Demokratisierung von Organisationen – Erfolgsmodell Schweiz

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F.Wie ist das Buch aufgebaut?

1.Zuerst wird geprüft, ob sich die Schweiz wirklich als Erfolgsmodell für Unternehmen und Organisationen eignet. Was ist Erfolg? Für wen? Wie messen wir Erfolg? Wie können wir sicher sein, dass der Erfolg der Schweiz auf sein Betriebssystem und nicht auf andere Faktoren zurückzuführen ist? Zudem, ein Staat ist kein Unternehmen: Wo liegen die Grenzen der Übertragbarkeit eines Staatssystems auf wirtschaftliche Organisationen?

2.Anschliessend werden einige Mythen über Demokratie aufgeklärt, z.B. dass direkte Demokratie bedeute, dass alle überall mitreden können. Oder dass sie langsam sei. Oder dass in ihr keine Hierarchien und keine Führung existieren.

3.Im Hauptteil werden die Kernelemente der direkten Demokratie untersucht. Für jedes der folgenden Kernelemente der direkt-demokratisch organisierten Schweiz wird untersucht: Was ist es (Definition) und wie funktioniert es? Was ist der Nutzen davon? Kritik? Wie lässt es sich auf eine Wirtschaftsorganisation übertragen? Wie einführen?

A.Kollegialitätsprinzip

B.Initiative

C.Referendum

D.Gewaltenteilung

E.Verfassung

F.Konkordanz

G.Partizipative Entscheidungsfindung

H.Subsidiaritätsprinzip, Föderalismus

I.Vernehmlassung, Konsultation der Stakeholder

J.Repräsentanten und Parteien

K.Fraktal skalierbare Organisationsstruktur

L.Notrecht, wenn es eilt

M.Das Fundament: Kulturelle Werte

4.Zum Schluss wird der Transformationsprozess von einer post-feudalistisch hin zu einer demokratisch geführten Wirtschaftsorganisation an einem Praxisbeispiel illustriert: 30 Architekten übernehmen die Firma vom Gründer und Inhaber in direkt-demokratischer Governance. Es wird beleuchtet: Ausgangslage und Absicht, der Transformationsprozess, die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren auf dem Weg und das Resultat, die Wirkungen, der Nutzen heute. Interviews mit dem ehemaligen Inhaber und den Nachfolgern runden das Buch ab.

II.Die Schweiz: Ein Erfolgsmodell?
A.Das beste Land der Welt
1.Was ist für wen Erfolg?

Erfolg ist das, was auf Handlungen «er-folgt». Handlungen sind in aller Regel auf implizite oder explizite Ziele ausgerichtet. Was Erfolg ist, bestimmt deshalb immer der Handelnde selbst auf Basis von bewussten oder unbewussten Erfolgsindikatoren. Wird beispielsweise ein persönliches Ziel «schlanker werden» formuliert, wäre ein Erfolgsindikator dafür eine entsprechende Reduzierung des Körpergewichts und/oder Bauchumfangs.

Was sind Ziele und Erfolgsindikatoren eines Landes, einer Staatsordnung?

Die Urschweiz wurde als Antwort auf die feudalistischen Machtansprüche der Habsburger gegründet. Dabei ging es primär um Freiheit und Sicherheit. Möglicherweise ist dieses Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit das Kerndilemma jeder Staatsordnung, denn meistens erhalten wir das eine nur auf Kosten des anderen: Wird versucht, mit vielen Regeln die Sicherheit zu erhöhen, verringert dies die individuelle Freiheit.

Erfolg in diesem Sinne wäre also, wenn es gelingt, maximale Freiheit mit maximaler Sicherheit zu kombinieren.

Die Schweiz gilt als eines der sichersten Länder der Welt, und zwar sowohl gegen aussen – seit der Gründung des Bundesstaates 1848 unversehrt von Krieg – als auch nach innen – mit einer im internationalen Vergleich sehr tiefen Kriminalitätsrate. Gleichzeitig dürften sich die meisten Schweizer als ausgesprochen frei bezeichnen. Bezüglich dieses Spannungsfelds ist die Schweiz also bereits als erfolgreich zu bewerten.

2.Wer misst wie den Erfolg der Schweiz?

