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Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

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Du kennst nun meine Sorgen und meine Hoffnungen alle. Vertraue, vertraue auf mich. Mein Dank, Sophiens Dank, unser Aller Dank wird Dich für alles Gute, was Du uns schon gethan, Du allein uns gethan, bis zum letzten Odemzuge begleiten ... Wir Alle grüßen euch Alle tausendmal.

Als auf diesen Brief eine abschlägige Antwort kam, weil der Bruder, trotz seiner steten Bereitwilligkeit zu helfen, diesmal die Bitte nicht erfüllen konnte, entschloß sich Brockhaus' Frau ohne Vorwissen ihres Mannes nochmals an den Schwager zu schreiben. Ihr Brief, einer der wenigen, die von ihr erhalten sind, gibt ein treues Bild ihrer einfachen, aber gediegenen und gesunden Natur. Das im Eingang des Briefs erwähnte sechste Kind, Max, war wenige Monate vorher, am 19. Juni 1807, geboren worden; es starb übrigens nach kaum drei Jahren, im März 1810, in Dortmund. Sie schreibt aus Amsterdam vom 29. September 1807:

Lieber Herr Bruder!

Ich schreibe Ihnen diesen Brief ohne Vorwissen meines guten Brockhaus; dieser ist auf Comptoir, und ich sitze hier im Kreise aller meiner Sechse, Max schläft eben, und das Kindermädchen mag sehen, wie sie ein halb Stündchen mit den übrigen fertig wird, denn ich muß absolut mit Ihnen sprechen.

Daß es uns gut geht, daß wir zufrieden sind, daß Brockhaus in seinen Geschäften glücklich ist, sich glücklich darin fühlt, daß wir bei dem schrecklichen Lauf der Weltbegebenheiten und der Zernichtung des englischen Handels hier (für den, der nicht über große Fonds zu disponiren hat) sehr froh sind, die Trümmer unsers Vermögens in ein Geschäft gerettet zu haben, das, wenn es, wie es scheint, mit dem Glücke fortgeht, als es angefangen wurde, uns ein redliches Bestehen sichern wird — dies Alles, werthester Bruder, wissen Sie wohl und gewiß von Brockhaus. Aber Brockhaus findet gerade jetzt in dem guten Fortgange seines Geschäfts Veranlassung zu Sorgen, auf die er nicht gefaßt war und die ihn erstaunlich angreifen, da er sich möglich denkt, daß, wenn er gar nicht im Stande wäre Hülfe zu finden, alle unsere guten Aussichten wieder zusammenfallen, er seinen unbegrenzten Credit in Leipzig, den er sich so mühsam angebaut, verlieren, und wir Alle dann eigentlich unglücklich werden könnten. Sie wie ich würden ihm hier dann die Erinnerung machen können, daß er sich nach seinen Mitteln hätte einschränken müssen; allein er bemerkt darauf, daß sich das nicht auf ein paar tausend Gulden im ganzen Jahre lang berechnen ließe &c. Das kann ich auch nicht beurtheilen. Aber die Sache ist, daß hier in Brockhaus seinem Geschäft Alles auf Jahresrechnung geht, er aber Vieles beständig bezahlen muß, Frachten, Papier, Druckerlohn &c. beständig viel Geld wegnehmen, und daß Brockhaus, um Credit zu kriegen, Vieles hat prompt bezahlen müssen, wo er in Zukunft Credit haben wird — kurz, Brockhaus hat für den Lauf dieses Jahres noch ein paar tausend Gulden zu bezahlen, wozu er hier keine Aussicht hat, um sie in diesem Jahre anschaffen zu können. Wir leben erstaunlich eingezogen, haben fast mit keinem Menschen Umgang, und wo wir Freundschaft mit haben, die haben keine Mittel, worüber sie disponiren können, und in Amsterdam muß man nicht mit Geldfragen kommen: eine kalte abschlägige Antwort ist, was man zu erwarten hat, und ihre Achtung und Freundschaft, ja gar Vertrauen — Alles ist weg.

