Kapitalmarktrecht

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

c) Vertragsstrafe

143

Eine Verletzung der in den AGB Freiverkehr vorgesehenen Einbeziehungsfolgepflichten, insbesondere der Mitteilungspflichten, kann eine Vertragsstrafe auslösen. § 15 AGB Freiverkehr enthält eine solche bei Verletzung der in § 13 AGB Freiverkehr vorgesehenen Mitteilungspflichten im Rahmen des sog. Quotation Board, § 23 AGB Freiverkehr bei Verletzung der Einbeziehungsfolgepflichten in Scale. Die Verhängung von Vertragsstrafen kann nach § 24 AGB Freiverkehr bzw § 15 Abs. 4 iVm § 24 AGB Freiverkehr veröffentlicht werden („naming and shaming“).

4. Organisierte Handelssysteme

144

§ 2 Abs. 7 BörsG und § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 9 WpHG umschreiben den Begriff der Organisierten Handelssysteme (Organised Trading Facilities, OTF).

→ Definition:

Organisierte Handelssysteme sind alle von Investmentfirmen oder Marktbetreibern betriebene Systeme, welche auf organisierter Basis multiple Kauf- und Verkaufsinteressen von Dritten, bezogen auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate oder Derivate, zusammenbringen (Art. 2 Abs. 1 UAbs. 7 MIFIR)[93].

Der Betrieb eines OTF stellt eine Wertpapierdienstleistung iS des WpHG (§ 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG) sowie eine Finanzdienstleistung iS des KWG (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1d KWG) dar.

145

Die Erforderlichkeit dieses Handelssystems wurde teilweise angesichts der inhaltlichen Nähe zu den Multilateralen Handelssystemen (MTF) bezweifelt[94]. Allerdings werden dadurch sämtliche Systeme erfasst, die keine MTF sind, sodass ein „Ausweichen“ aus dem gesetzlich geregelten Bereich (regulierter Markt, MTF) nun nicht mehr möglich ist und die meisten Over-the-counter-Geschäfte jetzt als OTF einzuordnen sind[95]. In einem OTF können allerdings keine Aktien und andere Gesellschaftsanteile gehandelt werden, sondern lediglich Nicht-Eigenkapitalinstrumente[96].

146

Relevante Bestimmungen bzgl der OTF finden sich in § 48b BörsG, sofern der Börsenträger Betreiber eines OTF ist. Daneben enthält § 72 WpHG Pflichten für sämtliche Betreiber eines organisierten Handelssystems. § 73 WpHG bezieht sich auf die Aussetzung des Handels sowie den Ausschluss von Finanzinstrumenten. Besondere Anforderungen an organisierte Handelssysteme sieht § 75 WpHG vor[97]. Sodann ist die VO 600/2014 (MiFIR) zu beachten, welche etwa durch die DelVO 2017/567 ergänzt wird.

147

Nach § 48b Abs. 1 BörsG bedarf der Betrieb eines OTF an einer Börse der schriftlichen Erlaubnis der Börsenaufsichtsbehörde[98]. Abgesehen von speziellen, in § 48b Abs. 2 ff BörsG genannten Regelungen gelten die Vorschriften des BörsG für den Freiverkehr (§ 48b Abs. 1 Satz 4 BörsG). Insbesondere darf der Börsenbetreiber ein organisiertes Handelssystem nicht innerhalb derselben rechtlichen Einheit zusammen mit einer systematischen Internalisierung betreiben (§ 48b Abs. 5 Satz 1 BörsG sowie § 75 Abs. 4 WpHG). Ein Unterschied zu den MTF besteht darin, dass der Börsenträger als Betreiber eines OTF einen Ermessensspielraum bzgl der Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts, dh der Zusammenführung der Orders, hat (§ 48b Abs. 7 BörsG sowie § 75 Abs. 6 WpHG)[99].