Nach dem Motto «trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast!» liegt es nahe, selbst auf die Suche nach Erfolgsindikatoren für das System Schweiz zu gehen. Google macht das leicht und siehe da, der Erfolgsmeldungen sind viele:

«Die Schweiz ist das wettbewerbsfähigste Land der Welt» titelt SRF News10: «Die Schweiz baut ihre Siegesserie aus: Zum achten Mal hintereinander ist sie das wettbewerbsfähigste Land der Welt, wie die alljährliche Studie des WEF feststellt. Dahinter folgen Singapur und die USA. Spitze sei die Schweiz bei der Effizienz des Arbeitsmarkts, beim direkten Geschäftsumfeld und den Geschäftsmodellen von Unternehmen, bei der Innovation sowie zum ersten Mal bei der technologischen Bereitschaft. Die Schweiz habe wohl eines der fruchtbarsten Innovationsökosysteme, hielt das WEF fest. […] Auch das politische System und die Infrastruktur seien förderlich, die Hochschulen und Universitäten seien herausragend. Gleichzeitig vermöge die Schweiz die besten Talente anzuziehen. Vorteile seien auch die zahlreichen Grosskonzerne, das dichte Netz an KMU sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.»

«Die Schweiz belegt Spitzenplatz bei Standortqualität» titelt punkt411: «Die Schweiz belegt den ersten Platz in der Rangliste zur Standortqualität von IW Consult12. Zu ihren Stärken gehören starkes Humankapital sowie gute institutionelle Rahmenbedingungen.»

«Die Schweiz belegt den Spitzenplatz» titelt die Neue Zürcher Zeitung: «In einem Tourismusvergleich des WEF unter 133 Ländern belegt die Schweiz den Spitzenplatz. Ins Gewicht fällt insbesondere das gut ausgebaute Verkehrsnetz. Sehr gut bewertet wurde auch die Infrastruktur. Auf den weiteren Podestplätzen folgen Österreich und Deutschland.»13

«Schweiz belegt Spitzenplatz bei der Breitbandabdeckung» titelt Computerworld: «99 Prozent der Schweizer Haushalte verfügen über einen Internetanschluss mit einer Bandbreite von mindestens 30 Megabit pro Sekunde. Das sei ein internationaler Spitzenwert, schreibt Suissedigital.»14

«EHCI: Schweiz belegt Spitzenplatz» titelt AEH: «Wie bereits im Jahr 2013 belegt die Schweiz im diesjährigen Euro Health Consumer Index den zweiten Rang unter 36 europäischen Ländern. Die Schweiz wird als äusserst patientenfreundlich wahrgenommen und ist bezüglich Zugänglichkeit in allen Bereichen hoch bewertet.»15

«Das sind die besten Unis der Welt – eine Schweizer Hochschule verteidigt Spitzenplatz in den Top 10» titelt das Tagblatt: «Letztes Jahr stieg die ETH einen Rang auf. Nun verteidigt die Zürcher Hochschule Platz sechs im neuesten QS World University Rankings. Die EPFL Lausanne macht vier Ränge wett und liegt nun auf Platz 14.»16

«Im internationalen Vergleich belegen Schweizer KMU einen Spitzenplatz» titelt das KMU Portal des WBFG: «Im internationalen Vergleich belegen Schweizer KMU […] einen Spitzenplatz. Die vergleichsweise hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hiesiger KMUs widerspiegelt sich in den durch KMU neugeschaffenen Stellen. Diese weisen häufiger als in anderen Ländern überdurchschnittliche Saläre auf.»17

«Schweiz ist das innovativste Land in Europa» titelt M-Q: «Im diesjährigen European Innovation Scoreboard der EU-Kommission belegt die Schweiz erneut den Spitzenplatz. Punkten kann sie unter anderem mit ihrer Forschungsinfrastruktur und ihrem Humankapital.»18

«Die Schweiz hat beim weltweiten Kampf um Fachkräfte weiter die Nase vorn, zeigt eine IMD-Studie» titelt die Handelszeitung: «In der Vergleichsstudie World Talent Ranking der Businessschule IMD Lausanne behauptete die Schweiz auch in der Ausgabe 2019 ihren Spitzenplatz vor Dänemark und Schweden.»19

Also auch dieser heuristische Weg legt nahe, dass die Schweiz als Erfolgsmodell dienen kann.