Brockhaus hat sich also, lieber Bruder, in seinen Sorgen um die paar tausend Gulden, die ihm die Kohlen auf den Fuß legen, an Sie gewendet, weil er hoffte, daß Sie in Ihrem Verhältnisse eher Rath dazu schaffen könnten und aus Liebe für uns Alles thun würden, was in Ihren Kräften wäre. Schrecklich war daher gestern seine Täuschung, als Ihr Brief ihm sagte, daß Sie jetzt nicht könnten. Der Himmel weiß es, wie er es machen wird, da ich weiß, daß er in acht Tagen schon ein paar Wechsel bezahlen muß und im nächsten Monat Alles gebraucht. Mir ist also eingefallen, ob Sie in Verbindung und in Ueberlegung mit Luise30 und Rittershaus die doch nicht gar große Summe zusammenbringen könnten. Rittershaus hat Vermögen und Credit, und ich vertraue auf Luise, daß sie etwas auf Rittershaus vermag und er ihr und mir eine solche Gefälligkeit nicht abschlagen werde. Ich weiß auch, daß Brockhaus im Stande ist, es ihm nöthigenfalls im Januar oder zur Ostermesse wieder zurückzugeben, vielleicht könnte er ihm Kleie dafür senden. Das Wenige, was mir früher oder später zufallen wird, gebe ich auch gern bis zum Ersatz. Ueberlegen Sie es also mit Luise. Thun Sie, was Sie können, Sie machen mich dadurch zum glücklichsten Weibe. Ich habe nicht nöthig, Ihnen zu erinnern, daß es mir lieb sei, wenn darüber kein Gerede entstehe. An Luise schreibe ich nur ein paar Zeilen, Sie werden die Güte haben, sie von der wahren Lage der Sachen zu unterrichten, daß es nicht Mangel überhaupt ist, sondern Verlegenheit gegen Ende des Jahres und unvorhergesehene starke Ausgaben und da wir keine Ressourcen haben. O wie glücklich würde ich sein, wenn der nächste Posttag mir sagte, daß Sie etwas für uns thun könnten — Ihr Herz bürgt mir für Ihren Willen.

Nicht mit ganz frohem Herzen sage ich Ihnen Lebewohl. An Lottchen und Papa tausend Grüße. Ich bin Ihre Sie hochschätzende Schwester

Sophie Brockhaus.

Ob ihre Bitte Erfolg hatte, geht aus den wenigen aus dieser Zeit erhaltenen Briefen nicht hervor, doch ist es wahrscheinlich, da in den nächsten Monaten von finanziellen Verlegenheiten nicht weiter die Rede ist.

5.
Reisen zur leipziger Buchhändlermesse

Bei der Bedeutung und Ausdehnung, die Brockhaus' buchhändlerisches Geschäft rasch erlangt hatte, war es (wie er auch unterm 18. September 1807 seinem Bruder schrieb) seine bestimmte Absicht, alljährlich Ostern zur Buchhändlermesse nach Leipzig zu reisen. Ein Besuch derselben war zu jener Zeit noch wichtiger als er es gegenwärtig ist, besonders für den Besitzer eines neuerrichteten Geschäfts; auch hatte er bereits vielfache geschäftliche Beziehungen in Leipzig, deren Pflege und Erweiterung ihm am Herren lag; endlich freute er sich darauf, die Stadt wiederzusehen, in der er als junger Mann eifrigen Studien obgelegen und wol zuerst den Entschluß gefaßt hatte, selbst einmal den Buchhändlerstand zu wählen.

Im Frühjahr 1808 hoffte er den langgehegten Plan zum ersten male ausführen zu können, allein seine Hoffnung wurde wieder vereitelt. Kurz nach der Michaelismesse 1807 hatte er plötzlich denjenigen Gehülfen verloren, der, wie er in einem Circulare sagt, »zeither unser schnell wichtig gewordenes deutsches Sortimentsgeschäft allein besorgt und dirigirt hatte«; es war der in seinem Briefe vom 25. August 1807 erwähnte Gehülfe, der im Herbst 1806 aus Hannover in das Geschäft getreten war und in der Ostermesse 1807 das Kunst- und Industrie-Comptoir in Leipzig vertreten hatte, doch ist uns weder sein Name noch der Grund seines plötzlichen Wiederaustritts aus dem Geschäfte bekannt. Brockhaus engagirte zwar sofort einen andern Gehülfen, Namens Zinkernagel, der bisher in der Buchhandlung von Heinsius in Leipzig angestellt gewesen war, schloß mit ihm nach damaliger Sitte sogar einen Contract ab und schickte ihm Reisegeld sowie einen Vorschuß; aber statt des sehnlichst erwarteten Gehülfen traf im Februar 1808 ein Brief von dessen bisherigem Principale ein, worin dieser bat, ihm denselben ganz oder wenigstens noch bis zur Ostermesse zu lassen, wo er dann ja zugleich die Geschäfte seines neuen Hauses besorgen könne. Brockhaus lehnte unterm 29. Februar diese »Zumuthung«, die ihm »sehr auffallend und befremdend« sei, mit der ihm eigenthümlichen Bestimmtheit und Offenheit ab, indem er dem Briefe an Heinsius in einem Gemisch von Ironie und Zorn hinzufügte: »So vielen Antheil wir auch an Ihrer persönlichen Wohlfahrt und an dem regelmäßigen Gange Ihrer Geschäfte immerhin nehmen, so kann dieser Antheil sich doch nicht so weit erstrecken, daß wir darum unsere eigene Wohlfahrt aufopfern und unsere nicht unbedeutenden Geschäfte nur in Wirrwarr sich auflösen lassen sollen. Es entspricht ebensowenig der Lage unserer Geschäfte, Herrn Zinkernagel die Ostermeßgeschäfte thun zu lassen und ihm oder Ihnen zuzugestehen, daß er in Erwartung derselben einstweilen dorten bleibe. Der Chef unserer Handlung wird selbst diese Messe besuchen, und geschieht das nicht, so werden wir diejenigen Maßregeln nehmen, die uns am zweckmäßigsten dünken. Wir geben heute Herrn Zinkernagel wiederholt auf, ohne Verzug eines einzigen Tags seine Reise hierher anzutreten.« Trotz alledem scheint Zinkernagel gar nicht nach Amsterdam gekommen zu sein.