5. Systematische Internalisierer (SI)

148

Der systematische Internalisierer handelt außerhalb eines organisierten Markts oder eines MTF für eigene Rechnung, dh unter Einsatz des eigenen Kapitals mit Finanzinstrumenten.

→ Definition:

Systematische Internalisierung ist das häufige organisierte und systematische Betreiben von Eigenhandel in erheblichem Umfang außerhalb organisierter Märkte oder multilateraler bzw organisierter Handelssysteme, wenn Kundenaufträge dort ausgeführt werden, ohne dass ein multilaterales Handelssystem betrieben wird (§ 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 lit. b WpHG[100]).

149

Die systematische Internalisierung ist in der VO 600/2014 (MiFIR) geregelt, welche durch Art. 6 ff und 12 ff DelVO 2017/567 ergänzt wird[101]. Nach § 79 Satz 1 WpHG haben WpDU, die als systematische Internalisierer tätig sind, dies unverzüglich der BaFin mitzuteilen[102]. Diese meldet das wiederum an die ESMA (§ 79 Satz 2 WpHG). Es reicht jetzt nicht mehr ein tatsächliches Verhalten, um systematischer Internalisierer sein zu können.

150

Durch die MiFID II sollte die Transparenz auch im außerbörslichen Handel (OTC-Handel) erhöht werden. Der Anwendungsbereich erstreckt sich nunmehr auf sowohl Eigenkapitalinstrumente[103] als auch Nichteigenkapitalinstrumente[104]. Eingeführt wurden außerdem Schwellenwerte, die sich aus dem Verhältnis von OTC-Eigenhandelsaufkommen bei einem Finanzinstrument zum entsprechenden EU-weiten Handelsaufkommen ergibt (§ 2 Abs. 8 Satz 3 und 4 WpHG; Art. 12 ff DelVO 2017/565).

151

Systematische Internalisierer sind zumeist Banken[105], die das System „Xetra Best Execution“ für die (bilaterale[106]) Ausführung der Kundenaufträge nutzen, wo zunächst geprüft wird, ob ein Auftrag durch ein eigenes Angebot der Bank bedient werden kann. Eine Preisbildung geschieht daher, anders als bei einem MTF, durch die Preisbestimmung des Internalisierers und nicht durch Kauf- und Verkaufsangebote der Marktteilnehmer. Ein systematischer Internalisierer betreibt daher im Unterschied zum geregelten Markt und zu einem multilateralen Handelssystem Eigenhandel und übernimmt ein eigenes Marktrisiko[107]. Demgemäß fällt auch der sog. Over the Counter-Handel (OTC-Handel) unter den Begriff des systematischen Internalisierers[108].

→ Definition:

OTC-Handel bezieht sich auf „Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes“ (§ 2 Abs. 8 Satz 3 WpHG).

Anders ist das nur zu beurteilen, wenn die OTC-Geschäfte ad hoc und unregelmäßig stattfinden, sodass die Tätigkeit des WpDU nicht planmäßig und systematisch erfolgt[109].

152

Um systematischer Internalisierer zu sein, muss das WpDU in systematischer Weise häufig (§ 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 lit. b, § 2 Abs. 8 Satz 3 WpHG)[110] und in erheblichem Umfang Handel betreiben. Kommt es bzgl der Häufigkeit auf die Anzahl der Geschäftsabschlüsse an, die das WpDU für eigene Rechnung im Kundenauftrag durchführt, ist für das Merkmal „in erheblichem Umfang“ deren Volumen entscheidend. Das Merkmal ist erfüllt, wenn der Anteil, den der OTC-Handel des WpDU an seinem Gesamthandelsvolumen in einem bestimmten Finanzinstrument ausmacht, einen gewissen Wert erreicht oder überschreitet. Es ist auch erfüllt, wenn das Gesamthandelsvolumen des WpDU im OTC-Handel einen bestimmten Umfang im Vergleich zum Volumen aller Marktteilnehmer in der Union in einem bestimmten Finanzinstrument ausmacht (§ 2 Abs. 8 Satz 4 WpHG). Die hierfür relevanten Schwellenwerte hat die Kommission in einem delegierten Rechtsakt festgelegt (Art. 50 VO 600/2014, Art. 12–17 DelVO 2017/565). Hat das WpDU die maßgeblichen Obergrenzen überschritten, kann es sich freiwillig als systematischer Internalisierer einstufen lassen (§ 2 Abs. 8 Satz 5 WpHG)[111].