Eine andere Möglichkeit, den Erfolg der Schweiz zu beurteilen, ist die Nutzung einer breit abgestützten Informationsquelle. Dazu bietet sich Wikipedia an, die freie, kollektiv erstellte Online-Enzyklopädie. Was schreibt die umfassendste Version davon, die englischsprachige, zur Schweiz?

«The sovereign state is one of the most developed countries in the world, with the highest nominal wealth per adult and the eighth-highest per capita gross domestic product. It ranks at or near the top in several international metrics, including economic competitiveness and human development. Zürich, Geneva and Basel have been ranked among the top ten cities in the world in terms of quality of life, with Zürich ranked second globally. In 2019, IMD placed Switzerland first in attracting skilled workers. World Economic Forum ranks it the 5th most competitive country globally.»20

 

Den umfassendsten Nachweis für den Erfolg der Schweiz liefert allerdings der «Best Country Report» welche das Medienunternehmens U.S. News, das Beratungsunternehmen Y&R's BAV zusammen mit der Wirtschaftshochschule Wharton School der Universität Pennsylvania jedes Jahr auf Basis einer Befragung von 21'000 Menschen weltweit erstellt. Die Schweiz hat in der Gesamtwertung die besten Werte erreicht und belegt damit zum dritten Mal in Folge den ersten Platz. «Switzerland Continues its Reign at the Top of the 2020 Best Countries Report» schreibt US-News.21

Die gewichteten Dimensionen dieser Befragung mit ihren Unterkategorien sind:

Adventure (2%): friendly, fun, pleasant climate, scenic, sexy.

Citizenship (15.88%): cares about human rights, cares about the environment, gender equality, progressive, religious freedom, respects property rights, trustworthy, welldistributed political power.

Cultural Influence (12.96%): culturally significant in terms of entertainment, fashionable, happy, has an influential culture, modern, prestigious, trendy.

Entrepreneurship (17.87%): connected to the rest of the world, educated population, entrepreneurial, innovative, provides easy access to capital, skilled labor force, technological expertise, transparent business practices, well-developed infrastructure, well-developed legal framework.

Heritage (1.13%): culturally accessible, has a rich history, has great food, many cultural attractions.

Movers (14.36%): different, distinctive, dynamic, unique.

Open for Business (11.08%): not bureaucratic, cheap manufacturing costs, not corrupt, favorable tax environment, transparent government practices.

Power (7.95%): a leader, economically influential, politically influential, strong international alliances, and a strong military.

Quality of Life (16.77%): a good job market, affordable, economically stable, family friendly, income equality, politically stable, safe, well-developed public education system, well-developed public health system.

In Bezug auf Erfolg kann damit wohl bestätigt werden, dass die Schweiz als Erfolgsmodell dienen kann.

Die andere Frage ist, ob sie auch als Modell dienen kann.

B.Eine Staatsordnung als Modell für wirtschaftliche Organisationen?

Ob etwas als Modell dienen kann, ist eine Frage der Übertragbarkeit. Inwieweit kann eine Staatsordnung auf eine Wirtschaftsorganisation übertragen werden? Um diese Frage zu beantworten werden zuerst Gemeinsamkeiten und Unterschiede betrachtet und daraus die Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit abgeleitet.

1.Gemeinsamkeiten und Unterschiede Staats- und Wirtschaftsorganisation

Menschen tun sich zusammen und organisieren sich, wenn Sie Werte schaffen wollen, welche sie allein nicht erschaffen können. Ein zentraler Hinweis, ob eine Übertragbarkeit gegeben ist, liegt deshalb in der Absicht: Haben die Organisationen einen ähnlichen Zweck, dürfte Übertragbarkeit eher gegeben sein als bei unterschiedlichen Funktionalitäten. Einen relevanten Hinweis darauf, was Sinn und Zweck einer Organisation ist, zeigt jeweils die Gründungssituation einer Organisation: Wozu werden Staaten gegründet, wozu Organisation?

Staaten werden gegründet, um die Bedürfnisse der Bürger nach Freiheit, Sicherheit, Infrastruktur, Bildung, guten Aussenbeziehungen, etc. sicherzustellen.

Wirtschaftsorganisationen entstehen, wenn Menschen erkennen, dass sie zusammen mehr erreichen können als allein.