Nur wenige Wochen nach diesem Briefwechsel, am 12. April, schreibt Brockhaus an den Buchhändler Heyse in Bremen: er habe von Herrn Culemann in Hannover gehört, daß sich bei ihm ein junger Mann befinde, der sich zum Gehülfen in seiner Handlung eigne, und bitte ihn um Auskunft über denselben; er stehe zwar bereits mit einem andern in Unterhandlung, diese werde sich aber wahrscheinlich zerschlagen. Heyse scheint dem jungen Manne ein gutes Zeugniß gegeben zu haben, denn am 30. April meldet Brockhaus wieder an Heyse, daß er ihn engagire. Der Betreffende kam denn auch wirklich nach Amsterdam. Es war dies Friedrich Bornträger, der spätere Verlagsbuchhändler in Königsberg; er blieb drei Jahre lang bei Brockhaus und wurde während dieser Zeit dessen Vertrauter, sodaß wir ihm fortan viel begegnen werden.

 

Leider konnte auch er nicht sofort, sondern erst im Sommer seine Stelle antreten, wahrscheinlich weil Heyse ihn nicht eher entbehren konnte. Brockhaus schreibt darüber an Letztern:

Nun, es sei denn, haben wir uns seit 4-5 Monaten durchgeschlagen und darüber sogar die Messe versäumen müssen, so mag es denn auch noch 4 à 5 Wochen hingehen. Aber wir rechnen auf Ihr Wort auf das unbedingteste, daß Herr Bornträger am 12. Juni von Bremen abreisen kann. Wir machen darüber nicht weiter viele Worte. Ein Wort für hundert.

Wir wünschen Ihnen die beste Reise zur Messe, und bedauern wir nur, daß durch das Ausbleiben unsers engagirten Gehülfen es uns persönlich reine Unmöglichkeit geworden ist, ebenfalls die Messe zu besuchen, da wir in jeder Hinsicht so nothwendig dorten wären. Ob wir gleich Herrn Reclam gefunden haben, der unsere Meßgeschäfte wahrnehmen will, so kann er es doch nur halb. Vieles muß ganz versäumt werden, Vieles muß noch besorgt werden, das für Herrn Bornträger seine erste Arbeit sein muß.

An Bornträger selbst meldet er unterm 27. Mai, daß er ihm einige seiner letzten Kataloge mit Gelegenheit nach Aurich geschickt habe, und fügt folgende Worte hinzu, aus denen hervorgeht, wie er jede Gelegenheit zum Weiterausbau seines Geschäfts benutzte:

Nehmen Sie solche in Empfang und machen Sie davon auf Ihrer Hierherreise den möglichst nützlichsten Gebrauch. Da Ostfriesland jetzt zu Holland gehört, mithin von dort viele Berührungen mit Amsterdam, als dem Sitze des Gouvernements, Platz haben werden, wo der reiche Adel hierhin zu Aemtern und Ehrenstellen gezogen wird und manche andere Connexion stattfinden wird, so könnte Ostfriesland auch für uns nicht ganz ohne Bedeutung werden. Früher haben wir dies sonst nicht ambitionirt, weil damals Bremen und Hannover passender war.

