Kapitalmarktrecht

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1. Einführung

a) Anwendung

457

Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität ist in der EU-Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation, MAR[193]) geregelt. Diese Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 MAR) zählt zu den Kernbereichen des Marktmissbrauchsrechts[194]. Damit soll Insidergeschäften und einer Irreführung der Anleger vorgebeugt werden[195]. Nach Art. 17 MAR muss ein Emittent Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen[196], unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt geben (Ad-hoc-Publizität)[197].

458

Konkretisiert wird Art. 17 MAR auf der Level 2-Ebene[198] durch die DurchfVO[199] sowie die DelVO[200] der Kommission. Zudem sind die auf der Level 3-Ebene ergangenen Leitlinien der ESMA zu Warenderivaten[201] und zum Aufschub der Offenlegung[202] zu berücksichtigen. Außerdem enthält das WpHG für Inlandsemittenten iS des § 2 Abs. 14 WpHG die Pflicht zur Vorabübermittlung von Insiderinformationen an die BaFin und die Geschäftsführungen der betroffenen Handelsplätze (§ 26 WpHG).

→ Definition:

Inlandsemittent ist ein Unternehmen, das an einem organisierten Markt Finanzinstrumente ausgibt und dessen Herkunftsstaat Deutschland ist (§ 2 Abs. 14 WpHG).

Zudem ist die überarbeitete Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) zu beachten[203]. Zu berücksichtigen ist auch Modul C des BaFin-Emittentenleitfadens von 2020.

b) Funktion

459

Die Ad-hoc-Publizität hat erhebliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts. Sie soll das zwischen Insidern und nicht informierten Anlegern bestehende Informationsgefälle ausgleichen, indem sie einen gleichen Informationsstand der Marktteilnehmer durch eine schnelle Unterrichtung des Markts erreicht. Schutzzweck des Art. 17 MAR ist v.a., die Bildung von unangemessenen Börsen- und Marktpreisen zu verhindern, die durch Informationsdefizite (fehlerhafte oder unvollständige Unterrichtung) entstehen. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht sichert aber nicht nur als kapitalmarktrechtliche Informationspflicht die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, sondern stellt auch eine Präventivmaßnahme gegen den Missbrauch von Insiderinformationen dar. Die Auslegung des Art. 17 MAR hat sich an beiden Funktionen zu orientieren.

460

Kapitalmarktrechtliche Informationspflicht ist die Ad-hoc-Publizität insofern, als sie verhindern soll, dass die Anleger ihre Wertpapiere mangels publizitätspflichtiger Informationen zu teuer kaufen oder zu billig verkaufen und dadurch Kursnachteile erleiden. Durch die Ad-hoc-Mitteilung wird die Regelpublizität (Jahresabschluss und Zwischenbericht) ergänzt. Anders als bei der aktienrechtlichen Rechnungslegung müssen nicht nur die Gesellschafter und Gläubiger der Gesellschaft unterrichtet werden, sondern es muss auch das sonstige Anlegerpublikum über solche Umstände informiert werden, die für eine Kauf- oder Verkaufsentscheidung wichtig sein können.

461

Insiderrechtliche Präventivmaßnahme ist Art. 17 Abs. 1 MAR insofern, als Insidergeschäften nicht nur mit strafrechtlichen Sanktionen, sondern auch mit einer Pflicht zur Ad-hoc-Publizität entgegengewirkt werden soll. Daher hat ein Emittent Insiderinformationen iS des Art. 7 MAR, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich[204] zu veröffentlichen. Auch wenn der Emittent einem anderen, der nicht rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, eine Insiderinformation mitteilt oder zugänglich macht (bzw offenlegt), hat er diese unverzüglich zu veröffentlichen (Art. 17 Abs. 8 MAR)[205]. Durch diese Anknüpfung gehen das Verbot von Insidergeschäften und die Ad-hoc-Publizitätspflicht von demselben Grundtatbestand aus („einstufiges Modell“)[206]. Allerdings reicht das Insiderhandelsverbot weiter als die Ad-hoc-Mitteilungspflicht, da sich ersteres auf sämtliche und nicht nur auf den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen bezieht (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR).