In diesem sehr fundamentalen Sinn, wenn es um Sinn und Zweck geht, besteht also eine sehr hohe Gemeinsamkeit: Sowohl Staat als auch Wirtschaftsunternehmen sind Organisationen, die gebaut sind, um Stakeholder Bedürfnisse zu befriedigen.

Wo liegen die Unterschiede?

Die Hauptunterschiede zwischen Staat und Firma liegen in der Art der gegenseitigen Verbindungen und Abhängigkeiten ihrer Stakeholder.

Der Schweizer Staat gehört ihren Bürgerinnen und befriedigt primär deren Bedürfnisse, d.h. er bedient primär seine eigenen Stakeholder. Jede Bürgerin hat mehrere Stakeholder-Rollen inne, d.h. ist mehr oder weniger gleichzeitig «Kundin», «Mitarbeiterin», «Lieferantin», «Investorin» und «Inhaberin» der staatlichen Organisation.

Als «Kunde» erhält der Bürger vom Staat Infrastruktur, Sicherheit, und diverse Dienstleistungen und bezahlt diese mit Steuern.

«Mitarbeiterin» ist die Bürgerin durch aktive oder passive Mitwirkung in der Legislative (z.B. bei Abstimmungen, Wahlen, Referenden, Initiativen, Petitionen etc. oder als Repräsentantin (z.B. als Parlamentarierin), als Mitglied der Exekutive (z.B. als Gemeinderätin oder Mitglied der Schulpflege) oder als Mitglied der Judikative (z.B. als Friedensrichterin).

«Lieferantin» wird sie, wenn sie Aufträge der öffentlichen Hand ausführt.

«Investor» ist ein Bürger über seine Steuern und wenn er mit Staatsdarlehen in den Staat investiert.

«Mitinhaber» ist er per se als Bürger.

In vielen, insbesondere in grösseren Wirtschaftsorganisationen hingegen sind die Stakeholder einseitiger mit der Organisation verbunden. Beispielsweise hat die überwiegende Mehrheit der Kunden eines Computer- oder Automobilherstellers keine weiteren Stakeholder Rollen, d.h. sie sind nicht auch noch Mitarbeiter, Eigentümer, Lieferanten oder Mitinhaber der Organisation. Ausnahmen sind beispielsweise Vereine und Genossenschaften, die Leistungen für ihre eigenen Mitglieder erbringen, wie zum Beispiel Versicherungsgenossenschaften, die bestimmte Risiken auf die eigenen Mitglieder verteilen.22 Diese Organisationen sind vom Prinzip her tatsächlich staatsähnlich aufgebaut: Die Kundin ist zugleich Miteigentümerin, Mitgestalterin, Mitentscheiderin und ggf. sogar Mitarbeiterin.

2.Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit

Es ist deshalb kein Zufall, dass die Demokratisierung von Organisationen vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen begann. Die zurzeit umfangreichste Liste demokratisch geführter Organisationen und Unternehmen mit hohem Selbstorganisationsgrad, die «Bucket List» der Corporate Rebels23, enthält mit wenigen Ausnahmen KMUs, denn dort sind die Distanzen der Stakeholder zueinander bedeutend kleiner als in Grossorganisationen.

Generell kann deshalb die Aussage gewagt werden, dass die Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit der direkten Demokratie der Schweiz auf Wirtschaftsorganisationen abhängig ist von der Nähe und Distanz zwischen den Stakeholdern und ihrer Interessen.

Bezogen auf die einzelnen Elemente der direkten Demokratie sind die Möglichkeiten und Grenzen unterschiedlich. Viele Praktiken können problemlos auch in Grossunternehmen eingeführt werden, wie z.B. der Initiativprozess. Näheres dazu in den entsprechenden Kapiteln zu den Kernelementen der direkten Demokratie.

C.Mythen aufklären

Bevor die einzelnen Elemente der direkten Demokratie beleuchtet werden, noch ein kurzer Blick auf einige Mythen dazu, die, wenn nicht aufgeklärt, den Blick auf das Wesentliche versperren könnten.

1.Mythos jekami

Damit ist der Mythos gemeint, dass Demokratie bedeute, jeder kann überall mitentscheiden.

Tatsache ist, dass in einer Demokratie viel detaillierter geregelt ist, wer wo wie mitreden und mitentscheiden kann, als in einem feudalistischen System. Das liegt auch auf der Hand, da im Feudalismus einfach der Ranghöhere bestimmt, was zu tun ist, welche Regeln gerade gelten, wer Recht hat, etc., es braucht dazu also kein Regelwerk. In der Demokratie hingegen ist dies genau geregelt.