In der Besorgniß, daß der junge Mann sich deshalb zu lange unterwegs aufhalten könne, warnt er ihn übrigens sofort, dies ja nicht zu thun, und schließt:

Wie gedenken Sie Ihre Reise hierhin zu machen? Und wann werden Sie abreisen? Wir erwarten Sie mit dem lebhaftesten Verlangen und sind Ihnen mit Freundschaft zugethan.

Der Gebrauch des »wir« statt »ich« selbst in solchen Briefen persönlicher Art erklärt sich daraus, daß Brockhaus in dieser Zeit alle Briefe, auch eigenhändige, mit der Firma »Kunst- und Industrie-Comptoir« unterschrieb und nur bisweilen noch seinen Namen hinzufügte.

Daß er nicht nach Leipzig zur Messe kommen könne, zeigte er dem Buchhandel in einem vom 24. April aus Amsterdam datirten Circulare ausdrücklich an, vermuthlich, weil er schon Vielen sein Hinkommen in Aussicht gestellt hatte. Er erwähnt darin, wie gegen Heyse, daß auf seine Bitte Herr Karl Heinrich Reclam sich entschlossen habe, diesmal für das Kunst- und Industrie-Comptoir zu rechnen und das ganze Meßgeschäft zu besorgen. Daß Herr Gräff, sein bisheriger leipziger Commissionär, dies nicht besorge, erklärt er damit, daß »unsere Meßgeschäfte seinen ganzen Mann erfordern und Herr Gräff so sehr mit eigener Arbeit überhäuft ist, daß wir diesem die unserige mit wahrzunehmen nicht zumuthen konnten«; doch wird dies wol nur eine der bei einem Wechsel des Commissionärs auch heutzutage noch üblichen Höflichkeitsphrasen gewesen sein und der wahre Grund in Differenzen mit Gräff gelegen haben. Zugleich kündigt er an, daß er in Ansehung der ihm für sein Sortimentsgeschäft zu sendenden Neuigkeiten nothgedrungen »eine neue Ordnung einführen« müsse; er erhalte zu viel für ihn unnütze Artikel, werde deshalb künftig nach dem Meßkataloge selbst wählen und bitte daraus einen Maßstab für seine Bedürfnisse außer den Messen zu entnehmen. Dann fährt er fort:

Bei der ununterbrochenen Aufmerksamkeit, die wir auf Alles haben, was in Deutschland erscheint, entgehen uns ohnehin diejenigen Artikel nicht leicht, welche wir hier besonders gebrauchen können. Wir interessiren uns für die Verbreitung der deutschen Literatur in Holland auf das lebhafteste, wie Ihnen nach dem Maße unsers seitherigen Bedürfnisses bei so kurzer Dauer unsers Etablissements schon wird bemerkbar gewesen sein. Jetzt, da unsere Stadt noch zur königlichen Residenz erhoben worden ist, da sich das Gouvernement und das diplomatische Corps ebenfalls hierher begibt, jetzt haben wir bei unserer Thätigkeit Aussicht, daß unsere Geschäfte sich noch bedeutend heben werden, besonders wenn wir einmal Frieden mit England bekommen sollten. Uns in diesem Bestreben zu unterstützen, ist unsere ergebenste Bitte an Sie. Wir werden uns bemühen, Ihnen dadurch selbst nützlich zu werden, und Ihr Vertrauen gebührend zu achten wissen.

Dem Circulare ist ein Verzeichniß seiner »Novitäten zur Ostermesse 1808«, der in seinem Verlage neu erschienenen und, wie damals üblich, auf die Messe mitgebrachten Werke, beigefügt. Auch zahlreiche »Commissionsartikel« werden dabei vorgeführt, meist Verlagsartikel holländischer Buchhändler, darunter auch »der Schenkische Atlas von Sachsen«, und Musikalien, mit der Bemerkung, daß das Kunst- und Industrie-Comptoir es »gern übernehme, alle in Holland herausgekommenen und herauskommenden Bücher zu besorgen, wenn solche noch im Buchhandel zu haben« — ein Zeichen, daß Brockhaus sein Geschäft nach allen Richtungen hin ausdehnte und ihm namentlich immer mehr einen internationalen Charakter zu geben suchte.