153

Eine Rechtsfolge bzgl eines Verstoßes gegen die Art. 14–23 VO 600/2014 sieht § 120 Abs. 9 Nr. 8 WpHG für die Verletzung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den veröffentlichten Quotes (Art. 17 Abs. 1 MiFIR) vor. Zivilrechtliche Ansprüche sollen nach einer Ansicht aus § 280 Abs. 1 BGB bzw aus culpa in contrahendo folgen können, da die Art. 14–23 VO 600/2014 privatrechtliche Regelungen seien[112]. Die Schutzgesetzqualität der Art. 14–23 VO 600/2014 wird dagegen überwiegend verneint[113].

6. Markttransparenz für Handelsplätze und systematische Internalisierer

154

Für regulierte Märkte, multilaterale und organisierte Handelssysteme sowie systematische Internalisierer gelten bestimmte Vorhandels- und Nachhandelstransparenzpflichten. Ziel ist die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen zwischen konkurrierenden Handelsplätzen. Geregelt sind die Anforderungen in der VO 600/2014 (MiFIR), die etwa durch die DelVO 2017/567, 2017/572, 2017/577, 2017/583 und 2017/587 ergänzt werden.

a) Geregelter Markt, MTF, OTF

155

 

Für den geregelten Markt sowie für multilaterale (MTF) und organisierte Handelssysteme (OTF)[114] findet sich eine Regelung der Vorhandelstransparenz im Hinblick auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente (Eigenkapitalinstrumente) in Art. 3 VO 600/2014. Danach sind für die genannten Eigenkapitalinstrumente, die auf einem Handelsplatz gehandelt werden, während der üblichen Handelszeiten auf kontinuierlicher Basis die aktuellen Kurse und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen zu veröffentlichen.

156

Der Marktbetreiber oder die Wertpapierfirma, die den Handelsplatz betreibt, hat außerdem die derart veröffentlichten Angaben („Vorhandelsdaten“) zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen offenzulegen und einen diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Informationen sicherzustellen (Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 VO 600/2014). Die Bereitstellung dieser Informationen hat „kostenlos binnen 15 Minuten“ zu erfolgen (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO 600/2014). Präzisiert wird die Vorhandelstransparenz durch Art. 6–11 DelVO 2017/567 und Art. 3–8 DelVO 2017/587.

157

Die Nachhandelstransparenz ist für die Handelsplätze im Hinblick auf die dort gehandelten Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelten Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente in Art. 6 VO 600/2014 geregelt. Danach sind der Preis, das Volumen sowie der Zeitpunkt der Geschäfte „so nah in Echtzeit wie technisch möglich“ zu veröffentlichen (vgl § 31 BörsG aF: „unverzüglich“). Auch diese „Nachhandelsdaten“ sind nach ihrer Veröffentlichung durch den Marktbetreiber oder die Wertpapierfirma, die den Handelsplatz betreibt, „kostenlos binnen 15 Minuten“ zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen offenzulegen und ein diskriminierungsfreier Zugang dazu sicherzustellen (Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 VO 600/2014). Die Anforderungen an die Nachhandelstransparenz werden durch Art. 6–11 DelVO 2017/567 sowie Art. 12–16 DelVO 2017/587 ergänzt.