462

Im Verhältnis zur Stimmrechtsmitteilungspflicht nach §§ 33 ff WpHG ist davon auszugehen, dass beide Mitteilungspflichten parallel bestehen. Sowohl die Zielsetzung als auch die Voraussetzungen sind unterschiedlich[207].

2. Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR

a) Voraussetzungen

463

Voraussetzungen für eine Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR sind


das Vorliegen einer Emittentenstellung,
von Finanzinstrumenten,
einer Insiderinformation sowie

464

Art. 17 MAR erfasst jeden Emittenten von Finanzinstrumenten (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 MAR).

→ Definition:

Emittent ist eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts[209], die Finanzinstrumente emittiert, dh auf den Markt bringt, oder deren Emission beabsichtigt[210] (Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 MAR).

465

Anwendbar ist die Ad-hoc-Mitteilungspflicht, wenn die Emittenten für ihre Finanzinstrumente entweder zum Handel an einem geregelten Markt, auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem zugelassen sind bzw gehandelt werden oder für diese eine Zulassung zum Handel beantragt haben (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 MAR). Damit gilt zukünftig die Pflicht, Insiderinformationen zu veröffentlichen, grds auch für Emittenten im Freiverkehr. Voraussetzung ist aber, dass der Handel auf Initiative des Emittenten geschieht[211]. Die Einbeziehung der Finanzinstrumente durch Dritte reicht nur dann, wenn der Emittent dem zugestimmt hat[212].

466

Die Veröffentlichungspflicht besteht nicht erst nach Börsenzulassung oder Zulassung zum Handel an einem multilateralen oder organisierten Handelssystem, sondern bereits mit dem Zulassungsantrag (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 MAR). Dieser erfolgt regelmäßig schon vor der Veröffentlichung des Emissionsprospekts. Das bedeutet, dass es noch keinen Kurs, aber schon eine Pflicht zur Veröffentlichung kursrelevanter Informationen gibt. Kritisiert wird daran, dass es in diesem Stadium noch kein Bedürfnis für einen Anlegerschutz gebe und dass sich das Kursbeeinflussungspotenzial hier teilweise schwer bestimmen lässt[213].

467

In Bezug auf den Begriff „Finanzinstrumente“ gilt Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MAR[214], für die Feststellung einer Insiderinformation der Art. 7 MAR[215]. Daher ist auch bei Art. 17 Abs. 1 MAR zu untersuchen, ob es sich um präzise, nicht öffentlich bekannte Umstände handelt und ob ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial der Insiderinformation besteht.

468

Der Emittent hat nur solche Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betreffen (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR). Dadurch werden die zu veröffentlichenden Informationen eingegrenzt[216], sodass nicht jede Insiderinformation ad-hoc-publizitätspflichtig ist.

469

Zur Konkretisierung des Begriffs „Unmittelbarkeit“ kann nach wie vor darauf abgestellt werden, dass dies Umstände sind, die insbesondere im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind (vgl § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG aF)[217]. „Insbesondere“ bedeutet, dass den Emittenten auch Informationen außerhalb seines Tätigkeitsbereichs unmittelbar betreffen können[218]. Damit kommt dem Abstellen auf den Tätigkeitsbereich insgesamt nur relative Bedeutung zu.

Beispiele:

In den Tätigkeitsbereich des Emittenten fallen etwa Geschäftsabschlüsse, wichtige Erfindungen, Kapital- oder Strukturmaßnahmen, die Stellung eines Insolvenzantrags oder wichtige Vorstands- bzw Aufsichtsratsbeschlüsse[219], Vorstandswechsel[220] sowie einschneidende Maßnahmen beim Führungspersonal[221].

Ob selbst potenzielle Gesetzesverstöße zu melden sind, ist umstritten[222]. Lediglich mittelbar betreffen dagegen den Emittenten zB Kauf- und Verkaufsaufträge Dritter bzgl der Finanzinstrumente des Emittenten.