Unter den »gegen Ende des Jahres erscheinenden Neuigkeiten« werden in dem Circulare zwei Werke aufgeführt, die später weder bei ihm noch unsers Wissens überhaupt erschienen sind: ein »Lehrbuch des Staatsrechts des Rheinischen Bundes« von Hofrath und Professor Seidensticker in Jena und eine »Deutsche und französische Encyklopädie für die Jugend gebildeter Stände, in einem dreijährigen Cursus zum Unterricht in den nöthigsten Vorkenntnissen und zur Beförderung der Fertigkeit, beide Sprachen verstehen, schreiben und sprechen zu lernen«, von Hofrath und Professor C. G. Schütz in Halle. Ueber letzteres Werk finden sich auch zwei Briefe von Brockhaus an Schütz, in deren erstem (vom 22. Februar 1808) er den nähern Plan und einige Proben der ihm zuerst von Schütz angebotenen Encyklopädie verlangt, während er in dem zweiten, ein volles Jahr später (am 8. Mai 1809) geschriebenen, kurz sagt, daß er jetzt auf die Anerbietung nicht eingehen könne. Charakteristisch ist die Vorsicht, mit der er gleich anfangs das Anerbieten beantwortet:

Wenn das Werk nur nicht zu bändereich werden sollte, was wir bei unsern Unternehmungen gar nicht lieben, und es in nicht langer Zeit kann complet geliefert werden, Ew. Wohlgeboren uns auch in Rücksicht des Honorars nur sehr billige Bedingungen machten und der Plan übrigens unsern Beifall erhielte, so dürften wir vielleicht auf die Anerbietung eingehen.

Noch interessanter für uns ist aber folgende Stelle desselben Briefs:

Wir erlauben uns bei dieser Gelegenheit die Anfrage: ob nicht das von Ew. Wohlgeboren schon seit geraumer Zeit angekündigt gewesene Lehrbuch über encyklopädische Literatur bald erscheinen werde? Schreiber Dieses erinnert sich mit sehr vielem Vergnügen einiger Vorlesungen, die er vor etwa 10 Jahren bei einer Reise durch Jena hierüber von Ew. Wohlgeboren hörte, und war es, glaubt er, schon damals ein allgemeiner Wunsch, einen gedruckten Grundriß zu diesem von Ew. Wohlgeboren jährlich wiederholten Cursus zu besitzen; seitdem ist derselbe, wenn wir nicht irren, mehrmalen in den Meßkatalogen angekündigt worden, aber, soviel wir wissen, immer nicht erschienen. Sollten von seiten der Verlagshandlung Schwierigkeiten dabei stattfinden, so würden wir uns darüber mit Ew. Wohlgeboren zu einigen wünschen.

Der hier erwähnte kurze Besuch in Jena hatte jedenfalls 1794 oder 1795 während Brockhaus' Aufenthalts in Leipzig zu seiner Ausbildung oder nach Beendigung desselben auf der Rückreise nach Dortmund stattgefunden; er benutzte also die wenigen Tage seines Aufenthalts in Jena zum Besuche der Vorlesungen des damals sehr angesehenen Hofraths Schütz und wahrscheinlich noch anderer Professoren: ein neuer Beweis seines schon damals regen Interesses für Literatur und Wissenschaft.

Gleich in dieser ersten Zeit seiner Verlegerthätigkeit begnügte sich Brockhaus nicht damit, die Manuscripte einfach so abzudrucken, wie sie ihm von den Verfassern zukamen, vielmehr prüfte er sie genau und wirkte oft auf ihre Abänderung hin. So sagt er in einem Briefe an Legationsrath Bertuch in Weimar vom 12. Juli 1808, mit welchem er diesem das Manuscript des (ebenfalls in Weimar lebenden) Freiherrn von Groß über die Kriegsgeschichte der Jahre 1792-1808 zum Druck schickte:

Wir schreiben dem Herrn Verfasser heute weitläuftiger über Titel, Form und Inhalt, welche unsere Bemerkungen er Ihnen zur gefälligen Mitbeurtheilung communiciren wird. Der Inhalt und der Plan wie die ganze Idee des Werks hat unsern Beifall und wir haben daran nichts oder wenig zu erinnern. Die Form und der Stil aber ist nicht so, wie er sein könnte und wie er im jetzigen Zeitalter gefordert wird. Es könnte diesem aber ohne besondere Mühe nachgeholfen werden, wenn vor dem Drucke ein guter Stilist das Manuscript revidirte und hin und wieder wegschnitte oder nachhülfe. Sie würden uns unendlich verbinden, wenn Sie dazu Jemanden auffinden wollten. Wir verstehen uns gern zu einer billigen Vergütung. Zum Titel haben wir dem Herrn Verfasser zwei Vorschläge gemacht. Prüfen Sie solche gefälligst. Wir lassen uns gerne sagen ... Wir empfehlen Ihnen das Werk des Herrn von Groß so, als wäre es Ihr eigenes. Dies ist genug gesagt. Rechnen Sie auf unsern Dank und unsere Erkenntlichkeit. Es wird nicht möglich sein wahrscheinlich, Ihnen in den ersten vier Wochen darüber näher zu schreiben, da Schreiber dieses wahrscheinlich in der andern Woche nach Paris reisen muß, indem wir mit einer französischen Buchhandlung wegen Ueberlassung der Massenbach'schen Memoiren (im Manuscript) zu einer französischen Uebersetzung in Unterhandlung sind, was auch mit Philips in London der Fall ist. Handeln Sie darum in zweifelhaften Fällen nach bester eigener Einsicht. Alles, was Sie thun, ist und wird wohlgethan sein. Michaelis muß nur Alles fertig sein. Bei irgendeiner Möglichkeit kommt Schreiber dieses zu Michaelis nach Leipzig. Die Verhältnisse unserer Handlungen werden gewiß zu Ihrer Zufriedenheit auseinander- und fortgesetzt werden.