158

Die Vorhandels- und Nachhandelstransparenzpflichten gelten nach Art. 8 und 10 VO 600/2014 im Ausgangspunkt auch für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (Nichteigenkapitalinstrumente).

b) Systematische Internalisierer

159

Auch Systematische Internalisierer von Aufträgen in börsennotierten Aktien, Aktienzertifikaten, börsengehandelten Fonds, Zertifikaten und anderen vergleichbaren Finanzinstrumenten müssen den Pflichten der Vor- und Nachhandelstransparenz nachkommen (Art. 14 f VO 600/2014, Art. 20 VO 600/2014). Art. 14 VO 600/2014 wird durch Art. 9 ff DelVO 2017/587 (v.a. Vorkehrungen für die Veröffentlichung einer festen Notierung) ergänzt. Im Rahmen der Vorhandelstransparenz sind für die angebotenen Finanzinstrumente regelmäßig und kontinuierlich während der üblichen Handelszeiten Kursofferten (Quotes) zu veröffentlichen (verbindliche Kauf- und Verkaufsangebote zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen)[115]. Es besteht im Grundsatz ein Verbot der Preisverbesserung, sodass die Kundenaufträge prinzipiell auch zum veröffentlichten Preis auszuführen sind[116] (Art. 15 Abs. 2 VO 600/2014, Kontrahierungszwang[117]). Mit dieser Pflicht zur Vorhandelstransparenz soll der Gefahr begegnet werden, dass am Markt keine effiziente Preisbildung für die Finanzinstrumente erfolgt[118].

160

Zwar kann ein systematischer Internalisierer entsprechend seiner Geschäftspolitik entscheiden, welchen Kunden er Zugang zu seinen Kursofferten gibt, das hat jedoch „in objektiver, nichtdiskriminierender Weise“ zu erfolgen (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 VO 600/2014). Er soll ihm unliebsame Handelsteilnehmer von seinem Liquiditätspool nicht ausnehmen können. Hierzu hat sich der systematische Internalisierer „eindeutiger Standards“, dh Geschäftsbedingungen, zu bedienen (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 VO 600/2014). Das gilt im Kern auch für verbindliche Kursofferten in Bezug auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (Art. 18 VO 600/2014).

161

Die Nachhandelstransparenz ist in Art. 20 bzw Art. 21 VO 600/2014 geregelt. Der systematische Internalisierer hat nach dem Handel mit den von ihm angebotenen Finanzinstrumenten das Volumen und den Kurs der getätigten Geschäfte sowie den Zeitpunkt ihres Abschlusses zu veröffentlichen. Auch die systematischen Internalisierer haben die Anforderungen der DelVO 2017/587 zu beachten.

162

Die Pflichten zur Vorhandels- und Nachhandelstransparenz gelten indes nur, wenn der systematische Internalisierer die Kundenaufträge bis zur Standardmarktgröße ausführt, nicht aber, wenn dies darüber hinaus erfolgt. Der Bezug auf die Standardmarktgröße zeigt, dass nur Privatkunden vor einer übervorteilenden Internalisierung ihrer Wertpapieraufträge geschützt und nicht die bankinternen Ausführungen von sog. Block Orders mit erheblichem Volumen erfasst werden sollen. Aus Art. 11 DelVO 2017/587 ergibt sich, dass dieser Begriff eine Größe meint, die für den rechnerischen Durchschnittswert der auf dem Markt ausgeführten Geschäfte für die Aktien dieser Gattung gilt.

7. Exkurs: Grauer und schwarzer Kapitalmarkt

163

Der graue Kapitalmarkt war kein Handelssegment ieS, vielmehr wurden dort Produkte gehandelt, die nicht Wertpapiere iS des WpHG waren (insbesondere Anteile an Personenhandelsgesellschaften). Er wies lange den geringsten Organisationsgrad auf, da ein vorgeschriebener Teilnehmerkreis regelmäßig ebenso fehlte wie eine Erlaubnispflicht bzw Marktaufsicht sowie Publizitätspflichten[119]. Um den Missständen auf dem grauen Kapitalmarkt zu begegnen, hatte die Rechtsprechung in richterlicher Rechtsfortbildung Grundsätze des Anlegerschutzes entwickelt[120]. Entstanden sind dadurch etwa das Sonderrecht für Publikumskommanditgesellschaften sowie die sog. allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung[121].