470

In den Tätigkeitsbereich des Emittenten fallen zudem solche kursrelevanten Umstände, die bei einem Konzernunternehmen eingetreten und im Konzernabschluss oder Konzernlagebericht (§ 290 HGB) enthalten sind[223]. Auch eine anlassbezogene Prüfung im Rahmen eines Enforcement-Verfahrens[224] kann eine Ad-hoc-Mitteilungspflicht auslösen. Marktdaten dagegen stehen nicht in Beziehung zur unternehmerischen Sphäre des Emittenten, selbst wenn ihnen ein insiderrechtlich relevantes Kurspotenzial innewohnt[225].

 

471

Ein den Emittenten unmittelbar treffender publizitätspflichtiger (sonstiger) Umstand ist etwa die Übermittlung eines Übernahmeangebots iS des § 29 Abs. 1 WpÜG durch eine Bietergesellschaft[226]. Ein Übernahmeangebot verliert aber die Eigenschaft als Insiderinformation, wenn der Bieter die Entscheidung zur Angebotsabgabe nach § 10 WpÜG veröffentlicht hat. Denn nach Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR liegt eine Insiderinformation nur vor, wenn sie nicht öffentlich bekannt ist. Ab der Angebotsabgabe kann damit keine Ad-hoc-Publizitätspflicht der Zielgesellschaft mehr entstehen.

472

Bei einem sog. Squeeze-out (Ausschluss von Minderheitsaktionären)[227] ist aufgrund der sich durch den Ausschluss der Minderheitsaktionäre ergebenden Änderung in der Aktionärsstruktur die Ausschlussentscheidung grds ein die Gesellschaft unmittelbar berührendes Ereignis[228]. Damit entsteht hier eine Ad-hoc-Publizitätspflicht der betroffenen Gesellschaft[229].

473

§ 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG aF sah vor, dass Angaben, welche die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WpHG aF offensichtlich nicht erfüllen, auch nicht in Verbindung mit einer veröffentlichungspflichtigen Tatsache veröffentlicht werden dürfen. Damit sollte der Anleger vor einer Flut nicht kursrelevanter Informationen geschützt werden, sodass die Ad-hoc-Publizitätspflicht ihre Funktion erfüllt. Der Erfolg dieser Regelung wurde angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen kursrelevanten und nicht kursrelevanten Umständen als gering angesehen. Hinzu kam, dass keine Bußgeldsanktion eines solchen Verstoßes vorgesehen war. In Art. 17 MAR fehlt eine entsprechende Regelung. Untersagt ist lediglich, die Veröffentlichung der Insiderinformation mit der Vermarktung der Tätigkeiten zu verbinden (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 MAR).

b) Berichtigungspflicht, Aktualisierungspflicht

474

Art. 17 MAR sieht eine Berichtigungspflicht nicht ausdrücklich vor. Nach hM ergibt sich eine solche aber aus Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR, weil die Ad-hoc-Mitteilung einer (unwahren) Information den Emittenten stets unmittelbar betrifft[230], sofern es um kursrelevante Informationen geht.

475

Eine Aktualisierungspflicht ist im Gesetz ebenfalls nicht ausdrücklich enthalten. Eine solche ergibt sich jedoch dann, wenn der neu eingetretene Umstand eine Insiderinformation ist, die als solche gemäß Art. 17 MAR ad-hoc publiziert werden muss[231].

Beispiel:

Verhandlungen über einen bedeutsamen Auftrag, die ordnungsgemäß per Ad-hoc-Mitteilung der Öffentlichkeit mitgeteilt wurden, erlangen einen wesentlichen Rück- oder Fortschritt, der als kursrelevant anzusehen ist.

c) Entstehungszeitpunkt der Veröffentlichungspflicht: Unverzüglichkeit

476

Die Veröffentlichung einer Insiderinformation hat unverzüglich zu erfolgen (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR). Dieser Begriff ist als europäische Vorgabe autonom auszulegen, sodass grds nicht auf § 121 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden kann. Umstritten ist aber, ob der Emittent dennoch seiner Pflicht ohne schuldhaftes Zögern (vgl § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) nachkommen muss[232]. Dann müsste ihm eine angemessene Frist verbleiben, innerhalb derer er die Information erkennen und auf ihre Ad-hoc-Publizitätspflichtigkeit hin überprüfen kann[233].