Ueber die Massenbach'schen Werke sagt er noch in demselben Briefe:

Vom Obersten von Massenbach haben wir nun sein Tagebuch, seine Memoiren von 1787 bis 1807 und Rückerinnerungen an große Männer übernommen: ohne Zweifel mit die interessantesten Werke, welche über die neuere Geschichte seit zwanzig Jahren sind bekannt gemacht worden. Das bei Sander von Massenbach angekündigte Werk erscheint nicht und wird in eins dieser verschmolzen. Die in Berlin gestochenen Karten und Pläne, von denen schon sechs fertig sind, werden Ihnen als Kenner viele Freude machen. Wir haben in Deutschland noch nichts von gleicher Vollendung gesehen.

Die mit einer französischen Handlung (Treuttel & Würtz in Paris) angeknüpften Verhandlungen wegen einer Uebersetzung oder Bearbeitung der Massenbach'schen Memoiren zerschlugen sich übrigens, und infolge dessen unterblieb auch vorläufig die Reise nach Paris.

Brockhaus reiste dagegen im Herbst 1808 zur Michaelismesse nach Leipzig; es war das erste mal, daß er diese Stadt als Buchhändler besuchte, damals wol nicht ahnend, daß er daselbst einen großen Theil der nächsten Jahre, während sein Geschäft noch in Amsterdam war, zubringen und später selbst mit seinem Geschäfte, nach einer kurzen Zwischenperiode in Altenburg, bleibend dahin übersiedeln werde.

Die Michaelismesse in Leipzig hatte damals für den Buchhandel eine größere Wichtigkeit als jetzt, wo sie nur noch den Endtermin für die in der Ostermesse nicht vollständig erledigten Zahlungen bildet. Brockhaus wollte seine zu Ostern dieses Jahres unmöglich gewordene Reise nach Leipzig nicht wieder bis zur Ostermesse des nächsten Jahres aufschieben, weil es ihm nach dem im Juni erfolgten Eintritte des neuen Gehülfen Bornträger eher möglich war, sich auf einige Wochen von Amsterdam zu entfernen, und außerdem der Stand seiner Angelegenheiten in Leipzig eine persönliche Anwesenheit daselbst dringend nöthig machte.

 

Der dortige neue Commissionär Reclam hatte nämlich die ihm übertragenen Meßgeschäfte durchaus nicht zu Brockhaus' Zufriedenheit besorgt. Ohne in diesem Falle, wie in manchem ähnlichen, uns auf die eine oder die andere Seite der streitenden Parteien zu stellen — wozu die noch vorhandenen Actenstücke meistens auch nicht ausreichen — suchen wir die Sachlage möglichst objectiv darzulegen.

Brockhaus veröffentlichte sofort nach seiner Ende September erfolgten Ankunft in Leipzig ein Circular, datirt Leipziger Michaelismesse 1808, dem wir Folgendes entnehmen:

Der Chef unserer Handlung, Herr Brockhaus, findet bei seiner Ankunft in Leipzig zur Messe ein Circular des Herrn Reclam vor, worin sich dieser Mann über die Vorwürfe, die wir ihm privatim wegen der Besorgung unserer Geschäfte gemacht haben, öffentlich verantwortet. Die Pflichten, die wir gegen unsere Handlung haben, erlauben es uns nicht, zu diesem so ungewöhnlichen Circulare des Herrn Reclam ganz zu schweigen, ob wir gleich glauben, daß Herr Reclam durch den Charakter dieses seines Circulars gerade unsere Vertheidigung führe, da es nicht auffallen kann, daß man mit Jemandem, dessen Seele sich so ausspricht, als hier in diesem Circulare geschieht, leicht zerfallen könne und mit ihm nicht gut zu leben und zu wirken sein müsse. Hier jedoch eine kurze Erwiderung.