164

Inzwischen ist der sog. graue Kapitalmarkt nicht mehr „grau“[122]. Der Gesetzgeber hatte schon 2004 eine Prospektpflicht für nicht wertpapierverbriefte Anlageformen des grauen Kapitalmarkts eingeführt (§§ 8f ff VerkProspG aF). Die Vermittler und Berater von Vermögensanlagen iS des VermAnlG bedurften grds einer gewerberechtlichen Erlaubnis und unterstehen der Aufsicht der Gewerbeaufsichtsbehörden der Länder (nicht der BaFin!). Das VermAnlG wurde 2013 in Teilen vom Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) abgelöst[123], wonach für den Vertrieb bestimmter Produkte eine Erlaubnis- bzw Registrierungspflicht (BaFin) besteht.

165

Am illegalen sog. schwarzen Kapitalmarkt werden unerlaubt, dh ohne die gesetzlich erforderliche Erlaubnis der BaFin, betriebene Bank- und Versicherungsgeschäfte sowie sonstige Finanzdienstleistungen verstanden[124]. Verfügungen der BaFin gegen Akteure des „schwarzen Kapitalmarkts“ sowie entsprechende Warnungen werden auf der Homepage der BaFin veröffentlicht[125]. Im Gegensatz dazu werden diejenigen Institute, Finanzdienstleister usw, welche die aufsichtsrechtlich erforderliche Erlaubnis für ihre Tätigkeiten haben, als weißer Kapitalmarkt bezeichnet[126].

IV. Der Gang an die Börse


[Bild vergrößern]

1. Vorbereitung der Börsenzulassung: Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen

166

Nach einer Vorteils-/Nachteilsanalyse ist zunächst ein Beschluss des Vorstands und, sofern die Satzung der AG dies vorsieht, auch des Aufsichtsrats bzgl eines Antrags auf Zulassung der Aktien zum Handel im regulierten Markt erforderlich. Sodann bedarf der Antrag auf Börsenzulassung nach hM der Zustimmung der Hauptversammlung. Das soll sich nicht nur aus den sog. Holzmüller-Grundsätzen[127] ergeben, wonach bei wesentlichen Strukturmaßnahmen eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz besteht, sondern auch aus den sog. Gelatine-Urteilen des BGH[128], in denen die Anwendung dieser Grundsätze auf solche Entscheidungen begrenzt wird, die die rechtliche Struktur der Gesellschaft betreffen.

167

Nach hM sind die Veränderungen durch eine Börsenzulassung mit einer Strukturänderung vergleichbar, die allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann. Schließlich verändern die daraus resultierenden (Zulassungsfolge-)Pflichten für den Emittenten sowie die Pflichten für den Anleger (zB Stimmrechtsmitteilung nach §§ 33 ff WpHG) elementar den Charakter der Gesellschaft. Im Schrifttum wird dieser Einordnung teilweise widersprochen und ein Beschluss der Hauptversammlung als entbehrlich angesehen. Der Börsengang führe nicht zu einem Konzernsachverhalt und bewirke daher keine Mediatisierung[129]. Die praktische Bedeutung dieses Meinungsstreits ist deshalb gering, weil regelmäßig (auch) ein Beschluss der Hauptversammlung zur Erhöhung des Grundkapitals erforderlich ist (Barkapitalerhöhung oder Schaffung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss für die Altaktionäre), da die zu platzierenden Aktien durch eine Kapitalerhöhung erst noch geschaffen werden müssen[130].

