dies Aussicht auf Erfolg? Rn 555

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Fall 9[192]:

Wie oben Fall 6. A möchte jedoch wissen, ob er gegen den V aus § 98 Abs. 1 WpHG vorgehen kann. Rn 562