Darauf folgt zunächst eine Erzählung der uns bereits bekannten Umstände, daß er seit der Michaelismesse des vorigen Jahres seinen bisherigen Gehülfen verloren habe u. s. w.; »noch nicht an das Mechanische dieses Geschäfts gewöhnt und im Gedränge unserer sonstigen mannichfaltigen Arbeiten, konnte es nicht anders sein, als daß in der Zwischenzeit von Michaelis bis Ostern Manches nicht mit der Ordnung besorgt werden konnte, die allerdings strenge genommen gefordert werden kann.« Er habe trotzdem Ende April die Meßstrazzen an Reclam sowie die Noten der Remittenden gesandt und ihn dadurch in den Stand gesetzt, wenigstens mit allen Handlungen rechnen zu können. Dies sei aber großentheils nicht geschehen und darüber ein Briefwechsel entstanden, »der von unserer Seite vielleicht nicht ohne Heftigkeit (!), von der Seite des Herrn Reclam mit roher Plumpheit (!) geführt wurde«. Leider ist dieser gewiß auch für Brockhaus charakteristische Briefwechsel unsers Wissens nicht erhalten, und ebenso wenig war es uns möglich, das betreffende Circular Reclam's zu erhalten, dessen Fehlen uns verhindert, auch die andere Partei zu hören.

Brockhaus fährt fort:

Wir eilten nun, alle Verhältnisse mit ihm abzubrechen, und wir drangen mit Ungestüm auf Abrechnung und auf das Zurücksenden der Bücher. Erstere erfolgte endlich gegen Ende Juli. Unser Soll und Haben glichen sich ganz aus. Die Bücher aber haben wir erst den 9. September, also vier Monate nach der Ostermesse, zurückerhalten!! Diese unerhörte Vernachlässigung war für uns um so empfindlicher, da wir, wie schon gesagt, ohne alle und jede detaillirte Berichte von Herrn Reclam geblieben waren und wir uns ganz außer Stand gesetzt sahen, irgendetwas zu unternehmen, was die Ausgleichung der offen gebliebenen Contis pro und contra hätte befördern können. Daß wir uns hierüber mit Nachdruck geäußert haben, wird Jeder begreifen, der sich in unsere Lage hineindenken will, da durch die Folgen des Betragens und der Geschäftsführung des Herrn Reclam sich unser ganzes Sortimentsgeschäft aufzulösen drohte. Die Entschuldigungen des Herrn Reclam, oder die Invectiven vielmehr, womit er uns zu überschütten beliebt, sind ohne allen Grund: er war unser Commissionär, nicht unser Chef. Er mußte entweder unser Geschäft nach unsern Angaben und Aufträgen ausführen, oder — es gleich abgeben. Dies hat er nicht gethan; wir sind gezwungen gewesen, es ihm zu nehmen.

So weit unsere Antwort durch Worte. Jetzt die durch die That. Wir haben am 9. September unsere Bücher zurückerhalten. Zwölf Tage nachher ging der Chef unserer Handlung schon wieder nach Leipzig. Es war natürlich unmöglich, in dieser Zwischenzeit von Hause aus etwas zur finalen Ausgleichung der für und gegen offenstehenden Rechnungen zu thun. Es wird dies jetzt zur Messe geschehen: wir werden alle noch restirenden Saldi rein und baar abbezahlen, sollte auch an uns, die weit mehr zu empfangen als zu zahlen hatten, kein einziger Pfennig hier eingehen.

Jetzt beurtheile jeder rechtliche Mann das Betragen des Herrn Reclam gegen uns, und Ton und Farbe seines Circulares!

Wir haben uns hier an eine trockene Darstellung der Thatsachen gehalten; wir achten uns zu sehr, um die Invectiven des Herrn Reclam mit gleichen zu beantworten. Wir trauen es auch wenigstens seinem eigenen Verstande zu, daß er — um uns hier milde auszudrücken — seine Leidenschaftlichkeit und Unvorsichtigkeit erkennen, und darüber nicht ohne Schamgefühl bleiben werde.