2. Zulassung von Wertpapieren

168

Sollen Wertpapiere im regulierten Markt gehandelt werden, bedürfen sie in der Regel[131] der Zulassung oder Einbeziehung durch die Börsengeschäftsführung (§ 32 Abs. 1 BörsG). Was unter Wertpapieren iS des BörsG zu verstehen ist, ist im BörsG nicht geregelt. Diesbezüglich wird der im Schrifttum vertretene weite Wertpapierbegriff, nach dem Wertpapiere Urkunden sind, die private Rechte dergestalt verbriefen, dass diese Rechte ohne Urkunde nicht geltend gemacht werden können[132], als gleichzeitig zu eng und zu weit angesehen. Was ein Wertpapier iS des BörsG ist, ist daher aus den in § 2 Abs. 1 WpHG und § 2 Nr. 1 WpPG iVm Art. 2 lit. a ProspektVO enthaltenen Definitionen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Börsenhandels sowie des Zwecks der jeweiligen Regelung des BörsG zu schließen. Entscheidend ist hiernach die Vertretbarkeit oder Fungibilität[133]. Damit fallen unter den börsenrechtlichen Wertpapierbegriff alle handelbaren Wertpapiere wie Aktien, Aktien vertretende Zertifikate bzw Hinterlegungsscheine, Genuss- oder Optionsscheine, Anleihen von Industrieunternehmen bzw Körperschaften und Investmentzertifikate[134].

169

Bei der Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel im regulierten Markt ist zwischen der erstmaligen Zulassung (IPO, Initial Public Offering) und einer späteren Zulassung auf der Basis einer Kapitalerhöhung zu unterscheiden. Die Zulassung erfolgt auf Antrag des Emittenten (§ 48 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV iVm § 23 Abs. 1 VwVfG)[135] und eines der in § 32 Abs. 2 Satz 1 BörsG genannten Institute (Emissionsbegleiter[136]). Der Emissionsbegleiter hat ein ordnungsgemäßes Zulassungsverfahren zu gewährleisten.

170

§ 32 Abs. 3 Nr. 1–2 BörsG enthält die materiellen Zulassungsvoraussetzungen. Es müssen die Anforderungen des Art. 35 EU-DurchfVO 1287/2006 (Regelung bzgl übertragbarer Wertpapiere) und die auf § 34 BörsG beruhenden Vorgaben der BörsZulV erfüllt sein. Zudem ist grds ein nach Art. 20 ProspektVO gebilligter, veröffentlichter Prospekt beizufügen. Ausreichend ist auch ein Prospekt nach §§ 165, 318 Abs. 3 KAGB. Auf eine Prospektbeifügung kann verzichtet werden, wenn eine Prospektveröffentlichung aufgrund von Ausnahmevorschriften der ProspektVO/des WpPG nicht erforderlich ist. Die Geschäftsführung der Börse hat das formale Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen[137]. Eine materielle Prüfung erfolgt grds nicht. Erfolgte die Zulassung des Wertpapiers zum Börsenhandel aufgrund eines unrichtigen oder unvollständigen Börsenprospekts, besteht gegenüber dem geschädigten Anleger eine Haftung nach §§ 9 ff WpPG[138].

 

171

Sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 BörsG gegeben, hat der Emittent einen Rechtsanspruch auf Zulassung (begünstigender Verwaltungsakt)[139]. Diese kann nach § 32 Abs. 4 BörsG nur versagt werden, wenn der Emittent seine Pflichten an einem anderen organisierten Markt nicht erfüllt. Mit der Zulassung können die Wertpapiere auf allen Handelsplattformen (Parketthandel[140], elektronische Handelssysteme[141]) der jeweiligen Börse gehandelt werden.

172

Die Zulassung ist Voraussetzung für die Börseneinführung (§ 38 Abs. 1 BörsG)[142], dh die Aufnahme der Notierung der Wertpapiere. Hiervon zu unterscheiden ist die Emission (Ausgabe, Begebung), womit das gesamte In-den-Verkehr-Bringen, dh die erste Ausgabe und Platzierung der Wertpapiere durch den Emittenten gemeint ist[143].