477

Dahinter steht die Frage, ob eine Ad-hoc-Publizitätspflicht schon mit dem objektiven Vorliegen einer Insiderinformation eintritt[234] oder ob hierfür beim Emittenten weitere subjektive Umstände vorliegen müssen. Dabei war wiederum schon im Hinblick auf § 15 WpHG aF unklar, ob einfache Fahrlässigkeit ausreichend ist[235] oder ob grobe Fahrlässigkeit[236] bzw Vorsatz[237] vorliegen muss[238]. Überzeugender erscheint es, auch auf subjektive Umstände abzustellen[239]. Denn selbst diejenigen, die ein objektives Verständnis des Begriffs „unverzüglich“ vertreten, korrigieren dies letztendlich inkonsequent dahingehend, dass dem Emittenten ähnliche „Freiräume“ zu geben sein sollen, wie sie § 121 BGB eröffnet[240].

478

Umstritten ist der Zeitpunkt der Veröffentlichungspflicht, wenn die kursrelevante Information nicht auf einem einmaligen Ereignis beruht (Großfeuer, Aufdeckung wesentlicher Bilanzfälschungen), sondern auf einem zeitlich gestreckten Vorgang (Entscheidung des Geschäftsorgans, Zustimmung des Aufsichtsrats; Art. 7 Abs. 2 Satz 2 MAR)[241]. Viele betriebliche Vorhaben sind mehrstufigen Prüfungen und Entscheidungsprozessen unterworfen, bis sie sich zu publizitätspflichtigen Insiderinformationen iS des Art. 17 Abs. 1 MAR herauskristallisieren. Ein kursrelevanter Umsatzrückgang etwa tritt nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt ein, sondern geschieht über einen längeren Zeitraum hinweg. Wann genau in solchen Fällen eine Ad-hoc-Mitteilung erforderlich ist, ist in der Praxis häufig schwierig zu beurteilen[242]. Dieser Punkt ist eng damit verbunden, ob ein Befreiungssachverhalt nach Art. 17 Abs. 4 UAbs. 2 MAR vorliegt[243].

479

In diesem Zusammenhang ist umstritten, wann bei Verhandlungen über eine Unternehmensübernahme eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation iS des Art. 17 Abs. 1 MAR vorliegt, dh wie weit Übernahmegespräche gediehen sein müssen. Eine Ad-hoc-Publizitätspflicht kann sich hier sowohl für die Ziel- als auch die Bietergesellschaft ergeben. Ein Übernahmevorhaben kann vor einer tatsächlichen Übernahme bereits ein Verhandlungsstadium erreicht haben, in dem dieses nicht nur eine Insiderinformation iS des Art. 7 Abs. 1 MAR darstellt, sondern auch aufgrund der Auswirkungen auf die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf ein für die Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR erforderliches hinreichendes Kursbeeinflussungspotenzial entwickelt hat.

480

Reine Vorbereitungsmaßnahmen des Bieters sind noch keine Insiderinformation iS des Art. 17 Abs. 1 MAR[244].

Beispiele:

Die interne Entscheidung zur Aufnahme von Übernahmeverhandlungen mit der Zielgesellschaft oder die Beauftragung von Beratern (Anwälte, Banken, Unternehmensberater etc).

Art. 7 Abs. 4 MAR stellt allgemein für das Vorliegen einer Insiderinformation darauf ab, dass ein verständiger Anleger sie wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde[245]. Eine ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformation wird dann vorliegen, wenn die Eckpunkte der Transaktion (insbesondere die Vertragspartner) sowie die Beschaffenheit des Vertragsgegenstands (etwa nach Abschluss einer Due Diligence[246]) feststehen und die Finanzierung des Übernahmevorhabens sichergestellt ist. Die damit einhergehende weitreichende Publizitätspflicht wird allerdings durch die Möglichkeit eines Aufschubs der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 MAR korrigiert[247].

d) Inhalt und Form der Veröffentlichung

481

Nach § 26 WpHG muss ein Inlandsemittent[248] bzw ein Emittent eines multilateralen Handelssystems (MTF[249]) oder eines organisierten Handelssystems (OTF[250]) die Ad-hoc-Meldung vor der Veröffentlichung der BaFin sowie den Geschäftsführungen der Handelsplätze mitteilen, an denen die Finanzinstrumente des Emittenten zugelassen oder einbezogen sind. Außerdem ist sie unverzüglich nach Veröffentlichung dem Unternehmensregister zur Speicherung zuzuleiten (§ 26 Abs. 1 WpHG)[251].