Wie die Angelegenheit mit Reclam geordnet wurde, ist uns nicht bekannt; wir wissen nur, daß zunächst der Buchhändler Johann August Gottlob Weigel an Reclam's Stelle die leipziger Commission für Brockhaus übernahm. Letzterer sagt in dem ersten aus Leipzig an Bornträger nach Amsterdam geschriebenen Briefe vom 4. October: »Ich habe meiner Frau über die wichtigsten Angelegenheiten direct geschrieben; sie wird Ihnen das mittheilen, und ich beziehe mich darauf, um mich nicht zu wiederholen, wozu es mir an Zeit fehlt.« Dieser Brief an seine Frau ist aber leider nicht mehr vorhanden.

Dagegen ist von dieser ersten Geschäftsreise nach Leipzig ein Actenstück erhalten, dessen Gegenstand von der größten Wichtigkeit für sein ganzes Leben wurde: der Contract über den Ankauf des »Conversations-Lexikon«.

Brockhaus ist nicht sozusagen der »Erfinder« des »Conversations-Lexikon«, wie Viele meinen; es hat vor seiner Zeit in der deutschen wie in mancher andern Literatur ähnliche Werke gegeben, und selbst dasjenige »Conversations-Lexikon«, das zum Grundstein seines nach harten Schicksalsprüfungen endlich festbegründeten Hauses wurde und seitdem den Mittelpunkt der umfassenden Verlagsthätigkeit desselben gebildet hat, ist nicht von ihm selbst begonnen worden, sondern war in der ersten Auflage bereits fast ganz vollendet, als er es ankaufte, wie auch der Name »Conversations-Lexikon« nicht von ihm herrührt. Und dennoch ist er als der eigentliche Begründer des Werks anzusehen und gilt auch in der deutschen Literatur mit Recht als solcher, da er erst durch seine Energie, Intelligenz und Umsicht dasselbe zu dem machte, was es für ihn, für sein Geschäft und für die Welt geworden ist. Wenn es überhaupt bei buchhändlerischen Unternehmungen viel weniger auf die erste Idee, als auf die geschickte und praktische Ausführung derselben ankommt, so trifft dies besonders in diesem Falle zu.

Dasjenige Werk, welches in den Verlagskatalogen der Firma F. A. Brockhaus als die erste Auflage ihres »Conversations-Lexikon« bezeichnet ist, mit den spätern Auflagen desselben aber nicht viel mehr noch als den Titel gemein hat, wurde im Jahre 1796 unter dem Titel: »Conversations-Lexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten«, begonnen. Der (übrigens nicht genannte) Herausgeber war ein sonst nicht weiter bekannter Dr. Renatus Gotthelf Löbel in Leipzig (geb. 1. April 1767 zu Thallwitz bei Eilenburg, gest. 14. oder 4. Februar 1799 zu Leipzig), der Verleger Friedrich August Leupold daselbst. In der Vorrede ist gesagt: Vor 30, 40 Jahren habe Hübner's »Zeitungs- und Conversations-Lexikon« hingereicht, das Bedürfniß nach politischen Kenntnissen, die damals fast allein Gegenstand der Conversation gewesen, zu befriedigen; jetzt aber, wo »ein allgemeineres Streben nach Geistesbildung, wenigstens nach dem Scheine derselben« herrsche, sei »ein dem gegenwärtigen Umfange der Conversation angemessenes Wörterbuch« nothwendig. Am Schlusse heißt es, daß der Verleger, um auch das »schöne Geschlecht« auf das Werk aufmerksam zu machen, dasselbe auch unter dem Titel: »Frauenzimmer-Lexikon zur Erleichterung der Conversation und Lectüre«, ausgeben werde, doch scheint dies nicht geschehen zu sein. In den Jahren 1796-1800 erschienen die vier ersten Theile, also kaum jedes Jahr ein Theil. Das Werk war damit erst bis zum Ende des Buchstaben R gediehen und schien unvollendet bleiben zu sollen. Endlich, nach einer Pause von sechs Jahren, 1806, wurde der fünfte Theil bei einem andern Verleger, Johann Karl Werther in Leipzig, und wieder zwei Jahre später, 1808, abermals bei einem neuen Verleger, Johann Gottfried Herzog in Leipzig, der sechste und letzte Theil veröffentlicht. Vor der Ausgabe desselben hatte indeß bereits Brockhaus das Werk gekauft, jedoch nicht von dem letzten, auch auf dem Titel genannten Verleger Herzog, sondern von dem Buchdrucker Friedrich Richter in Leipzig. Dieser, der Besitzer des Leipziger Tageblattes, hatte vermuthlich das Werk gedruckt und an Zahlungsstatt behalten müssen; kein Wunder, daß er es gern wieder abgab, als sich ein Käufer fand.

3030 Ihre an den Kaufmann W. Rittershaus in Dortmund verheirathete älteste Schwester.