2.Mythos Langsamkeit

Zum Mythos, dass direkte Demokratie langsam sei: Es stimmt zwar, dass es in der schweizerischen Willensbildung bestimmte Geschäfte gibt, die sich tatsächlich über viele Jahre dahinziehen, ohne dass sich Wesentliches verändert, beispielsweise die AHV Revisionen. Doch wenn der Leidensdruck gross genug ist und es eilt, zeigt sich das System sehr agil: Beispielsweise wurde in der Bankenkrise die Grossbank UBS – too big to fail – innert weniger Tage durch die Eidgenossenschaft gerettet.24

Dazu wurde das sogenannte Notrecht in Kraft gesetzt, dasselbe Recht, das bei der Corona Pandemie für den Lock-down eingesetzt wurde. Dieses Recht, verankert im Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung25 übergibt dem Bundesrat in Krisensituationen weitreichende Kompetenzen, um Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, wenn es eilt. Ist die Krise vorbei, geht die Führung zurück ans Parlament (Details dazu siehe Kapitel «Notrecht, wenn es eilt»).

Aber nicht nur in Notsituationen ist die direkte Demokratie viel schneller als ihr Ruf, sondern auch im Alltag. Beispielsweise war die Schweiz, knapp vor Kanada, das erste Land der Welt, das rechtliche Rahmenbedingungen für Block-Chain Technologien eingeführt hat. Dies mit dem Erfolg, dass ein regelrechter Boom von IT-Firmen zwischen den Städten Zug und Zürich entstand, was der Region bereits den Namen «crypto valley» eingebracht hat.

Der grösste Irrtum des Mythos Langsamkeit liegt aber in den lokalen Veränderungen: Der Föderalismus und Dezentralismus erlauben in den Hoheitsgebieten der Gemeinden und Kantonen unglaublich viel schnellere lokale Lösungen, als wenn alle Vorschläge zuerst den Umweg über «Bern» (oder erst recht über «Brüssel») machen müssten.

3.Mythos keine Hierarchie

Zum Mythos, dass es in einer Demokratie keine Hierarchie gäbe: Möglicherweise wird dieser Mythos genährt durch Begriffe wie «Selbstorganisation», «Autonomie», «Empowerment» oder «flache Hierarchie».

Tatsache ist, dass es sehr wohl erstens viele ordnungsbildende (thematische) Hierarchien gibt (z.B. die Hierarchie von Verfassung – Gesetz – Verordnung – Reglement – Verfügung) und zweitens auch Machthierarchien – sowohl die exekutiven als auch die judikativen Systeme sind praktisch überall machthierarchisch aufgebaut.

Damit ähnelt das Schweizer System übrigens dem Konzept «duales Betriebssystem», von John Kotter, bzw. der organisationalen Ambidextrie oder «beidhändigen Führung», welche eine Hierarchie für Zuverlässigkeit und Effizienz und ein selbstorganisierendes Netzwerk für Innovation, Veränderung, Schnelligkeit und Agilität vorschlägt. Mehr dazu im Kapitel «Gewaltenteilung».

4.Mythos keine Führung

Der Mythos, dass es in der direkten Demokratie keine Führung gäbe, kommt wahrscheinlich daher, dass die Führung nicht so sichtbar ist wie in repräsentativen Demokratien wie beispielsweise die USA. Die schweizerische Kultur ist gegenüber personalisierter Macht – zu Recht, wie die meisten Beispiele zeigen – höchst misstrauisch. Wo immer es geht, wird die Macht verteilt. Es gibt sie sehr wohl, die Führung, aber eben, sie ist verteilt. «Leadership durch Followers»26, könnte man diese Art von Führung nennen: Wer eine gute Idee hat, der erhält Gefolgschaft. Führung entsteht durch Menschen, die folgen. Mehr dazu siehe Kapitel «Initiative und Referendum».

 

III.Die wichtigsten Elemente der direkten Demokratie und ihre Übertragung auf Wirtschaftsorganisationen

In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Elemente der direkten Demokratie vorgestellt: die Definition, der Nutzen und die Wertschöpfung für die Organisation, Kritik, die Übertragung auf und die Einführung in Wirtschaftsorganisationen.