482

Der Mindestinhalt, die Art, der Umfang und die Form der Veröffentlichung ergibt sich aus der DurchfVO 2016/1055 sowie § 4 WpAV. Danach ist die Mitteilung noch immer ausdrücklich als Ad-hoc-Meldung zu bezeichnen (Art. 2 Abs. 1 lit. b Satz 2 Ziff. i DurchfVO 2016/1055; § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a WpAV)[252].

483

Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 MAR formuliert nur allgemein, dass der Emittent sicherzustellen hat, dass die Insiderinformation in einer Art und Weise veröffentlicht wird, die es der Öffentlichkeit ermöglicht, schnell auf sie zuzugreifen und sie vollständig, korrekt und rechtzeitig zu bewerten. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. i DurchfVO 2016/1055 genügt nicht mehr die Herstellung einer „Bereichsöffentlichkeit“, sondern die Insiderinformationen müssen „nichtdiskriminierend an eine möglichst breite Öffentlichkeit“ weitergegeben werden[253].

484

Die DurchfVO 2016/1055 sieht konkret vor, dass die Informationen an die Medien übermittelt werden, „bei denen die Öffentlichkeit vernünftigerweise davon ausgeht, dass sie die Informationen tatsächlich verbreitet“[254]. Das entspricht dem, was bislang als Veröffentlichung über allgemein zugängliche Informationssysteme bezeichnet wurde[255] und v.a. die Börsenpflichtblätter umfasste. Eine Veröffentlichung etwa über soziale Medien genügt den Anforderungen nicht[256]. Die Veröffentlichung hat zeitgleich in der gesamten Union zu erfolgen (Art. 2 Abs 1 lit. a Ziff. iii DurchfVO 2016/1055).

485

Der Emittent hat die Insiderinformation auf seiner Website zu veröffentlichen und dort für mindestens fünf Jahre der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 3 MAR, Art. 3 DurchfVO 2016/1055). Die technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe (Art. 17 Abs. 10 UAbs. 1 lit. a MAR) finden sich in Art. 2 der DurchfVO[257]. Nach § 3b Abs. 2 Satz 1 WpAV hat die Information in deutscher Sprache zu erfolgen. Nur in Ausnahmefällen kommt eine Veröffentlichung in deutscher oder englischer (§ 3b Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 WpAV) bzw ausschließlich in englischer Sprache (§ 3b Abs. 1 und 4 WpAV) in Betracht.

486

Bei einem Verstoß gegen § 26 Abs. 1 oder 2 WpHG oder Art. 17 Abs. 1, 7 oder 8 MAR haftet der Inlandsemittent nach § 26 Abs. 3 WpHG. Eine zivilrechtliche Haftung erfolgt unter den Voraussetzungen der §§ 97 und 98 WpHG. Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, bleiben unberührt (§ 26 Abs. 3 Satz 2 WpHG).

3. Aufschub der Offenlegung (Art. 17 Abs. 4–7 MAR)

a) Einführung

487

Art. 17 Abs. 4 MAR relativiert die weitreichende Offenlegungspflicht des Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR[258]. Ziel ist, die Geschäftschancen des Emittenten zu schützen[259]. Danach kann der Emittent die Veröffentlichung auf eigene Verantwortung, dh ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde aufschieben[260], solange die im Gesetz genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen[261]. Die Befreiung besteht nur, wenn ansonsten die berechtigten Interessen des Emittenten beeinträchtigt würden (siehe unten b)), es darf keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten (siehe unten c)) und es muss Vertraulichkeit gewährleistet sein (siehe unten d))[262]. Dem Emittenten obliegt die eigenverantwortliche Prüfung der Voraussetzungen für eine Befreiung. Er hat die Darlegungs- und Beweislast für deren Vorliegen[263].

488

Ergänzt wird Art. 17 Abs. 4 MAR durch Art. 4 f DurchfVO 2016/1055. Eine Konkretisierung erfolgt durch die §§ 6 ff WpAV sowie die ESMA-Leitlinien, die in Deutschland am 20. Dezember 2016 in Kraft getreten sind[264].

 

489

Umstritten war in Bezug auf § 15 Abs. 3 WpHG aF, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Befreiung automatisch auch ohne konkrete Entscheidung des Emittenten eintritt[265]. Dagegen sprach, dass die zugrunde liegende Richtlinie auf ein Aufschieben und damit eine aktive Handlung abstellt[266]. Der BGH sah einen fehlenden Beschluss jedenfalls dann als unerheblich an, wenn sich die Emittentin für einen Aufschub entschieden hätte und die Voraussetzungen des Aufschubs im Übrigen vorliegen. Dann seien die Schutzzwecke der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung nicht unmittelbar berührt[267].

490

Nach überzeugender Ansicht der ESMA setzt der Aufschub „auf eigene Verantwortung“ (Art. 17 Abs. 4 MAR) eine aktive Entscheidung des Emittenten voraus[268]. Zudem sind nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Ziff. i VO 2016/1055 die Personen zu dokumentieren, die für die Entscheidung über den Aufschub zuständig sind. Auch Art. 17 Abs. 6 MAR verlangt bei der speziellen, neu eingeführten Selbstbefreiung zur Wahrung der Finanzsystemstabilität vom Emittenten, die Behörden von der Absicht eines Aufschubs in Kenntnis zu setzen. Dies spricht zumindest bei dieser Regelung gegen einen Automatismus. Es kann also keine automatische Befreiungswirkung (mehr) eintreten[269]. Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Aufschubentscheidung innerhalb des Emittenten trifft, sofern es nur derjenige ist, der nach den unternehmensinternen Regelungen zuständig ist[270]. Diese entscheidungsbefugte Person muss dabei stets erreichbar sein[271].

491

Zuständig für den Aufschub der Offenlegung ist nach Art. 17 Abs. 4 MAR der Emittent, dh regelmäßig der diesen vertretende Vorstand[272]. Im Schrifttum wird diesbezüglich teilweise vertreten, dem Vorstand sei diesbezüglich ein gerichtlich nicht kontrollierbarer Beurteilungsspielraum zuzugestehen[273]. Ob sich diese Ansicht durchsetzt, bleibt abzuwarten[274]. Als ausreichend wird es angesehen, wenn zumindest ein Vorstandsmitglied an der Beschlussfassung beteiligt ist, dh etwa als Mitglied eines sog. Ad-hoc-Komittes entscheidet. Nicht erforderlich ist eine Entscheidung als Gesamtorgan. Der Aufsichtsrat wird grds dann als für die Aufschubentscheidung zuständig angesehen (Annexkompetenz), wenn die Insiderinformation in dessen Zuständigkeitsbereich entsteht (zB Abberufung eines Vorstandsmitglieds)[275]. Andere bejahen das auch dann, wenn der Vorstand keine Kenntnis von der Insiderinformation, der Aufsichtsrat aber ein berechtigtes Interesse an der vertraulichen Behandlung gegenüber dem Vorstand hat[276].

492

Sobald die Voraussetzungen für die Befreiung wegfallen, etwa weil die Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet werden kann, muss die Veröffentlichung unverzüglich nachgeholt werden (Art. 17 Abs. 7 UAbs. 1 MAR). Der Emittent hat unmittelbar nach Offenlegung der Insiderinformation die zuständige Behörde[277] über den Aufschub zu informieren und schriftlich zu erläutern („ex-post-notification“; Art. 17 Abs. 4 UAbs. 3 MAR), inwieweit die Bedingungen für einen Aufschub erfüllt waren[278]. Das Unmittelbarkeitserfordernis ist nicht mehr erfüllt, wenn erst Stunden nach der Veröffentlichung oder am nächsten Morgen eine Übermittlung stattfindet. Eine zeitgleiche Erfüllung soll nach Ansicht der BaFin möglich sein[279].


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